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meta_me

Bachelorarbeit, Sommersemester 24 Kommunikationsdesign Elina Arndt Betreuer:innen Prof. Dr. Marion Godau und Prof. Jörg Hundertpfund

Abstract English

We go on vacation to recharge our batteries, scan our counterparts before expressing trust and, after a failed relationship, long for a new start in a different city (cf. Rauterberg, 2021: p. 103). Our language reveals what we already know: The world is experiencing a tech-revolution in which human perception is irreversibly shaped by influences from a virtual world. Considering this, it will very soon be almost impossible to distinguish between physical and virtual reality.

When I witnessed the term „NPC“ being voted one of the top 3 youth words of the year in 2023, I was fascinated: The term refers to a non-playable character, and originates from the gaming scene. Interestingly enough, it was adopted by Generation Z to refer to people who are perceived as being dull or unoriginal (cf. Langenscheid, 2023).                           To me, this development illustrated the growing fusion between the virtual world and human perception - a phenomenon that I wanted to examine more closely.

With the computer, man has built a miraculous machine which has become an indispensable part of our lives. Eversince and even before that we have been experiencing a technological revolution that seems to be never ending. But does this make us a powerful creator, a dependent servant, or does it create a cyber-ecological symbiosis and thus a completely new perception of the world that needs to be explored in more detail? What is the relationship between man and machine or, more precisely, are we being transformed by the presence of virtual worlds in our everyday lives? The aim of this thesis is to find an explanatory approach to this question. The research question of the thesis is therefore:

How is the self transformed by the merging of human and virtual spaces?

In several personal conversations about the topic, I realized that its complexity did not seem to be up to the medium of „words“. I quickly recognized the exciting challenge of making the complex subject matter tangible with the help of a low-threshold graphic novel.

My aim for the practical part of this work is to develop a concept for this. This concept is intended to make the hypothetical conceptual thoughts about a virtual world and its effects on the self, which are explored in the theoretical first part of the work, tangible in a creative and entertaining way. With the help of figurative stories and images, I aim to build a connection between the human-machine interaction and its implications for a audience interested in tech, philosophy and sci-fi.

Abstract Deutsch

Wir fahren in den Urlaub, um unsere Akkus aufzuladen, scannen unser Gegenüber, bevor wir Vertrauen aussprechen und sehnen uns nach einer gescheiterten Beziehung nach einem Neustart in einer fremden Stadt (vgl. Rauterberg, 2021: p. 103). Unsere Sprache enttarnt, was wir längst wissen: Die Welt erlebt eine Tech-Revolution, in der die menschliche Wahrnehmung durch Einflüsse einer virtuellen Welt unumkehrbar geprägt wird. Vor diesem Hintergrund wird eine Trennung zwischen physischer und virtueller Realität sehr bald kaum noch möglich sein. 

Als ich im Jahr 2023 verfolgte, wie der Begriff „NPC“ unter die TOP 3 der Jugendwörter des Jahres gewählt wurde, war ich fasziniert: Der Begriff, der ursprünglich aus der Gamer-Welt stammt, bezieht sich auf einen nicht-steuerbaren Spielcharakter. Interessanterweise wurde er von der Generation Z entlehnt, um auf Menschen zu verweisen, die als unselbstständig oder unoriginell wahrgenommen werden (vgl. Langenscheid, 2023). Diese Entwicklung verdeutlichte für mich die zunehmende Verschmelzung zwischen virtueller Welt und menschlicher Wahrnehmung – ein Phänomen, das ich näher untersuchen wollte.

