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The Bitch of Wallstreet

Dr. Ruja Ignatova

Inhalt und Ziel dieses Kurses war die Auseinandersetzung mit den Geschichten bekannter Hochstapler:innen unserer Zeit und die Übersetzung dieser in eine raumgreifende Installation mit Begleitheft.

IDEENFINDUNG

Ruja Ignatova – ein uns vorher noch unbekannter Name sollte in den ersten Wochen des Kurses zum zentralen Recherchepunkt für uns werden. 

Neben offiziellen Fahndungsdokumenten des Bundeskriminalamts und einem stillgelegten LinkedIn-Profil, das von einer erfolgreicheren Zeit der Crypto-Unternehmerin zeugt, hörten wir eine Vielzahl an Podcasts. Hier wurde die Geschichte der bulgarischen Krypto-Queen so anschaulich dargestellt, dass wir schnell tief in den Fall eintauchten. Wir hörten uns Ausschnitte ihrer glamourösen Events an, auf denen sie in ausladenden Reden den größten Teil ihrer Investor:innenschaft gewann. Auch stellten wir schnell fest, was für einen Sekten-Charakter das ganze „Imperium“ um OneCoin hatte. Die hochtrabenden Propaganda-Events und darin gezielt genutzte Wörter, die sie und wenige Kolleg:innen oft verwendeten, um ihre Anhänger:innen um den Finger zu wickeln, empfanden wir als sehr markant. Später fanden diese einen plakativen Platz in unserer Ausstellung. 

Nachdem sich jede einen eigenen Eindruck zur Person von Ruja gemacht hatte, begannen wir, eine digitale Mindmap zu pflegen und die wichtigsten sowie interessantesten Eckpunkte festzuhalten. Zeitgleich hat jede nach Gestaltungsinspiration gesucht. Letztendlich haben wir uns daran gesetzt, unsere gewählten Schwerpunkte und Gestaltungsideen zu vereinen.

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Bevor das finale Konzept stand, gruppierten wir unsere Ideen und Informationen zum Fall in visuelle und gedankliche Themenblöcke. 

KRYPTO - Der Ursprung des Scams, und die Technologie, die das gesamte Verbrechen erst möglich machte, sollte definitiv in irgendeiner Form auftauchen. Gestalterisch wollten wir uns anfangs an der berüchtigten Blockchain als Symbol für Krypto-Währung orientieren. Hier spielten wir anfangs mit dem Gedanken, sie in Form von physischen Ketten auftauchen zu lassen. Im finalen Konzept haben wir uns dann aber mehr auf den technischen Aspekt der OneCoin-Lüge in der Schriftauswahl bzw. -auszeichnung konzentriert, um von der Ebene des Offensichtlichen in eine gestalterische Meta-Ebene zu steigen.

ROT -  Das große Markenzeichen von Ruja Ignatova durch ihren glänzend roten Lippenstift und ihre Abendgarderobe in wichtigen Reden. Gleichzeitig zog uns die Verwendung von Rot auch als Warnfarbe an, die in Bezug auf den Scam ein Signal senden sollte. Auf unserem Moodboard war die Farbe Rot auch nah an die Materialität von Latex, PVC oder Folie geknüpft. Es sollte das perfekte „Ruja-Rot“ gefunden werden, das weder zu Orange noch zu Magenta auftritt und Selbstbewusstsein ausstrahlt.

LUXUS - Dieses Thema wollten wir aus Interesse an der Materialität einbringen. Letztendlich haben wir es allerdings verworfen und sind zum Thema TRANSPARENZ umgeschwungen. Absicht war damit, die Dissonanz zwischen der augenscheinlich familiären Aura und ihrem tatsächlichen Betrug an den Leuten zu zeigen – die unbemerkte Lüge.

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KONZEPT

Als zentralen Aspekt der Ausstellung „Bitch of Wallstreet - Ruja Ignatova“ wird die Ambivalenz der Person Ruja Ignatova und ihres sogenannten Crypto-Imperiums beleuchtet. In der Inszenierung stellen wir einerseits ihre glamouröse Erscheinung und die beeindruckenden Versprechen gegenüber Investierenden dar. Auf der anderen Seite wird die Wahrheit hinter den leeren Versprechungen enthüllt, um das Ausmaß ihres Betrugs und Verbrechens zu verdeutlichen.

