Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam mehr erfahren

HABSELIGkeiten

Was von unserem Leben mit Dingen übrig bleibt.

PROLOG

Alles ist vergänglich. Das trifft sowohl auf uns Menschen als auch unseren Besitz zu. Nach dem Ableben bleibt das zurück, was uns einst etwas bedeutet oder uns sogar ausgemacht hat. Für diejenigen, die sich um diesen Nachlass kümmern, handelt es sich lediglich um eine Menge an Dingen, denen entweder keine oder eine andere Bedeutung immanent ist. Das Meiste davon wird verkauft oder entsorgt. Nur ein kleiner Teil wird behalten, da der eigene Haushalt entweder schon vollkommen ausgestattet ist oder die Hinterlassenschaften formal nicht gefallen. Die Zeiten, in denen man Einrichtungsgegenstände über mindestens zwei Generationen hinweg weitergegeben hat, sind vorbei. Heutzutage unterliegen diese Gegenstände schnelleren Produktions- und Modezyklen, was zur Folge hat, dass sie nach kurzer Zeit kaputt gehen oder sie nach ästhetischem Empfinden ausgetauscht werden. Dadurch ändert sich auch das Wesen des Erbens und Vererbens. Monetäre Werte stehen dabei im Vordergrund; was selten, edel oder historisch wichtig ist bzw. sich verkaufen lässt, erscheint wertvoll. Doch das Gros unseres Wohnungsinhaltes zählt nicht zu diesen Kategorien und wird als vermeintlich wertloser Abfall weitervererbt. Betrachten wir genauer, was von unserem Leben abfällt, dann wird uns bewusst, dass es sich nicht nur um funktionslose und unschöne Dinge handelt, sondern vor allem um eine ungenutzte Materialität. Das Erbe ist eben hauptsächlich ein materielles und das könnte in Zeiten von Rohstoffverknappung immer wertvoller werden.

Das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit ist es auch, das unseren Umgang mit eigenem oder fremdem Besitz emotional färbt. Manche Menschen fühlen sich beispielsweise erleichtert bei dem Gedanken, dass etwas von ihnen sie physisch überdauern wird; andere überkommen nostalgische Gefühle, wenn sie sich mit den Denkmälern des Alltags eines Verstorbenen befassen. Der Mensch besitzt die Fähigkeit, emotionale Beziehungen zu leblosen Dingen aufzubauen, sie ideell aufzuladen ­- seien es eigene oder fremde Dinge. Im Falle einer Wohnungsauflösung können diese Emotionen verstärkt hervortreten, da hier über den Verbleib dieser mit Identität und Biographie aufgeladenen Objekte entschieden werden muss. Eine Trennung ist normalerweise ein seelisch anstrengender und langwieriger Prozess. Bei einer Wohnungsauflösung bleibt jedoch meist nicht allzu viel Zeit, um sich in Ruhe von Dingen und Räumen zu trennen. Darüber hinaus gibt es keine bestehenden Angebote, die dem Menschen diesen Prozess erleichtern könnten. Entrümpler kümmern sich nur um die fristgerechte Leerung der Räume.

Dieser fehlende Umstand soll zum Gegenstand der folgenden Untersuchungen werden. Was kann dort, wo ein Stück persönlicher Vergangenheit ausgelöscht wird, Neues entstehen? Etwas, das nicht nur als abstrakte und unzuverlässige Erinnerung überdauert? Wie lässt sich die Vergangenheit mit der Gegenwart verbinden?

Die vorliegende Theoriearbeit prüft die Hinterlassenschaften eines Lebens auf ihren möglichen emotionalen wie auch pragmatischen Gehalt, um daraus ein umsetzbares Konzept des Erinnerungserhaltes zu abstrahieren.

EPILOG

Die «Erinnerungsmanufaktur» unterstützt Menschen dort, wo die Gegenwart zur Vergangenheit wird. Sie hilft bei der Räumung einer Wohnung und schafft darüber hinaus Angebote der visuellen wie auch haptischen Erinnerungsbewahrung. Somit wird umgekehrt ein Teil des nun Vergangenen wieder in die Gegenwart gerettet und kann dort überdauern. Die Arbeit der «Erinnerungsmanufaktur» kann mit der eines Biographen verglichen werden – sie teilt als Außenstehende ihren Kunden deren eigene Geschichte in besonderer Form mit. Das Bewahren eines Inhaltes bei gleichzeitiger Vernichtung der Gestalt kann schließlich dazu führen, dass wir uns leichter von etwas Trennen und die eventuell später auftretende Phase des Bedauerns über ein Entsorgen ausbleibt.

Natürlich wird es auch weiterhin bei einer Wohnungsauflösung hauptsächlich um die Leerung der Räume gehen und der angebotene Service der Andenkenproduktion nicht für jeden in Frage kommen bzw. sich nicht anbieten. Jedoch regt der Kern dieser Dienstleistung vielleicht dazu an, unser Bewusstsein für Wertvolles und Wertloses zu schärfen. Nicht alles, was Abfall ist, muss auch unbrauchbar sein oder entsorgt werden. Wenn es sich bei Müll tatsächlich nur um Dinge am falschen Ort handeln sollte, dann kommt bei herkömmlichen Wohnungsauflösungen ein ganzer Berg davon zustande. Eine Reflektion der Besitzer über das eigene Konsumverhalten, damit es vielleicht gar nicht zu solch einer Menge kommt, oder die Suche der Wohnungsauflöser nach Umverteilungsmaßnahmen wäre dabei erstrebenswert.

Der Service der Dienstleistung ist für die Produktion der Andenken unerlässlich. Die «Erinnerungsmanufaktur» hilft dem Kunden zu entscheiden, was in Form einer greifbaren oder digitalen Erinnerung bewahrt werden soll bzw. kann. Das Konzept der Andenken und der entsprechende Service dazu bilden ein Ganzes. Wenn sich Produkte heutzutage immer weniger in ihren Ausstattungs- und Leistungsmerkmalen unterscheiden, wird das angebotene Service-Design immer wichtiger - dient es doch als Auswahlkriteritum und setzt sich gegen seine Konkurrenten durch.

Die «Erinnerungsmanufaktur» erweckt den Bedarf einer Erinnerungsbewahrung und kann diesen gleichzeitig mit höchster Personalisierung der einzelnen Produkte decken.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Produktdesign

Art des Projekts

Bachelorarbeit

Betreuung

foto: Prof. Alexandra Martini foto: Prof. Nils Krüger

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2015 / 2016