Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

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TOPYA: collective dreaming

WIR

Erster Tag, erstes Zine und wo hätten wir da besser anfangen können als bei uns selbst? Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mich für genau diesen Projektwochenkurs entschieden, da Mia in der Kursvorstellung einen so sympathischen Eindruck machte und das Vorhandensein einer Kaffeemaschine angekündigt wurde. Eben mal kein Druck, denn davon habe ich im Leben und hauptsächlich im Studium schon genug. Darum sollte es dann auch gleich gehen, in welchen Arbeitsatmosphären wir am Besten lernen können und wieso das Lernen so häufig auch als Qual erlebt wird. Lernen und Leisten, darum geht es seit unserer Kindheit. Schon oft habe ich mich in sterilen Klassenzimmern in Träumereien verloren oder lieber aus dem Fenster anstatt auf die Tafel geguckt. In den Kopfnoten also viele 3en. Was mir die Schule als Unaufmerksamkeit anmahnte, war für mich immer das Schwelgen in Fantasie und wilden Geschichten gewesen. Diese gingen mir niemals aus, so wie es sich schon eher mit der Motivation um das Lösen der Hausaufgaben verhielt. Doch was wenn sich meine Kreativität von Anfang an hätte frei entfalten dürfen? Würde ich dann immer noch diesen Leistungsdruck verspüren, welcher an der Fachhochschule vielleicht gar nicht mehr so existent, noch stets in meinem inneren Kind seinen Bestand hat? Wie würde es sich mit der Leistung verhalten, wenn sich nicht alles immer nur um sie drehen würde? Fragen, mit denen wir an diesem Tag ein wenig ins Machen gegangen sind. Wir haben uns einfach mal auf das gestürzt, was uns bewegt, zum Lachen bringt oder uns als Person ausmacht. Haben dann mit den Lebenslieben aller herumgespielt und uns ins Indesign ausgetobt. Genauso ist dieses erste Zine entstanden, ein bisschen random und ein bisschen sehr schön.

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SPRACHE UND SCHRIFT

Als Kommunikationsdesignerin geht es mir vor allem darum, mich selbst oder etwas das mich begeistert für andere verständlich zu machen. Dabei wird sich an verschiedensten Gestaltungsmittel bedient, denn es gibt bekanntlich mehrere Formen des Ausdrucks. Dominierend bleibt jedoch die Sprache, welcher ich in Schriftgestaltung, Literatur zum Thema, Lehre, aber auch im Austausch mit anderen begegne. Sie ist identitätsstiftend und in ihren Begrifflichkeiten finden wir uns alle ein. Mann, Frau, schwarz, weiß, dick oder dünn. Ob Sprache jedoch einen Platz für alle bietet und in welcher Vielfalt wir dieser eigentlich auf der Welt begegnen können, damit haben wir uns in der zweiten Ausgabe beschäftigt. Während dieser Auseinandersetzung ist mir erstmals bewusst geworden, was für ein Privileg es überhaupt ist einer oder gar mehrerer Sprachen fähig zu sein. Zu sprechen und dabei aus einem umfangreichen Repertoire an Worten schöpfen zu können, ist für mich so selbstverständlich, dass ich die Macht und Möglichkeiten dahinter noch nie wirklich hinterfragt habe. Gleichzeitig wurde mir auch klar, wie Menschen, deren vordergründiger Ausdruck sich nicht auf das Sprechen, Lesen oder Schreiben beläuft in unserer Gesellschaft degradiert werden. Sprache sollte also inklusiver sein, eben etwas für alle! Vielleicht sollten wir aber auch unser klassisches Verständnis von Sprache weiter hinterfragen, um neue Räume der Kommunikation und auch des gehört Werdens zu schaffen. Für den Anfang haben wir uns noch nicht existenten Zeichen angenommen, die es allgegenwärtig geben könnte, um eventuelle Sprachbarrieren zu überwinden und unterrepräsentierten Botschaften wie auch Zuständen eine simple Kommunikation zu ermöglichen. Wir haben beständige Buchstaben aus etablierten Schriftarten auseinandergenommen und sie neu zusammengesetzt, als kleiner Akt der Rebellion, aber auch des Neudenkens.

