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MATERIALIZE

Ein Semester lang haben wir uns den Grundlagen des dreidimensionalen Gestaltens gewidmet, indem wir Strukturen, Oberflächen, Verbindungen, Materialität sowie Körper und Raum untersucht haben. Unsere Zeit setzte sich zusammen aus gemeinsamen Workshops, Übungen, Zwischenprojekten, Ausstellungsbesuchen, Referaten und schließlich dem Endprojekt. Dabei Entstandenes halte ich hier fest.

0 | Kennenlernen

Am ersten Kurstag stellten wir uns im Rahmen eines Mini-Workshops gegenseitig vor.

Die Aufgabe bestand darin, mithilfe von Kaffeepulver oder Draht etwas darzustellen, das uns in irgendeiner Weise mit uns selbst verbindet. Ich entschied mich für das Kaffeepulver, da ich mich bereits damit identifiziere. Nach einigem Überlegen begann ich, aus dem Pulver mein Motiv auf das große weiße Blatt vor mir zu streuen. Der Duft des Kaffees während der Arbeit gefiel mir.

Vögel liebe ich sehr. Sie faszinieren mich und vermitteln mir ein Gefühl von Unbeschwertheit. Gleichzeitig soll der Vogel als Symbol für die Natur stehen und verdeutlichen, wie sehr ich diese benötige, um inmitten der alltäglichen Pflichten, Sorgen und Zweifel wieder zu mir selbst zu finden.

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1 | Connect - Verbindungen überall

Verbindungen sind essenziell für physische Arbeit, bei der Materialien vereint werden und schließlich etwas Neues entsteht. Da ein beträchtlicher Teil der Objekte unseres Alltags das Ergebnis dieser Art des Schaffens ist, findet man sie überall. Deshalb ist es so wichtig, verschiedene Arten davon zu beobachten, zu analysieren und zu verstehen, bevor man selbst kreativ wird.

Wir begannen damit, uns zunächst mit Verbindungen als Begriffe vertraut zu machen. Dafür beschrifteten wir eine Vielzahl von Zetteln mit allerlei Verben, die die Bildung einer Verbindung beschrieben.

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Dann galt es 10 Verbindungen in unserer Umwelt zu entdecken und fotografisch festzuhalten. Ich fand allerhand.

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Interessant war es, anschließend unsere Fundstücke zu klassifizieren und zu bestimmen, welche Verbindungen dafür gemacht sind, gelöst zu werden oder geschlossen zu bleiben. So genau macht man sich nämlich nur selten Gedanken über den Klettverschluss am Schuh.

Besonders toll fand ich, mir bewusst gemacht zu haben, dass jede Verbindung eine bedeutende designtechnische Entscheidung darstellt, da sie einen erheblichen Unterschied in der Handhabung, dem Erscheinungsbild und dem Gefühl bei der Benutzung machen kann.

2 | Re-Connect - "The Uncap"

Nun war es an der Zeit, unsere neugewonnenen Beobachtungen und Erkenntnisse in unserem ersten kleinen Projekt auf die Probe zu stellen. 

Die Aufgabe bestand darin, einen Alltagsgegenstand mit mindestens zwei Teilen als Ausgangsobjekt zu wählen. Die bestehende Verbindung dieser Teile sollte aufgelöst und durch eine neue ersetzt werden. Dadurch könnte eine neue Funktion entstehen. Das Objekt könnte infolgedessen auch komplett unbrauchbar werden. Es muss weder aus logischen noch praktikablen Gründen gehandelt werden; wichtig ist nur die Auseinandersetzung mit der Verbindung und deren Neuinterpretation.

Meine Wahl fiel auf ein herkömmliches Cap, bestehend aus dem Kopfteil und dem Schirm.

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Ich fand es lustig, mir die Wahl zu geben, den grundlegenden Nutzen eines solchen Caps, nämlich vor der Sonne zu schützen, umzuverlagern und dort einzusetzen, wo er nichtig wird - am Hinterkopf.

Natürlich könnte man das Cap einfach abnehmen oder umdrehen, wenn man mehr Sonne tanken möchte, aber das kann ja jeder.

