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HAMARE PANI (Unser Wasser)

Hamare Pani bedeutet »Unser Wasser« auf Hindi.

Ziel des Kurses war es, ein mit dem Internet verbundenes Produkt oder einen Service zu gestalten. Das Ergebnis meiner Arbeit ist ein Kooperativer Gestaltungsansatz, dessen Ziel es ist, in Slum Gegenden Ideen zur Bereitstellung sauberen Trinkwassers für alle Bewohner zu entwickeln.

EINLEITUNG

Schon jetzt lebt 50% der Erdbevölkerung in Städten. Bis 2050 sollen es laut des UN Departments of Social Affairs 66% werden. Besonders in Asien, Afrika und Südamerika ziehen die Leute in Städte. Ohne die vorhandene Infrastruktur werden viele Menschen in Slums ziehen müssen. Davon betroffen ist nicht nur die sogenannte Unterschicht, sondern in Städten wie Mumbai auch Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Die Mieten in Mumbai sind vergleichbar mit denen in London oder New York, wobei das Durchschnittseinkommen aber deutlich geringer ist. Mumbai ist dadurch, obwohl die Grundverpflegung sehr günstig ist, die am wenigsten erschwingliche Stadt der Welt.

Dharavi

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(Dharavi, Mumbai)

Ich konzentriere mich im Folgenden auf Dharavi, einen Slum im Zentrum von Mumbai. Im Spätsommer 2015 war ich selbst vor Ort und konnte mir einen eigenen Eindruck verschaffen. Dharavi ist schon bei der Gründung Mumbais von Fischern besiedelt worden und ist im Laufe der Zeit zu einem der größten Slums in Asien gewachsen. Über eine Million Menschen leben hier auf zwei Quadratkilometern, während sich der Rest der Stadt darum herumgebildet hat. Dharavi liegt äußerst zentral und ist aus diesem Grund auch ein lukratives Baugebiet, weshalb die örtliche Regierung seit Jahren versucht, die Anwohner zum Umzug zu bewegen. Ein Umzug würde aber bedeuten, dass sie raus aus der Stadt ziehen und dadurch ihre Jobs aufgeben müssten. Die meisten Anwohner Dharavis arbeiten auch direkt vor Ort in Gerbereien mit angeschlossenen Jacken- und Taschenherstellern, Nähereien, Töpfereien die Güter produzieren, welche in die ganze Welt exportiert werden. Eine weitere Haupteinnahmequelle ist das Recycling von Plastik. Der Jahresumsatz von Dharavi wurde auf über 500 Millionen US Dollar geschätzt.

Das Trinkwasser Problem

Obwohl Dharavi ein Slum mit einer überwiegend berufstätigen und dadurch vergleichsweise wohlhabenden Bevölkerung ist, gibt es ein großes Problem und das ist die Wasserversorgung. Auf ca.1400 Menschen kommt eine Toilette; die meisten gehen immernoch in den Abendstunden in das angrenzende Moor um sich zu erleichtern. Da es kein funktionierendes Abwassersystem gibt, wird in Folge dessen das Grundwasser verunreinigt. Gerade in der Monsunzeit, wenn der Wasserspiegel steigt, gelangt dieses Wasser oft durch Lecks in den Pipelines in die Trinkwasserrohre und führt so häufig zu gefährlichen Krankheiten. Durchfall, Typhus und Cholera sind die drei häufigsten Infektionskrankheiten, die durch Einnahme von infiziertem Wasser entstehen können. Gerade Kinder sind anfällig, Durchfall ist dabei einer der Hauptgründe für Kindererkrankungen mit Todesfolge in Indien. Dass das eigentlich kostenlos zur Verfügung stehende Trinkwasser aus Wasserpumpen häufig füt Krankheiten verantwortlich ist, führt dazu, dass die Anwohner diesen Pumpen misstrauen und versuchen, auf andere Wege an Trinkwasser zu gelangen. Der durchschnittliche Bedarf an frischem Wasser liegt bei etwas 80 Litern pro Tag und Person. (Im Vergleich: in Deutschland verbraucht jeder Mensche im Durchschnitt 121 Liter pro Tag.)

Die Alternativen

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(Screenshot der Website dieses Projekts.)

Wenn sie das Wasser aus dem von der Regierung gesponsorten Trinkwassernetz aufgrund von Verunreinigung nicht trinken können, müssen sich die Menschen nach anderen Möglichkeiten umsehen, um sauberes Wasser zu bekommen.

