In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Der Kurs User Ex-perience/-perimental von Edmundo Galindo setzt die Thematik in einen erweiterten Kontext. Im Kurs folgte auf die Vermittlung von theoretischen Grundlagen und Methoden, kürzere Übungen und anschließend die praktische Umsetzung von einem komplexen Projekt.
Als Fallstudie haben wir die User Experience der Website Berlin.de untersucht und auf Grundlage der Analyse ein neues UX-Konzept für die online Services der Berliner Verwaltung entwickelt.
Die Seite Berlin.de ist die offizielle Seite der Stadt Berlin. Auf der Seite werden Themen wie aktuelle Veranstaltungen, Informationen für Touristen, Wohnen und Leben, Neuigkeiten aus der Stadtpolitik und vielfältige Kultur- und Freizeitangebote kommuniziert.
Außerdem sind die ca. 4.000 Service-Dienstleitungen der Stadt Berlin einsehbar, die teilweise online erledigt werden können. Auf die Zugänglichkeit zu diesen Services fokussiert sich die folgende Arbeit. Alle anderen Funktionen der Seite werden nicht betrachtet.
Der gesamte Prozess ähnelt einem klassischen Ideationprozess mit Phasen der Recherche, der Ideenentwicklung und der Auswertung in mehreren Iterationen. Allerdings haben wir den Prozess nicht gradlinig durchlaufen, weil durch neue Erkenntnisse und Feedback alte Entscheidungen infrage gestellt wurden.
Im ersten Schritt wurde die UX der Seite Berlin.de analysiert, Pain Points untersucht, Studien- und journalistische Artikel ausgewertet und ein globaler Vergleich unternommen. Das Ergebnis: Berlin und Deutschland schneiden in Bezug auf die Digitalisierung sehr schlecht ab. Im „Smart City Index 2024“ belegt Berlin Platz 28 von 81, Tendenz sinkend [1]. Im E-Government Index 2024 belegt Deutschland Platz 12 hinter Dänemark, Estland und Singapur, die im Bereich von E-Government als Vorreiter gelten. [2]
Außerdem lagen uns Daten vor, welche Unterseiten von berlin.de wie häufig aufgerufen werden. An vierter Position findet sich hier die Seite zur Terminvergabe. Die Auswertung von Artikeln, Statistiken und unsere persönliche Erfahrung zeigt, dass es besonders hier Schwierigkeiten gibt. Die Wartezeiten für Termine sind sehr lang (ca. 4–6 Wochen), spontane Termine sind selten, das UI zur Terminfindung ist nicht mehr zeitgemäß und die Übersetzung in andere Sprachen ist unzureichend. Diese und weitere Aspekte führen zu hoher Frustration und wenig Vertrauen bei den User*innen.
Basierend auf der durchgeführten Analyse wurde die folgende Problemstellung formuliert.
Wie kann ein spekulatives Szenario aussehen, dass die Berliner Bürgerämter bezüglich der Terminvergabe entlastet und somit den Prozess der Terminfindung für Bürger/-innen erleichtert?
Um das Thema frei bearbeiten zu können, haben wir uns für einen spekulativen Ansatz entschieden. Wir erwarteten den Vorteil, weniger von bürokratischen Regeln eingeschränkt zu sein und einen größeren Gestaltungsspielraum zu haben. Auch ein persönliches Interesse spielte bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle.
Quellenangabe:
[1] Smart City Index 2024 Ausführliche Ergebnisse (2024). Hrsg. Bitkom e. V. Abgerufen Oktober 2024. https://www.bitkom.org/sites/main/files/2024-09/Bitkom-Smart-City-Index-2024-Ergebnisuebersicht.pdf
[2] E–Government Development Index (EGDI) weltweit nach Ländern im Jahr 2024 (Top 18) (2024). G. Kaiser. Abgerufen Oktober 2024. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/165817/umfrage/top-20-im-e-government-development-index-weltweit/
Spekulative Methoden im Design bieten die Möglichkeit, besonders zukunftsorientiert, kritisch und benutzerzentriert zu arbeiten. Die Kombination aus wilder Spekulation und praktischen Rahmenbedingungen hat uns im weiteren Prozess begleitet.
