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Wie können Partizipative Gestaltungsprozesse im Stadtbild durchgeführt werden? Welche Rolle hat der/die Designer*in dabei?

Wie können Partizipative Gestaltungsprozesse im Stadtbild durchgeführt werden? Welche Rolle hat der/die Designer*in dabei?

In Partizipativer Zusammenarbeit mit Jugendlichen der ARCHE Drewitz durchlaufe wir die Entwicklung einer Illustration. Inhalt der Illustration wird das Thema „Träume“ sein. Mein gestalterischer Anteil wird darin bestehen, den Gestaltungsprozess zu leiten, den Jugendlichen die Motivation und den Raum zu geben, den sie benötigen um eigenes Gestalten ausleben zu können und zu wollen ohne, dass sie eine gestalterische Ausbildung haben. Neben meiner begleitenden Funktion in dieser Gruppe werde ich die Redaktion übernehmen: skalieren, bearbeiten, künstlerisch verstärken, die Reihenfolge anlegen - damit der Betrachter in die erzählte Geschichte einsteigen kann. Durch die Analyse von drei Projekten die ebenfalls im Partizipativen Gestaltungsprozess entstanden sind, werde ich mir Kriterien dieser Vorgehensweise erarbeiten und die Frage stellen welche Rolle der Designer / die Designerin in diesen Partizipativen- und Socio Design-Prozessen übernimmt. Diese Kriterien werde ich in den Illustrationsworkshops, welche ich leite, anbringen. Der zweite Teil meiner praktischen Anwendung wird es sein aus den Ergebnissen der Workshops ein Wandbild oder eine Rauminstallation zu erstellen.

1.EINLEITUNG

1.1 FRAGESTELLUNG

Wie können PARTIZIPATIVE GESTALTUNGSPROZESSE im Stadtbild durchgeführt werden? Welche ROLLE HAT DER/DIE DESIGNER*IN dabei?

1.2 VORGEHENSWEISE

Mehrere partizipative Gestaltungsprojekte, die in Städten schon durchgeführt wurden, motivierten mich, eine Bachelorarbeit über zugrundeliegende Prozesse dieser und die Rolle des oder der DesignerIn dabei zu schreiben. Nach meinem sechsjährigen Designstudium hat sich mein Blick auf meine Rolle als Designerin insofern verändert, als ich denke, dass viel gestalterisches Potential in der direkten Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Disziplinen liegt. Ich konnte selbst schon Ähnliches durchführen und wurde dazu motiviert, diese Wege des prozessorientierten, benutzerorientierten und sozialen Designs genauer zu betrachten. Ich werde einige solcher Projekte in meiner Thesis analysieren und Kriterien aufstellen, nach denen partizipative Projekte durchführen werden können. Darüber hinaus werde ich meine Vorgehensweise anhand eines Projektes, das ich mit jugendlichen Mädchen der ARCHE Einrichtung durchgeführt habe, aufzeigen. In dem ersten Teil der Arbeit werde ich mich mit einer veränderten Rolle der DesignerInnen beschäftigen, dabei werde ich mich an Projekten aus dem Partizipativen Design, Socio-Design und Social Design orientieren. In diesen Projekten will ich hervorheben, welche Rolle der oder die Gestalterin im Prozess mit nicht ausgebildeten GestalterInnen einnimmt und welcher Kriterien er oder sie sich dabei bedienen kann, um neue, verbesserte oder authentischere Designlösungen zu entwickeln. Die Ausführung des angewandten Teils der Bachelorarbeit plane ich im Format einer Wand- oder Raummalerei. Denn Wandmalerei, auch Murals genannt, ist „die älteste Kulturleistung der Menschheit“ . Es wurden Wandmalereien in den Höhlen von Lascaux in Frankreich gefunden, die 18.000 Jahre alte Bilder zeigen. Wandmalerei war schon immer eine Art der Kommunikation, ob anhand religiöser Bilder an Wänden und Decken oder um auch dem analphabetischen Volk Geschichten zu erzählen, Propaganda zu verbreiten oder, im moderneren Kontext, einen Schriftzug für andere GraffitisprüherInnen so groß wie möglich zu präsentieren. Jörn Reiners, ein Muralkünstler aus Berlin, sagte über Wandbilder im öffentlichen Raum: „Keiner wird gefragt, ob er etwas sehen will oder muss Eintritt bezahlen - es ist überall sichtbar.“ Die Illustrationen, welche im Partizipativen Prozess mit Jugendlichen der Arche Drewitz entstanden sind, sollen im urbanen Raum sichtbar sein.

1.3 BEGRIFFSERKLÄRUNG

Um eine terminologische Grundlage für die vorliegende Bachelorarbeit zu schaffen, folgen drei Begriffserklärungen.

SOCIAL DESIGN Laut Jesko Fezer steht im Social Design die Entwicklung der beteiligten Akteure im Zentrum. Dabei ist das Design eine Art Experiment und ist zunächst ergebnisoffen, in dem die Frage nach dem Ergebnis erst relativ spät im Verlauf beantwortet wird. Dabei ändert sich der Fokus von „Was wird gestaltet?” zu „Wer ist am Gestaltungsprozess beteiligt, welche Werkzeuge werden benutzt, welche Fachkompetenz braucht es, welche Form von Wissen ist notwendig, um überhaupt sinnvoll an einer Fragestellung arbeiten zu können? Welche Leute mit welchem Wissen, mit welcher Kompetenz sollten involviert werden, um zu sinnvollen Prozessen und möglicherweise zu interessanten Ergebnissen zu kommen?“ June H. Park führt aus, dass wenn von Social Design die Rede ist, nicht ganz klar ist, welche Ausprägung des Phänomens gemeint ist. Dennoch so Park, teilen die diversen Ausprägungen des Phänomens Social Design implizit ein gemeinsames Verständnis. Es handelt sich dabei um das Alltagsverständnis des Wortes sozial, das über eine weite Bedeutungsspanne verfügt: im Sinne von gemeinnützig über hilfsbereit, mildtätig, mitfühlend, großmütig bis zu selbstlos und uneigennützig. Das karitativ-altruistische Moment scheint im ersten Moment das Wesensmerkmal des Social Designs zu sein. (Park 2014, 19) Social Design im Sinne sagt Brock schreibt Josef Gründler, geht Design über die Gestaltung kultureller Artefakte hinaus die Gestaltung von gesellschaftlichen Anwendungen selbst.

SOCIO DESIGN Unter dem Begriff Socio Design versteht der Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, Künstler und Kunsttheoretiker Bazon Brock eine Neuausrichtung des Designbegriffs. Der Designbegriff sollte seiner Auffassung nach von der primären Gestaltung von Industrieprodukten erweitert werden auf die Gestaltung von Lebensformen, Werthaltungen und sprachlichem Gestus. Der Grund dafür „liegt in der Tatsache, dass zwischenmenschliche Beziehungen wie auch Prinzipien der Lebensorganisation sowie Eigentümlichkeiten sprachlicher Kommunikation nicht so getrennt von der gegenständlichen realen Welt auftreten, wie das bisher angenommen wurde. Man kann sagen, dass die Gegenstände, wie etwa Industrieprodukte, dazu benutzt werden, solche abstrakten und nichtgegenständlichen Bedingungen des Lebens herzustellen. Während also das Social Design Konzept das Soziale im karitativ-altruistischen Sinne in den Mittelpunkt zu rücken scheint, wird beim Sozio-Design-Zugang das Soziale im gesellschaftsstrukturellen Sinne verwendet.“ (Brock 1977) Er definiert Socio Design also als Entwurf und Realisation von Formen der Lebensorganisation für Einzelne und Gruppen von Mitgliedern unserer Gesellschaft.

PARTIZIPATIVE PROZESSE Von einem Partizipativen Prozess wird gesprochen, wenn Produkte oder Prozesse zusammen mit dem oder der späteren NutzerIn in einem isolierten Prozess entwickelt werden. Ohne eine exakte Definition des Prozesses arbeiten DesignerIn und NutzerIn zusammen, um ein System oder Produkt zu entwickeln.

