In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Mapping KI ist ein kooperatives Brettspiel, welches die Hintergründe der KI-Industrie kritisch beleuchtet und ihre materielle Wirklichkeit aufdeckt. Dabei sollen sowohl die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Akteur*innen, Standorten und Prozessen greifbarer werden, als auch strukturelle Ungleichheiten und konkrete Folgen der Technologie sichtbar werden.
Mapping KI ist ein kooperatives Brettspiel, welches die Hintergründe der KI-Industrie kritisch beleuchtet und ihre materielle Wirklichkeit aufdeckt. Dabei sollen sowohl die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Akteur*innen, Standorten und Prozessen greifbarer werden, als auch strukturelle Ungleichheiten und konkrete Folgen der Technologie sichtbar werden.
Angelehnt an das Buch Atlas of AI von Kate Crawford (2021) verfolgt das Spiel das Ziel, den kritischen Blick auf KI und die dahinterstehende Industrie zu schulen. Die komplexen Zusammenhänge, die in der Realität meist unsere Vorstellungskraft übersteigen, werden auf dem Spielbrett überschaubarer und die Spieler*innen können sich in verschiedenen Rollen im Perspektivwechsel üben und die Strukturen der Industrie “hautnah” nachempfinden.
“It is a common practice of life to focus on the world immediately before us, the one we see and smell and touch every day. It grounds us where we are, with our communities and our known corners and concerns. But to see the full supply chains of AI requires looking for patterns in a global sweep, a sensitivity to the ways in which the histories and specific harms are different from place to place and yet are deeply interconnected by the multiple forces of extraction.” (Crawford, 2021, S. 38)
Künstliche Intelligenz ist längst ein fester Bestandteil unseres Alltags – sie steckt in unseren Smartphones, Computern und vielen anderen digitalen Systemen und steuert zahlreiche Funktionen. Neben Sensoren, die Gesichter oder Fingerabdrücke erkennen, beeinflussen Algorithmen unsere Suchvorschläge, Kaufempfehlungen und Routenplanungen genauso wie personalisierte Werbung, Inhalte auf Social Media und noch vieles mehr. Im Gegensatz zum Kontakt, den wir mit KI haben, ist das Verständnis über die Funktionsweise und die dahinterliegenden Strukturen meist sehr vage. So betrachteten sich in einer repräsentativen Umfrage des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (2023) nur 2% der Teilnehmenden als Ki-Expert*innen. Während es vermehrt Angebote gibt, die uns im Umgang und in der Nutzung von KI schulen sollen, besteht nachwievor ein Blinderfleck, wenn es um die materielle Seite und die dahinterliegenden Prozesse von KI geht. Wie Kate Crawford in ihrem Buch Atlas of Ai (2021) beschreibt, tendieren wir dazu, künstliche Intelligenz als eine wundersame und körperlose Form der maschinellen Klugheit zu betrachten. Es werden zwar Risiken hinsichtlich der Fähigkeiten von künstlicher Intelligenz diskutiert, aber der Ressourcen- und Energieverbrauch, die menschliche Arbeit sowie die Produktionsabläufe und die damit zusammenhängende Umweltschäden die untrennbar mit dem Einsatz von KI in Verbindung stehen, werden in der Regel außer Acht gelassen. Mapping KI nimmt insbesondere diese materielle Seite der KI-Industrie in den Blick und macht Zusammenhänge, Prozesse und Wechselwirkungen sichtbar.
“The term “artificial intelligence” may invoke ideas of algorithms, data, and cloud architectures, but none of that can function without the minerals and resources that build computing’s core components.” (Crawford, 2021, S. 30)
Sowohl die Geräte, in denen KI integriert ist, als auch die Cloud, die das Rückgrat der KI Industrie darstellt, basieren auf ein und derselben Sache: Wiederaufladbaren Akkus. Aktuell sind Batterien aus Lithium die einzige marktreife Option, und ihre Herstellung erfordert den Abbau großer Mengen dieses Minerals (Crawford, 2021, S. 29-30). Der Abbau, die Weiterverarbeitung und der Transport in der Batterielieferkette haben erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und infolgedessen auf die Gemeinschaften, die von deren Zerstörung betroffen sind. Lithium ist jedoch nicht der einzige Rohstoff, der für KI-Systeme und ihre Hersteller*innen relevant ist. Auch die seltenen Erden, eine Gruppe aus 17 chemischen Elementen, werden in Laptops und Smartphones verarbeitet, um diese kleiner und leichter zu machen. Außerdem sind sie wesentlich für Kommunikationssysteme, von Glasfaserkabeln bis zu Satelliten oder GPS. Für viele dieser Elemente besteht ein hohes Versorgungsrisiko, das heißt, wenn sie nicht mehr verfügbar wären, kämen ganze Industrien – einschließlich des Technologiesektors – zum Stillstand (U.S. Geological Survey, 2020).
