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Die transformative Kraft der Wut

Welche gestalterischen Mittel und Techniken können effektiv eingesetzt werden, um das Gefühl der Wut aus weiblicher Perspektive zu visualisieren und als Quelle von Empowerment zu nutzen?

Abstract

Die Bachelorarbeit untersucht die transformative Kraft der Wut aus einer weiblichen Perspektive und analysiert, wie gestalterische Mittel und Techniken effektiv eingesetzt werden können, um dieses Gefühl visuell darzustellen und als Quelle des Empowerments zu nutzen. Weibliche Wut wird häufig negativ konnotiert und gesellschaftlich marginalisiert. Ziel der Arbeit ist es, aufzuzeigen, dass Wut als Instrument für Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Wandel fungieren kann.

Ein zentraler Aspekt der Untersuchung ist die geschlechtsspezifische emotionale Sozialisation. Weiblich sozialisierte Personen lernen oftmals, ihre Wut zu unterdrücken, da diese als unweiblich wahrgenommen wird und nicht ernst genommen werden könnte.

Dabei sind Emotionen wie Wut und Trauer wesentliche Bestandteile des menschlichen emotionalen Spektrums. Insbesondere Wut kann als Signal für Ungerechtigkeiten und als Antrieb für Veränderungen dienen. Sie vermag es, Grundwerte zu verdeutlichen, Menschen zu mobilisieren und kollektive Handlungen anzustoßen. Die Arbeit zeigt auf, dass Wut nicht zwangsläufig destruktiv sein muss, sondern vielmehr eine treibende Kraft für positive soziale Transformationen darstellt.

Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage, wie gestalterische Mittel genutzt werden können, um die weibliche Wut als Empowerment-Werkzeug darzustellen. Die Arbeit analysiert exemplarisch Projekte von Flinta*-Personen, die Wut gezielt als gestalterisches Mittel einsetzen, um die transformative Kraft dieser Emotion sichtbar zu machen und sie als Werkzeug für Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Wandel zu nutzen.

Die gestalterische Umsetzung der Bachelorarbeit wird diese Erkenntnisse aufgreifen und in die Praxis übertragen. Die eigene Auseinandersetzung mit der Wut sowie deren gestalterische Visualisierung bilden den Kern des Projekts. Ziel ist es, die Bedeutung der Emotion zu reflektieren, gestalterisches Wissen zu erweitern und einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion über die konstruktive Nutzung weiblicher Wut zu leisten.

Abstract English

The bachelor’s thesis examines the transformative power of anger from a female perspective and analyzes how creative tools and techniques can be effectively employed to visually represent this emotion and harness it as a source of empowerment. Female anger is often negatively connoted and socially marginalized. The aim of this thesis is to demonstrate that anger can serve as an instrument for self-determination and societal change.

A key focus of the investigation is gender-specific emotional socialization. Studies show that children socialized as female are more often encouraged to express sadness, while children socialized as male are more frequently exposed to themes such as conflict, anger, or revenge. This differentiation reflects societal gender stereotypes that significantly influence which emotions are deemed acceptable or desirable. Individuals socialized as female often learn to suppress their anger due to its perception as unfeminine or its potential to be dismissed.

However, emotions such as anger and sadness are essential components of the human emotional spectrum. Anger, in particular, can serve as an indicator of injustice and a driver of change. It has the potential to highlight core values, mobilize people, and initiate collective action. This thesis argues that anger is not inherently destructive but rather a powerful force for positive social transformation.

The central question of the study is how creative elements such as color, typography, symbolic imagery, composition, motion graphics, interactive elements, narrative techniques, and materiality can be utilized to represent female anger as a tool for empowerment. The thesis examines exemplary projects by Flinta* individuals who deliberately employ anger as a creative medium to make the transformative power of this emotion visible and to use it as a tool for self-determination and societal change.

The practical part of the bachelor’s project will integrate these findings into a creative process. Personal engagement with anger and its visual representation will form the core of the project. The goal is to reflect on the significance of this emotion, expand creative knowledge, and contribute to the societal discourse on the constructive use of female anger.

Intersktionalität

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass patriarchale Strukturen und Genderklischees uns alle betreffen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Es gibt unglaublich viele Gründe, wütend zu sein, im privaten sowie in der Gesellschaft, und für mich war es ein zentrales Anliegen, diese Wut zu verstehen und sie gestalterisch zu vermitteln, um ihr Raum zu geben und sie sichtbar zu machen. Um den Rahmen meiner Arbeit zu definieren, habe ich mich bewusst auf eine weibliche Perspektive fokussiert, ohne dabei ausblenden zu wollen, dass diese Themen intersektionale Dimensionen haben und unterschiedlich erlebt werden.

Dokumentation der Gestaltung

Die Gestaltung des Buches ist inspiriert von einem Ziegelstein, der symbolisch für Wut steht. Mit einem Format von 240 × 114 mm, dem geplanten farbigem und volumenreichem Papier und einer strukturierten Blindprägung wird diese Optik und Haptik unterstützt. Dadurch erhält das Buch die Wuchtigkeit, die das Thema mit sich bringt.

Das Buch liegt als Schweizer Broschur vor, geplant ist eine offene Fadenheftung, die das Buch vollständig aufschlagen lässt. Dies verbessert nicht nur die Lesbarkeit der Theoriearbeit im zweiten Teil, sondern bringt auch eine gewisse Ruhe in die experimentelle Gestaltung. Aus diesem Grund wurde sich für einen einfarbigen Druck entschieden. Ein wichtiges Anliegen war, ausschließlich Schriften von weiblichen und/oder queeren Designer*innen zu verwenden. Des weiteren habe ich mich dafür entschieden, den Umschlag bündig zu dem Innenteil zu schneiden, um die Form des Ziegelsteins zu stützen.

