Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

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✶ THE REFILL COLLECTIVE ✶

✶ THE REFILL COLLECTIVE ✶

Im Rahmen des Kurses „Art Direction & Visual Storytelling“ bei Sven Völker entwickeln wir grafische Narrative für Unternehmen, Kultur und Gesellschaft. Der Begriff „Art Direction“ bezeichnet die Kunst, die Fäden einer solchen visuellen Geschichte zusammenzuhalten und damit nachfolgende Medien und Formate formal und inhaltlich zu gestalten.

NACHHALTIGKEIT HAT EIN IMAGEPROBLEM.

Nachhaltigkeit wird häufig mit Verzicht, Überforderung und einem bestimmten Look assoziiert: beige, spießig, moralisch aufgeladen. Besonders für junge Menschen wirkt nachhaltiger Konsum dadurch wenig attraktiv. Studien zeigen, dass sich viele junge Menschen trotz anhaltender Klimakrise von Nachhaltigkeitsthemen distanzieren. Emotionale Erschöpfung und eine visuelle Sprache, die sich selten leicht, modern und empowernd anfühlt, verstärken diesen Effekt.

Vor diesem Hintergrund ist mein Projekt entstanden. Es fragt danach, wie Nachhaltigkeit ein neues, mutiges und zugängliches Image erhalten kann, das sich an der Lebensrealität einer jungen Zielgruppe orientiert.

MODERNE NACHHALTIGKEITSNARRATIVE

Mein Ansatz ist es, durch Art Direction neue Zugänge zu Nachhaltigkeit zu gestalten. Statt moralischer Appelle oder gedeckter Erdtöne setze ich auf eine Bildsprache, die Energie und Identifikation schafft. Sie ist klar, zeitgemäß und einladend und soll zeigen, dass Nachhaltigkeit Teil einer modernen, gemeinschaftlichen Alltagskultur werden kann.

THE REFILL COLLECTIVE

The Refill Collective ist ein fiktiver Zero-Waste-Store und das experimentelle Gestaltungsprojekt, an dem ich diese neuen Narrative praktisch erprobe. Es dient als Ausgangspunkt, um zu zeigen, wie Branding und Campaining nachhaltigen Konsum als Teil einer zeitgemäßen Kultur einladend inszenieren können.

Es handelt sich dabei nicht um ein finales Konzept, sondern um ein offenes Experiment, das sich im Dialog mit gesellschaftlichen Dynamiken weiterentwickeln lässt.

_GESTALTUNG

_LOGO

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Das Logo ist klar, modern und einprägsam gestaltet. Es ist ein häufig auftauchendes, präsentes Markenelement, das durch verschiedene Verzerrungen ein spielerisches, provokantes und ironisches Statement setzt. In digitalen Werbekontexten könnte diese Verzerrung in Form von Animationen inszeniert werden.

_FARBE, SCHRIFT, WIDERKEHRENDE ELEMENTE

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Die Farbpalette der Brand orientiert sich an gängiger Konsumästhetik und ist bewusst laut, plakativ sowie signalhaft gewählt. Blau und Rot, die an Primärfarben erinnern, verweisen auf Werbung und Packungsdesign im klassischen Discounter-Kontext. Das leuchtende Lime-Grün setzt einen modernen und jungen Akzent. Der gewünschte Kontrast entsteht durch die Diskrepanz zwischen der visuellen Aufdringlichkeit und dem Refill-Gedanken, der im Store mit einer stark reduzierten Auswahl ohne Verpackungen und klaren Strukturen sichtbar wird.

Die laute und kontrastreiche Ästhetik des Store-Brandings wird durch die verwendeten Schriften unterstützt, die einen wichtigen Teil des visuellen Konzepts darstellen. Als Headline-Schrift setze ich auf Bandit Supercondensed (AllCaps), die mit ihrem engen, massiven Schnitt und teilweise durch zusätzliche Konturen eine direkte, werbenahe Anmutung hat. Diese Schrift wird oft groß und formatfüllend eingesetzt und manipuliert, um spielerische und einprägsame Varianten zu schaffen, die den Wiedererkennungswert erhöhen. Ergänzend kommt Exposure Italic (205tf) zum Einsatz, die mit ihrer runderen, schrägen und etwas verlaufenen Form einen kreativen Kontrast bietet und ebenfalls experimentell verzerrt wird. Für längere Texte verwende ich G2 Erika (Gruppo Due), die das Gesamtkonzept durch ihren klaren und lesbaren Charakter professionell abrundet.

