In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Art direction ist eine Sprache, die wie ein Kleber, alles zusammenhält und verschiedene Perspektiven einnimmt. Visuelles Storytelling ist das Erzählen einer Geschichte in Bildern. Im Kurs Art Direction & Visual Storytelling fand deshalb die Geschichte über die Anfänge von „Dresden United e.V.“ sowie die Menschen, welche durch eine Vison von Zusammenhalt und Akzeptanz zusammenfinden seinen Raum.
Schon zum ersten Kurstag galt es unsere ersten Projektideen dabei zu haben. Ich schaute mich also um und dachte nach. Was und Wer umgibt mich? Welche Geschichten sollten erzählt werden? Welche Geschichten möchte und kann ich erzählen?
Nachdem ich unserem Kurs diese ersten Ideenansätze vorgestellt hatte, entschied ich mich schließlich für die erste Idee. Einerseits sah ich in diesem Konzept eine gute Möglichkeit, mich mehr mit der Geschichte und Leidenschaft meines Bruders auseinanderzusetzen. Ich denke, es kann den kreativen Prozess erleichtern, wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, mit dem man noch nicht allzu vertraut ist. Man blickt als Gestalter*in mit einem frischeren Auge auf das Ganze. Andererseits erkannte ich einen echten Sinn hinter dieser visuellen Identität und der ersten Repräsentation des Vereins. Es war ein guter Moment, erste Schritte festzuhalten und Gründerluft zu schnuppern. Also: Ab auf den Fußballplatz.
Ich setzte mich also als Nächstes mit meinem Bruder Lazaro zusammen und fragte ihn Löcher in den Bauch. Ich hatte schon einiges von den Plänen und Vorhaben aufgeschnappt, aber ich brauchte deutlich mehr Input um die Konzeptausarbeitung anzugehen.
Wer ist Lazi ?
Mein Bruder heißt Lazaro Gutierrez Podio, doch die meisten kennen ihn einfach als Lazi. Zusammen mit Maximiliano Contreras und weiteren Freunden, baut er einen Fußballverein auf, bei dem ich den ersten visuellen Auftritt mitgestalten möchte.
Lazis eigene Geschichte ist eng mit dem Fußball verknüpft. Mit 15 Jahren kam er aus Kuba nach Deutschland, gemeinsam mit unserem Vater. Seine restliche Familie, Freunde und sein vertrautes Umfeld musste er in einer ohnehin schon schwierigen Lebensphase zurücklassen. Besonders im brandenburgischen Finsterwalde, in der Niederlausitz, fiel es ihm anfangs schwer, sich an diese neue Lebensrealität zu gewöhnen. Der Wendepunkt kam, als er dem örtlichen Fußballverein „Hertha Finsterwalde“ beitrat. Dort fand er nicht nur den Zugang zum Sport, sondern auch Ehrgeiz, Leidenschaft, Identität und vor allem das Gefühl von Zugehörigkeit. Mit den Jahren entstanden Freundschaften und eine neue Form von Heimatgefühl, das ihm half, Wurzeln in Deutschland zu schlagen. Später wuchs in ihm der Traum, Sport zu studieren. Doch kurz vor der Eignungsprüfung verletzte er sich. Mit Dresden United möchte er gemeinsam einen Raum schaffen, in dem Menschen durch Fußball zusammenfinden, so, wie er selbst damals im Verein ein Stück Heimat fand.
Wie ist es zur Vereinsgründung gekommen?
Vor etwa fünf Jahren stellte Max Contreras, ein Chilene mit Erfahrung in interkulturellen Projekten, in einer internationalen Facebook-Gruppe die Frage, wer Lust auf Fußball habe. Daraus entstand eine stetig wachsende Gruppe, die bald auf dem Gelände SC Borea Dresden spielten durfte. Dank einer Integrationsförderung konnten sie den Platz ein halbes Jahr kostenlos nutzen – die Mitgliederzahl stieg in dieser Zeit von 50 auf rund 150. Fußball war jedoch nur der Anfang: Es wurde gemeinsam gegrillt, geredet und gefeiert, eine enge Gemeinschaft entstand.