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PERSPEKTIVEN UND (UN)SICHTBARKEIT

Eine Kampfansage an die Scham für das was man ist und ein klares Nein zur Bürde der Schuld, die man nicht mehr länger auf sich nimmt, nur weil man eben ist, wie man ist. Nicht hetero normativ, nicht weiß, nicht „schön“, wohnungslos, gehandicapt, eine Frau. Entsprichst du nicht den gesellschaftlichen Normen und ihrem exklusiven Anspruch, dann wirst du bei der Gestaltung von Umwelt und Alltag nicht berücksichtigt. Das passiert auf struktureller wie auch auf psychologischer Ebene, denn man verliert ganz einfach auch schnell den Mut und die Ausdauer sich immer wieder eine Plattform erkämpfen zu müssen. Dabei bleibt Hilfe aus, die es in einer Gemeinschaft bedürfte, um eben nicht immer nur sich selbst, sondern auch denen Sichtbarkeit zu verleihen, die nicht von geltenden Normen profitieren. Es sollte mehr Bühnen und auch mehr Wege geben, auf diese zu gelangen. Und wir selbst sollten öfter auf unser sichtbar Werden bestehen! Mit den Tabus brechen, die uns auferlegt wurden und welche in unseren Köpfen nach Zurückhaltung schreien. Dabei kann es auch ganz hilfreich sein, sich seiner Selbstwirksamkeit bewusst zu werden und sich dann zu fragen, wem könnte ich sogar zu mehr Sichtbarkeit verhelfen? Wir sind stark, wir sind laut, wir sind emphatisch und wir sind viele. Mit dieser Euphorie begaben wir uns in die bunte Welt der Sextoys, in der wir uns sonst gern getarnt, nun gemeinsam bewegten.

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SCHÖNHEIT UND HÄSSLICHKEIT

Um die Schönheit lässt sich streiten. Die Debatte, was überhaupt als schön gilt und wie unrealistisch und auch gefährlich Ideale sein können, ist aktueller denn je. Zwischen steigender Nachfrage von Schönheitseingriffen und der Body-Positivity-Bewegung scheinen Welten zu liegen und doch wohnt ihnen beide die Idee vom schön sein wollen inne. Doch wieso gibt es überhaupt den Anspruch schön zu sein? Das Narrativ um Schönheit erzählt von einem besseren Leben, von Bewunderung und Macht. Sie könnte der Schlüssel zum persönlichen Glück sein, doch macht Schönheit im klassischen, im rein oberflächlichen Sinne wirklich glücklicher oder geht es viel mehr um das sich selbst schön fühlen, gelöst von jeglichen Erwartungen? Muss es für ein erfülltest Leben überhaupt jemals um Schönheit gehen? Klar ist, wir werden ständig damit konfrontiert. Sei es in der Werbung oder allein beim Wunsch jemand anderem gefallen zu wollen. Sexismus spielt dabei wohl auch eine große Rolle, welcher nur schwer zu ignorieren ist. Gerade für Frauen gehört dieser zu einer perversen Lebensrealität, dass sie ein Gefühl vom Wiedererlangen der Kontrolle vor allem im Außen finden. Das eigene Aussehen kann also Angriffsfläche und Einflussnahme zugleich bieten. Der zugrunde liegende Konflikt ist aber in jedem Fall politisch und lässt uns bei der Frage nach Schönheit in einem Widerspruch zurück. Alles Schöne setzt nämlich auch das Hässliche voraus und grenzt sich somit ganz klar ab. Angenommen man nimmt sich dieser Gleichung an, dann könnte man doch zumindest mal den Blick auf die Hässlichkeit richten. Welchen Wert finden wir in ihr und ist sie nicht eigentlich, die viel interessantere Inspirationsquelle? Es bleibt eine offene Frage mit individuellen Antworten, für mich aber ist klar: Schönheit ist Ehrlichkeit, etwas das mich ergreift und mich in meiner eigenen Schönheit erkennen lässt. Sie ist nicht allein im Außen zu finden und erreicht mich mitten im Herz. Allgegenwertig und immer eine Frage der Perspektive.