Die Farbe Rot spielt eine zentrale Rolle in der Ausstellung. Zum einen, weil Ruja Ignatova seit Schulzeiten stets mit rotem Lippenstift auftrat, zum anderen weil diese Farbe als Warn- und Signalfarbe dient, welche unterschwellig auf den Betrug aufmerksam macht. Durch die Wahl der Farbe Rot schärfen wir das Bewusstsein für die dunkle Seite ihres Verbrechens und das Risiko der gigantischen Investitionen für Anhänger:innen. Das „Ruja-Rot“ ist eine Mischung aus 95 % Magenta und 100 % Yellow (0 % Cyan, 0 % Schwarz) im CMYK-Farbprofil, das für den Druck die beste Leuchtkraft und passende Temperatur eines Rottons erzeugt.

Bei der Schriftauswahl setzen wir auf die Verwendung zweier Schriftarten, um unterschiedliche Aspekte von Ruja Ignatovas Persönlichkeit und Taten zu repräsentieren. Die Schriftart „ABC Marist“, gestaltet von Seb McLauchlan und Igino Marini für ABC Dinamo, ist eine lesefreundliche Antiqua mit starken Serifen und breiten Versalproportionen. Sie strahlt Eleganz und einen Hauch von Old-Style-Schriften aus und ist dennoch an die digitale Welt angepasst - genau wie Ruja Ignatova. Die gute Lesbarkeit dieser Schriftart ist von großer Bedeutung, um die Erfassung der Inhalte trotz der verwendeten Stilmittel zu gewährleisten.

Die Schriftart “Andale Mono“, gestaltet von Steve Matteson, stammt aus den 90er Jahren und ist eine klassische Festbreitenschrift, welche die technische Seite des Crypto-Scams und die realen Fakten abseits der Show darstellt. Ihre neutrale Art dient der präzisen Darstellung von Ruja Ignatovas Lügen und steht auch durch den Satz im Stil von klassischem html-code im Kontrast zu ihrer äußerlichen Erscheinung, die durch die Antiqua verkörpert wird. Auch im Textsatz unterscheiden sich die beiden Schriftarten. Während die „ABC Marist“ elegant und bewusst gesetzt daher kommt, wirkt die „Andale Mono“ fast spielerisch technisch.

Um die Strategie von Ruja Ignatova, Verwirrung der Investor:innen durch ausladende Reden bei ihren berüchtigten Shows, zu verdeutlichen, werden verschiedene Stilmittel in der Ausstellung eingesetzt. Das Zusammenspiel aus Propaganda und leeren Versprechungen steht konstant im Kontrast zu ihren eigentlichen Absichten und Wahrheiten, die sie nur wenigen Personen anvertraute.

Überlappungen und Überschneidungen sind in den beiden Haupttexten zu finden. Die Inhalte dieser werden durch Überlagerungen schwerer zu entziffern. Dadurch sollen Betrachtende das Gefühl bekommen, den Überblick über ihre Aussagen und die Wahrheit zu verlieren. Ein rotes Transparent überlagert zudem partiell eine der mit Text bedruckten Papierrollen. Die Transparenz steht hier für den zu Anfang unbemerkten Betrug. Markante Aussagen von Befürworter:innen, oder Ruja selbst, befinden sich in roter Schrift vereinzelt auf der Transparenzfolie. Die teilweise sogar gespiegelten Wörter, die sich mit dem Untergrund verbinden, verstärken das Spiel der Verwirrung.

Grundlegend präsentieren wir zwei lange Schriftrollen sowie drei rote Lackfolien mit Überschriften. Die Länge dieser sollen ein Gefühl der Endlosigkeit von Rujas Aussagen und dem Betrug vermitteln. Ruja strebte stets nach mehr und trieb ihre Propaganda unermüdlich voran. Diese visuellen Elemente verdeutlichen die grenzenlose Natur ihrer Taten und die Ausmaße ihres Betrugs.