Für ein weitgefächertes Brainstorming haben wir den Rahmen noch einmal geöffnet und den Zugang zu digitalen Verwaltungsservices allgemein betrachtet. Dabei ist klar geworden, dass viele Herausforderungen in Bezug auf Digitalisierung und die einfache Zugänglichkeit zu Service-Dienstleitungen, die in Deutschland komplex und unlösbar erscheinen, in Ländern wie Estland, Dänemark und Mexiko schon längst bewältigt wurden. Die Erkenntnis, wie rückschrittlich Deutschland in Bezug auf diese Themen ist, war teilweise ernüchternd, aber auch inspirierend.
Wir wollen vielfältige Zugänge zu der Berliner Verwaltung schaffen, um für jede*n den persönlich besten Weg zu ermöglichen.
Wir wollen Bürger*innen befähigen Prozesse selbst zu bewältigen, um so Kapazität in den Ämtern zu schaffen, für Fälle in denen eine persönliche Beratung nötig ist.
Wir wollen nicht einfach „nur“ einen neuen digitalen Service parallel zum bereits bestehenden System erschaffen.
Im weiteren Prozess wurde die Map immer weiter ergänzt und Verknüpfungen. Schließlich ist zu sehen, dass ich unsere finale Idee in diesem frühen Status bereits abzeichnete.
Es wurden 5 Interviews mit Personen im Alter von 25–55 geführt. Die Personen hatten unterschiedlichen kulturellen, sprachlichen und sozialen Background und verfügen über unterschiedlich viel Medienkompetenz. Vier der Personen gehören zu der Gruppe der Nutzer*innen, eine Person arbeitet mit der Berliner Verwaltung an Digitalisierungsprozessen. Die Interviews gliederten sich in 3 Phasen. Zum Einstieg wurden die Personen zur Nutzung von Online-Services allgemein befragt, gefolgt von Fragen zu Erfahrungen mit der Digitalisierung der Berliner Verwaltung. Den Abschluss bildeten spekulative Fragen zu Zukunftsszenarien. Besonders wichtig waren uns die persönlichen Erfahrungen und Gefühle der Befragten zum Thema Zugänglichkeit zu den Services der Berliner Verwaltung. Dabei wurde sowohl die analoge als auch die digitale Zugänglichkeit besprochen. Jedes Interview dauerte ca. 30–45 Min.
Die Auswertung der Interviews erfolgte in zwei Phasen.
Erste Phase: Clustern und Kategorisieren der Inhalte. Zweite Phase: Fokussierung auf Problemstellung „Einstellung zur Digitalisierung in der Berliner Verwaltung“
In den Interviews wurden viele unserer Annahmen bestätigt zum Beispiel, das User*innen bereit sind, online Services zu nutzen, wenn sie zuverlässig funktionieren und sie sich mit dem Service sicher fühlen. Außerdem sind große Diskrepanzen in der Einstellung zu online Services sichtbar geworden. Die Größte besteht auf einem Beharren auf „dem Recht auf analogen Leben“ und dem Wunsch, „alles zu digitalisieren“. Hinzukommen persönliche Ängste und Frustration im Umgang mit den Services (analog und digital) Aufgrund von Unsicherheiten durch fehlende Informationen oder schlechte Zugänglichkeit. In extrem Fällen berichteten die Personen von Existenzängsten, weil beispielsweise Aufenthaltstitel durch langwierige Prozesse in den Ämtern und fehlende Ansprechpersonen nicht fristgerecht verlängert werden konnten. Im Allgemeinen zeichnet sich in den Interviews eine Unzufriedenheit mit den Service-Dienstleitungen der Stadt Berlin ab.
Die Auswertung der Interviews bestätigte außerdem unsere Annahme, dass es nicht ausreichend ist, das Design der berlin.de Seite zu verändern, sondern dass vielfällige systemische Problemstellungen vorliegen. Hier einige Beispiele: fehlende digitale Infrastruktur, fehlende Schulungen für Bürger*innen und Mitarbeiter*innen, föderales System in Deutschland, Misstrauen gegenüber Veränderungen, Misstrauen gegenüber digitalen Systemen.
