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Living in Small Spaces - Sleeping in a Night Train

Living in Small Spaces - Sleeping in a Night Train

Im zweiwöchigen Projekt wurde der Frage nachgegangen wie ein modernes, alternatives Raumkonzept und Interiordesign eines Liegewagens den Nachtzug als Transportmittel wieder attraktiver machen könnte. Dabei wird eine variabele Kapselstruktur mit hochfahrbaren Trennrollos vorgeschlagen, um die Kapazität eines Wagens, wie auch den Komfort der überwiegend nicht allein reisenden Fahrgäste zu erhöhen.

Einführung

Wir leben in ambivalenten Zeiten. 2015 war die Freude groß und die Augen feucht, als sich erstmals fast alle Staaten der Erde im Paris Agreement auf Klimaschutz und die Begrenzung des CO2-Ausstoßes verständigten. Doch die meisten von uns freuen sich ebenso über die Schnäppchen-Angebote von Billigfliegern und Reisebus-Monopolisten.

Dabei gibt es eine so romantsiche, wie effiziente, umweltfreundliche, wie ökonomische Alternative: die Reise mit dem Nachtzug. Am Abend begibt man sich mit seinem Gepäck zum Bahnhof, steigt in den gebuchten Wagen ein, verstaut sicher seine Habseligkeiten und macht es sich gemütlich im Liegewagen. Während man vom sanft ruckelnden Zug in den Schlaf geschaukelt wird, ziehen Ländergrenzen an einem vorbei und man erwacht ausgeruht am Zielort ohne einen Urlaubstag für die Anreise verbraucht zu haben.

Doch das gute alte Konkurrenzkonzept Nachtzug wurde von der Deutschen Bahn in den letzten Jahren immer weiter ausgedünnt und schließlich ein Jahr nach dem Paris Abkommen endgültig aufs Abstelllgleis geschoben. Warum können sich die Manager der staatseigenen Aktiengesellschaft nicht mit dem Geschäftszweig anfreunden?

Die Ausgangsfrage meiner Arbeit der Projektwoche 'living in small spaces' ist, ob nicht eine Überarbeitung der Raumaufteilung und des Interiordesigns der etablierten mitteleuropäischen Liegewagen zu einer Rennaissance der Nachtzüge beitragen könnte.

Wer reist in Deutschland? - Die Statistik gibt antworten

Um das Konzept und vor allem die Anordnung und Dimensionierung der Betten in einem Nachtzug an die reale Nachfrage anpassen zu können, ist es sinnvoll einige Statistiken über das Reiseverhalten in Deutschland zu Rate zu ziehen.

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Aus der Statistik über Geschäftsreisen in Deutschland lässt sich ableiten, dass zuletzt ungefähr drei Viertel der Reisenden unterwegs in den Urlaub waren, und nur ca. ein Viertel geschäftlich.

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Die Statistik zu beliebten Reisepartnern der Deutschen zeigt, dass nur 8% der Urlauber gern allein verreisen.

Inspiration und Idee

Doppelstockzug

Um die Kapazität des Liegewagens maximal auszuschöpfen, empfiehlt sich die Verwendung eines Doppelstockwagens. Die folgenden Maße beziehen sich auf ein übliches Modell, wie es in Deutschland im Nahverkehr eingesetzt wird.

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Kapselhotels

Um möglichst viele Menschen auf der knappen Ressource Raum unterzubringen, werden in Japan und anderen asiatischen Ländern, seit über 30 Jahren Kapselhotels betrieben. Anstelle eines Hotelzimmer erhalten die Gäste einen Spind, Zugang zum Gemeinschaftsbadezimmer und eine Schlafkapsel, in der man geradeso bequem liegen und sitzen kann.

Dieses Konzept versuche ich in meinem Entwurf auf den Liegewagen zu übertragen.

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Entwurf - Übersicht

Implementierung des Konzepts

Bei der Anwendung des Kapselkonzepts, welches eine optimale Raumausnutzung durch die Orientierung der Betten quer zur Fahrtrichtung gewährleistet, wird die Anordnung der Kapseln durch den Querschnitt des Doppelstockwagens begrenzt. Im Einklang mit den Statistiken zum Reiseverhalten in Deutschland ergibt sich dadurch eine Differenzierung der Ausstattung in der ersten und zweiten Etage des Waggons.

Die untere Etage

Im unteren Teil des Zuges reihen sich 23 doppelstöckige Kapseln entlang eines durchgehenden Seitengangs, wie er auch in Abteilwaggons üblich ist. Die 63cm breiten Kapseln erhöhen die Raumausnutzung im Vergleich zu einem typischen Liegewagenabteil mit mittigem Erschließungsgang um 50%. Unterhalb der unteren Kapsel befindet sich jeweils ein großes Gepäckfach. Toiletten- und Waschräume befinden sich in der Zwischenetage oberhalb der Fahrwerke.