Also trennte ich zuerst den Schirm vom Hauptteil. Das war gar nicht so einfach, da ich dabei das Material des Caps nicht beschädigen wollte. Man könnte denken, dass die Schrägheit dieses Caps bereits bei der Produktion beabsichtigt war.

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Ich stellte mir vor, dass man ganz nach Laune jederzeit die Position des Schirms ändern könnte. Also entschied ich mich dafür, als Neuverbindung eine Art zu wählen, die nicht permanent geschlossen ist, sondern dafür gemacht ist, flexibel geöffnet und geschlossen werden zu können.

Ich nahm relativ starke, aber auch kleine Magnete zur Hand, sodass sie am Brückenteil des Schirms kaschiert werden können und somit die Neuverbindung wie die alte Verbindung praktisch unsichtbar ist.

Dann befestigte ich jeweils 3 Magnete im gleichen Abstand am Schirm, auf der vorderen Innenseite und auf der hinteren Innenseite des Kopfteils. Zum Glück waren sie gerade so stark, dass sie durch die Stoffschicht das Schirmteil tragen konnten. Puh.

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3 | Statik-Workshop - "Spagettibrücke"

Kleine Verschnaufpause.

Auch dieser kompakte Workshop stand unter dem Thema „Verbindungen“. Es galt eine Aufgabe in Teamarbeit zu lösen. 

Jede Gruppe erhielt 3 Materialien. Ungekochte Spaghetti, Marshmallows und Klebeband. Ausschließlich mit Diesen sollte eine Brücke gebaut werden, welche ein „Pickup-Riegel“ tragen konnte.

Wir arbeiteten hauptsächlich mit Spaghetti und Klebeband, aus welchen wir eine zweischichtige Basis bauten. Dies Basis war aus versetzt positionierten, gekürzten Spaghetti, die zwischen vertikaler und horizontaler Ausrichtung variierten. Die versetzte Anordnung zwischen beider Schichten diente zur Begünstigung der Stabilität.

Als Kirsche auf der Sahnehaube verwendeten wir die Marshmallows als Dekoration. Da noch etwas Zeit übrig war, bauten wir zwei kleine Besucher für unsere Brücke und malten uns Szenarien aus, welche erklärten, was die beiden wohl dorthin begeben hat.

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4 | Measure Me: Body Extension - "Der GestrüppGaukler"

⓵ Maßkette

Nun war es an der Zeit, uns selbst unter die Lupe zu nehmen.

Der Auftakt des nächsten Zwischenprojekts bestand in der Analyse unserer Körpermaße. Höhen, Längen und Zwischenräume habe ich schließlich in eine Liste übertragen - die Maßkette.

( Schade, dass Ohr- und Bauchnabelhöhe von Apple noch rot unterstrichen werden :I Find die Wörter super.)

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Nun suchten wir nach Zusammenhängen zwischen diesen Maßen.

Ich muss zugeben, dass ich mir mit nicht allzu großen Erwartungen dieser Aufgabe annahm, aber es kam anders als erwartet. Tatsächlich fand ich einige Zusammenhänge, manche so absurd, dass ich dachte: 

Zufall? Ich glaube nicht.

Meine vier Liebsten hielt ich dann als Illustration fest.

➊ 6 Augenbrauen = 1 Halsumfang

➋ 3 kleine Finger = Zeigefinger-Daumen-Spannweite

➌ Daumen-kleiner Finger-Spannweite = Handgelenk-Umfang

➍ offener Mund Spannweite = Mundlänge

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Da sich die nächste Etappe dieses Projekts dem Bauen widmen würde, war es von großem Nutzen, den ersten Teil dieses Projekts mit einem eigenen Grundmaß zu beginnen.

Damit ist gemeint: Ein Maß, das jederzeit durch unseren Körper abgerufen werden kann und unkompliziert zum Messen verwendet werden kann.

Meines ist von nun an:

Mittelfinger = 10 cm

⓶ Body Extension 

Jetzt aber ran an die Wurst.

Bestandteil des zweiten Teils unseres Zwischenprojekts war die Konzeption und bauliche Umsetzung einer Body Extension durch Mikrowellen-Pappe.

