Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

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Condom Campaigning

Wie können wir Campaining nutzen, um junge Menschen über die Gefahren sexuell übertragbarer Krankheiten zu informieren und zur Kondomnutzung zu motivieren?

Der Anlass für unsere Kampagnenentwicklung ist ein besorgniserregender Trend: Die Kondomnutzung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen nimmt ab. Eine aktuelle WHO-Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, dass immer weniger junge Menschen beim Geschlechtsverkehr auf Kondome zurückgreifen. Doch mit dieser Entwicklung steigt auch das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen (STIs). Kondome schützen nicht nur vor ungewollten Schwangerschaften, sondern sind nach wie vor eines der effektivsten Mittel zur Prävention von HIV, Chlamydien und anderen STIs.

Unsere Kampagnen richten sich grundsätzlich an alle sexuell aktiven Menschen, legen den Fokus jedoch auf Jugendliche und junge Erwachsene. Gerade in dieser Altersgruppe sind häufig wechselnde Geschlechtspartner keine Seltenheit, was das Infektionsrisiko erhöht. Die Gründe, warum trotzdem auf Kondome verzichtet wird, sind vielfältig: Manche empfinden sie als störende Unterbrechung, andere klagen über eine veränderte Sensibilität. Hinzu kommen Scham beim Kauf, gesellschaftlich geprägte Geschlechterrollen oder schlichtweg mangelndes Wissen über die Bedeutung von Safer Sex.

Genau hier setzt unsere Kampagnenentwicklung an. Uns ist bewusst, dass einige dieser Widerstände weiterhin bestehen werden – doch wie können wir den Nutzen von Kondomen dennoch so kommunizieren, dass er trotz dieser Hürden im Vordergrund steht? Wie erreichen wir eine Zielgruppe, die permanent mit Werbebotschaften überflutet wird, und gewinnen ihre Aufmerksamkeit in einer Welt, in der unzählige Botschaften um Beachtung konkurrieren? Die Herausforderung besteht darin, eine visuelle und inhaltliche Ansprache zu entwickeln, die nicht nur informiert, sondern auch überzeugt – ohne belehrend zu wirken.

Live, Laugh, Love – und Chlamydien

Meine Kampagne nutzt eine unkonventionelle Kommunikationsstrategie, indem sie sich die Ästhetik klassischer Spruchbilder zunutze macht – jene Bilder, die Anfang der 2010er-Jahre auf Tumblr allgegenwärtig waren und heute noch in den Statusmeldungen älterer Generationen auftauchen. Sie zeichnen sich durch verschnörkelte Typografie, Schatten- und Nebeleffekte, Stockfotos von z.B. Sonnenuntergängen, Glitzer und eine nostalgisch-verklärte Vintage-Ästhetik aus.

Für viele jüngere Menschen, die Zielgruppe der Kampagne, hat diese Bildsprache heute einen ironischen Beigeschmack: Sie wirkt übertrieben emotional, oft dramatisch und nicht selten unfreiwillig komisch – besonders dann, wenn der Kontext leicht verändert wird. Genau hier setzt mein Ansatz an: Ich übertrage diese nostalgische Kommunikationsweise auf das Thema Kondomgebrauch und sexuell übertragbare Infektionen (STIs), um aus dem gewohnten Rahmen klassischer Präventionskampagnen auszubrechen.

Das Ergebnis ist eine Plakatserie, die die expressive Bildsprache dieser Spruchbilder übernimmt, jedoch mit einem unerwarteten Twist: Den sentimentalen, oft kitschigen Sprüchen wird ein zusätzlicher Kommentar hinzugefügt – etwa „Ich habe Chlamydien“ oder „Ich habe Syphilis“. Dadurch entsteht ein Kontrast zwischen der romantisierten Ästhetik und der plötzlichen Konfrontation mit einer unangenehmen Realität. Diese direkte Nennung erzeugt ein Überraschungsmoment, zieht sofort Aufmerksamkeit auf sich und bricht mit der typischen Rhetorik bekannter Kondom-Werbung, die oft entweder klinisch-nüchtern oder moralisch appellierend auftritt. Mein Ziel ist es, durch Humor und Ironie einen neuen Zugang zu dem Thema zu schaffen und so das Interesse junger Menschen zu wecken.