Wie Jussi Parikka in seinem Buch A Geology of Media (2019) beschreibt, kann die Umwandlung von natürlichen Ressourcen in Infrastrukturen und Geräte als ein Eingriff in geologische und klimatologische Prozesse betrachtet werden. Alle Objekte innerhalb des erweiterten Netzwerks der KI-Industrie – von Netzwerkrouten über Batterien bis hin zu Rechenzentren – bestehen aus Elementen, die Milliarden von Jahren benötigten, um in der Erde zu entstehen. Für ihre Herstellung entnehmen wir der Erde demnach ihre geologische Geschichte, um sie für die vergleichsweise extrem kurze Lebenszeit moderner Technologien nutzbar zu machen (vgl. Crawford, 2021, S. 31).
Der Eingriff in geologische Prozesse wird insbesondere auch durch die Schäden, die die Mining Industry hinterlässt, deutlich. Dabei verursacht nicht nur der Abbau selbst Schäden, sondern vor allem die Extraktion der seltenen Erden aus dem abgebauten Material hat schwerwiegende Folgen für die Natur. Die Chinesische Gesellschaft für Seltene Erden schätzt, dass bei der Gewinnung von einer Tonne der relevanten Elemente, 75.000 Liter saures Wasser und eine Tonne radioaktive Rückstände entstehen (Abraham, 2017). Diese giftigen Abfälle werden häufig zurück die Umwelt überführt. Ein Beispiel für die Folgen solcher Prozesse ist der künstliche See aus giftigem schwarzen Schlamm in Baotou, der größten Stadt in der Inneren Mongolei. Er entstand aus den Abwässern der anliegenden Bayan Obo Mine, die schätzungsweise fast 70 Prozent der weltweiten Reserven an Seltenen Erden enthalten (Mindat.org, o.D.).
“The lifecycle of an AI system from birth to death has many fractal supply chains: forms of exploitation of human labor and natural resources and massive concentrations of corporate and geopolitical power.” (Crawford, 2021, S. 32)
Die Herstellung funktionierender KI-System würde nicht ohne eine hochentwickelte globale Infrastruktur auskommen. Angefangen bei der Mining Industry, bestehend aus dem Abbau, der Gewinnung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen, über die Tiefseekabel, die Daten zwischen Kontinenten übertragen bis hin zur gigantischen Logistikmaschinerie, die Rohstoffe, Treibstoff, Hardware, Arbeiter*innen und KI-Endgeräte rund um den Planeten bewegt. Für letztere spielen Frachtcontainer eine zentrale Rolle. So wie Unterseekabel den Planeten über Internet- und Telekommunikation vernetzen, ermöglichen die Frachtcontainer durch ihre standardisierten, modularen Einheiten eine einzige vernetzte Produktions- und Lieferkette. 90% aller Güter werden über den Seeweg transportiert (Quartz, 2022), nicht zuletzt, weil dies vergleichsweise günstiger ist als andere Wege. Was hier jedoch ausgeklammert wird, sind die physische Realität der Schifffahrtsindustrie sowie die Kosten für die Umwelt. Jährlich verursacht die Schifffahrtsindustrie mehr Kohlendioxidemissionen als ganz Deutschland und Schätzungen zufolge stößt ein Containerschiff so viel Schadstoffe aus wie fünfzig Millionen Autos (The Guardian, 2018).