Nach der Auswertung der ersten Projektphase ergaben sich folgende Projektziele:
Wir wollen jede*n dort abholen wo er/sie in Bezug auf Digitalisierung gerade steht und Angst vor digitalen Tools nehmen.
Wir wollen jedem den Zugang zu der Berliner Verwaltung ermöglichen, den er/sie für eine bestimmte Situation braucht.
Wir nehmen die fortschreitende Digitalisierung der Verwaltung als gegeben an und wollen Vertrauen zu den neuen Systemen schaffen, um die Akzeptanz zu erhöhen.
Um diesen Zielen gerecht zu werden, war eine Veränderung der Problemstellung erforderlich. Die neue Problemstellung lautet wie folgt:
Wie kann die digitale Verwaltung der Zukunft in Berlin so gestaltet werden, dass sie von einer breiten Bevölkerung akzeptiert wird und besonders zugänglich ist?
Wir befinden uns im Jahr 2050.
E-ID ist bundesweit ein etabliertes System.
Es gibt eine funktionierende digitale Verwaltungsstruktur.
Um die neu definierten Projektziele zu erreichen, entwickelten wir ein Konzept unter dem Arbeitstitel „Blackbox Amt“. Eine der Ursachen für die zuvor erfassten Probleme, Ängste und Frustrationen liegt in fehlender Transparenz. Es ist beispielweise nicht klar, wann es neue Termine gibt, ob Post oder Mails empfangen wurden, wie lange die Bearbeitung eines Prozesses dauert, wie persönliche Fragen unkompliziert beantwortet werden können oder wie die digitalisierten Daten gehandhabt werden. Um diese Fragen zu beantworten, ist jeweils eine aufwendige Recherche notwendig. Noch dazu wirkt die Internetseite unübersichtlich.
In vielen App-Lösungen für Services sind diese Features bereits enthalten. Bei Lieferdiensten ist der Bestellvorgang genau ersichtlich, im Portal BAföG-Digital kann der Antragstatus jederzeit abgerufen und Dokument online eingereicht werden, in der Barmer App können persönliche Date einfach verwaltet und verändert werden und eine Überweisung mit PayPal ist kinderleicht. Wie bereits erwähnt gibt es auch in vielen Ländern bereits etablierte digitale Verwaltungsstrukturen.
In unserer Ausarbeitung hat uns die Frage begleitet, wie wir Features dieser Art für die Berliner Verwaltung nutzbar machen können, um Transparenz, Vertrauen und Akzeptanz in analoge und digitale Services zu erhöhen.
neue übersichtliche Website, ausschließlich mit Inhalten der Verwaltung
Service-Cubes (S-Cubes) in der Stadt
bekannte Bürgerämter
In der weiteren Ausarbeitung werden nur die ersten beiden Punkte näher betrachtet.
Die Grundlage für die User Stories, aus denen sich die Features für die Website und den S-Cube ableiten, bilden die zuvor entwickelten Archetypen.
Um unser Konzept eines transparenten Bürgerservices zu zeigen, haben wir uns entschieden einen Prototyp zu entwicklen, der das Service-Portal der Berliner Verwaltung neu denkt. Als Grundbaustein des Prototypen haben wir die Erledigung von Services über unterschiedliche Wege vorangestellt.
Als primären Weg in der Zukunft sehen wir unser Portal und die Möglichkeit jeden Service, den die Berliner Verwaltung anbietet, einfach online zu erledigen. Dafür haben wir das Konzept der Berlin-ID entwickelt, die spekulativ auf der bereits vorhanden Online-Ausweisfunktion aufbaut. In einem persönlichen Nutzerkonto können alle Anträge und Anfragen verwaltet werden und Schritte der Bearbeitung transparent nachvollzogen werden. Das User Interface gibt zudem Hilfestellung zu bevorstehenden Terminen, gibt an welche Dokumente eingereicht werden müssen und bietet die Möglichkeit über ein Postfach direkt mit der Verwaltung zu kommunizieren.