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Die Bildsprache der Kampagne orientiert sich stark an der Ästhetik klassischer Spruchbilder: dramatisch und emotional in jeglicher Hinsicht. Auffällige, verschnörkelte Schriftarten, Script Fonts und verschiedene visuelle Effekte sorgen für eine hohe Sichtbarkeit im Stadtbild und ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Das Layout ist bewusst so gestaltet, dass die Betrachtenden zunächst den sentimentalen Spruch lesen, dann die unerwartete Intervention wahrnehmen und schließlich den Abbinder erkennen, der die Botschaft der Kampagne auflöst.

Die Plakate arbeiten entweder mit der übertriebenen Dramatik der Bilder, die durch den neuen Kontext eine völlig neue Story erzählt, oder sie brechen die nostalgische „heile Welt“ der Motive durch eine gezielte Irritation ins Absurde. Die Text-Bild-Schere verstärkt hier den Überraschungseffekt und macht die Kampagne besonders einprägsam.

Neben der visuellen Ironie und Parodie greift die Kampagne auch inhaltlich typische Argumente gegen die Kondomnutzung auf. Themen wie Verantwortungslosigkeit („Weniger Sorgen, mehr Leben“), das Streben nach einem „authentischen“ Gefühl oder die empfundene Enge durch Kondome werden in den Plakaten reflektiert und ironisch hinterfragt.

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Ein großer Vorteil des Konzepts ist seine Vielseitigkeit: Die Kampagne kann flexibel an verschiedene Anlässe angepasst werden. Im Kursrahmen habe ich beispielhaft Motive zum Valentinstag entwickelt, doch das Prinzip lässt sich auch problemlos auf andere Anlässe wie z.B. Muttertag oder Weihnachten übertragen – das Repertoire an passenden Sprüchen und visuellen Motiven ist hier nahezu unbegrenzt. Dadurch bleibt die Kampagne lebendig und bietet immer neue Anreize zur Auseinandersetzung.

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Die Plakate sind für den urbanen Raum konzipiert – etwa für U-Bahn-Stationen in Berlin oder andere Orte, an denen sich vermehrt junge Menschen aufhalten. Die Einzelhängung der Motive in der Stadt verteilt sorgt hierbei für Neugier auf weitere Plakate. Das Ziel ist es, die Betrachtenden zu catchen, sie zum Schmunzeln zu bringen und damit einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Selbst wenn das Plakat nur kurz betrachtet wird, bleibt die Botschaft im Kopf und trägt langfristig zur Awareness für STIs und Kondomnutzung bei.

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Zusätzlich könnte die Kampagne durch Gratispostkarten ergänzt werden, die in Bars, Universitäten oder anderen Hotspots ausgelegt werden. Auf der Rückseite könnten weiterführende Informationen oder ein QR-Code zu einer Website mit zusätzlichen Inhalten platziert sein. Dieser Weg der Kommunikation ist zwar nicht der Hauptfokus der Kampagne, passt aber sehr gut zu deren Ästhetik – schließlich erinnern die sentimentalen Sprüche und der Grußkartencharakter ohnehin an klassische Postkarten.

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Social Media

In der heutigen Medienlandschaft spielt Social Media eine zentrale Rolle in der Kommunikation und Werbung, weshalb ich meine Kampagne dahingehend erweitert habe.

Werbeslides auf Instagram oder Facebook werden oft übersehen – Memes hingegen genießen eine höhere Aufmerksamkeit, da sie unterhaltsam und leicht konsumierbar sind. Deshalb setzt die Kampagne auf humorvolle, ironische Inhalte, die sich an der Meme-Ästhetik orientieren und sich dadurch organisch verbreiten können.