ZUSAMMENFASSUNG Laut Josef Gründler, der Professor an der FH Joanneum in Graz sowie Klang- und Medienkünstler, Sounddesigner und Leiter des Master-Studiengangs Communication, Media, Sound and Interaction Design ist, haben sich der Begriff Design und das Arbeitsfeld der Designerinnen in den letzten Jahren stark verändert. Design distanziere sich von der reinen Gestaltung von Kunsterzeugnissen hin zu einer prinzipien- fokussierten Richtigkeit (“systemorientierte Disziplin”) mit starken Bezügen zu Human- und Sozialwissenschaften. Die Möglichkeiten würden außerdem rapide durch neue technologische Gestaltungsvorgehensweisen erweitert. Er sagt, dass DesignerInnen ihre Erfüllung nicht mehr darin fänden, wohlhabende KundInnen in ihrer “Suche nach ästhetischer Abgrenzung zu bedienen”. Stattdessen hinterfragten sie ihre Position in einer Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werde. GestalterInnen setzten sich in sozialen Aktionen und Bewegungen ein, unterstützten Initiativen und versuchten, auf ihre authentische und unmittelbare Weise einen Beitrag zu leisten, um die Welt zu verbessern. Der deutsche Autor, Gestalter, Typograf und Schriftgestalter Erik Spiekermann schrieb 2015, dass DesignerInnen nicht nur die praktische Anlage haben, Kohärierendes schnell zu erkennen, sondern dieses merklich und somit auch nachvollziehbar zu machen. Dadurch könnten sie nicht nur Ideen hervorbringen, sondern auch ihre Verwirklichung planen, Prozesse leiten, abbilden und sichtbar machen. Auch Josef Gründler schreibt in seinem Buch Socio-Design Relevante Projekte: Entworfen für die Gesellschaft, dass „dieser große Anteil an Empathie, Lösungsorientiertheit und Gestaltungswillen dazu geführt hat, dass junge und zeitgenössische DesignerInnen vermehrt Gestaltung abseits von Werbung und klassischem Marketing suchen. Sie wollen sinnerfüllendere Aufgaben übernehmen, auch wenn es für die über ihrem Arbeitsalltag direkt in die Widersprüche eingebunden GestalterInnen wesentlich schwerer ist die kognitive Dissonanz auszublenden, als etwa vergleichbar für KünsterlerInnen.“ Dabei zählt er zu dem Begriff Social Design mehrere Dienstleistungen: Ökologisches Design und Green Design, barrierefreies Design, altersfreundliches Design, Universal Design und Co-Design, Design für die Dritte Welt, Umweltgestaltung, Urban Design, Social Urban Design und Social System Design. Nach diesen Auffassungen der Fähigkeiten von DesignerInnen investieren DesignerInnen Zeit darein, die Erfordernisse und Begabungen der NutzerInnen zu erforschen und dabei ist gemeinschaftliches Arbeiten für ganzheitliche Aufgaben unerlässlich. Sie als Kommunikationsfachfrauen und -männer wissen, dass die AbsenderInnen einer Nachricht soweit wie möglich verstanden werden müssen, damit der Sinn des Gestaltungsprozesses wirklich erfüllt wird. Dabei entstehen die optimalen Lösungen an den Übergängen der Disziplinen. Werden dabei, so Josef Gründler, Randgruppen mit eingebunden, führt das zu neuen Lösungen und gutem Design. Dieses neue Design regt Menschen wieder dazu an, neuartig zu denken und fühlen und sich entsprechend zu verhalten. Der Universitätsprofessor für Designpädagogik/Gestaltendes Werken in Vechta, June H. Park, wird in dem Buch Socio-Design Relevante Projekte: Entworfen für die Gesellschaft erwähnt. Park hinterfragt die Neuerscheinung von Social Design und ob sich Design vom Wirtschaftsfaktor zum Sozialfaktor verändert und findet dazu die Antwort: „Ja und Nein. Ja, weil die soziale Relevanz und Wirkung offensichtlich und zunehmend ist. Nein, weil Design nicht etwas werden kann, was es bereits von Anbeginn gewesen ist, nämlich Praxisfeld sozialästhetischer Auseinandersetzung.“ (Park 2014, 20)

2. UNTERSUCHUNG

In diesem Abschnitt will ich drei Projekte vorstellen, die in die Bereiche partizipative Gestaltung und Socio Design passen. Anhand dieser Ausführungen will ich Kriterien ableiten, wie partizipative Prozesse durchgeführt werden und wie im Socio Design vorgegangen wird. Dabei stelle ich zunächst die spanische Künstlergruppe Boa Mistura vor, die in Antofagasta in Chile, in Konzeption mit den AnwohnerInnen, die Hausfassaden der Stadt bemalt haben. Als Zweites gehe ich auf den deutschen Grafikdesigner Thomas Lupo ein, der fünf Monate in einer Favela in Brasilien lebte, um dort Kindern Techniken der Gestaltung beizu- bringen und mit deren Hilfe die Umgebung zu verändern. Als Drittes stelle ich die italienische Designerin Maria Luisa Rossi vor, die zusammen mit einer Ateliergruppe von StudentInnen die Infrastruktur von Detroit für Kinder durch Werkzeuge des Socio Designs verbesserte.

2.1 PRATIZIPATIVE / SOCIO DESIGN PROJEKTE

BOA MISTURA - ART AS A TOOL FOR CHANGE

Boa Mistura ist portugiesisch und bedeutet übersetzt „Gute Mischung”. Boa Mistura ist eine Gruppe, zusammengesetzt aus einem Architekten, einem Straßeningenieur, einem Illustrator und zwei Absolventen der Bildenden Kunst. Ihre Projekte befinden sich nicht nur im Bereich Graffiti und Wandgemälde, sondern sie bewegen sich, genau wie ihre unterschiedlichen Schwerpunkte im Team, in den Bereichen Illustration, Grafikdesign, Innenarchitektur und Architektur. Analog zu Josef Gründlers Annahme, dass sich DesignerInnen immer weniger damit zufrieden geben, reines Grafikdesign abseits von Werbung und Marketing zu gestalten, geben sich Boa Mistura ebenfalls nicht damit zufrieden, nur Oberflächen zu gestalten, sondern sie wollen mit ihren Projekten immer eine positive und belebende Botschaft übermitteln. Ihnen ist es wichtig, den Raum zu verbessern. Dabei ist es das Hauptziel, die Nach- barschaftsumgebung aus der Perspektive der BewohnerInnen kennen zu lernen und zu verstehen. Entsprechend ihres Mottos „Fünf Köpfe. Zehn Hände. Ein Herz.“ ist es ihnen wichtig, das Stadtbild durch die Augen der BewohnerInnen zu sehen, durch ihre Ohren zu hören, durch ihre Haut zu fühlen und die Veränderung des Stadtbildes durch ihre Herzen sprechen zu lassen. Besonders in Brasilien und Südafrika fokussierten sie sich auf die Kindheitserfahrungen, Kreativität und Hoffnung bei Kindern, die unter härteren Lebensumständen aufwachsen. Das Projekt Antofagasta im Norden Chiles, welches die Gruppe 2017 umsetzte, wurde unterstützt von der auftrag- gebenden Initiative CREO. CREO ist eine Initiative, die sich daran beteiligt, auf das Wachstum einer Stadt zu reagieren. Es ist eine Plattform, auf der Inspiration, Herausforderung und die Partizipation all derer zusammengebracht werden, die Antofagasta zu einer besseren Stadt machen wollen. Dabei ist das Ziel eine Stärkung der aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit an der Verbesserung der Stadt durch fördernde Prozesse. Eine aktive Beteiligung an der Planung, Co-Gestaltung und Umsetzung von Initiativen und Projekten für die End- nutzerInnen wird angestrebt. Eingebunden in das Programm „Pinturas Participativas”(„Partizipative Malerei”) welches eine Initiative von CREO Antofagasta ist, wurde Boa Mistura für die urbane Intervention einer Fläche von rund 7.500 m2 engagiert. Innerhalb von 19 Tagen wurde das Projekt durchgeführt. Dabei war es Boa Mistura wichtig, ihr Know-How als Künstler- und Gestaltergruppe zur Verfügung zu stellen und das Gebiet in Zusammenarbeit mit den NachbarInnen zu durchdringen. Das Gebiet von Miramar sollte eigentlich abgerissen werden, dann entstanden illegale Häuser und schließlich wurde es legalisiert, dort zu wohnen. Das Gebiet wächst aufgrund der vielen Familien, die auf der Suche nach einem Arbeitsplatz in den nahegelegenen Minen sind, ständig an. Aufgrund der Arbeit in den Minen hat diese Gegend Menschen aus verschiedenen Orten angezogen. Viele Häuser wurden in den Freiräumen zwischen anderen Häusern gebaut.

NACHBARSCHAFTSTREFF Boa Mistura ging folgendermaßen mit der Aufgabe um: Als Erstes gründeten sie einen Nachbarschaftstreff mit dem Ziel, eine zusammenarbeitende Dynamik entstehen zu lassen. Hauptziel war es, Miramar aus der Perspektive der BewohnerInnen zu kennen und zu verstehen.