Wassertrucks Einmal oder mehrmals am Tag fahren von der Regierung organisierte Wassertransporte nach Dharavi und stellen der Bevölkerung kostenloses Wasser zur Verfügung. Die Lieferungen kommen allerdings sehr unregelmäßig und können nur einen Bruchteil der Menschen ausreichend versorgen. Die Zustände beim Austeilen werden vom jungen Lehrer Guru mit einem Krieg verglichen. Er muss jeden Tag um 4 Uhr aufstehen, um genug Wasser für den Tag in Container zu füllen und dann rechtzeitig um 8 in der Schule zu sein.

Shops Theoretisch gibt es überall kleine Läden, die neben allem Möglichen an Lebensmitteln auch Wasser in Flaschen anbieten. Wenn man aber vom dem durchschnittlichen Bedarf von 80 Litern ausgeht, müsste ein Mensch 23,70€ pro Tag bezahlen. Das könnte sich kein Bewohner von Dharavi leisten.

Wasser Mafia Aus Mangel an Alternativen kaufen sich viele Leute ihr Wasser auf dem Schwarzmarkt. Abgepackt in kleine Plastikbeutel wird es von lokalen Gangstern, die schlicht »Water Mafia« genannt werden verkauft. Mit 10,30€ für die Tagesration wäre das zwar günstiger, als im offiziellen Geschäft, aber immernoch zu teuer, um damit eine ganze Familie zu versorgen. Trotzdem sehen sich viele Bewohner gezwungen, zumindest einen Teil ihres Wasserbedarfs von der Mafia zu beziehen, da die Transporte nicht genügend Wasser liefern und sie den Pumpen misstrauen. Ironischerweise ist das Wasser, welches von dern Gangstern verkauft wird meistens das gleiche, das aus den Pumpen strömt, denn sie bohren Löcher in die Pipelines, um sie anzuzapfen. Das ist wiederum ein Hauptgrund für die Verunreinigung.

Die Lösung

Ich denke, dass ein Sensor, der in die bestehenden Wasserpumpen integriert wird die passende Lösung für das Trinkwasserproblem sein könnte. Mit dem Smart Water Sensor der Firma Libelium läßt sich die Trinkwasserqualität messen. Ein solcher Sensor könnte Aufschluss über drei wichtige Faktoren geben:

1 Ist das Wasser trinkbar? 2 Wann und wie oft wurde Wasser gezapft? 3 Wo genau?

Daraus ließe sich eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten entwickeln, die dazu beitragen könnten, dass mehr Leute über größere Mengen an sauberem Trinkwasser verfügen. Da sich ein solches Projekt aber nicht ohne das Einverständnis und die Integration der Leute vor Ort umsetzen ließe, wäre der erste Schritt, lokale Mitstreiter zu finden.

Kooperative Gestaltung

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Laut Liz Sanders (Design Research Koryphäe) hat Partizipatives Design den größten Gesellschaftlichen Wert, je früher es im Ablauf eines Projekts ausgeführt wird. Ich denke, dass dieser Ansatz sich auch auf Hamare Pani ableiten lässt, da ich nicht glaube, dass ein von einem ausländischen Experten Team geleitetes Projekt, das die Bewohner eines indischen Slums mit fertigen Ideen konfrontiert großen Erfolg hätte. Vielmehr möchte ich die Experten vor Ort dazu animieren das Projekt mitzugestalten und letztendlich zu leiten. Dazu ist es notwendig, dass alle Personengruppen vor Ort mit einbezogen werden. Die Menschen in Dharavi leben getrennt nach Religionen und Kulturen in kleinen Vierteln. Um alle zu erreichen, würde ich beginnen, Workshops auf wechselnden öffentlichen Plätzen zu veranstalten. Dadurch soll nach und nach der Dialog allerd Personengruppen gefördert werden. Die Leute sollen damit beginnen, ihre Erfahrungen und Probleme in Hinblick auf die Versorgung mit Trinkwasser zu beschreiben. Dann wird von der Möglichkeit einen Sensor zu verwenden und welche Daten sich daraus ableiten ließen erzählt. Im Anschluss werden Ideen entwickelt, wie diese Daten genutzt werden könnten und welche Übergangslösungen möglich wären. Diesen Prozess und die Entwicklung daraus resultierender Ideen habe ich in folgender Roadmap skizziert.

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Produktideen

Angenommen, der Gestaltungsprozess würde wie vorgeschlagen von Bewohnern von Dharavi durchgeführt, könnten sich folgende oder ähnliche aufeinander aufbauende Produktideen entwickeln.

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Flagge

Diese Flagge könnte in der ersten Phase des Projekts verwendet werden, um in Echtzeit über die Wasserqualität einer Pumpe zu informieren. Die Bebauung in Dharavi ist sehr flach, so dass sie von weitem gesehen werden könnte. Da sich die Wasserstellen häufig weit von einander entfernt befinden, wäre diese Art der Anzeige eine nützliche Information für Bewohner, die ansonsten gezwungen wären, weite Strecken zu laufen. Flaggen dieser Art könnten sowohl an den Wasserpumpen, als auch an den gängigen Anlaufstellen der Wasserlieferungen errichtet werden.