Als die Förderung endete, finanzierte sich die Gruppe über kleine Monatsbeiträge. Für viele, besonders Max, war klar: Hier geht es nicht nur um Sport, sondern um Austausch, Integration und Zugehörigkeit.
Vor drei Jahren stieß mein Bruder Lazi dazu. Im September 2024 trafen er und Max sich zufällig wieder und beschlossen, aus der losen Gruppe einen Verein machen zu wollen. Seitdem arbeiten sie mit weiteren Freunde an der Gründung von Dresden United, informieren sich über Strukturen, Fördermöglichkeiten und Versicherungen.
Aus einer spontanen Idee ist so der Plan für einen Verein gewachsen, der Fußball, Integration, interkulturellen Austausch und Zusammenhalt verbindet.
Was ist die Vision dieses Vereins?
Während der Organisationsarbeit wurde deutlich: Integration gelingt nicht allein durch Sport. Dresden United soll deshalb weit mehr als ein Fußballverein sein. Viel mehr ein Ort für interkulturellen Austausch und gelebte Gemeinschaft.
Geplant sind Integrationsveranstaltungen, Workshops mit Institutionen zu Themen wie Demokratie, Gleichstellung, Steuererklärung oder Visa-Fragen, aber auch ganz praktische Alltagshilfen wie Mülltrennung. Länder-Partys sollen den Mitgliedern ermöglichen, ihre Kultur durch Musik und Essen vorzustellen. Ein Podcast ist ebenfalls als Idee eingeflossen: Geschichten aus der Community, Tipps für Migranten und Einblicke für Jeden der mehr über Geschichten von Menschen erfahren will.
Wichtig ist den Gründern, auch deutsche Mitglieder einzubeziehen, um den Austausch und Beziehungen innerhalb der Gesellschaft zu fördern. Neben der kulturellen Vielfalt soll zudem die breiten, beruflichen Fähigkeiten der der Mitglieder in die Vereinsarbeit einfließen und es den Menschen ermöglichen voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu helfen. Erste Vereinswerte, inspiriert vom Engagement des Hamburger Clubs St. Pauli, sind bereits formuliert.
Ein familiäres Umfeld, in dem Fußball, Kultur und Freizeit verschmelzen. Ein Verein, in dem jeder Mensch Platz findet und sich einbringen kann.
Wer ist der Verein?
Die Gemeinschaft von Dresden United vereint Menschen aus über 15 Nationen. Im Vorstand wirken Max, Lazi, Atilito, Pepe, Friedrich, Lorenzo, Betu und Rafa.
Viele Mitglieder kamen ursprünglich als Studierende nach Deutschland, manche blieben nach dem Abschluss, andere zogen weiter. So ist der Verein keine statische, sondern eine dynamische Gruppe, die durch ihre Bewegung lebendig bleibt.
Auch die Vielfalt der beruflichen Hintergründe prägt den Verein: Musiker, Künstler, Ingenieure, Ärzte, Informatiker oder Marketingspezialisten bringen ihre Talente ein. Momentan reicht die Altersspanne der Mitglieder von Anfang 20 bis Ende 40. Es ist eine bunte Mischung, die den Geist des Vereins ausmacht.
Meine Ideen zum Konzept haben sich im Laufe des Semesters oft gewandelt. Ich musste mich entscheiden: Möchte ich ein reines visuelles Erscheinungsbild gestalten? Oder möchte ich näher auf menschliche Aspekte eingehen und Einblicke in die Personen geben, die Dresden United auf die Beine stellen?