Da, wie wir in unserer Recherche festgestellt haben, immer Menschen auch einen analoge Wege benötigen werden, haben wir uns entschieden diese Wege auch prominent auf der Website abzubilden. Da wir in unserem spekulativen Szenario davon ausgehen, dass die Verwaltung durch das Angebot von Online-Services entlastet wird, haben wir die Terminbuchung für eine persönliche Beratung als denkbare Option dargestellt.
Um die Brücke für Menschen, die weniger digital affin sind, oder einen physischen Ort bevorzugen, zu schlagen, haben wir das Konzept des Service-Cubes entwickelt, der an vielen Orten in der direkten Umgebung der Bürger verfügbar ist. An diesem können die Anliegen selbstständig und mit Hilfestellung erledigt werden. Der Service-Cube, auch „S-Cube“ genannt, bietet die Möglichkeit an einem physischen Ort mit dem Amt zu interagieren, ohne direkt zum Amt zu müssen.
Zunächst haben wir versucht das Vorhaben in Wireframes zu strukturieren. Wir haben für jede Unterseite Features festgehalten und Texte geschrieben und generiert, um genug Material für die Umsetzung des Prototypen zu haben.
Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dem klassischen Berlin-Rot den Rücken zu kehren und stattdessen auf eine frische, monochrome Palette aus Blautönen mit einem sanften Grünstich zu setzen. Uns war wichtig, dass das Design einerseits den professionellen Charakter der Berliner Verwaltung widerspiegelt, andererseits aber einladend und menschlich wirkt. Blau steht dabei für Seriosität und Vertrauen, während die leichte Wärme ein Gefühl Offenheit vermittelt – genau das, was wir den Bürger*innen in unserer digitalen Zukunft gerne mitgeben möchten.
Auch bei der Typografie haben wir Wert auf moderne Lesbarkeit gelegt: „Albert Sans“ für die Headlines und „IBM Plex Sans“ für den Fließtext. Uns gefiel die Klarheit und Freundlichkeit dieser Schriften, weil sie sowohl auf dem Desktop als auch mobil sehr gut funktionieren. Gleichzeitig erzeugen sie zusammen einen eigenständigen Look, der sich deutlich vom bisherigen Erscheinungsbild Berlins abhebt.
Als Herzstück unseres visuellen Auftritts dient eine abstrahierte Silhouette des Berliner Fernsehturms. Wir haben die charakteristische Kugel aufgegriffen und für zusätzliche Icon-Sets weiterentwickelt, damit überall ein hoher Wiedererkennungswert entsteht – ob auf dem Webportal, den Service-Cubes oder in gedruckten Materialien. Uns war es besonders wichtig, einen starken Bezug zu Berlin selbst zu behalten, sodass das Corporate Design trotz aller Modernität fest in der Stadt mit diesem Wahrzeichen verankert bleibt.
Mit der Struktur des Wireframes und unserem Design haben wir zeitgleich begonnen den Prototyp zu entwickeln. Dabei haben wir an unterschiedlichen Stellen gleichzeitig gearbeitet und erst im Nachhinein alles vereinheitlich. Es war für uns eine große Herausforderung den Überblick zu behalten, da wir die Komplexität anfangs unterschätzt haben. Dennoch haben wir zur Endpräsentation ein Proof-of-Concept zeigen können, mit dem wir sehr zufrieden sind.
Die Entwicklung des Service Cubes (S-Cubes, inspiriert durch das Konzept der S-Bahn) stellt eine Erweiterung der Ergebnisse einer ursprünglichen Forschungsarbeit dar. Diese basierte auf einer streng systematischen Analyse und zielte auf die Entwicklung eines dezentralisierten Netzwerks von Orten ab, das primär der Statusabfrage und der Einsicht in die Verwendung persönlicher Daten innerhalb dienstlicher Netzwerke dienen sollte.
Die Entscheidung, das Konzept der Orte zu sogenannten Service-Orten weiterzuentwickeln, an denen neben Statusabfragen auch Anträge gestellt und detaillierte Anliegen eingesehen werden können, markiert eine bewusste Abweichung von der ursprünglichen Analyse. Gleichzeitig wird das Produkt durch diese Transformation zu einem Träger symbolischer Werte, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und Nutzerzentrierung. Obwohl diese Erweiterung nicht zwingend im Kern spekulativer Designmethoden verankert ist, integriert sie dennoch zentrale Aspekte von Service Design, spekulativem Design (wenn auch in abgeschwächter Form) und User Experience Design, wodurch ein multidisziplinärer Ansatz verfolgt wird.