Die Gestaltung orientiert sich an zwei Ansätzen: der undisziplinären Gestaltung und dem plakativen Design. Elemente der undisziplinären Gestaltung zeigen sich in den wild gesetzten Buchstaben, der Anordnung der Textblöcke und der Mischung unterschiedlichster Schriften. Das plakative Design spiegelt sich in großen, fetten Überschriften, schwarzen Buchstaben und dem bewussten Spiel mit Weißraum wider.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil werden die Antworten einer Umfrage in einem freien gestalterischen Ansatz aufgegriffen. Hier kommt eine Stempeloptik zum Einsatz, die sich mit der Idee von „abgestempelten“ Klischees auseinandersetzt. Ziel ist es, sich von diesen Narrativen zu lösen und eine eigene Geschichtsschreibung zu schaffen.

Die verschiedenen Schriftarten unterstreichen die Vielfältigkeit der Wut. Gleichzeitig hinterfragen sie das Klischee, dass filigrane und weiche Gestaltungselemente ausschließlich weiblichen Attributen zugeschrieben werden und eher mit Sanftheit als mit Wut verbunden sind. Die filigranste der Schriften, die Lapicide, die in den Seitenzahlen auftaucht, greift auch die metaphorische Ebene des Ziegensteins wieder auf, da sie an Steinmetzarbeiten orientiert ist.

Die Covergrafik greift nicht nur das Symbol der Weiblichkeit auf, welches seit Jahrzehnten im aktivistischen Raum manifestiert wurde, sondern erinnert gleichzeitig durch die Form und die versetzten Stiche im DER WUT auch an eine Blume. Eine Symbolik die für den Wachstum und die Veränderung, die Wut mit sich bringen kann.

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Bachelor PDF

BA_Incom_GL.pdf PDF BA_Incom_GL.pdf

Werkschau PDF

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Persönliche Reflexion

Die intensive Recherche zu einem Thema hat mir überraschend viel Freude bereitet. Obwohl ich mich zuvor schon mit feministischer Theorie und Designtheorie auseinandergesetzt hatte, war es das erste Mal, dass ich eine so weitreichende Brücke zwischen beiden Themen schlagen konnte. Im Laufe des Prozesses habe ich gemerkt, wie wichtig mir meine eigene Position in der Gestaltung ist und dass dies ein Weg ist, der mir Orientierung gibt, um in Zukunft bewusste Entscheidungen zu treffen.

Es fiel mir allerdings schwer, den Theorieteil meiner Arbeit abzuschließen und zur Gestaltung überzugehen. Besonders inspirierend war es zu sehen, wie andere Gestalterinnen das Thema Wut behandeln. Gleichzeitig war es auch ein wenig ernüchternd, wie lange bereits versucht wird, weibliche Wut zu entstigmatisieren, ohne dass dieses Thema an Wichtigkeit verloren hat. Der tiefere Einblick in Lösungsansätze und der Umgang mit dieser Problematik haben mich jedoch sehr inspirieren können.

Während der Arbeit habe ich viele Gespräche geführt, die mich gestärkt haben, auch wenn man das der fertigen Arbeit vielleicht nicht direkt ansieht. Ich habe viele wütende Stimmen gehört, und es tat gut, gemeinsam über Lösungsansätze nachzudenken. Es macht mich ein wenig stolz, durch meine Recherche einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion leisten und mein neu erworbenes Wissen weitergeben zu können.

Auf der anderen Seite schwang immer wieder die Sorge mit, dass ich vielleicht zu persönlich und emotional an die Arbeit herangehen könnte. Ich habe mich bemüht, diese Ebene bewusst zu reflektieren und zu trennen. Auch wenn mir die Gestaltung viel Freude bereitet hat, habe ich manchmal Partner*innen vermisst, mit denen ich Ideen teilen und die Arbeit gemeinsam wachsen lassen konnte, besonders da eine wichtige Erkenntnis aus genau diesem Thema war, wie wertvoll das Arbeiten im Kollektiv sein kann. Außerdem, nach meinem Praktikum, in dem ich ein halbes Jahr in einem Team gearbeitet habe, weiß ich eine rege Zusammenarbeit sehr zu schätzen. Es war demnach eine spannende Erfahrung, nun wieder alleine zu arbeiten, jedoch konnte ich daraus Erkenntnisse ziehen, die ich definitiv für zukünftige Projekte mitnehmen werde.

Des Weiteren hat mir dieses Projekt die Kraft gezeigt, die die Auseinandersetzung und Offenbarung von Emotionen und „Schwächen“ mit sich bringt.

Ich fand es absolut bereichernd, mich mit einem so wichtigen Thema auseinanderzusetzen und denke, dass es mich noch ein bisschen auf meinem Weg als Gestalterin, aber auch in anderen Bereichen begleiten wird. In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, ob ich mich in der Rolle der Gestalterin wirklich wohlfühle. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt haben jedoch definitiv dazu beigetragen, dieses Gefühl zu stärken. Es wurde deutlich, dass Design eine besondere Stärke darin hat, Positionen sichtbar zu machen und ihnen eine Stimme zu geben.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Sonstiges

Art des Projekts

Bachelorarbeit

Betreuung

foto: Prof. Sven Völker foto: Prof. Susanne Stahl

Zugehöriger Workspace

2.25-BA Prüfung Bachelorarbeit und Präsentation

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2024 / 2025