Schließlich wurde es Letzteres, da der Verein noch in den Kinderschuhen steckt und die Gruppe gerade ihre ersten Schritte macht. Es steht noch nicht viel, und für eine erfolgreiche Corporate Identity ist es wichtig, zuerst eine emotionale Bindung zum Verein aufzubauen. Also wandte ich mich von ausgeklügelten Slogans und inszenierten Kampagnen ab und beschloss, mit einem dokumentarischen, beobachtenden und interessierten Blick das Geschehen und die Menschen festzuhalten – mich auf Mitglieder, Gesichter, Leidenschaft und Geschichten zu konzentrieren und damit eine ganzheitliche Geschichte zu erzählen. Und um das zu erreichen, hieß es: hinfahren, reden, kennenlernen, dokumentieren.
Da ich mich noch nie zuvor so nah an journalistische Arbeit gewagt hatte, half mir das Buch „Sieben Helden“ von Suzuki, das mir Sven mit auf den Weg gab und an dem er selbst mitwirkte, sehr – sowohl als Inspiration als auch bei der Konkretisierung des Projekts.
Da es jedoch nicht nur um Visual Storytelling, sondern auch um Art Direction gehen soll und somit verschiedene Darstellungsebenen existieren müssen, um alles stilistisch zusammenzuhalten, entschied ich mich, als Fokus des Projekts ein Magazin zu erstellen, das jedoch durch andere Gestaltungsmedien begleitet wird.
Um eine inhaltliche Textgrundlage für dieses Magazin zu schaffen und gleichzeitig den Mitgliedern Einfluss auf das Projekt zu ermöglichen, entschied ich mich, Interviews mit vier der Mitglieder zu führen.
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RECHERCHE
Bezüglich der visuellen Sprache wünschte ich mir, ein 90er-/2000er-Jahre-Feeling zu schaffen, da das große Potenzial von Fußball im Design in seiner Nostalgie liegt. Auch ich habe schon Anfang der 2000er meinen Bruder bei seinen Turnieren angefeuert, und er sowie seine Freunde verbinden starke Erinnerungen mit dieser Ära.
Ich wusste, dass ich mich in meinen Gestaltungsweisen einschränken musste, da sonst kein klarer Wiedererkennungswert und keine einheitliche visuelle Sprache entstehen konnten. Ich beschränkte mich anfangs darauf, zwei Fonts zu verwenden und ausschließlich mit Fotografie zu arbeiten. Um eine ungefähre Richtung zu finden, in die ich fotografisch gehen wollte, legte ich auch hierfür ein Moodboard an.
Da ich keine Erfahrung mit Logo-Gestaltung, geschweige denn mit Fußball-Logo-Gestaltung, hatte, wollte ich mich auch damit auseinandersetzen. Es sollte zwar nicht den Fokus bilden, doch ich wollte es dennoch versuchen. Also sammelte ich erneut Material.
Ich konnte mir auch grafische Aspekte innerhalb der Art Direction vorstellen, wusste jedoch noch nicht so richtig, wohin das führen sollte. Da reines Grübeln über ein Projekt mich nur bedingt weiterbringt, war mir klar, dass es an der Zeit war, der Angst vor dem Anfang entgegenzutreten, mein Skizzenbuch zu schnappen und einfach loszulegen. Die Ergebnisse führten zwar nicht zu einer bahnbrechenden Idee, doch sie halfen mir sehr, die Furcht vor der Umsetzung zu überwinden und überhaupt zu beginnen.
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LOGOENTWÜRFE
Um mich an den Umsetzungsprozess heranzutasten und nicht sofort meine Komfortzone durch Interaktionen mit fremden Menschen zu verlassen, begann ich mit dem Logo-Design, das sich im Laufe des Semesters Stück für Stück entwickelte. Da das „D“ von Dresden und das „U“ von United beide vereinfacht durch einen Bogen dargestellt werden können, schnitt ich mir zwei solcher Bögen aus, experimentierte damit ein wenig – und hoffte vergeblich, vom Ideenblitz getroffen zu werden.
Dann versuchte ich ein paar der potentiellen Ideen, die mein Gehirn erreichen konnten, zu skizzieren. Nach und nach bildeten sich Assoziationen.