Der Pumpenbetreiber, ausgestattet mit Wassertest Strips hätte die Aufgabe, die jeweils passende Fahne zu hissen. Eine kostengünstige Lösung für den Anfang.

Die Farbwirkung ist abgeleitet von der traditionellen Farbbedeutung im Hinduismus.

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Kampagne

Das Ziel der Kampagne ist es, die Idea von Hamare Pani zu verbreiten und die Bedeutung der Flaggen zu kommunizieren. Ein Sticker auf Wasserflaschen und -containern, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden, erklärt die verschiedenen Fahnen und die zwei Phasen der Wasserverunreinigung.

Da in Indien mehr als 11 unterschiedliche Sprachen gesprochen werden und ein Großteil der Menschen nie gelernt hat zu lesen, muss die Information hauptsächlich ohne Worte funktionieren.

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Smart Pumps

In der dritten Phase und nachdem Sponsoren gefunden wurden, werden existierende Wasserpumpen mit einem Sensor, einem Wifi Modul und einer LED ausgestattet. Dadurch können Live Informationen über die Wasserqualität abgerufen werden. Da die entsprechenden Sensoren noch relativ teuer (ca. 200€) müssen sich erst externe Unterstützer finden. Für Firmen wie Jio und Airtel, deren Ziel es ist mobiles Internet in ganz Indien zu verbreiten, wäre es eine gute Gelegenheit für eine werbewirksame Mitarbeit.

Drei LEDs zeigen den Status der Wasserqualität an und werden von einem Pumpenbetreiber abgelesen, der wiederum die entsprechenden Fahne hisst. Es ist wichtig, die bestehende Infrastruktur zu übernehmen und die Pumpenbetrieber mit einzubeziehen. Deshalb sollte das Hissen der Flagge nicht automatisch geschehen.

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Smartphone App

Die Smartphone App ist für die letzte Phase des Projekts geplant. Android Telefone gibt es bereits ab umgerechnet 30€ und ich habe fast jeden mit einem Smartphone herumlaufen sehen, als ich Dharavi 2015 besuchte. Die App hat zwei Haupt Features:

1 Sie zeigt die nächste in Betrieb befindliche Wasserpumpe mit sauberem Wasser an. 2 Sie zeigt, wann und wo der nächste Wassertransport ankommen wird.

Die App wurde in einer sehr simplen Struktur für die erste Testphase konzipiert. Denkbar wäre, dass sich in zukunft auch komplexere Vorgänge abrufen ließen, wie z.B. welche Wasserpumpe sich am ehesten anzusteuern lohnt, weil sie gerade erst in Betrieb genommen wurde oder die geringste Auslastung hat.

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Website

Letztendlich ist auch eine Website teils zu Dokumentationszwecken, teils als am ehesten geeignetes Medium für eine mögliche Sponsorensuche entstanden.

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Ausblick

Nachdem die ersten vier Projektphasen abgeschlossen sind, sollte Hamare Pani möglichst ein Selbstläufer werden und von den Bewohnern von Dharavi übernommen und geleitet werden. Weitere Ideen, Erfindungen und Nutzungsbeispiele werden entstehen und es wird neue angeschlossene Nutzergruppen und Steakholder geben.

Die Hauptgruppen, die meiner Meinung nach Interesse an den Sensordaten haben könnten sind:

Ärzte Die dank des Smart Sensors ermittelten Daten werden zu einem wichtigen Werkzeug für lokale Ärzte und Krankenhäuser. Sie geben Aufschluss darüber, von wo und und in welchem Rahmen sich eine Krankheit ausbreitet. Diese Methode wurde bereits 1854 von Dr. John Snow and Edmund Cooper in London durchgeführt, um den Herd einer Choleraepidemie ausfindig zu machen.

Die Regierung Die Wasserversorgung der Regierung könnte optimiert werden, da die Sensoren Informationen über mögliche Lecks in der Pipeline aufdecken und darüber Aufschluss geben, ob ein Versorgungsengpass entsteht.

Firmen und NGOs Es wird eine große Anzahl an Möglichkeiten für NGOs und Firmen geben, in das Projekt einzusteigen. Die Sensoren funktionieren nicht ohne Internet, deshalb ist es wichtig, frühzeitig eine (kostenlose) Internetverbindung zur Verfügung zu stellen. Die mobilen Internetbetreiber Jio und Airtel könnten hier supporten und die Stabilität und Übertragungsstärke ihrer Wifi Module unter Beweis stellen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Interfacedesign

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: MK

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2015 / 2016

Keywords