Neben der globalen Logistik sind auch Datenzentren ein zentraler Bestandteil der KI-Infrastruktur. Sie verbrauchen enorme Mengen an Strom und Wasser, insbesondere für die Kühlung der Server. Viele Rechenzentren sind weiterhin von fossilen Brennstoffen abhängig – So bezieht die chinesische Datenzenterindustrie etwa 73 % ihrer Energie aus Kohlekraftwerken und verursachte allein im Jahr 2018 rund 99 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen (Greenpeace, 2019). Neben dem Energieverbrauch ist auch der Wasserverbrauch enorm. Viele große Rechenzentren benötigen täglich Millionen Liter Wasser zur Kühlung, was besonders in trockenen Regionen zu Konflikten führt (vgl. Hogan, 2015).
“This data [training data] is the basis for sensemaking in AI, not as classical representations of the world with individual meaning, but as a mass collection of data for machine abstractions and operations.“ (Crawford, 2021, S. 95)
Bevor ein KI-System öffentlich eingesetzt wird, werden seine Algorithmen in einer Trainingsphase mit bestimmten Datensätzen trainiert. Diese Trainingsdaten bestehen häufig aus riesigen Sammlungen von Bildern, Texten oder anderen digitalen Inhalten, die aus ihrem ursprünglichen Kontext entrissen wurden und jetzt als vermeintlich objektive und neutrale Daten angesehen werden. Als Folge von diesem Verständnis von Daten, welches viele KI-Entwickler*innen vertreten, werden Fragen der ungleichen Repräsentation, der mangelnden Diversität oder ethische Fragen außer Acht gelassen; alles, was zählt, ist eine ausreichend variierende Sammlung von Daten (vgl. Crawford, 2021, S. 94). So enthalten viele Datensätze unausgewogene Darstellungen von Hautfarben, Geschlechtern oder sozioökonomischen Gruppen, was zu diskriminierenden Ergebnissen in KI-Systemen führen kann. Ein Beispiel hierfür ist die maschinelle Gesichtserkennung, die insbesondere bei dunkleren Hauttönen oft fehleranfälliger ist, weil die zugrunde liegenden Trainingsdatensätze historisch weiße Gesichter überrepräsentieren (Buolamwini und Gebru, 2018). Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu betrachten, was neben nicht-repräsentativen Trainingsdaten noch zu solchen fehlerhaften Ergebnissen von KI-Systemen beiträgt – nämlich die Klassifizierungslogik nach der die Daten kategorisiert werden. Solche, von Unternehmen oder Forschungsgruppen erstellten Klassifikationssysteme spiegeln gesellschaftliche Machtverhältnisse wider. Es geht also nicht nur um Verzerrungen in Datensätzen, sondern um die grundsätzliche Frage, wer entscheidet, welche Kategorien geschaffen werden und nach welchen Kriterien Menschen und Objekte eingeordnet werden. Solche Klassifikationen sind oft problematisch, weil sie komplexe Identitäten auf starre Merkmale reduzieren und gesellschaftliche Vorurteile in technische Systeme einschreiben. Wie Geoffrey Bowker und Susan Leigh Star schreiben: “classifications are powerful technologies. Embedded in working infrastructures they become relatively invisible without losing any of their power” (Bowker und Star, 1999, S. 319).
„Exploitative forms of work exist at all stages of the AI pipeline, from the mining sector, where re- sources are extracted and transported to create the core infra- structure of AI systems, to the software side, where distributed workforces are paid pennies per microtask.“ (Crawford, 2021, S. 63)
Obwohl Künstliche Intelligenz oft als eine Form der Automatisierung dargestellt wird, hängt ihre Funktionalität stark von menschlicher Arbeit ab. Viele KI-Systeme werden durch “unsichtbare“ Arbeitskräfte unterstützt: Sogenannte Crowdworker*innen, die Daten labeln, Fehler korrigieren oder Inhalte moderieren. Plattformen wie Amazon Mechanical Turk, Microworkers oder Clickworker ermöglichen es Unternehmen, diese Arbeit auszulagern und zu minimierten Kosten ausführen zu lassen – oft ohne faire Bezahlung oder soziale Absicherung (vgl. Crawford, 2021, S.63-64).
Ein weiteres Beispiel für die Abhängigkeit von menschlicher Arbeit ist die physische Infrastruktur der KI-Industrie. Die Gewinnung von Rohstoffen, der Betrieb von Rechenzentren und die globale Logistik erfordern eine Vielzahl an Arbeiter*innen, die unter oft prekären Bedingungen tätig sind. In Lagerhäusern, die durch KI-gestützte Systeme organisiert werden, sind Menschen gezwungen, im Akkord zu arbeiten, während ihre Leistung von Algorithmen überwacht wird (vgl. Crawford, 2021, S.53-54). Diese Prozesse zeigen erneut, dass KI keineswegs eine rein digitale oder immaterielle Technologie ist, sondern auf einer globalen Kette menschlicher Arbeit beruht.