Mir gefiel die Idee, den Bogen des „D“ und den des „U“ ineinander übergehen zu lassen und die Abkürzungspunkte nach oben zu verschieben, sodass das Logo zwei Gesichter entstehen lässt, die eine Einheit bilden – so wie Dresden United. Mit diesem Konzept im Petto machte ich mich an die digitale Ausarbeitung, bei der ich wohl nie wieder den Fehler machen werde, den zeitlichen Aufwand dermaßen zu unterschätzen. :' )
Hunderten kleiner Anpassungen folgten weitere hundert. Aus dem, was ursprünglich einen Fußball darstellen sollte, wurde schließlich ein Auge – eines, das mit weniger Details auskam und es so ermöglichte, das Logo auch in kleineren Formaten klar abzubilden. Irgendwie entstand am Ende etwas, das ich nicht hasste.
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INTERVIEWS
Langsam ging es ans Eingemachte – und damit meine ich die Vorbereitung und Durchführung der Interviews. Vor allem beim ersten Interview mit Lorenzo Rossi war ich sehr, sehr aufgeregt. Im Allgemeinen war es mir fremd, viele Menschen in einer WhatsApp-Gruppe um ihre Zeit zu bitten. Ich versuchte, die Projektidee so klar und knapp wie möglich zu erklären, doch ich merkte schnell, dass die meisten nicht viel damit anfangen konnten oder einfach zu viel zu tun hatten. Das war unangenehm, da ich mehrmals nachhaken musste, damit überhaupt ein Interview zustande kam.
Doch nach dem ersten Interview wurde ich nach und nach lockerer und freute mich am Ende immer mehr darauf, die nächste Person kennenzulernen. Der Furcht wich also die Neugier – so, wie es sein soll.
Am Ende entstand einige Stunden Audiomaterial, und ich musste eine Möglichkeit finden, daraus Transkriptionen zu erstellen. Schließlich kam die Rettung in Form des AI-Modells „Whisper“, das ich über das Terminal verwendete. Ich verstand nicht viel davon, wie ich dieses Modell zum Laufen bringen konnte, doch zum Glück wusste ChatGPT mehr als ich. Trotzdem fühlte ich mich ein wenig wie ein Hacker.
Als alles endlich funktionierte, war es eine enorme Hilfe für den Prozess. Trotzdem gab es nach dem „Zauber“ der AI noch einiges an Fehlern zu korrigieren. Ich machte mir die Mühe bei diesem Arbeitsschritt, da ich nach allen Interviews feststellte, dass der Charme des Gesagten von jedem Mitglied in der Individualität des Sprechens liegt. Ich wollte also jedes Transkript so originalgetreu und authentisch wie möglich in das Magazin integrieren. Natürlich musste ich trotzdem einiges anpassen, um den Lesefluss angenehmer zu gestalten, ohne dem Leser das Gefühl zu nehmen, er sei beim Gespräch mit dabei.
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FOTOS
Nach jedem Interview und während des wöchentlichen Spiels der Dresden United-Truppe fand der zweite, sehr bedeutende Teil der Umsetzung meiner Ideen statt – das Fotoschießen. Genauso wie auf der textlichen Ebene entstand somit auch auf der Bildebene unheimlich viel Material, das mir letztendlich bei einem dynamischen, visuellen Storytelling half. Vor allem die Serienaufnahmen, die einen fast filmischen Effekt beim Betrachter erzeugen können, trugen dazu bei.
An der Menge der Fotos war also auch zu erkennen, wie viel Spaß mir dieser Teil der Ausarbeitung machte. Auch bei der Wahl der Ausschnitte sowie der Fotobearbeitung versuchte ich, einen gewissen 2000er-Style beizubehalten. Ich war erstaunt, wie viel ich bereits durch die Aufnahmen und Interviews über die Menschen lernen durfte.