UMFRAGE Als Zweites führten sie eine Umfrage über die Wurzeln, Gedanken und Identität der Gegend von Miramar in der Stadt Antofagasta durch. Miramar ist der Stadtteil, der gestaltet werden sollte. Dabei stellten sie fest, dass es keine Nachbarschaftsidentität stiftenden Institutionen gab außer einem Sportclub und auch keine Traditionen außer ihrer religiösen Tänze. Ziel war es, die Hausfassaden des gesamten Stadtteils in einem Partizipativen Prozess mit seinen AnwohnerInnen durch ein illustratives Motiv zu verändern. Mit der Absicht, dass die NachbarInnen das letzte Wort darüber haben sollten, wie die Fassadengestaltung aussah, entwarfen sie zwei Richtungen der Illustrationen.

AUFGABENVERTEILUNG Die anschließende Arbeitsverteilung verlief pyramidenartig. Die Teilnehmer der Künstlergruppe Boa Mistura traten als das Management und Supervisionäre auf, welche die Hauptentscheidungen für die Projektausführung trafen. In der Ausführung und Skizzierung der Illustration an den Hausfassaden und auf den Straßen war ein junges Team von Einheimischen, die bereits mit den Künstlern zusammengearbeitet hatten, verantwortlich für den Fortschritt der Wandbilder. Unterstützt wurden diese Teams von kleineren NachbarInnenteams, die für das Projekt eingestellt wurden.

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THOMAS LUPO - ANLEITUNG ZUM AUSBRECHEN

Wie im vorangehenden Kapitel bereits ausgeführt, sagt Josef Gründler, dass optimale Lösungen an den Schnittstellen der Disziplinen liegen und neue Lösungen und gutes Design entstehen, wenn Randgruppen mit eingebunden werden. Deshalb will ich hier das Projekt Anleitung zum Ausbrechen - Art helps! Kreativtraining mit Favelakindern beschreiben und analysieren. Thomas Lupo ist freier Künstler, Buchautor, Design Director bei JUNG v. MATT und national und international mehrfach ausgezeichnet mit Kreativpreisen. Er ist aus Leidenschaft Grafikdesigner und machte sich viele Jahre Gedanken darüber, wie er und seine Frau Menschen in schwierigen Verhältnissen mit den finanziellen und kreativen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, helfen und fördern können. Er hat ein Auge und Herz für das Ästhetische an Orten, an denen man es nicht vermutet und auch für die kreativen Potentiale von Kindern und Jugendlichen.

LEBENSUMFELD TEILEN Thomas Lupo lebte für fünf Monate in der Favela von Morro do Papagaio. Favelas sind Marginalsiedlungen, welche besonders an den Randlagen der großen Städte Brasiliens liegen und in denen ein großer Teil der BewohnerInnen über einen nur geringen Grundbesitz verfügt. Thomas Lupo sah auch in dem Armenviertel von Morro do Papagaio, neben Kriminali- tät, Chancenlosigkeit und Armut, die Potentiale und den Wert in den Menschen. Potentiale, die dazu beitragen können, die Welt positiv zu beeinflussen. Sein Ziel war es, das Ästhetische hervorzuheben, damit vorhandene Vorurteile überwunden werden können. Anschließend veröffentlichte er ein Buch über die Techniken, die er den Kindern beigebracht hat und das Buch illustriert auch die entstandenen Veränderungen in den Straßen der Favela.

TECHNIKEN VERMITTELN Im Gepäck hatte er viel Material, um den Kindern der Favela verschiedene Techniken zu zeigen, mit denen sie ganz einfach ihre Straßen gestalten konnten. Es war ihm wichtig, leicht reproduzierbare Techniken zu durchlaufen, damit die Straßenkunst zu einem Selbstläufer werden würde. Er war der Initiator und Lehrer, aber die Kinder sollten die Freiheit und das Selbstbewusstsein bekommen, auch selbst weiter zu machen und eigene Ideen zu verfolgen. In dieser Zusammenarbeit konnten nicht nur die Kinder etwas von ihm lernen, sondern er lernte auch von ihnen, was seine Arbeit als Grafikdesigner beeinflusste.

GEGENSEITIGES LERNEN Er war fasziniert von der Spontaneität, Phantasie und Ehrlichkeit der Kinder. Davon, die Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu einem Entdecker zu werden. Er ist davon überzeugt, dass in jedem Kind ein unglaubliches Potential steckt, das von Erwachsenen (Eltern) entdeckt und gefördert werden muss. Kreativität fördert in Kindern die Fähigkeit quer zu denken und das wirkt sich lebensverändernd auf die Kinder aus, es baut das Selbstbewusstsein auf und fördert eine positive Lebenseinstellung. Lupo vertritt die These, dass jedes Kind in Abhängigkeit von seiner Sozialisation kreatives Potential entfalten oder nicht entfalten kann. Kinder, die noch nie einen Zugang zu ihrem künstlerischen Können hatten, brauchten eine gewisse Zeit dafür, doch dieses schöpferische Können steckte in allen Kindern. Nach dem Projekt in Brasilien gründete Thomas Lupo ARTHELPS, dessen Ziel es ist, die Gesellschaft auf eine neue Art und Weise auf Menschen aufmerksam zu machen. Nur durch das Bereitstellen eines geeigneten Rahmens, zum Beispiel in Form von Workshops, werden die Begabungen von Menschen sichtbar. So wird für die Umwelt erkennbar, welches Potential verwirklicht werden kann.

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MARIA LUISA ROSSI - SOCIAL IMPACT DESIGN IN DETROIT

MARIA LUISA ROSSI - SOCIAL IMPACT DESIGN IN DETROIT Maria Luisa Rossi ist als Designerin und Erzieherin in einem internationalen und breiten Spektrum tätig. Durch ihr disziplinübergreifendes Wissen aus den Bereichen Brand-Strategy und Entrepreneurship führte sie zu ihrem Einsatz an das College for Creative Studies in Detroit. Dort entwickelte sie mit einem Team das neue Graduiertenprogramm für Design und leitete das MFA Integrated Design Studium, in dem viel Wert auf User Experience und sozial relevante Lösungen lag. Rossi vertritt die Auffassung, dass die Arbeit von DesignerInnen einen Einfluss auf die Gesellschaft haben kann. Gemeinschaftliches Zusammenarbeiten kann ihrer Ansicht nach als ein großes Laboratorium gesehen werden, das soziale Formen und Lösungen hervorbringt, in denen alles Design ist und designt wird. In ihrer Arbeit und ihrem Leben in Detroit beschäftigte sie sich ausführlich mit der Geschichte und gegenwärtigen Lage der Stadt.

VERSTÄNDNISPHASE Durch den wirtschaftlichen Kollaps der örtlichen Automobilindustrie 2008/2009 und den damit einhergehenden massiven Arbeitsplatzverlusten wurde die Infrastruktur auch für die Kinder Detroits immer schlechter: Es hab keinen ausreichenden Zugang zu gesundem Essen, eine verschlechterte Bildungs- und Arbeitsplatzsituation und auch eine schlechtere medizinische Grundversorgung.

ATELIERGRUPPE GRÜNDEN Maria Luisa Rossi gründete eine studentische Ateliergruppe und beschäftigte sich nach der ersten Fallstudie von Detroit („Detroit Case Studies”) mit einem „Nachhaltigen und gemeinschaftlichen Lebensmittelkreis“.

ZIELE SETZEN Die Ateliergruppe setzte sich das Ziel, Menschen und Gemeinschaften dahin zu führen, sich ihr Lebensumfeld selbst durch die Teilung von Ressourcen und den Austausch von Arbeitsleistungen zu verbessern.