Diese Body Extension sollte speziell auf uns ausgerichtet werden und im Bezug auf unsere physischen Nachteile oder mentalen Unsicherheiten einen Vorteil im alltäglichen Leben schenken. Sie sollte uns also eine Stütze sein.

Während der Ideen- und Konzeptfindung wurde mir bewusst, dass ich mich gerne auf eine meiner mentalen Schwächen konzentrieren möchte. Wie es vielen Menschen wahrscheinlich ähnlich ergeht, genieße ich den Kontakt zu anderen Menschen und möchte mich währenddessen auch immer so gut es geht von meiner besten Seite zeigen. Doch das kostet oft eine Menge Energie. Und wenig Energie bedeutet für mich Unsicherheiten, Zweifel und emotionale Instabilität. In diesem Fall ist es natürlich am besten, meine soziale Batterie wieder aufzuladen. Allerdings haben alltägliche Pflichten oft nicht das beste Timing, sodass dafür nicht immer genügend Zeit bleibt. Um dieses Problem in Ausnahmefällen umgehen zu können, wollte ich eine Body Extension erfinden, die die eigene Reizüberflutung kappt und gleichzeitig vor der Sorge schützt, in einem schwachen Moment von anderen beurteilt zu werden.

Mein erster Entwurf sollte also eine Art Lampenschirm für den Kopf werden, den man in genau solchen Momenten herunterlassen und im Geschehen weiterhin als neutrale Partei teilnehmen kann. Falls man sich dann sozial bereit fühlt, kann man den Schirm nach oben lassen und mit einem schicken Sombrero wieder aktiv dabei sein.

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Während der Zwischenbesprechung fiel mir auf, dass sich bereits einige Gedanken zu diesem Mechanismus gemacht hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch nur diese eine Idee, weshalb ich mich nun auf eine Ausweichidee konzentrierte.

Ich ging in mich. Was wünschte ich mir am meisten in einer solch erschöpften Situation? Ich erkannte, dass ich mir unter diesen Umständen vor allem wünsche, als komplett neutral wahrgenommen zu werden. Der Gedanke, keine Erwartungen erfüllen zu müssen und nicht beurteilt zu werden, gibt mir Frieden. Also dachte ich nach. Was ist meiner Meinung nach sehr neutral? Und dann hatte ich es!

Ein Busch natürlich!

Besonders gefiel mir am Busch, dass er als Symbol für die Natur steht, die auf mich und bestimmt viele andere Menschen bereits durch ihre Formensprache eine beruhigende Wirkung haben kann und somit den Effekt der Body Extension verstärkt.

Ich entwickelte also ein neues Konzept einer Body Extension, mit der man sich in einen solchen Busch verwandeln konnte. Natürlich sollte man dabei auch jederzeit die Wahl haben können, sich zurückzuverwandeln und das Leben als man selbst zu genießen, genauso wie bei meiner ersten Idee.

Inspiration fand ich in der Kunst des Bodypaintings, bei der sich bemalte Personen in der Haltung einer bestimmten Pose in etwas komplett Neues verwandeln können. Auf diesem Impuls aufbauend, entwickelte ich einen Entwurf, bei dem jeweils ein Teil des Busches an Kopf, Armen und Beinen angebracht wird und beim Hinhocken eine Gesamtheit bildet. Mein Ziel dabei ist, dass ich als Person komplett verschwinden kann.

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Um mich für den nächsten Arbeitsschritt, die Umsetzung, zu wappnen, legte ich die Form der Teile fest und wo diese am Körper befestigt werden.

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Zunächst zeichnete ich Schablonen in Originalgröße, mit welchen ich dann die finalen Teile aus der Mikrowellenpappe umranden und ausschneiden konnte. Der wohl zeitintensivste Teil des Projekts.

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Ich schnitt bei jedem Teil zwei kleine Öffnungen in die Pappe, um ein Klettband ein- und auszufädeln. Diese sollten als Halterung, oder besser gesagt, Verbindung zum Körper dienen. Um diese zu kaschieren und gleichzeitig der Body Extension etwas Tiefe zu verleihen, klebte ich eine zweite Schicht Pappe auf die Teile. Diese versah ich dann noch mit blätterförmigen Löchern, um das Gefühl einer organischen Form zu erhöhen.