Das grundlegende Ziel meines Projekts war es, hinter die Kulissen von KI-Systemen zu schauen und die dahinterliegenden Strukturen, Akteur*innen, physische Realitäten und Prozesse auszuleuchten, die an dem Erhalt solcher Systeme beteiligt sind. Um das gesamte Ausmaß der KI-Lieferkette zu verstehen, ist es wichtig, globale Zusammenhänge zu erkennen, und zu analysieren, wie lokale Probleme und Schäden in ein größeres, vernetztes System eingebettet sind. Vor diesem Hintergrund erschien mir ein analoges Brettspiel als ein möglicher Weg, um einerseits “von oben” auf das System zu schauen – sich quasi einen Überblick zu verschaffen – und gleichzeitig durch das Einnehmen einer spezifischen Rolle konkrete Erfahrungen in ebendiesem System zu machen.
Für die Entwicklung des Spielkonzeptes, habe ich mich an bestehenden Brettspielen orientiert und als Ausgangspunkt den Aufbau des Spiel des Lebens gewählt. Im Spiel des Lebens navigieren die Spieler*innen durch verschiedene Lebensphasen – von Ausbildung und Karriere bis hin zu Familie und Ruhestand – während sie Entscheidungen treffen, Geld verdienen und unerwartete Ereignisse meistern. Dieser Aufbau ermöglicht nicht nur den Blick von oben auf ein vielschichtiges Gefüge (das Leben bzw. in meinem Fall die KI-Industrie) und erlaubt den Spieler*innen, darin individuelle Erfahrungen zu machen, sondern bietet durch das Thema auch einen klaren Realitätsbezug und dadurch Identifikationspotenzial.
Basierend auf Kate Crawfords Atlas of AI (2021) habe ich zuerst zentrale Problembereiche der KI-Industrie identifiziert, darunter Rohstoffabbau, Energieverbrauch, Arbeitsbedingungen, algorithmische Klassifizierung und gesellschaftliche Auswirkungen. Um diese Aspekte spielerisch erfahrbar zu machen, habe ich die Mechanik des Spiel des Lebens angepasst und erweitert. Besonders wichtig war mir dabei, systemische Ungleichheiten und Wechselwirkungen innerhalb der KI-Industrie sichtbar zu machen.
Dazu ziehen die Spieler*innen zu Beginn Charakterkarten, die sich aus verschiedenen Merkmalen zusammensetzen – darunter z.B. Beruf, Wohnort, Geschlecht und Hautfarbe. Diese Merkmale bestimmen die Startbedingungen und beeinflussen, wie sich bestimmte Ereignisse im Spiel auswirken. Außerdem habe ich die Punktekategorien um Geld, Gesundheit, Gemeinwohl und CO₂-Fußabdruck ergänzt, um verschiedene Dimensionen von Wohlstand und sozialer Verantwortung abzubilden. Im Verlauf des Spiels wirken sich Ereignisse nicht nur individuell auf die Spieler*innen aus, sondern können gezielt bestimmte Spielende, je nach ihren Charaktermerkmalen, betreffen oder sogar globale Konsequenzen für alle haben. Ein weiterer zentraler Aspekt ist, dass die Spieler*innen nicht nur persönliche Ziele verfolgen, sondern gemeinsam ein übergeordnetes gesellschaftliches Ziel erreichen müssen – was jedoch im Konflikt zu individuellen Interessen stehen kann. Durch diese Mechaniken entsteht ein strategisches, aber auch reflexives Spielerlebnis, das die Strukturen der KI-Industrie versucht, greifbarer zu machen.