Wiederkehrende sternförmige Elemente mit vielen Zacken und einer klaren Outline sind ein prägender Teil der Werbeästhetik, auf die dieses Konzept verweist. Sie variieren in Form und Regelmäßigkeit.

_TONE OF VOICE

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Die Stimme des Projekts ist direkt, nahbar und geprägt von einer klaren Haltung. Sie greift spezifische Welten junger Menschen auf, indem Social-Media-Wordings wie „reconnecting to nature“ oder „touching grass“ zitiert werden, die stellvertretend für einen Trend hin zu Reizreduzierung und bewussterem Konsum stehen.

Darüber hinaus werden bewusst politische Statements gesetzt, die Identifikation schaffen und Diskussionen anregen. Dabei wird wie im Beispiel „fuck Elon, go Refill“ auch nicht davor zurückgeschreckt, klare Kritik an Milliardären, Großkonzernen und der Wegwerfgesellschaft zu üben. So entsteht eine Sprache, die nicht belehrt, sondern Haltung zeigt und sich kompromisslos für eine neue, selbstbewusste Nachhaltigkeitsästhetik positioniert.

_ZWISCHENPRÄSENTATION

Zwischenpräsentation Refill.pdf PDF Zwischenpräsentation Refill.pdf

Im Anschluss an die Zwischenpräsentation, nachdem einige Grundgestaltungselemente festgelegt waren und erste Experimente mit Wordings stattgefunden hatten, habe ich begonnen, das Storekonzept konkreter auszuarbeiten. Dabei habe ich verschiedene Anwendungen wie ein Schaufensterdesign, Mitgliedskarten und Merch gestaltet, um dem Projekt Form und Gestalt zu geben.

Die Idee basiert auf zwei zentralen Prinzipien, die ineinandergreifen: Refill und Collective.

_REFILL

Das Konzept verfolgt die Idee eines möglichst verpackungsarmen Einkaufs. Kund*innen bringen eigene Behälter mit oder nutzen vor Ort erhältliche, leichte Standardgefäße. Die Abrechnung erfolgt nach Gewicht und ermöglicht so auch den Kauf kleiner Mengen. Besonders für Einzelpersonen oder Studierende ist das eine praktische Lösung.

Dabei ist mir bewusst, dass Nachhaltigkeit und Konsum grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis stehen. Politische Entscheidungen und unternehmerisches Handeln haben deutlich mehr Einfluss als individuelles Verhalten. Trotzdem bin ich der Meinung, dass persönliche Konsumentscheidungen einen Unterschied machen können:  Sie machen bestehende Widersprüche sichtbar und zeigen, dass es Spielräume gibt. Auch wenn sie das System nicht verändern, eröffnen sie die Möglichkeit, sich bewusst zu positionieren.

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Das Sortiment konzentriert sich auf haltbare Lebensmittel sowie ausgewählte Haushalts- und Drogerieprodukte. Statt auf Überangebot liegt der Fokus auf einer kuratierten Auswahl. Marken treten in den Hintergrund, die Gestaltung bleibt einheitlich und klar.

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Das Schaufensterdesign trägt diesen Gedanken nach außen: Der verzerrte Schriftzug schafft Sichtbarkeit im Stadtraum, während im Inneren Farben und Gestaltung bewusst zurückgenommen sind und im Kontrast zur äußeren Gestaltung ein ruhigeres Einkaufserlebnis ermöglichen.

_COLLECTIVE

Das zweite Grundprinzip ist die Idee von Gemeinschaft. Nachhaltiger Konsum funktioniert nicht im Alleingang, sondern braucht kollektive Strukturen. Ein optionales Mitgliedschaftsmodell bietet 20 Prozent Rabatt auf Einkäufe sowie Zugang zu Veranstaltungen und Aktionen. Gegen einen kleinen, monatlichen Beitrag entsteht ein verbindender Rahmen, der Beteiligung ermöglicht und Austausch fördert.