Zu guter Letzt klebte ich noch einige Blatt-Ornamente auf die fertigen Teile, um dem Ganzen nicht nur Tiefe, sondern auch Höhe zu verleihen.

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5 | Exkursionsmemos

Zweite Verschnaufpause.

Im Laufe des Semesters haben wir an zwei Kurstagen unterschiedlichste Ausstellungen besucht, die uns jede Menge Input und Inspiration beschert haben. Nach jedem der beiden Tage, gab es die Aufgabe, das persönlich bemerkenswerteste, bedeutungsvollste, ausdrucksstärkste oder einprägsamste Ausstellungsstück herauszusuchen und in einer beliebigen Weise festzuhalten und für sich neu zu interpretieren.

✩ Erster Ausstellungstag ✩

Am Montag dem 13. November 2023 besuchten wir zusammen die Ausstellungen im Haus der Kulturen der Welt, dem PalaisPopulaire und in den Kunstwerken.

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Für meine erste Neuinterpretation entschied ich mich für die Kunstreihe

„Haitı́, 2018“ 

aus der Ausstellung „The Struggle of Memory“ 

von Sergio Zevallos.

Sergio Zevallos, 1962 in Lima geboren, ist ein peruanisch-deutscher Künstler, dessen Werk seit den frühen 80er Jahren Performance, Installation, Zeichnung und Fotografie umfasst. In seiner Reihe „Haitı́“ beschäftigt er sich einerseits mit der politischen Einschränkung von Freiheit, andererseits auch mit Rassismus, Diskriminierung und Sexualität. Dabei steht der Bezug zu Lateinamerika, insbesondere Haiti, im Vordergrund.

Zu dieser Reihe schreibt er beispielsweise auf einem seiner Werke:

„Die Haitianer sollen von nun an ausschließlich unter der allgemeinen Bezeichnung 'Schwarze' bekannt sein.

- Verfassung von Haiti 1805, Ohne Zugeständnisse!“

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Da ich halb Kubanerin bin und durch die Erzählungen meines Vaters einiges darüber erfahren durfte, was aufgrund von Diktatur, Kommunismus und Sozialismus in Kuba zu Bruch geht, und wie wenig man darüber außerhalb Südamerikas erfährt, hatte ich sofort einen emotionalen Bezug zu den Arbeiten Sergios.

Mit meiner Neuinterpretation wollte ich auch auf die Missstände in Kuba aufmerksam machen.

„Propaganda soll von nun an ausschließlich unter der allgemeinen Bezeichnung 'absolute Wahrheit' bekannt sein.

- Kubanische Revolution 1959, Ohne Zugeständnisse! “

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✩ Zweiter Ausstellungstag ✩

Am Montag den 4. Dezember 2023 genossen wir die Zeit in den Ausstellungen von der Sammlung Stoschek, den Berlinischen Galerien und dem C/O Berlin

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Meine Wahl für die zweite Neuinterpretation fiel diesmal auf eine der ersten Arbeiten der Ausstellung „Unbound“. Es handelt sich um das Kunstwerk 

„Qui doit être vu“ - „Wer gesehen werden soll“, 2021, 

von Mame-Diarra Niang.

Die Arbeit besteht aus einem Video und einem Foto, auf welchem mein Fokus liegt.

Mame-Diarra Niang wurde 1982 in Lyon, Frankreich, geboren und lebt in Paris. Sie ist eine autodidaktische Künstlerin und Fotografin.

Die Künstlerin nennt das verschwommene Foto ein „Nicht-Porträt“. Niang nutzt die Fotografie, um Vorstellungen von Identität, Rasse und Erinnerung zu komplexifizieren. Dabei zeigt sie, dass diese drei Kategorien zwar miteinander verflochten sind, aber sich gleichzeitig fortwährend verändern.

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Als ich den Ausstellungsraum betrat, faszinierte mich dieses Foto bereits auf ästhetische Weise enorm. Obwohl so wenig zu erkennen ist, gibt es darauf trotzdem so viel zu sehen.

