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EMOTIONALE BILDUNG DURCH BILDER

In meiner Masterarbeit untersuche ich, wie durch dokumentarische Fotografien emotionale Kompetenzen und Wissen gefördert werden können. Basierend auf meiner Theorie der emotionalen Bildung durch Bilder analysiere ich, wie Fotografien helfen können, emotionale Herausforderungen wie Geburt und Tod besser zu bewältigen. Die Arbeit verbindet eine theoretische Untersuchung mit meiner praktischen fotografischen Arbeit.

Ein zentrales praktisches Element ist die fotografische Serie Anfang und Ende und alles dazwischen, die den Abschied und die Waschung eines Verstorbenen durch seine Verlobte sowie ein symbolisches Hochzeitsritual mit dem Verstorbenen dokumentiert. Diese Serie zeigt eindrücklich, wie Bilder komplexe emotionale Prozesse sichtbar machen und zur Reflexion anregen können.

Zudem fließen Erkenntnisse aus meinen Büchern Mutter werden (2019) und Wange an Wange (2023) sowie meiner Ausstellung im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie (EMOP) ein. Als praktische Ergänzung entwickle ich einen ethischen Leitfaden für Bildschaffende, der konkrete Empfehlungen für den verantwortungsvollen Umgang mit emotional aufgeladenen Bildern gibt.

Abstract English

My Master's thesis explores how documentary photography can foster emotional skills and knowledge. Building on my theory of emotional education through images, I investigate how photographs can support individuals in navigating emotionally challenging events such as birth and death. The thesis integrates both theoretical research and practical work.

A core practical component is the photographic series Anfang und Ende und alles dazwischen, which documents the washing and farewell of a deceased person by his fiancée and a symbolic wedding ritual with the deceased. This series powerfully illustrates how images can render complex emotional processes visible and provoke deep reflection.

Insights from my books Mutter werden (2019) and Wange an Wange (2023), as well as my exhibition during the European Month of Photography (EMOP), are integral to this work. Additionally, I propose an ethical guideline for image creators, offering concrete recommendations for the responsible use of emotionally charged imagery.

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Grafische Darstellung der Theorie von emotionaler Bildung durch Bilder

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Die Theorie von emotionaler Bildung durch Bilder zeigt, dass Bilder nicht nur Beiwerk sind, sondern in Verbindung mit dem Kontext von Text, Leserschaft und Platzierung einen aktiven gesellschaftlichen Bildungsprozess initiieren. Sie ermöglichen es Menschen, Emotionen in Zusammenhang mit dem dargestellten Thema zu erkennen, zu reflektieren und dadurch Kompetenzen zu entwickeln.

Gleichzeitig verdeutlicht die Theorie die gesellschaftliche Verantwortung, die mit jeder Bildveröffentlichung einhergeht: Bilder beeinflussen die visuelle Norm eines Themas und prägen den emotionalen Umgang der Gesellschaft damit. Bildschaffende und Bildveröffentlichende tragen die Verantwortung, diesen Einfluss bewusst zu gestalten und die Wirkung von Bildern im gesellschaftlichen Kontext zu reflektieren.

Ein Teil der Fotoserie "Anfang und Ende und alles dazwischen"

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Die Serie Anfang und Ende und alles dazwischen dokumentiert in einfühlsamen, intimen Bildern die Waschung, den Abschied und ein symbolisches Hochzeitsritual zwischen einem Verstorbenen und seiner Verlobten. Die Fotografien erfassen die Verbindung von Trauer, Liebe und Ritualen. Indem die Bilder das Thema Tod in seiner Verletzlichkeit und zugleich Würde darstellen, laden sie zur Reflexion über gesellschaftliche Konventionen und den persönlichen Umgang mit Verlust ein.

Emotionale Bildung durch Bilder Masterarbeit PDF

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Ein Vorschlag für einen Fragenkatalog, der bei der Bildschaffung und -veröffentlichung als ethische Richtlinie gelten kann

GestalterInnen und Medienschaffenden könnten sich bei jedem Bild die folgenden Fragen stellen, um die Erkenntnisse der Möglichkeit der emotionalen Bildung durch Bilder in ihrer Arbeit aufzunehmen:

- Welches Bild von diesem Thema hat die Mehrheit der Gesellschaft? Zum Beispiel ist es bei dem Thema Geburt ein sehr angstbehaftetes Bild, das mit Schmerz, Lebensgefahr, Blut, Krankenhaus und einem medizinischen Vorfall assoziiert wird.