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Merchandise wie Beutel, Sticker und Kleidung bringt das Gemeinschaftsgefühl in den öffentlichen Raum. So werden Beteiligung und gemeinsames Handeln spürbar, und nachhaltiger Lebensstil wird als kollektive Praxis erfahrbar.

_MATERIALEXPERIMENTE

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Durch eine experimentelle Überarbeitung der Plakate, die das Thema Verpackungsmüll formal aufgreift, erweitert sich die visuelle Sprache des Projekts. Folien, Gemüsenetze oder Reispapier bilden Strukturen, die verdecken, verfremden oder verstärken und so neue Ebenen der Auseinandersetzung eröffnen. Ich habe diese analog erzeugt, indem ich Ausdrucke erster Plakatentürfe mit einer Schutzfolie und anschließend mit den Materialien versehen habe, die entstandenen Kompositionen fotografiert und in Photoshop bearbeitet habe. Die Ergebnisse verstehen sich als offenes Material, das zu einem späteren Zeitpunkt weiterentwickelt und in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden kann.

_BRAND MANUAL

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Meine Branding-Ansätze fasse ich in einem Brand Manual in Form einer 24-seitigen A3-Zeitung zusammen, die auf dem A2-Risodrucker umgesetzt wird. Der bewusst roughere Look des Risodrucks passt gut zum experimentellen und zugänglichen Charakter des Projekts. Die Zeitung soll nicht mit analytischem Text überladen sein, sondern die zentralen Ansätze und Ergebnisse prägnant und visuell ansprechend inszenieren. Einige Doppelseiten sind so gestaltet, dass sie sich auch als Poster herausnehmen und aufhängen lassen. So wird das Manual zu einem visuellen Manifest des Projekts.

Die Entscheidung für den Risodruck stellte mich vor einige Herausforderungen, insbesondere bei der Farbwahl, da die Farben am Risodrucker reduzierter ausfallen. Gleichzeitig sind Farben ein wichtiger Bestandteil der Brand Identity, die durch diese Zeitungsausgabe letztlich nach außen getragen werden soll. 

Ich habe mich entschieden, die kräftigen Töne Medium Blue und Red im A2-Format umzusetzen. Daraus entsteht die A3-Zeitung, die zusätzlich ein doppelseitiges „Prospektblatt“, am A3-Riso gedruckt, enthält, das durch einen dreifarbigen Druck mit Yellow, Fluorescent Green und Red auch das Lime-Grün der Brand Identity imitiert.

_ENDPRÄSENTATION

Endpräsentation Refill.pdf PDF Endpräsentation Refill.pdf

REFLEXION

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Das Projekt war für mich eine besondere Möglichkeit, ein freies Konzept von Grund auf zu entwickeln und mich gestalterisch auszuprobieren. Die Möglichkeit, ohne enge Vorgaben zu arbeiten, war dabei gleichermaßen bereichernd und herausfordernd, nicht zuletzt, weil es mein erstes Branding-Projekt war.

Immer wieder habe ich gemerkt, wie schnell ich dazu neige, mich in konzeptionellen Überlegungen zu verlieren. Entscheidend war letztlich, den Moment zu finden, an dem ich ins Machen komme und darauf vertraue, dass sich Ideen im Prozess weiterentwickeln. Dieses Vertrauen in den gestalterischen Prozess hat mir nicht nur Sicherheit gegeben, sondern auch deutlich gemacht, wie wertvoll experimentelle Arbeitsweisen sind. Gleiches galt für meine Ergebnisse: Auch hier musste ich lernen, dem Prozess zu vertrauen und dabei in Kauf zu nehmen, dass man nicht jedes Ergebnis vorhersehen und planen kann. Gerade der A2-RISO ist einfach kein sehr präzises Druckmedium, was vollkommen okay und zu meinem Konzept passend ist, sodass ich meinen Perfektionismus an der Stelle zurückstellen sollte.

Rückblickend war das Projekt nicht nur fachlich, sondern auch persönlich eine wichtige Erfahrung: Es hat mir gezeigt, wie sehr sich Neugier, Ausprobieren und eine gewisse Offenheit gegenüber dem Prozess am Ende auszahlen. Danke :)

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Projekt-Tagebuch

Betreuer_in

foto: Prof. Sven Völker

Zugehöriger Workspace

Art Direction & Visual Storytelling

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2025