SICHTBAR MACHEN Dabei war es wichtig, die bereits bestehenden innovativen Methoden und Initiativen zur Verbesserung des Lebensstandards in den Nachbarschaften bekannt zu machen. Es entstand eine Infografik auf der Grundlage einer Stadtkarte, auf der alle nachhaltigen Aktivitäten und deren Hintergründe, zum Beispiel nachhaltige Lebensmittelgeschäfte aus bestimmten Gegenden, gesammelt und veranschaulicht wurden. Außerdem enthielt sie Informationen, wie das Projekt mit der Gesellschaft geteilt, weitergeführt oder unterstützt werden konnte. Die Frage kam auf, wie DesignerInnen den positiven Einfluss dieser nachhaltigen, sogenannten Basis Communities nutzen und vergleichbare organisatorische Lösungen auch für andere Städte anbieten können. Ein zweites Ergebnis der Detroit Case Studies war das Spiel „Local Hero”. Es verfolgte das Ziel, Kinder spielerisch über nachhaltige Basis Communities zu informieren, die bis dahin von den AnwohnerInnen noch nicht wahrgenommen wurden. Sie sollten auf eine kindgerechte Weise Wissen über die geografische Größe des Gebiets und der Stadtteile erwerben. Das Spiel diente gleichzeitig der Identitätsbildung durch lokale Wahrzeichen und einheimische Berühmtheiten, dem Kenntniserwerb über positive Ereignisse und Aktivitäten sowie Erfahrungen vor Ort. Das wichtigste Ziel war es, das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken. Maria Luisa Rossi ist es in ihrer Lehre und in den praxisbezogenen Projekten sehr wichtig, dass die Studierenden eine „Verständnisphase” durchlaufen. Im Rahmen einer Tiefenstudie soll ein Bezug zu dem jeweiligen Kontext und den vorliegen- den Bedürfnissen hergestellt werden, um dadurch eine Ausgangslage für die benötigte Dienstleistung und ihre Gestaltung zu schaffen. Währende der Verständnisphase waren die Studierenden in den lokalen Organisationen temporär tätig. Sie entwickelten empathische Designansätze und Co-Design-Methoden, die als Forschungswerkzeuge und Lösungen genutzt wurden, um es den Beteiligten zu ermöglichen, kreativ zu sein, sich auf den Prozess einzulassen, ihre Einsichten zu teilen und sich ihre Ziele vorstellen zu können. Rossi fasst ihre Studien folgendermaßen zusammen: “Diese Studien sind ein Versuch, neue Wege des Tuns und Denkens zu gestalten. Im Laufe der vergangenen 10-20 Jahre kamen neue Ideen und Methoden in der Gesellschaft auf, was eine wachsende Zahl an Menschen dazu motiviert hat, an der Gestaltung unserer Zukunft mitzuwirken.“ Die soziale Innovation von Design könne als eine Mischung von Co-Design-Betrieben beschrieben werden. Rossi vertritt die Auffassung, dass es als DesignerIn nicht länger sinnvoll ist, alleine zu arbeiten und ohne Co-Creation-Tools Lösungen zu entwickeln.

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2.2 KRITERIEN DURCH ANALYSE

Aus den geschilderten Projekten ließen sich folgende Kriterien für Partizipative und Socio Design Prozesse herausstellen:

RAUM TEILEN, PERSPEKTIVE EINNEHMEN Thomas Lupo sagt: „Die Herausforderung [bei dem Projekt] war, den Eigencharakter der Werke nicht zu verlieren, sondern im Gegenteil noch zu verstärken. Dieser Aufgabe gerecht zu werden war nur möglich, weil ich persönlich mit den Kindern gearbeitet und sie in ihrem Prozess begleitet habe.” Dabei begab er sich für fünf Monate in ein fremdes Land und in eine Gegend, die nicht ungefährlich war, damit er direkt mit den Kindern reden und arbeiten konnte und ihre Perspektive auf ihr Leben in der Favela einnehmen konnte.

PROZESSORIENTIERT Aus dem Ansatz des Socio Designs erfolgt ein stärkerer Fokus auf den Prozess des Gestaltens und weniger auf das, was dabei herauskommt.

RAHMEN FÜR ENTFALTUNG BIETEN Thomas Lupo bemühte sich herauszufinden, was die Kinder anregte, ermutigte und ihnen Freiheit gab, eigene Ideen zu entwickeln. Er eröffnete einen Raum, in dem die Kinder Eigenes einbringen und Neues entwickeln konnten. Uneingeschränkte Freiheit ohne Richtlinien wäre eine Überforderung gewesen. Ein Faktor bei der Entfaltung von Kreativität ist das Bereitstellen eines geeigneten Rahmens (z.B. in Form von Workshops). Genauso ging Maria Luisa Rossi mit der Ateliergruppe vor. Um vorzubeugen, dass sich die Gruppe von den großen Problemen Detroits übermannen ließ, setzte sie der Gruppe fest formulierte Ziele, damit das Vorgehen eingegrenzt und umsetzbar wurde.

TECHNIKEN VORGEBEN UND VERMITTELN Um Hilfe und Motivation für die ersten Schritte in einem Prozess zu geben, ist die Vorgabe einer ersten Technik nötig. Im Laufe der Zeit kann der oder die ProzessleiterIn dann zunehmend in den Hintergrund treten, bis hin zur völligen Selbstständigkeit der GruppenteilnehmerInnen. Entsprechend ist Thomas Lupo mit den Kindern der Favela umgegangen. Zum Ende des Projekts haben die Kinder selbstständig gearbeitet und, zu seiner großen Freude, eigenständig Ideen umgesetzt. Boa Mistura staffelte ihre Herangehensweise mit Umfragen und einzelnen Workshops. Auch das Projekt in Detroit wurde in Schwung gebracht durch eine Arbeitsgruppe, die Maria Luisa Rossi initiierte. Im ersten Schritt wurden in dieser Teilziele formuliert, auf die die Studierenden hinarbeiten konnten, um sich nicht im explorativen Arbeiten in der Masse an Möglichkeiten zu verlieren. Teilergebnisse aus den bisherigen Forschungsarbeiten führten die Gruppe zu neuen Ziele und somit kam der Prozess in eine eigene Dynamik. Auch die Ateliergruppe gab den Kindern eine Technik, die Technik des Spielens. So wollten die Kinder gerne die Geografie der Stadt erforschen, ihre Identität durch Wahrzeichen und Berühmtheiten ausbauen, Kenntnisse über positive Ereignisse und Aktivitäten erlangen sowie Vor-Ort-Erfahrungen durch Exkursionen machen.

WERTE UND LEBENSWEISE/IDENTITÄT ERKENNEN Boa Mistura erfragte in der Nachbarschaft Werte, die eine große visuelle Präsenz in ihrem Leben einnahmen, um einen Entwurf für die Wand- und Straßengestaltung in Antofagasta zu entwickeln. Sie berücksichtigte die visuelle Kultur dieses Ortes, um sie in ihre Kreationen zu integrieren. In Detroit vermittelte das Team Werte und Kenntnisse in Geografie (Größe des Gebiets, Stadtteile, Hauptstraßen etc.), Identität (Wahrzeichen, einheimische Berühmtheiten etc.), positiven Ereignissen und Aktivitäten (Basisgemeinschaften) sowie Erfahrungen vor Ort (Exkursionen), um den Kindern nachhaltig zu helfen und die Infrastruktur zu unterstützen. Diese Kenntnisse sollten dazu beitragen, eine stärkere Identität in der Stadt aufzubauen und somit die Lebensweise durch nachhaltiges Engagement und der damit entstehenden Verbesserung der Infrastruktur durch die Kinder und ihre Familien aufzuwerten.

TRANSPARENZ DER ARBEITSABLÄUFE, SUPERVISION Die Projektausführung erfolgte in der Stadtteilgestaltung durch Boa Mistura in einem pyramidenförmigen Arbeitsablauf, in dem Mitglieder der Künstlergruppe als ManagerInnen und SupervisorenInnen agierten und die Hauptentscheidungen über die Projektausführung trafen. Das heißt, sie waren verantwortlich für die Rollen- und Beziehungsdynamiken in der Zusammenarbeit und Organisation in allen Projektphasen.

REDAKTION / DIREKTION Ein Ausschnitt aus dem Vorwort des Buches „Anleitung zum Ausbrechen“ von Thomas Lupo erklärt die Arbeit des oder der DesignerIn treffend: „In diesem Buch werden die kreativen Arbeiten der Kinder von mir künstlerisch verstärkt und miteinander verbunden. Dadurch mache ich auf die Potentiale der Kinder aufmerksam. Indem ich die Werke visuell hervorgehoben und in eine sinnvolle Reihenfolge zusammengefügt habe, gewinnen diese noch mehr Aussagekraft. Oft waren es nur minimale Veränderungen, wie zum Beispiel ein starkes Vergrößern einer kleinen Handzeichnung, wodurch das Bild gleich viel ausdrucksstärker wirkt. Meine Arbeit lässt sich mit der eines Redakteurs oder Dirigenten vergleichen. Die Einzelteile sind vorgegeben, und meine Aufgabe war es, daraus ein harmonisches Ganzes zu schaffen.“ Genau wie er kombiniert die Künstlergruppe Boa Mistura in jedem Projekt ihre eigene Ästhetik mit der Ästhetik des Gebiets und der Kultur.