Im Zusammenhang mit dem dazugehörigen Video, welches daneben abgespielt wurde, faszinierte es mich umso mehr. Das Video handelt von einer wild tanzenden Person in einem weißen Raum. Die Künstlerin versuchte, ihr Gesicht Frame für Frame mit einer Software unkenntlich zu machen, was ihr auch gelang. Nur eine Sache war von der Person noch in jedem Frame des Videos präsent - ihre lebendigen, dunklen Korkenzieherlocken.

Die Arbeit vermittelte mir das Paradox des vergeblichen Wunsches eines jeden nach Individualität und wie sehr diese kostbare Individualität im Internet durch den konkurrierenden Wunsch nach Zugehörigkeit mehr und mehr zu schwinden scheint.

Das Thema beschäftigt und berührt mich sehr, da ich in einer Generation aufgewachsen bin, die meiner Meinung nach sehr unter diesem Problem leidet.

Ich habe also versucht, diese Arbeit auf meine Weise nachzustellen, um sie somit auch besser nachempfinden zu können. Das war wirklich nicht leicht. Dadurch kam ich von meinem Ziel ab, meine Neuinterpretation so aussehen zu lassen wie das Original, und schuf damit etwas Neues.

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6 | Material und Potential - "Verballert"

Nun ist es auch schon an der Zeit, dass ich mein Endprojekt vorstelle. Wie die Zeit vergeht…

Diesem letzten Projekt lag ebenfalls eine Aufgabenstellung zu Grunde, welche jedoch besonders üppigen Freiraum für die Idee und Umsetzung ließ.

Jeder von uns sollte sich ein Ausgangsobjekt aussuchen, für welches wir uns in einer persönlichen Weise begeistern können, um sich damit im weiteren Prozess intensiv auseinander zu setzen.

Dieses Objekt sollte nämlich genau in Augenschein genommen werden. Sprich: Skizzen, Notizen, Experimente und Recherchen formten den Weg bis hin zum Start des Entwurfs eines Konzepts.

Das Objekt soll schließlich von uns auf Basis der gesammelten Erkenntnisse dafür genutzt werden, etwas neues zu Ergeben. Freiheit hatten wir also wirklich reichlich. Im Entwicklungsprozess soll hierbei Fokus auf Objekt, Material, Produktion und Potential gerichtet werden.

Für mich war es schwierig *das* passende Objekt zu finden, da es das ja eigentlich garnicht gibt. Bevor ich also mehr Zeit mit Grübeleien verlor, schaute ich mich in meiner Wohnung um und fragte mich, bei welchem Ding es bei mir klick machte. Somit fand ich dann zu der „Penne“.

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Mir gefiel die spitze Formsprache, der angenehme Charakter der Farbe sowie vor allem die Leichtigkeit und gleichzeitige Stabilität. Irgendwie dachte ich sofort, dass sich damit sehr gut etwas bauen ließe. Allerdings hatte ich noch keine konkrete Idee für ein Konzept, weshalb ich mich in die Analyse stürzte, um Wissen für die Umsetzung zu gewinnen.

⊚ Kennenlernen der Penne

Ich begann damit, die oberflächliche Beschaffenheit zu erkunden und Erkanntes festzuhalten.

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Dann fuhr ich damit fort verschiedenste Beobachtungen und Wissenswertes aus Recherchen aufzuzeichnen.

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Um das Potential und die Grenzen der Penne für mich greifbar zu machen, führte ich drei Experimente durch.

➀ Zuerst kochte ich sie für unterschiedliche Zeiträume und unterzog sie anschließend einer Krafteinwirkung, um herauszufinden, wie sich die Konsistenz und Widerstandskraft in Bezug auf die Kochzeit verhalten. Besonders elastisch ist die Penne bei 5 - 10 Minuten Kochzeit, da sie dann gerade weich genug ist, um bei einer Einwirkung nicht zu zerbrechen, aber auch nicht so weich, dass sie leicht zerquetscht werden kann.