Der Mensch hat mit dem Computer eine Wundermaschine geschaffen, die nicht mehr wegzudenken ist. Seither erleben wir eine technologische Revolution, die kein Ende zu finden scheint. Doch macht uns das zum mächtigen Schöpfer, abhängigen Knecht oder entsteht eine cyber-ökologische Symbiose und damit eine völlig neue Weltwahrnehmung, die es näher zu ergründen gilt? Was ist die Beziehung zwischen Mensch und Maschine oder genauer nachgefragt: Verwandeln wir uns durch die Präsenz virtueller Welten im Alltag? Ziel dieser Arbeit ist es, auf diese Frage einen Erklärungsansatz zu finden. Die Forschungsfrage der Arbeit lautet daher:

Wie wandelt sich das Selbst durch die Verschmelzung von Mensch und virtuellen Räumen?

In mehreren persönlichen Gesprächen über das Thema stellte ich fest, dass seine Komplexität dem Medium „Wort“ nicht gewachsen zu sein schien. Schnell erkannte ich die spannende Herausforderung, den komplexen Sachgegenstand mithilfe einer niedrigschwelligen Graphic Novel greifbar zu machen.

Mein Ziel für den praktischen Teil dieser Arbeit ist es daher, hierfür ein Konzept zu entwickeln. Dieses soll die hypothetischen Gedankenkonstrukte über eine virtuelle Welt und deren Auswirkungen auf das Selbst, die im theoretischen ersten Teil der Arbeit ergründet werden, in einer kreativen und unterhaltsamen Art erfahrbar machen. Mithilfe von bildlichen Anekdoten möchte ich eine Brücke schlagen, um einer an Tech, Philosophie und Sci-Fi interessierte Leserschaft Überlegungen zur Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine näher zu bringen.

Auszug Theorie

5.3 Ästhetik der Glätte

Diese Vision lässt sich vor allem im Design von Apple ablesen: Die australische Design- Wissenschaftlerin Melinda Gaughwin betont, dass Apples Designpraktiken seine Nutzer in „Apple-Subjekte“ (Gaughwin, 2023, p. 51) verwandeln. Insbesondere das iPhone schaffe es, das Nutzerverhalten durch Design so zu lenken, dass Nutzer einen „Apple way of doing things“ (Gaughwin, 2023, p. 58) verinnerlichen, der sich sowohl auf die persönliche Identität als auch auf ihre Interaktionen mit der Außenwelt auswirke.

Apples Design-Prinzipien orientieren sich stark an Dieter Rams „zehn Prinzipien für gutes Design“ (vgl. de Jong, 2021). Rams zufolge soll Design unter anderem ästhetisch, verständlich, unaufdringlich und so minimalistisch wie möglich sein. Hieraus ergibt sich im Bereich der Smartphones eine Gestaltung, die auf eine Minimierung von Widerständen sowie die Schaffung von glatten Oberflächen und Touchscreens abzielt, die durch den geringen Widerstand eine nahezu reibungslose Interaktion bieten. Dazu kommt, dass der technische Fortschritt die Geräte immer kleiner, flacher und leichter werden lässt, sodass Nutzern der intuitive Griff zum Smartphone immer weniger bewusst wird (vgl. Klein / Liebsch, 2022, p. 148). Diese Glätte ist einerseits ein ästhetisches Merkmal, das auf Effizienz und Modernität hinweist. Gleichzeitig symbolisiert sie die Abwesenheit von Widerstand aus. Das Reibungslose ist unverfänglich, unbedrohlich und gleichförmig, ein Gefühl von wahrhafter Berührung bleibt aus (vgl. Hürter, 2016).

Im Falle der Virtual Reality ist der Touchscreen nicht mehr glatt, sondern wird vollständig aufgelöst: Die Welt wird zum Screen. Das Selbst, das den virtuellen Raum betritt, wird in eine Schein-Welt integriert. Die Entwickler virtueller Welten verfolgen das Ziel, den physischen Raum möglichst realitätsgetreu abzubilden.

(…)

8. Bis zur Selbstauflösung?

Wenn ich das Gedankenspiel der Tech-Deterministen zu Ende führe und davon ausgehe, dass das Selbst eine kopierbare Datenmenge ist, könnte die Menschheit via Mind-Uploading in eine virtuelle Welt migrieren. Erwarten könnte sie dort ein immersives Metaversum, in dem Avatare dazu befähigt wären, physische Leiblichkeit durch multisensorische Stimulation perfekt zu simulieren. Als masselose Körper wären sie nicht mehr an Limitierungen der Raumzeit gebunden.