2.3 ZUSAMMENFASSUNG

Durch die genauere Betrachtung dieser Socio Design Prozesse und Partizipativen Prozesse konnte ich sehen, dass die DesignerInnen immer den ersten Schritt ins Unbekannte wagen müssen und das Vertrauen entstehen lassen müssen, mit Menschen und Menschengruppen zusammenzuarbeiten, deren Fähigkeiten sie noch nicht kennen. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Ausbildung, welchem Studium oder Hintergrund diese Menschen kommen. Der Designer oder die Designerin als ProzessleiterIn lässt sich auf die Kommunikation, Konfrontation und teilweise auch Improvisation ein. Es entsteht dabei immer eine Beziehung zwischen den ProzessteilnehmerInnen oder EndnutzerInnen und DesignerInnen. Wichtig ist, dass DesignerInnen den Ort des Austausches oder der gemeinsamen Produktion vorbereiten, die Fähigkeit haben Werkzeuge zu vermitteln und sich der Situation anpassen können. Die Arbeit mit unterschiedlichen Gruppen erfordert immer Empathie, Spontaneität und auch Geduld dafür, sich auf den Prozess einzulassen. Besonders spannend ist dabei die neue Art der Gestaltung, von der DesignerInnen und StadtbewohnerInnen profitieren können, wenn der Schritt aus der eigenen Komfortzone gewagt wird und auf die Zusammenarbeit mit anderen Menschen zugegangen wird. Diese lässt ganz neue Ansätze von Designlösungen entstehen. In öffentlichen und städtischen Initiativen und Institutionen wie CREO, die sich für eine stärkere, aktive Beteiligung der Öffentlichkeit an der Verbesserung der Stadt durch fördernde Prozesse einsetzen, sehe ich den Platz der DesignerInnen als KooperationspartnerInnen und eine Schnittstelle mit anderen Disziplinen. Mit ihrer Hilfe könnte eine langfristige Struktur geschaffen werden, die projektbasierte Aktivitäten zu tragenden Einrichtungen werden lässt und nachhaltig das Leben in Städten und die Identifizierung und damit das Engagement der Bevölkerung in der Stadt verbessert.

3. KONZEPT

3.1 UMGEBUNG

PROJEKT TRAUMWAND Inspiriert von den aufgeführten Projekten, DesignerInnen und KünstlerInnen wollte ich selbst einen Partizipativen Prozess in Kooperation mit Jugendlichen der Arche Drewitz durchlaufen. Ich wollte eine Illustration entwickeln, die anschließend auf eine Hauswand gemalt werden sollte. Das Thema der Illustration war „Meine Träume“. Meine Rolle als Designerin bestand darin, den Gestaltungsprozess zu leiten, die Jugendlichen zu motivieren und den Raum zu geben, den sie benötigen, um eigenes Gestalten ohne jegliche Vorkenntnisse ausleben zu können. Neben der begleitenden und leitenden Funktion, bestand mein gestalterischer Anteil darin, die Redaktion zu übernehmen. Meine Aufgabe war es zu skalieren, zu bearbeiten, künstlerisch zu verstärken und eine Reihenfolge anzulegen, damit der oder die spätere BetrachterIn der Illustration die in ihr erzählte Geschichte nachvollziehen kann. Ich untersuchte dabei, neben dem Socio Design Aspekt, wie Illustration mit dem oder der BetrachterIn kommuniziert, Potenziale mit sich bringt, jenseits von Texten einen Ausdruck hat und innere Gedanken und Gefühle darstellen kann. Dabei wollte ich bewirken, dass Kommunikation entsteht, also das Bedürfnis sich mitzuteilen, welches zwischen BetrachterIn und SenderIn existiert und auf Gegenseitigkeit beruht. Wichtig war mir, dass das Ergebnis gewöhnliche Formate übersteigt und so auch räumlich eine Präsenz einnimmt, die eine Aussage vermittelt. Es ging mir darum, der Randgruppe, den Jugendlichen aus sozial schwachen Hintergründen, und ihren Träumen eine Plattform zu geben. Sie sollten damit die Möglichkeit bekommen, in ihre Umwelt zu sprechen. Partnerin der Zusammenarbeit war die ARCHE Drewitz Potsdam.

PROJEKT TRAUMWAND ZIEL / VORGEHEN Das Projekt trug den Arbeitstitel “Projekt Traumwand”. Zur Vorstellung des Projektes stellte ich mich am 23. Februar 2018 selbst in der ARCHE vor, so konnten die Jugendlichen ein Bild von mir bekommen und motiviert werden, Teil des Projekts zu sein. Hierfür schnitt ich ein kurzes Video zusammen, das ich bei meiner Vorstellung abspielte und später über Whatsapp zur Verfügung stellte. Die Kommunikation und Organisation mit den Jugendlichen der ARCHE findet über den Nachrichtendienst Whatsapp statt. Durch diesen können kurzfristige Termine schnell bekannt gegeben werden und er ist ein gängiges Kommunikationsmittel bei den Jugendlichen. Außerdem stellte ich meine bisherige Arbeit vor und mein Studium. Mir war es wichtig, transparent vorzugehen und den späteren TeilnehmerInnen der Workshops zu vermitteln, warum ich diese Workshops machte und was mit den Ergebnissen geschehen würde. Bei dieser ersten Vorstellung waren ausschließlich weibliche Jugendliche vor Ort, sie zeigten gleich Interesse und stellten viele Fragen zu meinem Studium.

PARTNERIN DER ZUSAMMENARBEIT Insgesamt leitete ich zehn Workshopsessions, immer montags und freitags zwischen 15 Uhr und 17 /17:30 Uhr. Die Arche Drewitz besitzt einen Keller, der für verschiedene Aktivitäten genutzt wird. Dort installierte ich eine Werkstatt, die zu unserem zentralen Treffpunkt wurde. Abhängig von der Technik des Illustrierens, die wir an dem Tag der Session ausprobierten, richtete ich den Raum so ein, dass ein angemessener Raum zum Arbeiten und Reden entstand. Den Ort kannten die Jugendlichen schon, dementsprechend befanden sie sich in ihrem gewohnten Umfeld. Die Teilnehmerinnen waren ausschließlich Mädchen, denn in der Arche waren zu dem Zeitpunkt unter den Teenagern nur Mädchen angemeldet. Es stellte sich nach dem zweiten Treffen eine feste Gruppe von Mädchen zusammen: Kryssi (13), Coco (12), Lilly (14) und Josi (15).

ZIEL Ziel der Workshopsessions war es, dass wir in jedem zweistündigen Treffen eine andere Techniken der Illustration zum Thema “Meine Träume” durchführten und dann selbstständig daran gearbeitet wurde. Die Teilnehmerinnen der Workshops waren von Anfang an sehr engagiert und ich konnte mich darauf verlassen, dass zu jedem Termin mindestens zwei Teilnehmerinnen kamen.

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3.2 WORKSHOPS Partizipativer Illustrationsprozesses mit Jugendlichen