- Welche Tatsache kann ich dem bestehenden Bild durch meine Veröffentlichung hinzufügen? Zum Beispiel durch selbstbestimmte Bilder von Geburt außerhalb eines medizinischen Settings, welche die Tatsache darstellen, dass Geburten natürlich und oh-ne medizinische Eingriffe stattfinden können.

- Welche emotionale Bildung wäre zu diesem Thema hilfreich? Zum Beispiel ist die Geburt ein hormoneller Vorgang, der durch Angst im Körper gestoppt wird. Könnte ich mit meinen Bildern von Geburt bei den Gebärenden eine positive Einstellung zu Geburt fördern, indem ich positive, selbstbestimmte und selbstermächtigende Bilder zeige, würden die Gebärenden weniger Angst haben, der hormonelle Geburtsvorgang könnte ungestört durch die Angst ablaufen und die Möglichkeit einer natürlichen Geburt ohne Interventionen wäre wahrscheinlicher.

- Wer genau ist meine Audienz? Welche Vorbildung und Nähe zum Thema kann ich voraussetzen? Zum Beispiel hat die Audienz einer Fachzeitschrift für Hebammen eine andere Vorbildung und Nähe zum Thema Geburt wie es die Stuttgarter Zeitung hat.

- Welche emotionale Bildung und Wirkung möchte ich mit meinen Bildern bei dieser Audienz erreichen? Mit welchen Bildern kann ich das? Zum Beispiel ist ein Bild einer blutigen Plazenta in einer Tageszeitung keine gute Wahl, um bei der allgemeinen Bevölkerung das Thema Geburt zu entstigmatisieren, wohingegen das gleiche Bild bei einer Hebammentagung die Begeisterung für Geburtsfotografie und die Schönheit der Geburt durchaus vermitteln kann.

- Was sind meine eigenen Motivationen für die Veröffentlichung der Bilder? Profitiere ich eventuell, indem ich anderen schade? Möchte ich als FotografIn zum Bei-spiel Diversität in meinem Portfolio darstellen, weil ich gern ein offenes Weltbild repräsentieren möchte, ist dies problematisch, da ich marginalisierte Gruppen nutze, um mein eigenes Image zu verbessern, während ich selbst von Privilegien profitiere, die mir viel-leicht im Gegensatz zu den Personen auf den Bildern erst ermöglichen, veröffentlicht zu werden oder bestimmte Themen auf eine bestimmte Art anzusprechen. Oder dokumen-tiere ich zum Beispiel gleichgeschlechtliche Elternpaare, um mich für ein diverseres Bild von Familie in den Medien einzusetzen und nutze dadurch meine Privilegien, um der Community auf meinen Bildern zu nutzen?

- Was ist die richtige Veröffentlichungsplattform für mein Thema? Welche Platt-form und Veröffentlichungsart dienen dem Zweck, die emotionale Bildung meines Themas in der Gesellschaft zu fördern? Zum Beispiel ist eine Reportage über ei-nen stillenden Mann im Stern eine Veröffentlichung, die mir als Fotografin zwar Sichtbarkeit und finanzielle Entlohnung bringt, die aber der Transcommunity und der abgebildeten Person schadet, weil es sich bei der Art der Reportage um Othering handelt. Das gleiche Bild in einer Windelwerbung oder einem redaktionellen Inhalt über allgemeine Familienthemen hätte dagegen genau die andere Wirkung, nämlich dass ein stillender Mann ganz selbstverständlich in Bezug auf Familienthemen in den Medien abgebildet wird. Das zweite Beispiel würde dazu führen, dass sich die emotionale Bildung der Gesellschaft dahingehend entwickelt, dass auch Transeltern in das Normativ von Familie aufgenommen werden und sich das gesellschaftliche Bild von Familie erweitert.

Wenn sich GestalterInnen und Medienschaffende grundsätzlich diese Fragen bei jeder Veröffentlichung stellen würden, könnte eine ethisch verantwortungsvolle und bereichernde Medienlandschaft erreicht werden, der die tatsächliche Informationsverbreitung und der gesellschaftliche Nutzen zugrunde liegen.

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Was brauchen wir für Bilder von Geburt und Wochenbett?

Geburt ist ein hormoneller Vorgang, der durch Angst gestört oder gestoppt werden kann, während das Kuschelhormon Oxytocin ihn in Gang bringt. Für dessen Ausschüttung braucht es Ruhe, Dunkelheit, Körperkontakt und ein Gefühl von Sicherheit. Wenn sich Gebärende sicher fühlen und positive Erwartungen an die Geburt haben, wird der Prozess gefördert.

Welche Rolle spielen Bilder?