Auf diese Weise wären die Grenzen der Realität die Grenzen der eigenen Kreativität. Das Versprechen ist Freiheit von körperlicher Begrenztheit und dem Tod. In diesem Szenario drängt sich jedoch die Frage auf, ob grenzenlose Freiheit wirklich Freiheit ist oder in lähmender Beliebigkeit mündet. Die virtuelle Welt im Gedankenspiel besticht durch ihr Überangebot von Möglichkeiten.Doch die Fülle an Informationen führt, so betont der US- Kommunikationswissenschaftler Herbert A. Simon, zu einer Verknappung der Aufmerksamkeit:

„What information consumes is rather obvious: It consumes the attention of its recipients. Hence a wealth of information creates a poverty of attention, and a need to allocate that attention efficiently among the overa undance of information sources that might consume it.” (Simon, 1971: p. 53)

Der deutsche Soziologe Hartmut Rosa weist in diesem Sinne darauf hin, dass die allzeitige Verfügbarkeit unserer Konsumgesellschaft schon jetzt zur psychischen Abstumpfung führt:

„Lebendigkeit, Berührung und wirkliche Erfahrung aber entstehen aus der Begegnung mit dem Unverfügbaren.Eine Welt,die vollständig gewusst, geplant und beherrscht wäre, wäre eine tote Welt.“ (Rosa, 2018: p.8)

In dieser Fülle der Möglichkeiten scheint es dadurch nur eine Mangelware zu geben: Bedeutsamkeit. Schließlich verliert alles seinen Reiz, wenn es ganz und gar von Einschränkungen befreit ist. Das Leben verkommt dann zu einer Inflation der Optionen und lässt die Menschen mit einer Leerstelle zurück. War es diese Leerstelle, die Narziss erkannte, als er sein Spiegelbild erblickte? Durch die mühelose Kopierbarkeit des Selbst verschwimmen die Grenzen zwischen Original und Kopie. Wenn das Selbst beliebig repliziert werden kann, verliert auch Individualität, durch das sich das Selbst definiert, an Bedeutung. Es stellt sich die Frage: Wer bin ich, wenn ich jeder Avatar und jeder Avatar ich sein kann?Abgesehen von Identitätsklau und -missbrauch könnte dies zur Fragmentierung der Identität und letztlich zum Identitätsverlust führen. Bedeutet die Verschmelzung vom Selbst und virtuellen Welten letztlich eine Selbstauflösung?

(…)

9. Experteninterview mit Prof. Dr. Mathias Fuchs

Experteninterview_Mathias_Fuchs_2024.pdf PDF Experteninterview_Mathias_Fuchs_2024.pdf

Auszug Praxis

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Auszug Graphic Novel

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Werkschau

Meine Werkschau ist in in der PDF enthalten, die im Anhang unter „zusätzliches Material“ zu finden ist.

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Persönliche Reflexion

Die Konzeption von meta_me im Rahmen dieser Bachelorarbeit hat einen tiefgreifenden Lernprozess in Gang gesetzt, für den ich abschließend sehr dankbar bin. Während ich die Erarbeitung des Praxisteils als kreativ und leicht empfunden habe, entpuppte sich der Theorieteil stellenweise als immense Herausforderung, die mich an meine Grenzen brachte. Von Beginn an war mir bewusst, dass das Themenfeld meiner Bachelorarbeit ein tiefes Eintauchen ermöglichen sollte. Ich wollte mich mit Fragen beschäftigen, die für das menschliche Kollektiv von aktueller Bedeutung waren.

