In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Im Rahmen des Kurses Google Maps and beyond erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „Karten“ als ein Medium zur Gestaltung und Vermittlung von Informationen. Neben Grundlagen der Kartengestaltung erfolgte auch eine Einführung in Tools und Werkzeuge zur digitalen oder analogen Kartenherstellung. In einem Abschlussprojekt sollte dann diese Grundlagen und Werkzeuge aufgegriffen und verwendet werden, um ein selbstgewähltes Thema zu bearbeitet, das auf einer Karte basiert oder Karten im weitesten Sinne nutzt.
Bei Rio de Janeiro denken die meisten an Sommer, Sonne, Samba, an Copacabana, Zuckerhut und Girl from Ipanema. Rio befindet sich zur Zeit allerdings auf Konfrontationskurs mit zwei sportlichen Großereignissen. Als Spielort der Fußball-WM in diesem Jahr und Austragungsort der Olympischen Spiele 2016 ist die Stadt sowie ihre Bewohner einem starken Umbruch ausgesetzt. In Vorbereitung auf diese Mega Events kam und kommt es nicht nur zu massiven Eingriffen in das Stadtbild, sondern auch zu Enteignungen und Zwangsumsiedlungen vornehmlich der Bevölkerung in den Favelas. Nach Angaben mehrerer Organisationen sind in Rio 3.000 Familien bereits zwangsgeräumt worden, weiteren 8.000 droht dasselbe. In ganz Brasilien sollen bis zu 170.000 Menschen von den Maßnahmen betroffen und damit in ihrem Recht auf Wohnen verletzt oder bedroht worden sein. Wie so oft in der Vergangenheit wurde verkündet, dass die Menschen von den Maßnahmen profitieren werden. Die Massenproteste und Demonstrationen der vergangenen Zeit sprechen jedoch eine andere Sprache. Viele Brasilianer haben kein Verständnis für die Milliardenausgaben der Spiele bei einer gleichzeitig andauernden Misere im Bildungs-, Gesundheits- und Transportwesen.
Das etwas andere »Panini Album« zeigt einen Teil der in Rio betroffenen Orte und gibt einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen sportlicher Begeisterung und kritischem Widerstand. Es lädt zum Sammeln ein und bietet Raum für eine kritische Auseinandersetzung mit Brasilien, Rio und seinen Mega Events.
Klar war für uns Anfangs nur, dass wir in unserem Projekt auf die Situation in Rio de Janeiro in Zusammmenhang mit den anstehenden Sportgroßevants eingehen wollten. Da die Dimensionen des Projekts, sowie der konkrete Fokus noch nicht fest standen, trugen wir in der ersten Arbeitsphase alles zusammen, was für das Thema von Bedeutung sein könnte: von den offiziellen Websites der Stadt, über Artikel auf Nachrichtenportalen, bis hin zu wissenschaftlichen Datensammlungen mit detaillierten Aufschlüsselungen der Eingriffe in Zahlen. Wertvollste Quellen sollten aber am Ende eine bereits existierende Karte der „Heinrich Böll Stiftung“, auf der die verifizierten Favela-Räumungen eingezeichnet waren, sowie das dieser Karte zugrunde liegende Dossier des Volkskomitees der WM und der Olympischen Spiele vom Mai 2013 werden.
Ziel unseres Projektes sollte es sein eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema zu gestalten und gleichzeitig einen spielerischen Umgang damit zu finden. Hierbei wollten wir nicht nur eine reine Visualisierung von Daten und Informationen erzeugen sondern den Betrachter zu einer Interaktion motivieren. Die Spannweite zwischen Begeisterung und kritischem Hinterfragen der Mega-Events sollte sich ebenso in unserer Arbeit widerspiegeln.
Das »Panini-Album« begeistert seit Jahrzehnten Fans und Sammler und bot uns den optimalen Rahmen für eine solche analoge Umsetzung.