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➁ Dann prüfte ich, in welcher Weise sich die Penne in höherer Anzahl zusammensetzen lässt und welche Art von Formation sowie Wirkung dadurch entstehen kann. Ich habe gelernt, dass sich mit der Penne dynamische Strukturen bilden, die sich durch intensive Höhen und Tiefen prägen lassen. Ebenso tritt der spitze, aggressive Charakter der Penne als Menge noch mehr hervor. Auch organische Formungen, die einer Welle ähneln, sind durch Variation in der Höhenanordnung möglich.

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➂ Schließlich habe ich untersucht, wie Licht und Penne zusammenwirken. Durch die tolle Farbigkeit und Lichtdurchlässigkeit des Materials entstehen wirklich schöne Lichtsituationen. Direktes, gebündeltes Licht erzeugt man, wenn man es durch das Loch in der Mitte scheinen lässt. Auch kann die Penne als kleine Softbox fungieren und warmes, gelbes, indirektes Licht schaffen. Dies kann man zusätzlich mit einer weiteren Schicht abdunkeln, sodass es eher orange erscheint. Interessante Schattenspiele kommen durch die spitzen Enden ebenfalls zustande. Penne und Licht ergeben für mich ein Dream Team.

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⊚ Konzepterarbeitung

Nun wusste ich, dass ich einerseits gerne mit der Penne als Baumaterial arbeiten wollte und andererseits das Potential ihrer Lichtwirkung einbeziehen möchte. Schlussfolgernd kam mir dann die Idee, eine Penne-Lampe zu bauen. Ich begann also, an dem Design dieser Lampe zu arbeiten und zeichnete drei Entwürfe.

Der erste Entwurf stellte einen flachen Lampenschirm dar. Für diesen plante ich, die Löcher der Penne zum Licht zu richten, um runde Lichtspiele an umliegenden Wänden und Objekten zu erzeugen.

Beim zweiten Entwurf dachte ich etwas flächiger und wollte die Wirkung des gelben, warmen Lichts auskosten, welches entsteht, wenn Licht durch den Körper der Penne scheint. Aus diesen vielen kleinen Pennen wollte ich dann, um die Fläche zu erzeugen, eine große Penne bauen, die dann ebenfalls als Lampenschirm funktioniert. Nach oben streut sie dementsprechend viel direktes Licht.

Der dritte Entwurf vereinte die Lichtwirkungen der beiden ersten Entwürfe irgendwie. Die Penne sollte eine Art Behältnis formen, in dem die Lichtquelle Platz findet. Dabei sollte die Penne nicht symmetrisch, sondern eher unregelmäßig und organisch angeordnet werden, um direktes und indirektes Licht abzuwechseln.

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Ich fand diese Ansätze ganz hübsch, um sie ins Wohnzimmer zu stellen, aber ich dachte mir, dass „hübsch“ als Begründung für die gestalterischen Entscheidungen unzureichend ist. Ich war also noch auf der Suche - nach einem tiefgründigeren Design.

Es galt, gesammelte Erkenntnisse und Beobachtungen, sowie visuelle Ansätze mit einem tieferen Grund zu einem sinnvollen Konzept zu vereinen. Als ich mich erneut auf eine Recherche begab, fand ich den Startpunkt für meinen finalen Entwurf. Ich fand heraus, dass Pasta ihren Ursprung in der Gesellschaft in erster Linie auf den Tellern der armen Bevölkerungsschichten fand. Pasta und somit auch die Penne könnte daher als Symbol für Nahrung als essenzielle Lebensgrundlage stehen. Da mich meine vorherigen Modell-Versuche durch die scharfe, kantige Form an eine Waffe erinnerten, sprangen meine Gedanken auch zum Thema Krieg und somit zum Thema Krieg im Bezug auf Nahrung, oder noch treffender, Hunger.

Nach dem Bau einiger Prototypen stellte ich fest, dass durch das Erstellen einer spitzenartigen Form sich eine ausdrucksstarke neue Form schaffen lässt, welche einer Explosion ähnelt. Durch diese möchte ich kommunizieren, dass unglaublich viele Menschen durch Krieg den Zugang zu Existenzgrundlagen verlieren, verloren haben und verlieren werden. Darüber hinaus möchte ich vermitteln, wie viele Unmengen an finanziellen Mitteln in Waffen und Militär fließen und im wahrsten Sinne des Wortes „verballert“ werden, anstatt die Flut an existenziellen Krisen der Menschen in den Griff zu bekommen. Der Hunger auf der Welt ist noch nicht ansatzweise bekämpft.