Nachdem ich das Themenfeld „Virtualität und Technologisierung“ in den Blick genommen hatte, war eine erste Anlaufstelle für die Literaturrecherche das Buch „Die Verteidigung des Menschen“ von Thomas Fuchs. Dieses hatte ich bereits vor einiger Zeit gelesen, sodass meine Begeisterung für das Thema anfangs beflügelt wurde. Doch die Mehrdimensionalität des Themenfeldes führte im Laufe des Rechercheprozesses zu einem Gefühl der Überforderung, da das „Kein-Ende-in-Sicht“ das Gefühl von Ohnmacht auslöste.

Da ich mich zum ersten Mal mit wissenschaftlichem Arbeiten beschäftigte, entstanden zahllose Ungewissheiten: Was ist eine wissenschaftliche Quelle? Wie gestalte ich eine Forschungsfrage? Wie strukturiere ich meine Arbeit?

Ich musste das Thema klarer eingrenzen, doch mir fehlte eine konkrete Strategie. Ein Schlüsselmoment war die Planung des Interviews mit Mathias Fuchs. Im Wissen, dass ich konkrete Fragen benötigte, entschied ich mich für vier Schwerpunkte: Metaverse, Avatare, die philosophische Frage nach dem Selbst und grenzenlose Verfügbarkeit.Um diese vier Aspekte zu vereinen, formulierte ich die Forschungsfrage: „Inwiefern wandelt sich das Selbst durch die Verschmelzung von Mensch und virtuellen Räumen?“. Anhand dieser Forschungsfrage konnte ich nun konkrete Fragen für das Interview ableiten. Besonders prägend war die Frage: „Was passiert, wenn ich unendlich viele Avatare erstelle?“. Vor dem Interview mit Mathias Fuchs stellte ich ein Themencluster zusammen, das sich an meinen vier inhaltlichen Schwerpunkten orientierte und formulierte passende Interviewfragen. Die Ergebnisse des Interviews nutzte ich im Anschluss als Grundbaustein für die sieben Kapitel. Mathias Fuchs hatte viele Aspekte angesprochen, die meine Recherche geprägt hatten, sodass sich ein stimmiges Gesamtbild ergab. Noch im Nachhinein erlebe ich es als außerordentlich wertvoll, jemanden gefunden zu haben, dessen eher nischiger Forschungsschwerpunkt genau die Inhalte meiner Fragestellung abdeckt.

Während der Erarbeitung des aufwendigen Theorieteils beschäftigte ich mich im Hinterkopf bereits mit den gestalterischen Elementen des Praxisteils. Der Praxisteil entstand also parallel zum Theorieteil, weshalb die Ausarbeitung dieses verhältnismäßig leicht vonstatten ging. Insgesamt bin ich mit der gestalterischen Ausarbeitung sehr zufrieden. Ich freue mich, dass ich eine klare visuelle Sprache gefunden habe, die den komplexen Inhalt angemessen trägt. Den meisten Spaß hatte ich – unerwarteterweise – beim Layouten der Panels: Hierbei stellte ich mir unentwegt die Frage, wie die einzelnen Elemente so angeordnet werden können, dass die Botschaft bestmöglich beim Empfänger ankommt. Die Crux lag darin, in wenig Worten und klaren Bildern abstrakte Konzepte zu vermitteln.

Mit der Konzeption einer Graphic Novel habe ich mir einen lang ersehnten Traum erfüllt. Auf diesem Weg habe ich festgestellt, dass die Umsetzung meines Vorhabens einen auf vielen Ebenen bereichernden Prozess bot. (gekürzte Form der Reflexion, vollständige Version in der PDF)

Rückbezug auf die Forschungsfrage

Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, inwiefern sich das Selbst durch die Verschmelzung von Mensch und virtuellen Räumen wandelt. Mit dem dargebotenen Konzept zu meta_me ist es mir jedoch gelungen, einen visuellen Raum aufzumachen, der die ständige Verfügbarkeit in virtuellen Welten kritisiert und aufzeigt, dass das Selbst im Grunde nur in der physischen Realität existieren kann.