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Fotos von Lazi
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Fotos vom Training
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Fotos von Lorenzo, Rafa, und Andrés
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LAYOUT
Schließlich war es auch an der Zeit, mit der Typografie und dem Layout zu experimentieren. Davor habe ich immer besonderen Respekt und etwas Scheu, da die finalen Entscheidungen Einfluss auf die gesamte Art Direction haben würden. Ich begann, indem ich mir ein Bild aus meinem Repertoire schnappte und die Schriften ausprobierte, die mich an die gute alte Zeit erinnerten. Letztendlich fand ich die Font „Grifter“, die mir auf dem Cover gefiel, welche aber tatsächlich nur auf dem Cover richtig funktionierte. Es dauerte seine Zeit, die passende Formensprache und Farbpalette zu finden.
Am Ende fiel die Wahl auf meine geliebte „AUTHENTIC Sans“. Allerdings zog ich sie etwas in die Länge (ich weiß, das sollte man eigentlich nicht). Irgendwie verstärkte das in meinen Augen den Oldschool-Effekt. Auch war es für mich nicht einfach, aus dieser Menge an Bildmaterial „das Bild“ zu finden, das nun das Gesicht des Magazins werden sollte. Irgendwie wollte das Gefühl von Nostalgie einfach nicht durchdringen…
Doch dann ging mir ein Licht auf, als ich das Kindheitsfoto meines Bruders Lazi betrachtete – eines seiner ersten Gruppenfotos im Verein Hertha Finsterwalde. Umgeben von Jungs, für die es nichts Normaleres gab als ein Leben in Deutschland. Das Foto lag die ganze Zeit schon bei mir herum, und genau das sollte es jetzt werden.
Dieser Entschluss brachte mich auf die Idee, noch mehr mit den Kindheitsbildern meines Bruders zu arbeiten. Vor allem die Bilder aus der Zeit in Kuba waren ein wahrer Goldschatz für das endgültige Layout. Also fragte ich ganz lieb, lieh mir sein Fotoalbum aus und erlebte einen tollen Nachmittag voller Spaß am Scanner.
Hinzu kam noch die Monospace-Font „Menlo“, die ich beim Korrigieren der Transkripte im Textedit lieben gelernt hatte. Ich nutzte sie also auch im Magazin, um die Interviews abzubilden. Somit hatte ich allerlei Material und gestalterische Entscheidungen beisammen, und es konnte an die Ausarbeitung gehen. Zunächst probierte ich mich an ein paar Doppelseiten aus, bevor es richtig losging.
Das Magazin ist letztendlich ein noch größerer und bedeutenderer Teil der gesamten Art Direction geworden, als ich anfänglich geplant hatte. Dadurch war der Weg bis zum fertigen Print sehr mühsam und ziemlich anstrengend, aber irgendwie wollte ich nicht aufhören, bis all die Aspekte integriert waren, die ich für wichtig hielt. So hatte ich neben der Frustration über dieses viel zu große Vorhaben auch wirklich viel Spaß. Das fertige Magazin in den Händen halten zu können und eines meinem Bruder zu übergeben, ist ein tolles Gefühl. :)
Ein essentieller Teil des Projektes änderte sich kurz vor dem Druck des Magazins. Ich entschied mich gegen den Titel „Gastspiel“, gegen einen eher kritischen Standpunkt gegenüber der Integrations- und Akzeptanzlage in Deutschland, und somit für den Titel „Heimspiel“ – einen selbstbewusst optimistischen Ton, der mit einem hoffnungsvollen Statement in die Zukunft der gesellschaftlichen Spaltung blickt. Ich denke, dieser Blickwinkel wird heutzutage deutlich mehr gebraucht, von Menschen aufgenommen und passt auch besser zur positiven Energie des Teams.
Da das Magazin viel mehr Seiten als geplant hatte und die Zeit drängte, entschied ich mich zum ersten Mal, allein eine Klebebindung auszuprobieren. Der Terror, dass bei der Bindung all die Arbeit der letzten Monate flöten gehen könnte, war existent – aber zum Glück lief alles gut. Da die Farbe des Kapitels meines Bruders Gelb ist und in diesem Magazin der Fokus auf ihm liegt, entschied ich mich auch, den Buchrücken mit gelbem Leim zu kleben.