Zur Entwicklung der spezifischen Features des Service Cubes und zur Validierung im Prototyping wurden neue User Stories entwickelt, die auf modifizierten Archetypen basieren:
Archetyp Farid: zusätzlich schwerhörig
Archetyp Alex: zusätzlich seheingeschränkt
Die Analyse zeigte, dass neben der primären Funktion eines auditiven Interfaces weitere Kommunikationsmöglichkeiten essenziell sind, um eine umfassende Barrierefreiheit und Funktionalität zu gewährleisten:
Holografische Animationen zur Visualisierung und Erklärung spezifischer Prozesse.
Holografische Gebärdenassistenz zur Unterstützung hörgeschädigter Nutzer:innen.
Haptische Interaktion in Form von Vibrationen oder strukturellen Veränderungen an Wänden und Böden, die als Leitsystem für sehbeeinträchtigte Personen dienen.
Klassischer Service-Automat mit ausschließlich analogen Funktionen für technikferne Nutzergruppen.
Telefonhotline und persönliche Hilfestellung durch Service-Personal.
Zusätzlich wurde ein **Druck- und Scansystem** implementiert, das unter anderem den Druck von Briefmarken und die direkte Einreichung von Dokumenten in einen Briefkasten ermöglicht, der sich im Cube befindet und mehrmals täglich geleert wird. Die Identifikation erfolgt dabei über ein zweistufiges Verfahren bestehend aus E-Ident und biometrischem Scan.
Die architektonische Gestaltung des Cubes orientiert sich an den Prinzipien von Shigeru Ban. Die Wände des Cubes sind transparent, solange die Türen geöffnet sind, und wechseln in einen matten Zustand, sobald die Türen geschlossen werden.
Erweiterbarkeit und spekulative Ansätze
Das Konzept des Service Cubes bietet ein hohes Potenzial für Erweiterungen, sowohl in symbolischer als auch funktionaler Hinsicht:
Symbolische Erweiterung:
Farbwechsel der Wände bei Erreichen einer bestimmten Anzahl an Anträgen.
Darstellung abstrakter Datenvisualisierungen auf den Wänden, die sowohl von innen als auch von außen bedienbar sind.
Spekulative Erweiterungen, auf basis unausgebauter, vernaschlässigter Ideen, die isch im Prozess herauskristallisiert haben:
Mobilität der Cubes: Können die Cubes auf Abruf an spezifische Standorte transportiert werden?
Integration in bestehende Infrastrukturen: Sind die Cubes Teil des S-Bahn-Systems, beispielsweise als mobile Service-Hubs?
Ortsgebundenheit vs. Entkopplung von dem Locus: Sind auditive Interfaces in der Zukunft überhaupt noch an Orte gebunden? Es ist denkbar, dass die technologische Evolution zu einer lokalen Entkopplung führt, bei der die Interaktion nicht länger an stationäre Systeme wie Service Cubes gebunden ist. Stattdessen könnten auditive Interfaces direkt von den Nutzer:innen getragen werden, etwa als In-Ear-Geräte oder ähnliche tragbare Technologien.
Eine solche Weiterentwicklung würde den nächsten Schritt hin zu maximaler Dezentralisierung darstellen, in dem physische Orte an Bedeutung verlieren und die gesamte Infrastruktur in kompakter, mobiler Form in den Alltag integriert wird. Diese tragbaren Systeme könnten Dienstleistungen nicht nur ortsunabhängig, sondern auch in Echtzeit und individuell angepasst bereitstellen.
1. Willkommensscreen
Der Einstiegsbildschirm begrüßt die Nutzer:innen und leitet sie durch den Prozess.