Bilder können entscheidend dazu beitragen, wie ein Thema gesellschaftlich wahrgenommen wird. Wenn wir als Bildschaffende und Bildveröffentlichende Bilder von Geburt zeigen, die keine Angst machen, sondern gewaltfreie, selbstbestimmte Geburten, können wir einen positiven Einfluss ausüben. Solche Bilder ermutigen Gebärende, angstfrei in die Geburt zu gehen, und unterstützen informierte Entscheidungen.

Bilder von Haut-an-Haut-Momenten zwischen Gebärenden und Babys – ob in Geburtsvorbereitungskursen oder Kreißsälen – fördern die Ausschüttung von Oxytocin und wirken direkt positiv auf den Geburtsverlauf.

Verantwortung der Bildschaffenden und Bildveröffentlichenden

Dies zeigt, wie wir als Bildschaffende und Bildveröffentlichende mit der Frage arbeiten können, welche Bilder unsere Gesellschaft zu einem Thema braucht. Indem wir gezielt Bilder schaffen und veröffentlichen, die positive Auswirkungen haben, können wir gesellschaftliche Normen verändern und stärken.

Ein Beispiel hierfür ist mein Bilderfundus, der speziell für Hebammen, Kreißsäle und Krankenhäuser entwickelt wurde. Dieser enthält Bilder, die gezielt Oxytocin fördern und einen positiven Einfluss auf den Geburtsraum ausüben. Er wird unter anderem von der Weleda und einer Klinik in Freiburg genutzt, um eine unterstützende, positive Umgebung zu schaffen.

Persönliche Reflexion zur Entwicklung der Theorie der emotionalen Bildung durch Bilder

Im Laufe meiner Masterarbeit habe ich die Theorie der emotionalen Bildung durch Bilder entwickelt und dabei persönliche Erfahrungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Arbeiten miteinander verbunden. Diese Arbeit wurde für mich nicht nur zu einer wissenschaftlichen, sondern auch zu einer zutiefst persönlichen Reise, bei der ich immer wieder reflektieren musste, wie meine eigene Praxis als Fotografin und meine Perspektive auf die Wirkung von Bildern sich im Laufe der Zeit verändert haben.

Ein zentraler Punkt war die Erkenntnis, dass Bilder niemals isoliert betrachtet werden können. Jede Veröffentlichung ist eingebettet in gesellschaftliche Kontexte und trägt eine enorme Verantwortung. Durch meine Arbeiten, wie das Buch Wange an Wange, die dazugehörige Ausstellung beim EMOP und die Fotoserie Anfang und Ende und alles dazwischen, habe ich erlebt, wie stark Bilder emotionale Reaktionen auslösen und Diskussionen anregen können. Dies hat mich in meinem Ansatz bestärkt, Bilder nicht nur als künstlerische Werke, sondern auch als Mittel zur gesellschaftlichen Bildung zu verstehen.

Die Theorie der emotionalen Bildung durch Bilder, die ich in dieser Arbeit entwickelt habe, entstand aus der Überzeugung, dass visuelle Medien die Möglichkeit bieten, Empathie zu fördern, emotionale Intelligenz zu stärken und neue Perspektiven auf gesellschaftlich tabuisierte Themen wie Geburt, Trauer oder Tod zu eröffnen. Dieser Gedanke wurde durch meine Auseinandersetzung mit der Literatur, den praktischen Arbeiten und den Rückmeldungen aus der Community immer wieder bestätigt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Entwicklung eines ethischen Leitfadens, der Bildschaffende und Bildveröffentlichende dabei unterstützt, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden. Dieser Leitfaden soll helfen, nicht nur den Kontext von Bildern zu hinterfragen, sondern auch ihre Wirkung auf unterschiedliche Betrachtergruppen zu reflektieren und die Schnittstelle zwischen Bildschaffenden und Bildveröffentlichenden stärken, die Veröffentlichung von Bildern in Hinblick auf gesellschaftliche Verantwortung zu verbessern. Für mich bedeutet dies eine neue Ebene des Arbeitens mit Bildern, die ich weiter in die Welt tragen möchte.

Die Arbeit an der Theorie und an meinen fotografischen Projekten hat mich gelehrt, dass emotional herausfordernde Themen nicht nur dargestellt, sondern auch durchdacht und in einem respektvollen Rahmen veröffentlicht werden müssen. Sie hat mich nicht nur als Fotografin, sondern auch als Mensch wachsen lassen. Ich hoffe, dass die Erkenntnisse aus dieser Arbeit andere inspirieren, die Kraft von Bildern als Werkzeuge für Bildung und gesellschaftlichen Wandel zu nutzen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Design Master

Art des Projekts

Masterarbeit

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2024 / 2025

Keywords