Konzeption
Mit der Konzeption des Heftes erfolgte die konkrete Unterteilung der Themengebiete sowie eine Selektion der einzelnen Orte innerhalb der Karte nach ihrer Relevanz. Wichtig innerhalb dieses Prozesses war es unsere Quellen deutlich zu Unterscheiden und sich auf eine Auswahl an Daten und Informationen zu beschränken.
Auch die Konkrete konzeptionelle Ausarbeitung der einzelnen Seiten war nicht ganz einfach: welche Informationen sollen bereits vorhanden sein? welche wiederum sollen erst geklebt werden? und wie lässt sich das in Anlehnung an ein original Panini-Album am besten umsetzen?
Gestaltungsansätze
Nach der konzeptionellen Ausarbeitung galt es nun eine einheitliche Gestaltung zu finden, bei unserer ausführlichen Recherche verschiedener Bildmaterialien inspirierte uns besonders der Stil alter Panini-Alben und Retro-Plakate. Die Herausforderung bestand nun darin, den Stil auf unsere Karten zu übertragen.
Die Basis bzw. das Trägermedium zur Vermittlung unserer unterschiedlichen Informationen sollte die Karte Rio de Janeiros bilden. In Tilemill haben wir dazu das notwendige Kartenmaterial geladen und damit begonnen ein Farbschemata in Anlehnung an unsere festgelegten Gestaltungsansätze zu erarbeiten.
Farben Mehrere Farbschemata wurden von uns erstellt und getestet. Zu diesem Zweck haben wir einen Kartenausschnitt gewählt, der sämtliche Karten- und Gestaltungselemente aufweist und exemplarisch für die gesamte Karte Rios stehen kann. Das Gebiet um das städtebauliche Großprojekt Porto Maravilha erfüllte diese Kriterien. Die unterschiedliche Farbansätze sind unten dargestellt.
Wir entschieden uns schließlich für folgendes finale Farbschema mit geringen Kontrasten und wenigen Highlight-Farben, das unserer Gestaltungsidee im Sinne alter Panini-Alben am ehesten entsprach.
Unten ist das angewandte Farbschema für die Gesamtkarte von Rios Stadtgebiet in Tilemill abgebildet.
Der entsprechende Kartenausschnitt für das Hafengebiet sieht damit folgendermaßen aus:
Texturen Der zweite Schritt der Kartengestaltung umfasste die Hinzunahme von Texturen. Zum einen sollte damit der gestalterischen Idee von alten Panini-Alben Rechnung getragen werden, zum anderen sollte auf diese Weise auch der Bezug zu den unverputzten Häusern und Hütten in den Favelas von Rio hergestellt werden.
In Tilemill gibt es die Möglichkeit weitere Ebenen bzw. Bildmaterial hinzuzufügen und diese als Texturen zu verwenden. Wir entschieden uns allerdings für den schnelleren und effizienteren Weg über Photoshop, nachdem wir sämtliches Kartenmaterial aus Tilemill exportiert hatten.
Unten ist eine Auswahl der verwendeten Texturen zur Gestaltung unseres Kartenmaterials zu sehen:
Das finale Kartenmaterial mit Texturen ist unten exemplarisch zu sehen. Unter Hinzunahme unterschiedlicher Texturen und Rauschen gestalteten wir unsere Karten, die wir in dem anderen Panini-Album verwenden.
Da in dem anderen Panini-Album die Flächen, die noch nicht mit Aufklebern versehen sind, nur ausgegraut zu sehen sein sollen, haben wir für jede verwendete Karte auch eine Variante in Graustufen erstellt.
Vektorkarte Und schließlich mussten wir für die Bearbeitung eines Themenfeldes auf eine bereits vorhandene Vektorkarte zurückgreifen, da die Grenzen der rund 160 Stadtteile in der Tilemill-Karte nicht hinterlegt waren. Wir verwendeten eine Karte, die bei Wikipedia zur Verfügung gestellt wird, um die Einkommensverteilung innerhalb der Stadtteile Rios abzutragen. Auch hier wurden Texturen für eine konsistente Gestaltung des gesamten Kartenmaterials eingesetzt.