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FREITAG 2. MÄRZ 15 - 17:00 UHR 1. SESSION_ONELINER_OUTLINE

FREITAG 9. MÄRZ 15 - 17:00 UHR 2. SESSION_SOUNDTRACK_BRAINSTORMING

FREITAG 16. MÄRZ 15 - 17:00 UHR 3. SESSION_FORMEN_ABZEICHNEN

DIENSTAG, 3. APRIL 14:00 - 17:00 UHR 4. SESSION_WEITERMACHER_TRÄUMERIN

MONTAG, 9. APRIL 15:30 - 17:30 UHR 5. SESSION_DURCHSCHREIBER_KALLIGRAFIE

MITTWOCH, 4. APRIL 14:00 - 17:00 UHR 6. SESSION_GLASSCHEIBE

FREITAG, 13. APRIL 15:30 - 17:00 UHR 7. SESSION_KLECKSBILDER

FREITAG, 20. APRIL 15:30 - 17:00 UHR 8. SESSION_SPRÜHEN_FOTOGRAFIEN

3.3 REFLEKTION

In diesem praktischen Teil der Bachelorarbeit stellte ich fest, welche Vielseitigkeit in der Zusammenarbeit entstanden ist und wie automatisch Beziehungen stattfinden. Von Anfang an war das Team der vier bis fünf Mädchen sehr motiviert und wissbegierig. Es ermutigte mich, dass ich mich immer darauf verlassen konnte, dass mindestens zwei Mädchen pro Session dabei waren. Ich konnte hier auch feststellen, wie selbstständig und gut organisiert sie waren, obwohl sie fast noch Kinder waren. Wovon ich sehr profitierte, war die Kommunikation auf Augenhöhe. Anders als bei jüngeren Kindern, konnte man ganz natürlich kommunizieren und ich konnte meine Anliegen meistens klar vermitteln. Gerade in den ersten Stunden musste ich selbst noch sehr an meiner Ausdrucksweise arbeiten, denn im Studium findet der Austausch hauptsächlich auf einer fachlichen Ebene mit einem internen Vokabular statt. Wörter, die für mich alltäglich in Verbindung mit Design stehen, musste ich nun umformulieren oder umschreiben. Ich nutzte die Möglichkeit des Co-Designs, indem ich mich bei Fragen an Fachmänner und Fachfrauen wandte. Denn schließlich bin ich Designerin, keine Pädagogin oder Erzieherin. Ziel war es, eine Collage aus einzelnen Illustrationen zu bauen, die über die Träume der Mädchen sprach. Dabei richtete ich als Designerin meinen Fokus auf die Motive der Sessions, gleichzeitig sensibilisierte ich mich im Umgang mit meiner „Ateliergruppe“ durch das hilfreiche Feedback und Tipps von Fachfrauen und -männern der Pädagogik. Die Teenager waren kaum zurückhaltend oder unsicher was das Experimentieren mit neuen Techniken betraf, eher waren sie bereit, schnell von einer Aufgabe zur nächsten zu springen. Anfangs frustrierte es mich, dass es schwierig war, eine meditative Schaffensstimmung zu erzeugen. So mussten auch Regeln wie ein Handyverbot festgelegt werden, denn durch den ständigen Medienkonsum der Jugendlichen wurde ihre Konzentration immer wieder unterbrochen. Was mir schwer fiel, war die Betreuung des Prozesses und die gleichzeitige Dokumentation durch Videoaufnahmen und Fotos. Ab dem ersten Treffen führten wir Punkt-Gespräche: Arbeiten, die an einem Tag entstanden waren, wurden zum Ende der Session auf dem Boden gelegt, dann konnte jede drei orangene Punkte auf eigene oder fremde Arbeiten malen und anschließend sprachen wir darüber, warum diese Illustrationen ausgesucht wurden. Dabei legte ich besonderen Wert darauf, dass nicht oberflächlich kommuniziert wurde im Sinne von „das finde ich gut, das finde ich nicht gut“, sondern dass Gedanken und Empfindungen wahrgenommen und mitgeteilt wurden. Wieso hast du dieses Bild ausgewählt? An was denkst du, wenn du es siehst? Was fühlst du dabei? Wo könnte diese Darstellung eine Anwendung finden? Entgegen meiner Vorstellung, dass es den Mädchen schwer fallen würde zu erklären, warum sie eine Zeichnung gut fanden oder nicht, fiel es ihnen leicht und es machte ihnen Freude, ihre Gedanken mitzuteilen. Der Moment in dem Josi sagte: „Diese Zeichnung finde ich gut, es ist meine eigene, und ich finde den Strich sehr stark. Ich könnte mir die Zeichnung gut vorstellen zu einem Artikel über Sport.” Das war für mich herausragend, denn ich konnte sehen, dass sie die Botschaft einer Illustration, die manchmal schon über die Strichstärke oder die Art wie gezeichnet wurde übermittelt wird, verstehen. Die Gruppenkonstellation empfand ich als prozessfördernd. Anfänglich war ich enttäuscht darüber, nur mit weiblichen Teenagern zu illustrieren statt in einer gemischten Gruppe, ich realisierte jedoch nach den ersten Stunden, dass sich die Homogenität der Gruppe sehr positiv auswirkte. Das Thema „Träume”, über das wir sprachen, war ein sehr persönliches und auch die anfänglichen Unsicherheiten, die beim Ausführen einer neuen Darstellungstechnik entstanden, hätte durch die Anwesenheit des anderen Geschlechts bei den jungen Frauen zu Blockaden führen können. Meine Aufgabe als Designerin war es hauptsächlich, die Motivation der GruppenteilnehmerInnen aufrecht zu halten und sie dort abzuholen, wo sie emotional und in ihrer gestalterischen Ausdrucksform standen. So forderte ich ständig erneut heraus und sprach Mut zu. Ich stellte fest, dass viel Wertschätzung schon in der Vorbereitung eines Raumes liegt, in der Schaffung eines Ortes zur eigenen Entfaltung von Fähigkeiten. So legte ich in einer Session die Materialien als ein Knolling (die parallele und senkrechte Anordnung von Gegenständen auf den Tisch)Als die Mädchen herein kamen, freuten sie sich über die Ästhetik der Anordnung und sie bekamen einen Überblick über alles, was an dem Tag passieren sollte. Das Arbeitssetting war sozusagen bereitet wie ein Festtisch. Ich habe bereits ausgeführt, dass ich mich mit Fachfrauen und Fachmännern traf, um mein pädagogisches Wissensdefizit mithilfe ihres Fachwissens zu kompensieren und mir Feedback zu Vorgehensweisen einzuholen. Den Ablauf der Workshops besprach ich mit dem Erzieher Johann Albert. Er sensibilisierte mich für die Art, wie Beziehungen aufgebaut werden können. Um ein simples Beispiel zu geben, kann dies über gemeinsames Essen geschehen. Ich fand mich in diesem Punkt an einer Schnittstelle verschiedener Milieus wieder. Ich wurde als Designstudentin, der Nachhaltigkeit und gesunde Lebensführung von ihrem ganzen Umfeld vorgelebt und gespiegelt werden, konfrontiert mit einer anderen Lebensführung. Johann Albert sagte zu mir: „Nehme die Kinder mit in deine Welt. Esst zusammen das, was du normalerweise isst.“ So brachte ich geschnittenes Obst und Gemüse mit. Als die Mädchen einen von mir mitgebrachten Fenchel erblickten, wussten sie nicht, was dieser war. So sprachen wir über Fenchel und aßen ihn. Unsere „Workshopessen“ mit frischen und gesunden Lebensmitteln entwickelten sich zum Brauch und bekamen eine besondere Rolle bei unserem Treffen. Die Mädchen fanden sichtlich Gefallen an dieser Art zu essen und berichteten, auch außerhalb des Workshopsettings häufiger gesunde Lebensmittel auf gemeinschaftliche Art zu essen. Ein zweiter Tipp des Erziehers war es, nach jeder Session ein Selfie der Gruppe zu machen. Er erklärte, dass das den Kindern Freude mache, die Gruppe verbinde und dass die Selfies auch mit anderen Freunden und auf sozialen Medien geteilt werden können. Tatsächlich gefiel es ihnen gut, Gruppenselfies zu machen und sie wiesen mich auf das Foto hin, wenn ich es vergaß. Motive der Illustrationen hatten immer mit dem Thema „Meine Träume“ zu tun. Das entstehende Wandbild sollte mit seiner Größe und seinem Standort im öffentlichen Raum genau dieser Randgruppe von Mädchen aus einem schwierigen sozialen Milieu eine laute Stimme geben. Partizipative Prozesse sehen es vor, ergebnisoffen zu arbeiten. Trotzdem bringe ich als Designerin Werkzeuge mit, um diese Vorgänge zu leiten. Als wir das erste Mal über Träumesprachen, merkte ich, wie schwer es den Mädchen fiel, Träume, Ziele, Ängste, Freuden, Wünsche, Unrealistisches oder Komisches zu teilen. Ich merkte, dass ich, nachdem einzelne Träume genannt wurden, etwas enttäuscht war, weil ich andere Träume erwartet hätte. Ich hatte abstraktere Gedanken erwartet: Gefühle, unrealistische Szenarien und Ausbruchsgedanken. Gerade vor dem Hintergrund, dass Illustration sichtbar macht, was kaum durch Worte beschreibbar ist, waren es hauptsächlich Emotionen, mit denen ich arbeiten wollte. So traf ich mich mit einer Kunsttherapeutin und mit einer Sozialarbeiterin mit Schwerpunkt Sprachen. Als Kunsttherapeutin ist Kerstin Haas darauf spezialisiert, innere Vorgänge durch sichtbare Vorgänge, in Form von Zeichnungen oder Malerei, zu erschließen. Haas machte mir bewusst, mit welch einem sensiblen Thema wir arbeiteten und dass es viel Vertrauen braucht, um wirklich tiefe Träume und Sehnsüchte auszusprechen und zu teilen. Wie durch den Erzieher aus der Arche, Aaron, bestätigt, bekommt nicht jedes Kind, das die Arche besucht, die Anerkennung und Unterstützung durch seine Eltern, um sich frei und selbstbestimmt entfalten zu können. In den Gesprächen mit den Fachleuten wurde deutlich, dass Benachteiligung oder Herabwürdigung das grenzenlose Träumen erschweren. Aaron betonte in dem Interview, dass „die Kinder diese Lügen, die über sie gesprochen wurden, in ihrem Kopf haben und das ihre eigene Selbstwahrnehmung bestimmt.“ Haas betonte auch, dass die Jugendlichen je mehr sie träumen, auch desto mehr enttäuscht werden können. Es ist quasi ein Selbstschutz, nicht zu träumen. Sie legte mir nahe, zu sehen, wo die Kinder starteten und wo sich ihre Träume hin bewegten und „...welche Dinge wir dabei aufbrechen...“ Auf ihren Ratschlag hin legte ich einen stärkeren Fokus auf die Punkt-Gespräche, denn darin lag der Ansatz für ein Gespräch und eine Vertiefung von Meinungen und Empfindungen. Die dabei vor uns liegende Zeichnung drückte etwas aus, über das gesprochen werden konnte. Inneres kam zum Vorschein und auch der Rest der Gruppe bekam einen Einblick in die Gedanken der Gestalterin. Das war es schließlich, was die Illustration ausdrücken sollte: Ein Motiv, um über Inneres zu sprechen. Gezielt musste hierauf in den Workshops Aufmerksamkeit gelegt werden. Kommunikation muss initiiert werden und bevor ein Gespräch zustande kommt, muss jemand das Gespräch beginnen oder den ersten Strich setzten. Die Kalligrafie-Session sollte Worte und Geschichten hervorbringen. Dafür bat ich die Sozialarbeiterin Julia Elisa Haupt um Hilfe. Ich befand mich in einem ständigen Co-Design Prozess und stellte fest, dass in der Vernetzung und dem Austausch mit anderen Disziplinen ein großes Potential liegt. Julia Elisa Haupt gab mir den Tipp, eine Figur zu schaffen, über die die Jugendlichen erzählen sollten. Dies ist auch eine Therapiemethode, durch die eine Person über eine Figur spricht und dabei automatisch ihre eigenen Gedanken in die Geschichte der Figur legt. Ich wandte diese Idee an, indem wir „Träumerinnen“ aus Knete formten und ihre Geschichten erzählten: Von dem Ort, an dem sie lebten, den Hobbys, die sie hatten, ihren Sehnsüchten,... Vieles kam zum Ausdruck, was ohne diese kleinen Figuren nicht möglich gewesen wäre. Diese Session empfand ich als eine der intensivsten.