Da das Spiel komplexe Zusammenhänge innerhalb der KI-Industrie thematisiert, von denen die Spielenden möglicherweise wenig wissen, sollen verschiedene Mechanismen integriert werden, die Hintergrundwissen vermitteln. So enthält jede Merkmalskarte eine kurze Erklärung, die den Bezug zur KI-Industrie verdeutlicht und auch Ereigniskarten liefern kontextbezogene Informationen, um Ereignis und Auswirkung verständlicher zu machen. Zusätzlich soll auch die Spielanleitung ein Glossar mit zentralen Begriffen und Konzepten enthalten. Dadurch bekommen die Spielenden die Möglichkeit, nicht nur spielerisch in die Problematik einzutauchen, sondern auch ein tieferes Verständnis für die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der KI-Industrie zu gewinnen.
Abschließend ist zu meinem Vorgehen bei der Entwicklung des Spielkonzepts zu erwähnen, dass ich ChatGPT gezielt als Unterstützung genutzt habe, um beispielsweise Ideen zu strukturieren, Spielabläufe und Ereignisse zu simulieren und das Punktesystem zu
Die grundlegende Spielmechanik ist ähnlich wie beim Spiel des Lebens: Spieler*innen bewegen sich per Würfeln auf dem Spielfeld voran, bis sie ins Ziel gelangen. Unterwegs lösen sie Ereignisse aus und treffen Entscheidungen, die ihren eigenen Punktestand oder den von anderen Spieler*innen beeinflussen. Die Auswertung der Punkte findet statt, wenn alle ins Ziel gelangt sind und entscheidet darüber, ob die Gruppe gewonnen hat.
Alle Spieler*innen ziehen verdeckt Charakterkarten aus den folgenden Kategorien:
Aus diesen Merkmalen ergeben sich die individuellen Startbedingungen in den Kategorien: Geld | Gesundheit | Gemeinwohl | CO₂-Fußabdruck
Die jeweiligen Startbedingungen übertragen die Spieler*innen auf einem dynamischen Punktezähler. Zusätzlich ziehen alle eine individuelle Zielkarte, die abhängig von der Akteur*innen-Karte des Charakters ein persönliches Spielziel festlegt. Außerdem wird auch ein kollektives Spielziel gezogen, welches gut sichtbar neben dem Spielfeld platziert wird.
Die Spieler*innen bewegen sich reihum über das Spielfeld. Jedes Feld löst eine der sieben Ereigniskategorien aus, die jeweils konkrete Auswirkungen auf die vier Punktekategorien (Geld, Gesundheit, Gemeinwohl, CO₂-Fußabdruck) haben.
Das Spiel ist gewonnen, wenn am Ende entweder das kollektive Ziel erreicht ist oder wenn die Hälfte der Spieler*innen ihre individuellen Ziele erreicht haben.
Das entwickelte Spielkonzept greift zentrale Problematiken der KI-Industrie auf, macht sie spielerisch erfahrbar und liefert grundlegendes Hintergrundwissen für ein differenzierteres Verständnis von KI-Systemen. Dabei standen insbesondere die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Verflechtungen im Fokus. Dennoch gab es bei der Entwicklung des Spiels einige Herausforderungen und es bestehen weiterhin offene Fragen, die für eine wirkliche Umsetzung des Projekts geklärt werden müssten.
Eine kritische Reflexion betrifft unter anderem die Kategorisierung der Charaktermerkmale. Während die Einbindung von Merkmalen wie Hautfarbe und Geschlecht dazu dient, die realen Ungleichheiten in der KI-Industrie sichtbar zu machen, reproduziert das Spiel dabei zwangsläufig bestehende Klassifikationssysteme, die zu Diskriminierung von bestimmten Personengruppen beitragen. Ein Ansatz könnte sein, der Spielanleitung eine Erläuterung zur Wahl der Kategorien beizulegen, um den Vorgang transparent zu machen.
Auch das eigene Arbeiten mit ChatGPT im Entwicklungsprozess wirft Fragen auf: Einerseits war es ein effizientes Werkzeug, um Ideen und die Spiellogik zu strukturieren, andererseits zeigt sich hier eine gewisse Doppelmoral, denn die durch das Spiel kritisierte Technologie wurde selbst zum wichtigen Bestandteil der Entwicklung.