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LEIDENSCHAFT UND LOHNARBEIT

Ein Satz, der mir nach diesem Tag im Kopf geblieben ist: Pass gut auf deine Leidenschaft auf! Sie ist eben der Kern meiner kreativen Arbeit und sollte nicht um den Preis der Leistung verloren gehen. Ich denke was hier hilft ist Achtsamkeit und Pausen, um auch einfach mal aufnehmen zu können. Das ist auch sehr wichtig für die Inspiration, der man unbedingt Zeit einräumen sollte. Sich am Schaffen anderer erfreuen, anstatt sich im Vergleichen zu verlieren. Wir neigen nämlich dazu die restorativen Phasen gering zu schätzen, vielleicht sind wir sogar nicht wirklich gut darin die Dinge auch mal ruhen zu lassen. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Aber klar, das ist ja auch, was in einer Leistungsgesellschaft von uns erwartet wird. Wenn all um einen herum zu funktionieren scheinen, dann fällt es doch sehr schwer sich dem Druck ebendies auch zu tun, sehr schwer. Die andere Sache ist die mit dem Geld, über welche stets nur sehr zögerlich gesprochen wird. Grundsätzlich mangelt es in Bildungseinrichtungen an Aufklärung über den Umgang mit Finanzen. Steuern was das? Und beim Gender-Pay-Gap wollen wir gar nicht erst anfangen. Es ist ein wenig frustrierend und doch sollte diese Ahnungslosigkeit kein Grund sein, sich einfach mit dem Gehalt zufrieden zu geben, was für uns bestimmt wird. Im Gegenteil, wir sollten anfangen zu hinterfragen und den Wert unserer Arbeit selbst bestimmen. Dabei sollten wir nicht auf die Angst vorm zu viel sein hören, sondern Haltung bewahren. Meist ist nämlich das was wir verlangen, noch lange nicht genug. Respekt, Zutrauen, Raum für Fehler, Fokus auf den Prozess, Wertschätzung und das Arbeiten auf Augenhöhe sind unbezahlbar.

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RASTER UND CHAOS

In unserer Welt gilt das Symmetrische, das einer Ordnung folgende als richtig und schön. So auch im Design, welches von Rastern und Regeln geprägt ist. Erfolgreich waren damit in erster Linie weiße CIS-Männer, die noch immer großen Einfluss auf Lehre und Studium nehmen. In unserer letzten Ausgabe galt es aus eben diesen Rastern auszubrechen und uns bewusst ins Chaos zu begeben. Was können wir der Unordnung abgewinnen, was damit erreichen? Auf den ersten Blick überfordern wirkend, kann im Chaos das Interesse zum Verstehen schlummern. Man muss sich Zeit zum Entziffern nehmen. Das bedeutet auch, sich dem Design nicht nur oberflächlich zu widmen, sondern wirklich damit in Beziehung zu treten. Dann ist es zwar nicht minimal, nicht offensichtlich einfach, aber aufregend und rätselhaft. Orientiert man sich an Fragen, wird man Antworten oder gar eine Ordnung im Chaos finden. Es geht um das Trotzen und neu Erfinden, sich auch gestalterisch gegen längst veraltete Normen positionieren.

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DAS MANIFEST

  1. Wir schöpfen Kraft aus dem Kollektiven, das Ich findet seinen Platz im Wir.

  2. Wir wollen uns der Welt zeigen und der Angst vor Konsequenzen trotzen.

  3. Wir ignorieren niemals die Macht von Sprache, unabhängig davon, ob sie uns persönlich betrifft.

  4. Wir finden inklusive Verwendung von Sprache verdammt sexy.

  5. Wir haben Mut zur Sinnlosigkeit, zum unerwarteten Blickwinkel und zur Unordnung, denn Kreativität blüht jenseits des Rasters.

  6. Wir begeistern uns für das Schöne wie das Hässliche gleichermaßen.

  7. Wir lassen den Wert einer Sache nicht von anderen, sondern von uns selbst bestimmen.

  8. Wir schätzen den gemeinsamen Prozess mehr als das Ergebnis.

  9. Wir hören niemals auf dazuzulernen, zu verlernen und zu hinterfragen*.

* (auch dieses Manifest)

Gemeinsam haben wir Sätze gebaut, wieder verworfen und schließlich all unsere Stimmen, Utopien und Werte in einem kollektiven Manifest vereint. Mit höchster Konzentration und etwas Hilfe von Chat GBT,  konnten wir dann auf das Verfasste mit einem Spritzgetränk anstoßen. Auf das Gläser heben folgte der Siebdruck, denn unsere Ideen sollten zur Botschaft werden! Für mich war das alles ganz neu und aufregend, von der Farbauswahl bishin zum Kräftewalten der ganz großen Maschinen. Gedruckt und Getrocknet bewanderten unsere Plakat dann den gesamten Fachbereich Design in der Fachhochschule. Von Wänden hängend, im Dekanat posierend oder an den großen Fensterscheiben klebend, konnten nun alle wissen, von was für einer Zukunft wir träumen.

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Ein Projekt von

Fachgruppe

Perspektiven und Social Skills

Art des Projekts

Projekt-Tagebuch

Betreuung

foto: Mia Mahn foto: Katharina Brackemann

Zugehöriger Workspace

TOPYA: collective dreaming

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2023 / 2024