4. FAZIT

Im Einleitungskapitel wurde der Autor June H. Park zitiert. Er sagt, dass_„...ein großer Anteil an Empathie, Lösungsorientiertheit und Gestaltungswillen dazu geführt hat, dass junge und zeitgenössische DesignerInnen vermehrt Gestaltung abseits von Werbung und klassischem Marketing suchen. Sie wollen sinnerfüllendere Aufgaben übernehmen...“_ In dieser Aussage finde ich mich wieder und die Suche nach sinnerfüllenderen Aufgaben war mein Antrieb, das „Projekt Traumwand” durchzuführen. Außerdem wollte ich herauszufinden, wie Illustration kommuniziert, die nicht von IllustratorInnen angefertigt wurde, frei von einem ausgefeilten Stil. Mein Ziel war es, den augenscheinlich unbedeutenden Träumen von Kindern Ausdruck zu verleihen. Darüber hinaus wollte ich helfen, Plattform zu schaffen, die in die Welt spricht und durch einen illustrativen Stil den oder die BetrachterIn einlädt, die Träume zu verstehen oder selbst zu träumen. Ich wollte die Potentiale der Mädchen erkennen und fördern und im Prozess auch für mich als Illustratorin neue Wege finden. Die Betrachtung der Partizipativen Prozesse von Boa Mistura mit den AnwohnerInnen von Antofagasta sowie von Thomas Lupo mit den Kindern der Favela und den Socio Design Ansatz von Maria Luisa Rossi mit den Kindern von Detroit und ihrer Ateliergruppe brachte mich zu der Frage: Wie können Partizipative und sozial fokussierte Gestaltungsprozesse im Stadtbild durchgeführt werden und welche Rolle hat der oder die DesignerIn dabei? Statt sich wie bei bisherigen Projekten, im Fachhochschulkontext oder im Rahmen von Aufträgen, auf das Ergebnis zu konzentrieren, wurde in den drei vorgestellten Projekten im prozessorientierten, gesellschaftsbezogenen und im karitativ-altruistischem Sinne gearbeitet. Diese waren, wie sich in der Beobachtung zeigte, projektrelevante Methoden, mit deren Hilfe der oder die DesignerIn Gestaltungsprozesse lenkte und in übergreifenden Zusammenhängen arbeiten konnte. „The skills that make for a great design thinker - the ability to spot patterns in the mess of complex inputs; to synthesize new ideas from fragmented parts; to empathize with people different from ourselves.“ Dieses Zitat von Tim Brown sieht DesignerInnen vermehrt in Positionen, in denen ihre Problemlösungskompetenz bedeutender ist als die gestalterische Kompetenz. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Empathie für Menschen, die anders sind als wir selbst, wichtiger wird. In der Untersuchung der drei Projekte zeigte sich, dass der oder die DesignerIn in transdisziplinären Teams in eine zentrale Lehrrolle tritt und dabei die Kompetenz besitzen muss, disziplinäre Codes zu überwinden, um den Gestaltungsprozess zu lenken und zu filtern. Ich fühlte mich durch die Kurse in Gruppenarbeit, die ich im Hauptstudium an der FH Potsdam absolvierte, gut auf diese Rolle vorbereitet. In diesen drehte sich die Zusammenarbeit um richtige Kommunikation, das Erkennen von Stärken der Gruppenmitglieder und um das Strukturieren und Leiten einer Gruppe. Als ich mir die Projekte ansah, die ich im Untersuchungsteil analysierte, stellte ich fest, dass es hier vermehrt um den Gestaltungsprozess ging und das gab mir die Freiheit, selbst einen Gestaltungsprozess im Co-Design und transdisziplinären Rahmen durchzuführen, dabei Beobachtungen zu machen und meine Rolle zu finden. Ein prägender Faktor der fortlaufenden Reflexion meiner Arbeit wird die spätere Beobachtung des entstandenen Werkes sein, wenn dieses im großen Format an einer Hauswand oder im Raum zu sehen ist. Hierbei ist es mir wichtig, dass die Illustration, die sichtlich mit Inhalten der Kinder generiert wurde, mit der Umwelt kommuniziert. Das Format soll so groß zu sehen sein, dass es im urbanen Raum Aufmerksamkeit erregt. Durch den begrenzten Rahmen der Bearbeitungszeit dieser Bachelorarbeit konnte ich leider nur die Handlungsforschung durchführen, nicht die spätere Wirkungsforschung. Für diesen späteren, auf die Umsetzung folgenden Teil stelle ich mir die Fragen: Ist die Kommunikation der Illustration abhängig von der Produktion? Was bewirkt das große Format? Findet dadurch eine Interaktion im urbanen Raum statt? Es geht mir darum herauszufinden, ob es einen Unterschied macht, wie der Gestaltungsprozess abgelaufen ist und welche Akteure beteiligt waren im Vergleich zu einer Wandgestaltung, die von einem oder einer DesignerIn oder KünstlerIn gestaltet wurde. Dies waren Fragen, die mich vor der praktischen Ausführung in der Arche beschäftigten: Was eröffnet sich in einem Interaktionsprozess? Und welche gesellschaftliche Funktion hat Sozio Design/Partizipatives Design? Im Laufe der Umsetzung wurde mir bewusst, dass der Interaktionsprozess hauptsächlich Beziehungen entstehen lässt und auf deren Grundlage Gestaltung passiert. Für mich ist nachvollziehbar geworden, warum mit CREO, die für Partizipation in Antofagasta in Chile zuständig war, eine eigene Initiative gegründet wurde, um die Stadt zu einem besseren Ort zum Leben zu machen. Somit erschließt sich ihre Idee und ergibt Sinn, denn durch Interaktion entstehen Beziehungen, die Identifikation mit der Stadt wird gestärkt, Menschengruppen treten in Interaktion und das kann zu einem verbesserten Leben in der Stadt führen. Dabei ist auch der Stolz auf die gemeinsam geschaffene und sichtbare Veränderung eines Ortes von Bedeutung. Durch meine Analyse sehe ich in Institutionen wie CREO ein bedeutsames Arbeitsfeld für DesignerInnen. CREO beschrieb ihre Arbeit so: „Es ist eine Einladung, Antofagasta mit einer besseren Lebensqualität zu schaffen und zu bauen. Diese Plattform ist ein Sammelpunkt, der die Inspiration, die Herausforderungen, den Willen und die Partizipation all derer zusammenbringt, die Antofagasta zur besten Stadt machen wollen. Hier können Sie die Initiativen und Projekte kennenlernen, die erzielten Fortschritte beobachten und diskutieren, gib deine Meinung, kooperiere und baue.“ In meiner bisherigen Auseinandersetzung habe ich mich hauptsächlich mit dem Prozess und den Faktoren der Gestaltung beschäftigt. Mein Ziel ist es, die entstandene Illustration auf eine Hauswand oder in einem Raum anzubringen. Damit soll sie zu einer Intervention im urbanen Raum werden und in diesem öffentlichen Raum kommunizieren. Wandbilder können wie ein Kunstmuseum ohne Eintritt und Schwellenängste sein. In der Interaktion mit den Mädchen in der Arche verstand ich, dass ihre Generation genauso Nachrichten und Verewigungen hinterlässt, wie das frühere Generationen beispielsweise in Jugendherbergen machten, als Namen und Liebesbekundungen in das Mobiliar geritzt wurden. Heute hinterlassen Kinder und Jugendliche ihre Stimmungen, Erlebnisse und Liebesbekundungen im Internet, auf Plattformen wie Instagram, Facebook und Snapchat. Junge Menschen wollen ihren Gedanken Raum geben. Ich entschied mich für ein großes Format für die Illustration, weil in diesem den Gedanken, Zielen und Wünschen von vier jungen Frauen aus Potsdam Drewitz Raum gegeben wird. Sie haben mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen und ihre Umgebung bietet wenig Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Wünsche, doch durch dieses Format können sie diese in die Umwelt kommunizieren und ich bin gespannt auf die folgenden Reaktionen. In dem Buch The Value of Design: Wirkung und Wert von Design im 21. Jahrhundert, schreibt Frank Wagner: „Die visuelle Qualität von Design wirkt auf jeden. Und zwar nicht nur auf visuell geschulte Menschen. Design wird nicht nur rational und bewusst wahrgenommen, sondern im Unterbewusstsein und da innerhalb eines komplexen individuell sozio-kulturellen Erfahrungs- und Werteverständnises. Die Wirkung wird unterschiedlich aufgenommen. Für den einen positiv, für den anderen negativ. Je nach persönlicher Relevanz, Erfahrung und Sozialisation... Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsqualität - als die wichtigsten Währungen in einem differenzierten Kommunikations- und Konsumumfeld - sind ganz wesentlich durch das Äußere bestimmt. Visuelle Qualität, aus der Aufmerksamkeit, Neugierde, echtes Interesse oder auch eine Kaufentscheidung wird, entsteht im Wesentlichen durch drei Aspekte: Erstens, über die Form - die äußere Gestalt eines formschönen, ästhetischen oder auch eigenwillen Objektes, das sich von seinem Umfeld abhebt. Zweitens, über die Idee - das Design besticht durch eine besondere Idee beziehungsweise einem neuen Verständnis, wie etwas Herkömmliches auch anders gemacht werden kann... Und drittens über die Botschaft - über einen spezifischen Inhalt, der mit einem interessant formulierten Gedanken intellektuell anspricht.” Ich will mit dieser großen Illustration subjektiv ansprechen, so wie Wagner es beschreibt: „Gestalten ist wie eine am offenen Herzen durchgeführte Operation an den unmittelbaren Gefühlen und Empfindungen des Betrachters. Auch bei uns Designern, denn wir überprüfen die Wirkung rational, gleichzeitig aber auch emotional.” In meiner Aufgabe als Redakteurin muss ich die einzelnen Ergebnisse der Sessions zu einem ausdrucksstarken Gesamtwerk zusammenbringen und dabei eine Ebene für die Ansprache der RezipientInnen finden. Dabei gilt es für mich, in der Abwägung zwischen Emotion und Ratio, die gestalterisch richtige Entscheidung zu treffen. Durch mein Kommunikationsdesignstudium mit den besonderen Kursen bin ich als Designerin empathisch dafür geschult, die Sehnsüchte der Mädchen transformieren zu können und diese gestalterisch zu kommunizieren. So schulten mich die besonderen Kurse zum Beispiel im Ausstellungsdesign worin es darum ging einen Ort zum Thema „Spiritualität” zu gestalten oder der Corporate Identity Kurs, in dem wir Fotografien nach dem Wert, den diese übermitteln analysieren mussten. Dabei bin ich davon überzeugt, was Frank Walter postuliert: „Design aber bestimmt - zugespitzt formuliert - die Inhalte, die wahrgenommen werden.” Ich komme zu dem Schluss, dass Design mehr in der Öffentlichkeit stattfinden könnte, in der Interaktion und Konfrontation mit Mitmenschen. Dabei stütze ich mich auf meine eigene Erfahrung, in der ich aus meiner Komfortzone und dem stillen Kämmerlein hinausgetreten bin, dabei neu herausgefordert wurde und herausforderte und viel Besonderes lernen durfte.