Das Magazin besteht aus einer Einleitung, die den Weg meines Bruders von Kuba nach Deutschland beschreibt und zeigt, wie er seine neue Heimat im Fußball fand. Dann folgt eine Doppelseite, auf der die Idee und Werte von Dresden United e.V. definiert werden. Schließlich beginnt der Hauptteil mit den Interviews. Jedes Interview wird jeweils durch ein doppelseitiges Bild begleitet, auf dem sich das Logo und der Slogan von Dresden United befinden, sowie einer grafischen Doppelseite in der Farbe des jeweiligen Mitglieds, auf der typografisch eines der bedeutsamsten Zitate des folgenden Interviews dargestellt ist.
Ich entschied mich bewusst, die Interviews in der Sprache zu belassen, in der sie geführt wurden, um noch mehr Echtheit im Gesagten zu bewahren, deutlicher die Inklusivität von Dresden United zu symbolisieren und es auch Menschen zu ermöglichen, die kein Deutsch oder Englisch sprechen, ein paar Geschichten aus diesem Magazin mitzunehmen.
Ein weiterer Bestandteil der Art Direction waren die Faltposter bzw. die Zeitung, welche den Anfang des Designs der Trennseiten des Magazins und auch der letztendlichen Farbpalette des gesamten Konzepts darstellten, da ich diese im Riso-Druck herstellte. Ich entschied mich dafür, da ich dachte, dass neben der cleanen Optik des Magazin-Drucks eine experimentelle und gut zu vervielfachende Ebene das Konzept gut ergänzen würde. Später könnten diese Poster als Mitbringsel oder Verbreitungsmedium dienen und Lust auf die Inhalte des Magazins machen. Die Varianten der Poster können gesammelt und in gefalteter Form wie eine Zeitung zusammengesteckt werden – dann jedoch eher weniger aus informativen Gründen, sondern als experimenteller, abstrakter visueller Eindruck, der Fragen aufwirft und im besten Fall neugierig macht.
Die Farben, die für die jeweiligen Mitglieder stehen, wählte ich nicht zufällig. Natürlich hatte ich im Riso-Labor für das A2-Format eine begrenzte Auswahl, aber ich versuchte sicherzustellen, dass die Farbe auch zum Charakter passt, den ich über das Projekt hinweg kennenlernen durfte. Lazi bekam zum Beispiel Gelb, da er trotz einer schweren Vergangenheit immer mit Hoffnung und Positivität durchs Leben geht. Lorenzo erhielt Rot, da sein Nachname Rossi ist (Rot auf Italienisch) und er mich durch seine starken Aussagen einfach an die Farbe Rot erinnerte. Andrés war wie die Farbe Teal im Interview etwas zurückhaltender und stiller, aber trotzdem entscheidend in seinen Antworten. Rafa wiederum war der extrovertierteste und erzählte seine Geschichten mit viel Ausdruck und Witz, was mich sehr an die Farbe Pink erinnerte.
Auch die runden, weichen grafischen Formen wählte ich bewusst zur schwarzen Kontur, die oft um Typografie, Bilder oder das Logo auftaucht. Sie sollen das gesamte visuelle Konzept auflockern und interessanter für das Auge machen. Ich assoziiere die runden Formen außerdem mit dem Fußball, während die eckigen Formen des Rahmens des Logos sowie der Bilder an das Fußballtor erinnern. Die kleinen, dichteren Kreise stehen hierbei für den individuellen Menschen, z. B. den Interviewten, und der große, verschwommene Kreis für die schwer zu definierende gesellschaftliche Gesamtheit, auf die sich die Erzählungen immer wieder rückbeziehen.