2. Screen mit voreingestellten Einstellungen
Auf diesem Bildschirm werden automatisiert vorausgewählte Einstellungen angezeigt, die nur noch bestätigt werden müssen. Ob dieser Schritt redundant ist, sollte in weiteren Testzyklen untersucht werden. Es ist möglich, dass Nutzer:innen diesen Schritt als störend empfinden, da sie mit den voreingestellten Optionen – die durch die Identifikation bereits festgelegt sind – vermutlich eher einverstanden sind. Wahrscheinlicher ist, dass Änderungen seltener vorgenommen werden und die meisten Personen die Einstellungen einfach bestätigen, statt sich „nervig“ durch zusätzliche Optionen zu klicken.
3. Menu
Dieser Bildschirm zeigt auf der linken Seite eine Liste der für die Nutzer:innen wahrscheinlich relevanten Services, während auf der rechten Seite alle weiteren verfügbaren Optionen aufgeführt werden. Diese Struktur dient der schnellen Orientierung und erleichtert die Auswahl.
4. Verlaufs- und Ergebnisscreens
Die vorletzten Screens präsentieren einen Teil des Verlaufs, etwa bei der Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung. Nachdem der Scanvorgang abgeschlossen ist, wird dies klar kommuniziert, und die Optionen „Weiter“ oder „Neuer Scan“ werden angezeigt.
Ausgangspunkt unseres Projekts war zunächst eine intensive Analyse der Website Berlin.de und der damit verbundenen, teils frustrierenden Nutzererfahrungen. Allerdings zeigte sich schon früh, dass sich hinter den offensichtlichen UI-Problemen ein vielschichtiges „Wicked Problem“ verbirgt: Föderale Strukturen, fehlende Ressourcen, mangelndes Vertrauen in digitale Systeme und teils antiquierte Prozesse erschweren die Digitalisierung der Berliner Verwaltung erheblich. Diese Erkenntnisse wurden durch unsere umfangreiche Research-Phase gestützt, in deren Verlauf wir Studien, journalistische Artikel sowie Best-Practice-Beispiele anderer Länder (z. B. Estland, Dänemark oder Singapur) einbezogen. Dabei stellte sich heraus, wie schlecht Deutschland und insbesondere Berlin in puncto E-Government abschneiden.
Anfangs war unser Ziel noch relativ eng gefasst: Wir planten, uns auf das Website-Redesign oder sogar nur auf das UI der Terminvergabe auf Berlin.de zu konzentrieren, da diese Bereiche besonders häufig zu Frustration bei den Nutzer*innen führen. Doch etwa zur Mitte des Semesters wurde immer deutlicher, dass eine rein oberflächliche Optimierung – ohne die dahinterliegenden strukturellen Probleme einzubeziehen – nur bedingt Sinn ergibt. Durch den Austausch im Team und vor allem auf Anregung unseres Dozenten Edmundo Galindo („Denkt utopisch!“) entschlossen wir uns zu einem entscheidenden Richtungswechsel. Anstatt bloß bekannte Pain Points mit kleinen Verbesserungen zu beheben, gingen wir einen Schritt weiter und stellten uns eine Zukunft vor, in der digitale Behördengänge reibungslos funktionieren. Diese spekulative Herangehensweise hat unseren Gestaltungsspielraum erheblich erweitert und zugleich neue Herausforderungen mit sich gebracht.
Um nicht in den bestehenden Bürokratie- und Technikhemmnissen stecken zu bleiben, entschieden wir uns bewusst dafür, mithilfe des „Future Cone“ ein Zukunftsszenario zu entwerfen, in dem die Verwaltung digital und bürgernah agiert. Diese Loslösung vom heutigen Status quo ermöglichte uns einerseits, freier zu denken und radikalere Ideen wie das „Paket-Tracking“ für Anträge oder auditive Interfaces zu entwickeln. Andererseits stand uns eine realistisch anmutende Überarbeitung der Website vor Augen, die User*innen einen konkreten Ausblick geben sollte.
Darin lag unsere größte Herausforderung: Wie schaffen wir es, den Spagat zwischen einer nahbaren, real wirkenden Zwischenlösung und den weit in die Zukunft weisenden, utopischen Elementen zu meistern? Zwar haben wir in unserer Endpräsentation deutlich gemacht, dass Website-Redesign und „Service Cube“ (S-Cube) als Übergangsmodell hin zu einer künftig voll automatisierten Verwaltung zu verstehen sind. Dennoch hätten wir diesen dualen Charakter – realistisch genug für die Gegenwart, visionär genug für die Zukunft – noch präziser darstellen können.