4.2 AUSBLICK

In diesem Teil meiner Bachelorarbeit beschäftigte ich mich mit der Fragestellung und den ersten beiden Teilen meiner Designleistung, nämlich der Planung und Durchführung von Illustrationsworkshops. Den dritten Teil werde ich zur Präsentation vorstellen. Hierbei werde ich als Redakteur tätig sein und die Inhalte der Workshops zu einer großen Illustration zusammen bauen. Dabei gibt es zwei Ansätze: Erstens, ich kann weiter mit der Partizipation und Bewegung im Raum durch den Betrachter arbeiten, was mittels beweglicher Elemente der Illustration oder in den Raum ragender Teile möglich wäre. Zweitens, wird die Illustration wie ursprünglich gedacht zweidimensional auf einer Hauswand angebracht. Welchen Ansatz ich verfolge, werde ich von dem Mehrwert ableiten. Wenn eine veränderbare Illustration im Raum die Geschichte der Träume verstärken wird, dann werde ich dies tun. Wenn ein Wandbild diese Träume für den Betrachter kommunizierbar macht, werde ich ein zweidimensionales Wandbild erstellen. Unabhängig der Entscheidung welcher Ansatz ausgeführt wird, werde ich ein Modell im verkleinerten Maßstab der Hauswand oder des Raumes herstellen.

DANKE

Ich bedanke mich sehr bei Chris Olschewski (Leiter der Arche Drewitz), der es mir möglich gemacht hat die Illustrationsworkshops durchzuführen. Danke, für all die Offenheit und Spontanität und Ermutigung. Ich bedanke mich bei den Teilnehmerinnen der „Projekt Traumwand“ Workshops: Josi, Kryssi, Coco und Lilly. Ihr wart ein so tolles Team. Jedesmal so motiviert und engagiert! Ich bin stolz auf euch und hoffe, dass wir wieder zusammen gestalten können und wir dann unser Werk in groß sehen können. Vielen Dank, an Aaron für das Interview und die aufbauenden Gespräche in der Arche. Danke Johanna Pohlmann für die Aufnahmen und das Video.

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5.LITERATURVERZEICHNIS

Banz, Claudia: Social Design: Gestalten für die Transformation der Gesellschaft, Claudia Banz (Hg.), Bielefeld,transcript Verlag, 2016 Boa Mistura: Website: http://www.boamistura.com/#/about-us, ins Deutsche übersetzt (Zugriff 29.05.2018) CREO: auf Website: http://creoantofagasta.cl/what-is-creo/ (Zugriff 29.05.2018) ins Deutsche übersetzt Gründler, Josef: Sozio-Design/Socio-Design: Relevante Projekte Entworfen für die Gesell schaft/Relevant Projects – Designed for Society, Karl Stocker (HG./ED.), 2017, Basel, Birkhäuser Verlag GmbH, 2017 Lupo, Thomas: Anleitung zum Ausbrechen, Mainz, Verlag Hermann Schmidt Mainz und Thomas Lupo, 2011 Wagner, Frank: The Value of Design.: Wirkung und Wert von Design im 21. Jahrhundert. Ein Plädoyer für ein neues Designverständnis, Mainz, Hermann Schmidt Verlag, 2015

Workshopfotos: Workshopfotos 1-7 Anna Albert Workshopfotos 8 Johanna Pohlmann Teaservideo: Kamera Franziska von Tenspolde Schnitt Anna Albert Musik „Live this one“ Blunted Beatz

7. Videodokumentation - Ausschnitt Workshops

Passwort: Projekt_Traumwand

8. Fotos der Installation

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Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Bachelorarbeit

Betreuung

foto: Prof. Detlef Saalfeld foto: Hans-Jörg Kotulla

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2018

zusätzliches Material