Skizzen
Sowohl für die konzeptionelle als auch die gestalterische Ausarbeitung erfolgten zunächst Skizzen.
Entwürfe Erste gestalterische Ansätze des Panini-Albums, die Doppelseite des Parque Olímpico sowie die Doppelseiten des Porto Maravilha,
Marker
Für die Kennzeichnung konkreter Orte entwickelten wir eine Reihe von Markern, welche sich in ihrem Themengebiet durch Icons unterscheiden.
Einleitung Links: Ein auf das Thema einstimmender Begrüßungstext. Rechts: Eine Tabelle in der die von Räumung und Umsiedlung betroffenen Favelas aufgelistet sind.
Themen Einerseits eine Themenübersicht des Hefts, sowie eine Übersichtskarte Rios in der die Orte der Eingriffe verzeichnet sind ohne, dass darauf weiter eingegangen wird.
Einkommensverteilung Um den menschlichen Aspekt des Themas zu beleuchten, befinden sich auf dieser Doppelseite Fotos aus Favelas. Diese sind gekoppelt an eine weitere Übersichtskarte, auf der das Durchschnittseinkommen in den Stadtteilen Rios und die Lage der Favelas im Stadtgebiet abzulesen sind.
Sportstätten Hier überklebt der Leser vier Nachbarschaften, die wegen der Bauten im Umfeld besonders stark für den Eingriff ins Stadtbild im Zusammenhang mit WM und Olympischen-Spielen stehen.
Parque Olympico Der Olympiapark und der angrenzende Park der Athleten sind zusammen eines der größte Bauvorhaben für die Olympischen Spiele. Beim Überkleben des ursprünglichen Areals, erhält der Leser Informationen über die Stadien, Häuser und Attraktionen die hier in den kommenden Jahren entstehen sollen.
Verkehr Weitere Großbauvorhaben sind die Eingriffe in das Straßennetz Rios. Auf diesen zwei Seiten sind die vier großen BRT-Projekte (Bus Rapid Transit) zu sehen. Auf den Stickern sieht man dann den Verlauf der Trassen, sowie die Orte der dafür geräumten Favelas.
Porto Maravilha Porto Maravilha (Der wunderbare Hafen) ist der Name für ein Projekt im Osten der Stadt. Hier wird ein jahrelang brach gelegenes und daher von ärmeren Teilen der Bevölkerung besiedeltes Stadtgebiet Luxus-saniert, mit Rios erster Straßenbahn versehen und als Vorzeigeareal für die erwarteten Touristen ausgebaut. Informationen sind dazu bereits am Seitenrand verteilt. Der Leser erhält beim Kleben aber noch Informationen über die genaue Lage der einzelnen Projekte.
MCMV Auf dieser seitefüllenden Karte werden die Dimensionen des Umsiedlungsprojekt „Minha Casa Minha Vida“ (Mein Haus, mein Leben) veranschaulicht. Über das Koordinatensystem am Rand müssen die betroffenen Orte selbstständig herausgesucht und mit dem jeweiligen Aufkleber versehen werden.
Die wahren Herren der Spiele Auf an Spieler-Portraits angelehnten Stickern, werden hier die Gesichter der Menschen gezeigt, denen die Hauptverantwortung für viele der Rio betreffenden Planungen, zufällt.
Die Auseinandersetzung mit einem Aktuellen kontrastreichen Thema in Verbindung mit den Anforderungen des Kurses, weckte unsere Ehrgeiz und war eine besondere Herausvorderung. Auch der Spielraum zwischen digitaler Ausarbeitung und dem finalen Printprodukt ließ unser Projekt zu einem finalen »Gesamtpaket« werden.
Wir können uns vorstellen auch andere an unserem »Panini-Album« teilhaben zu lassen und sind gespannt welche Möglichkeiten sich in dieser Hinsicht ergeben werden.