Auf der Rückseite befinden sich jeweils die Fotos, die auch im Magazin für die Trennseiten verwendet wurden, sodass durch die Art, wie man die Poster faltet und ineinandersteckt, zusätzliche Variation entsteht.
Ich orientierte die Farben des fertigen Logos ebenfalls an den Faltpostern und dem Magazin.
Aus dem Fußball zwischen den beiden Gesichtern, die aus dem „D“ und dem „U“ entstanden, wurde schließlich ein weniger detailliertes Auge, das die beiden Gesichter zur Seite schauen lässt. Ein Symbol des Vereins, das zusammen über den Spielfeldrand und den eigenen Tellerrand hinwegblickt, den Wunsch ausdrückt, sich mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen und sie wieder näher zusammenzubringen.
Hier treffen auch wieder runde und eckige Formen aufeinander – so wie der Ball im Tor.
Während des ersten Fotoshootings mit meinem Bruder entstanden nebenbei auch ein paar Videoclips. Zu der Zeit machte ich sie einfach ohne ein richtiges Ziel im Kopf – wir hatten einfach noch etwas Zeit. Nachdem ich sie mir jedoch zuhause ansah, merkte ich, dass man daraus auch so etwas wie einen kleinen, bewegten Trailer oder Teaser für den Verein erstellen konnte. Da die Videos mit der gleichen visuellen Intention wie die Fotos entstanden, hatte der Trailer letzten Endes auch eine 2000er-Camcorder-Wirkung.
Irgendwie gefiel mir die bewegte Ebene im Bezug auf die anderen statischen Aspekte der Art Direction sehr, da man die Menschen nur so genauer kennenlernen kann und sie dadurch besser im Gedächtnis bleiben – durch Körpersprache, wechselnde Gesichtsausdrücke, verschiedene Perspektiven usw.
Falls ich dieses Projekt weiterführen sollte, würde ich auf jeden Fall mehr mit Videos arbeiten wollen. Vor allem für eine bessere Reichweite auf Social Media wären sie wichtig.
Zu guter Letzt spielte ich noch ein wenig mit den Scans der Faltposter herum und erstellte die kleinen, experimentellen GIFs, die als Sticker an Freunde und Bekannte verschickt werden können und gleichzeitig als spielerische Werbung funktionieren. Sie lassen sich auch als Overlay für Social-Media-Posts oder Stories nutzen. :)
Eigentlich habe ich schon viel zu viel gesagt, und trotzdem gäbe es noch so viel mehr zu sagen. Doch zusammenfassend kann ich mit großer Sicherheit sagen, dass sich die ganze Mühe für dieses viel zu große Projekt gelohnt hat.
Nicht nur durfte ich durch den gestalterischen und technischen Prozess viele Dinge für meine nächsten Projekte mitnehmen. Ich verstand vor allem das, wofür Dresden United auch steht. Ich begriff, welches unheimliche Potenzial darin steckt, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, ihnen zuzuhören, durch Unterhaltungen mit ihnen zu reflektieren und aus diesen neuen Erkenntnissen, außerhalb der eigenen Weltauffassung,Neues zu schaffen und sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Das klingt sehr poetisch, doch genau das entsteht automatisch, wenn man menschliche und emotionale Interaktionen zulässt und sie weniger als soziale Pflicht wahrnimmt.
Diesen Fehler habe ich in meinem Leben zu oft gemacht, und ich möchte von nun an weiter daran arbeiten, das zu ändern, mich weniger von mir selbst und meinen Unsicherheiten ablenken zu lassen und den Fokus stärker auf das Miteinander zu legen. Sehr gern möchte ich mich in meinen nächsten Projekten weiter damit beschäftigen.
Gerade steht die Projektarbeit von Dresden United etwas still, doch ich hoffe sehr, dass ich mit dieser Arbeit dazu beitragen kann, den Prozess wieder etwas anzukurbeln, und diese visuelle Sprache zusammen mit den anderen vielleicht irgendwann im Einsatz zu sehen und weiterzudenken.