Ich habe Kampagneninhalte erstellt, die auf TikTok und Instagram, entweder direkt über die BZgA oder im Rahmen eines Kooperationsprojekts von Marken mit passendem thematischen Bezug, beispielsweise Kondomherstellern, ausgespielt werden können. 

Was im ersten Moment unkonventionell und gewagt wird, kommt heute sehr gut bei jüngeren Menschen auf sozialen Plattformen an: Seriöse Organisationen setzen hier zunehmend auf humorvolle Gestaltungsansätze. Gerade hier ist moderne Markenkommunikation oft mutiger ist als klassische Werbekampagnen, was auch mit veränderten Nutzergewohnheiten zusammenhängt – verkürzte Aufmerksamkeitsspannen und die schnelle Verbreitung humorvoller Inhalte machen das Gen-Z-Marketing besonders effektiv.

Nutzer:innen, die durch die Inhalte der Kampagne neugierig geworden sind, können dann auf den jeweiligen Social-Media-Profilen vertiefende Informationen in Form von Info-Slides zur Kondomnutzung oder den Risiken von Geschlechtskrankheiten finden, die Kondomhersteller und Gesundheitsorganisationen ohnehin teilen. Die Kampagnenposts fungieren somit als Aufhänger, der Aufmerksamkeit weckt und das Thema auf zugängliche und ansprechende Weise vermittelt. Sie schaffen Neugier und senken die Hemmschwelle, sich tiefergehend mit den entsprechenden Themen auseinanderzusetzen.

Die Plakatmotive habe ich direkt als Instagram-Posts adaptiert, hier beispielsweise im Rahmen einer Kooperation als Beiträge eines Kondomherstellers:

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Darüber hinaus habe ich für die Kampagne Reels und TikTok-Videos entwickelt, welche mittlerweile die dominierende Kommunikationsform auf Social Media sind.

Dabei habe ich zwei Ansätze verfolgt, die in Kombination ausgespielt werden können: 

1. Meme-Adaptionen: Bekannte Zitate aus Memes oder viralen Popkultur-Videos werden extrahiert und, durch einen entsprechenden Abbilder, in den neuen Kontext der Kampagne gesetzt – mit den vertrauten Inhalten entsteht ein spielerischer Zugang zum Thema.

-> https://vimeo.com/1061404348

-> https://vimeo.com/1061405964

2. Text-/Grußvideos: Statt Memes und Zitaten stehen hier die kitschige Bild- und Textsprache der Plakate im Vordergrund. Diese Formate eignen sich besonders, um humorvolle Inhalte mit Aufklärungsaspekten zu verbinden.

-> https://vimeo.com/1061406731

-> https://vimeo.com/1061408470

-> https://vimeo.com/1061409401

Fazit

Vor diesem Kurs hatte ich kaum Berührungspunkte mit dem Thema Campaigning. Mein Interesse wurde hier definitiv geweckt und ich habe ein viel besseres Verständnis dafür gewonnen, wie vielseitig und relevant Campaigning ist.

Das Kursklima fand ich dabei sehr motivierend. Ich konnte von den offenen Feedbackrunden profitieren, viel ausprobieren, diskutieren und lachen. Der Kurs hat einen Raum zum Experimentieren geschaffen, ohne dass dabei das Gefühl von Bewertung oder Druck im Vordergrund stand.

Schon nach den ersten Brainstorming-Phasen und Entwürfen konnte ich eine klare Richtung für mein Projekt entwickeln, was mir geholfen hat, mich trotz anfänglicher Zweifel darauf einzulassen. Am Ende nehme ich nicht nur eine Kampagne mit, die ich als gelungen betrachte, sondern auch neue Perspektiven darauf, wie Design und Kommunikation aktiv in gesellschaftlich relevante Themen eingreifen können.

Abgabe: Kampagnenentwicklung & Instagram

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Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuer_in

foto: Prof. Matthias Beyrow

Zugehöriger Workspace

Protect schon! — Strategies & Campaigning

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2024 / 2025