Im Projektverlauf kam es zu mehrfachen Krankheitsausfällen im Team, wodurch wir zeitweise personell eingeschränkt waren. Dass wir den Projektfortschritt trotzdem aufrechterhalten konnten, verdanken wir unserer relativ großen Gruppe und einer klaren Aufgabenverteilung. Die unterschiedlichen Fähigkeiten im Team ergänzten sich gut, brachten aber auch viele Ideen gleichzeitig auf den Tisch. Um nicht den Überblick zu verlieren, halfen uns regelmäßige Meetings und ein transparenter, offener Umgang miteinander, sowohl in Bezug auf Zeitressourcen als auch kreative Inputs.
Unsere ausgedehnte Research-Phase lieferte wertvolle Erkenntnisse über reale Defizite der Verwaltung und legte den Grundstein für unser spekulatives Konzept. Gleichzeitig merkten wir aber, dass uns durch die intensive Recherche weniger Zeit für Prototyping, Nutzerfeedback und detaillierte User Flows blieb. So konnten wir zwar zahlreiche Ideen und Zukunftsszenarien erarbeiten, doch fehlten uns iterative Tests, um Features wie Barrierefreiheit oder Mehrsprachigkeit in der Tiefe zu verfeinern. Dieser Mangel an Testzyklen schlug sich vor allem in den letzten Projektphasen nieder, in denen wir die entwickelten Konzepte nicht mehr umfassend validieren konnten.
Aus unseren Erfahrungen leiten wir für künftige Projekte folgende Empfehlungen ab:
Früherer Start ins Prototyping: Schnelle, iterative Tests liefern früh Feedback und helfen dabei, Lösungen stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer*innen auszurichten.
Fokussierte Research: Eine gründliche Recherche ist wertvoll, sollte aber zeitlich klar begrenzt sein, damit ausreichend Kapazität für Gestaltung und Implementierung bleibt.
Transparenz und Vertrauen stärken: Unsere Konzepte zeigen, dass technologische Neuerungen im öffentlichen Sektor immer auch eine vertrauensbildende Kommunikation benötigen – sowohl gegenüber den Bürger*innen als auch innerhalb der Verwaltung.
Vielfalt abbilden: Unterschiedliche soziale, sprachliche und technische Bedürfnisse erfordern ein breites Spektrum an Zugängen. Die Dreiteilung in Website, Service Cube und klassisches Amt soll niemanden ausschließen.
Utopisch denken – mit realen Bezügen: Ein spekulativer Ansatz kann helfen, über die Grenzen momentaner Strukturen hinauszudenken. Wichtig ist jedoch eine anschließende Verknüpfung mit tatsächlichen Rahmenbedingungen, um den Transfer in umsetzbare Lösungen zu erleichtern.
Unser Projekt verdeutlicht einerseits, welches Potenzial in einer bürgernahen, digitalisierten Verwaltung steckt, wenn Prozesse transparent und zugänglich gestaltet werden. Andererseits zeigt es, wie komplex die Umsetzung angesichts bürokratischer und technischer Barrieren ist. Der bewusste Richtungswechsel in der Mitte des Semesters – von einem reinen Re-Design der Website hin zum spekulativen Szenario – ermöglichte es uns, radikale Ideen wie den haptisch und auditiv unterstützten S-Cube zu erdenken und gleichzeitig konkrete Verbesserungsansätze für die Website auszuarbeiten.
Letztlich verstehen wir unsere Arbeit als Denkanstoß: Eine transparente, barrierearme und digitalisierte Verwaltung ist machbar, wenn man bereit ist, innovative Ansätze auszuprobieren, vorhandene Strukturen zu hinterfragen und dabei die Bedürfnisse unterschiedlichster Nutzergruppen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei kann es durchaus hilfreich sein, „utopisch zu denken“ – solange man den Bezug zur Realität nicht verliert.