Der Effekt einer Explosion sowie die Wirkung von Aggressivität können durch eine Lichtquelle, die auf das Modell gerichtet wird, unterstützt werden. Gegebenenfalls kann dafür auch Bildbearbeitung zum Einsatz kommen.

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⊚ Umsetzung

Ich startete mit dem Bau der Spitzen für die Explosionsform. Hierfür arbeitete ich mit Sekundenkleber. Er ist äußerst stark, einfach zu verwenden und nach dem Trocknen fast unsichtbar. Um die Enden der Spitzen bereits in eine Form zu bringen, welche später als Bauteil für eine kugelartige Form verwendet werden kann, baute ich mir eine Kugel aus Alufolie, welche den Hohlraum-Durchmesser der späteren Explosionsform definiert. Auf diese legte ich die Spitzen auf, um gebogene Enden mit der Penne zu formen.

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Dann fing ich mit dem Bau des ersten Halbkreises des finalen Modells an. Nur ein Halbkreis, da ich die Alukugel am Ende ja auch noch entfernen will, um einen Hohlraum in der Form zu schaffen. Dafür steckte ich die halbe Menge der Spitzen mit langen Holzstäben durch die Löcher der Penne auf der Alukugel fest. Nun begann ich, diese Spitzen mit vielen weiteren Pennen zu verbinden. Diesmal jedoch mit Heißkleber, da nun eine höhere Flexibilität von der Ausrichtung der Pasta gefragt war. Sekundenkleber war dafür einfach nicht elastisch genug, weshalb ich nun ein wenig saubere Optik einbüßen musste. Nach dem ersten Halbkreis fuhr ich mit dem zweiten fort und verklebte letzten Endes diese beiden zu einer großen Einheit, indem ich die noch bestehenden Lücken ebenfalls mit Penne schloss.

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Ich war zufrieden mit der finalen Formsprache und dem Ausdruck der Explosions-Form. 

Aber sind wir mal ehrlich: Penne möchte ich in der nächsten Zeit weder essen noch sehen.

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7 | Reflexion

Wow, was für eine Reise

Dieser Kurs hat meine kreativen Grenzen auf vielfältige Weise herausgefordert. Es war eine Reise, die mich dazu zwang, meine gewohnte Komfortzone zu verlassen und mich meinen Zweifeln mutig zu stellen. Diese Herausforderungen haben nicht nur meine kreativen Fähigkeiten verbessert, sondern auch meine Denkweise erweitert. Ich habe gelernt, über konventionelle Ideen hinauszudenken, aus scheinbar banalen Dingen wirklich Interessantes herauszuarbeiten und meinen Blick für die Wahrnehmung meiner Umwelt zu schärfen.

Besonders beeindruckend war die Einführung in eine abstrakte und experimentelle Arbeitsweise, die ich in den letzten Semestern nicht gewagt hatte. Diese neuen Ansätze haben mir geholfen, meine kreative Palette zu erweitern und mich als Person weiterzuentwickeln.

Ein weiteres Highlight war die Gelegenheit, mich erstmals im dreidimensionalen Raum kreativ auszudrücken. Die Ergebnisse haben mich selbst überrascht und mir gezeigt, welche Potenziale in mir stecken.

Durch diese anspruchsvollen Erfahrungen habe ich nicht nur meine kreativen Fähigkeiten verbessert, sondern auch eine tiefere Selbsterkenntnis gewonnen. Ich fühle mich nun selbstbewusster und bereit für die kommenden Projekte, die auf mich warten.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Gestaltungsgrundlagen

Art des Projekts

Studienarbeit im ersten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Alexandra Martini

Zugehöriger Workspace

MATERIALIZE

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2023 / 2024

1 Kommentare

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Wow, richtig tolle Dokumentation! Bin total begeistert von deinen experimentellen Arbeiten und auch wie du sie reflektierst. Bitte mehr davon :)