Die obere Etage

Der abgerundete Querschnitt des Doppelstockwagens erlaubt oben nur eine Erschließung über den Mittelgang, daraus ergibt sich eine Reihung der Betten entlang der Fahrtrichtung. Um den besonderen Ansprüchen von Geschäftsreisenden gerecht zu werden, wird im oberen Stockwerk eine Business Class eingerichtet. Insgesamt vier exklusive Badezimmer mit Dusche erhöhen den Komfort und ermöglichen ein halbprivates Umkleiden. Durch die Anordnung der Badezimmer in der Mitte des oberen Stockwerkes ergeben sich zwei gesonderte Abteile, in denen 12 bzw. 16 Personen Platz finden und nicht durch vorbeilaufende Fahrgäste gestört werden.

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Die variablen Kapseln

Da die 63cm breiten Kapseln auf einige Personen beklemmend wirken könnten und andere sogar Platzangst haben, sollen die Kapseln vor allem die über 90% der Urlauber (s. Statistik) ansprechen, die nicht allein reisen. Sie können zwischen zwei nebeneinanderliegenden Kapseln ein Holzrollo hochfahren und so bspw. zu zweit den Komfort einer 120cm breiten Liegefläche genießen. Gruppenreisende oder Familien können den Komfort entsprechend noch weiter erhöhen.

Entwurf - Details

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Eine Klappleiter aus Edelstahl kann mit einem Parallelogramm-Klappmechanismus in den Gang hinein ausgeklappt werden und erlaubt so jeweils den Einstieg in die Kabinen links und rechts der Leiter.

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Jede Kapsel ist mit einem Fenster, einem Rollo, Leselampe (rechts), Lüftung, einem verstellbaren Multifunktionstisch mit Getränkehalter (verstaut in der Deckenverkleidung oben links) und Netzen als Stauraum für Wertsachen ausgestattet. Durch die Steuereinheit rechts lassen sich Licht-, sowie Lüftungsintensität bzw. Temperatur stufenlos einstellen und das Rollo in dem Moment hochfahren, in dem auch der Nachbar den Schalter betätigt. Eine Steckdose und USB-Ports ermöglichen das Aufladen von elektronischen Geräten, wie Smartphones.

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Am Fußende der Kabine lässt sich ebenfalls ein (transluzentes) Holzrollo herunterlassen um Privatsphäre oder Zweisamkeit genießen zu können. Der Ein- und Ausstieg in der oberen Kabine erfolgt über die Klappleiter. Der Multifunktionstsich lässt sich entlang einer indirekt beleuchteten Schiene über die gesamten Kapsellänge verschieben und in verschiedenen Höhen benutzen. So ist er bestens als Tablet/Laptophalter (zum Arbeiten oder Schauen von Videos), aber auch als Esstisch nutzbar.

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Jeweils zwei übereinanderliegende Kapseln teilen sich ein Gepäckfach unterhalb der unteren Kapsel. Um die vollen zwei Meter Tiefe ausnutzen zu können, ist der Boden mit Rollen ausgestattet. Die seitlichen Trennnetze erlauben in Ausnahmefällen auch das Verstauen von Gepäckstücken, die breiter sind, als 63cm. Ein Seil mit automatischer Rückholfunktion erlaubt das sichere Verstauen und leichte Entnehmen des Gepäcks.

Anknüpfungspunkte - Herausforderungen - Fazit

Die Idee der variablen Schlafkapseln im Nachtzug könnte durchaus Potential haben. Nach meinen Recherche-Ergebnissen gibt es weltweit heute noch keine Liegewagen mit Doppel- oder gar Mehrpersonen-Betten. Diesen besonderen Komfort und das gemeinschaftliche Erlebnis könnte in Einklang stehen mit ökonomischer Effizienz und einer gelebten 'Sharing Economy'.

offene Fragen

In einer weiteren Bearbeitungen müsste über wichtige Fragen, wie Hygiene/Reinigung der Kabinen und Schallschutz nachgedacht werden.

Fazit

Die Zugverkehrsbranche ist ein sehr behäbiges Geschäft, doch noch vor der Einstellung des Nachtzugbetriebs hatte die Deutsche Bahn eine Design Agentur mit neuen Nachtzug-Konzepten beauftragt, die jetzt von der ÖBB erprobt werden. Es könnte also tatsächlich in naher Zukunft eine neue Art des nächtlichen Reisens möglich sein. In ferner Zukunft dann vielleicht auch in variablen Kapseln.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Perspektiven und Social Skills

Art des Projekts

Studienarbeit im Masterstudium

Betreuung

foto: Prof. Hermann Weizenegger foto: Christian Rühlmann foto: MW

Zugehöriger Workspace

living in small spaces

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2017 / 2018