Für die Weiterentwicklung des Spiels stellen sich noch einige offene Fragen. Die vielen verschiedenen Mechaniken des Spiels – von den Charaktermerkmale und individuellen vs. kollektiven Zielen, über merkmalsbasierte Auswirkungen bis hin zu der Punktewertung in vier Kategorien – erfordern ein ausgeklügeltes System von Zufall, vorgegebenen Strukturen und freien Entscheidungen. Besonders die Auswirkungen der Ereignisse müssen so gestaltet werden, dass sie fair auf die verschiedenen Charaktere verteilt sind und keine einseitigen Vorteile oder Nachteile entstehen. Gleichzeitig muss der Spielverlauf sowohl genügend Unvorhersehbarkeit bieten, um die Dynamik spannend zu halten, als auch ausreichend strategische Planbarkeit ermöglichen, damit die Spielenden bewusst Entscheidungen treffen und Einfluss auf das Geschehen nehmen können.
Auch bezüglich der konkreten Gestaltung der Spielmaterialien gibt es einige offene Fragen: Inwiefern soll sich die Thematik auch im Spieldesign wiederfinden? Wie konkret oder abstrakt sollen beispielsweise die Charakterkarten oder das Spielbrett gestaltet sein – wie können Akteur*innen und Standorte repräsentativ abgebildet werden, ohne dass die Abbildungen zu spezifisch sind? Gibt es ein festes Spielbrett oder soll dieses modular aufgebaut sein, um noch mehr Varianz zu ermöglichen? Inwiefern sind klare Wege über das Spielbrett vorgegeben oder wie oft gibt es Abzweigungen an denen die Spielenden ihren Weg wählen können?
Eine weitere spannende Überlegung, angelehnt an Donna Haraways Theorie des Chthuluzän, wäre es, auch nicht-menschliche Akteur*innen mit einzubeziehen, da auch sie von den Auswirkungen der KI-Industrie betroffen sind. Möglich wären zum Beispiel Spielerweiterungen, die auch die Perspektiven von Tieren, Rohstoffen oder Maschinen mit einbringen.
Abraham, D. S. (2015). The Elements of Power: Gadgets, Guns, and the Struggle for a Sustainable Future in the Rare Metal Age. Yale University Press.
Bayan Obo deposit. (o. D.). mindat.org. https://www.mindat.org/loc-720.html
Bowker, Geoffrey C., Star, S. (1999). Sorting Things Out: Classification
and Its Consequences. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1999.
Buolamwini, J. & Gebru, T. (2018). Gender Shades: Intersectional Accuracy Disparities in Commercial Gender Classification. PMLR, 81, 77–91. http://proceedings.mlr.press/v81/buolamwini18a/buolamwini18a.pdf
Crawford, K. (2021). Atlas of AI. In Yale University Press eBooks. https://doi.org/10.12987/9780300252392
Cousseran, L. et al. (2023). Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023. Einstellungen, Handeln und Kompetenzentwicklung im Kontext von KI. JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. München: kopaed.
Infoseite Seltene Erden. (o. D.). Seltene Erden. https://selteneerden.de/
Hogan, M. (2015). Data flows and water woes: The Utah Data Center. Big Data & Society, 2(2). https://doi.org/10.1177/2053951715592429
Nassar, N. T., Alonso, E. & Brainard, J. L. (2020). Investigation of U.S. Foreign Reliance on Critical Minerals—U.S. Geological Survey technical input document in response to Executive Order No. 13953 Signed September 30, 2020. Antarctica A Keystone in A Changing World. https://doi.org/10.3133/ofr20201127
Parikka, J. (2015). A Geology of Media. https://doi.org/10.5749/minnesota/9780816695515.001.0001
Powering the Cloud: How China’s Internet Industry Can Shift to Renewable Energy. (2019). In Greenpeace. https://storage.googleapis.com/planet4-eastasia-stateless/2019/11/7bfe9069-7bfe9069-powering-the-cloud-_-english-briefing.pdf
Schlanger, Z. (2022, 20. Juli). If shipping were a country, it would be the world’s sixth-biggest greenhouse gas emitter. Quartz. https://qz.com/1253874/if-shipping-were-a-country-it-would-the-worlds-sixth-biggest-greenhouse-gas-emitter
Review of Maritime Transport. (2017). In United Nations Conference On Trade And Development. https://unctad.org/system/files/official-document/rmt2017_en.pdf
Vidal, J. (2018, 14. Februar). Health risks of shipping pollution have been „underestimated“. The Guardian. https://www.theguardian.com/environment/2009/apr/09/shipping-pollution#:~:text=Britain%20and%20other%20European%20governments,causing%20chemicals%20as%2050m%20cars