PRODUKTION

Den Produktionsprozess begannen wir, nachdem unser Konzept finalisiert und erste Texte gestaltet waren, mit mehreren Testdrucken. Diese sollten uns ein Gefühl für Schriftgrößen im Raum geben. Wir druckten also, hingen im Raum auf, beurteilten, revidierten und fanden so schließlich Schriftgrößen, die angemessen für das anstehende Projekt waren.

Im Anschluss daran maßen wir den Raum, den wir uns im Foyer ausgesucht hatten, aus, und konnten ein provisorisches Mock-Up in Photoshop erstellen, dass uns eine erste Idee von unseren geplanten Gestaltungsideen gab. Hier haben wir gelernt, stets die realen Größenwerte beizubehalten und einen Maßstab zu finden, um eine funktionierende, maßstabsgetreue Installation zu produzieren.

Materialien wie die rote Lackfolie kauften wir in einem Folien-Fachhandel in Berlin Schöneberg, die Transparenzfolie bei Modulor und Papiere konnten wir von Peter Kerscher beziehen, der uns auch beim Druck der Papierrollen unterstützte. 

Bei den Bodenelementen und Worten auf der Transparenzfolie entschieden wir uns für einen Schneideplot, den wir im Grafiklabor umsetzten. Hier merkten wir vor schnell, dass sich nicht jede Folie sehr einfach schneiden lässt –  es kam hier leider zu etwas Ausschuss, der auch einiges gekostet hat. Daraus haben wir definitiv gelernt.

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(v.l.n.r.) Plotten bei Peter Kerscher, Schneideplotten im Grafiklabor, Bekleben der Transparenz- und Lackfolie

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Den Aufbau unserer Installation für unseren Ausstellungsblock vom 9. bis 16. Juni 2023 meisterten wir mit Hilfe von Ragnar und einer Menge Geduld. Uns war anfangs nicht klar, wie viele Hindernisse noch bei der Aufhängung auf uns zukommen würden; Haben wir genug Angelsehne? Wie binden wir diese fest? Hängt das Papier gerade? Wie beugen wir Verformungen durch die Hitze vor? Wie verhindern wir, dass das Papier sich vertikal einrollen möchte? Ist unser Papier wirklich schwer genug? Wird unsere Vision überhaupt funktionieren? Und wo ist die große Leiter jetzt schon wieder hin?

Die Freude und der Stolz war in der Ausstellungswoche umso größer, als wir sahen, dass alles an Ort und Stelle hängen blieb und das Feedback sehr gut ausfiel.

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AUSSTELLUNG

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AUSSTELLUNGSHEFT

Die Konzeption und Umsetzung eines Begleitheftes zur Ausstellung war der zweite Teil des Kurses. Nachdem wir unsere Installation schon erfolgreich präsentiert hatten, war es nun daran, die von uns festgelegten Stilmittel und Gestaltungssprachen in eine zweidimensionale Ebene zu übersetzen.

Das Ausstellungsheft soll noch einmal mehr den Zwiespalt des Falls und der Person Ruja Ignatova aufzeigen. Dieser wird dadurch deutlich, dass wir immer die linke Seite in rot und die rechte Seite in Farbe (Texte schwarz) gehalten haben. So entstanden spannende Effekte, auch auf den Fotos unserer Ausstellung.

In der Mitte ist ein faltbares A2 Plakat mit Klammerbindung integriert, dass wir mit dem Risodrucker im A2-Format im Grafiklabor produziert haben. Das Plakat stellt auf der äußeren Seite eine Wiederholung der Transparenzfolie dar, innen tauchen in gekürzter Form der Mailverlauf sowie die Aussagen aus Rujas Reden auf. 

Auf den Seiten des Heftes haben wir die Infotexte über Rujas Biografie und den Fall an sich gestalterisch in einen an HTML-erinnernden Text übersetzt. Auch der Konzepttext ist dort in der Andale Mono nachzulesen. Auf der letzten Doppelseite befindet sich noch ein Foto der gesamten Installation.

Testdrucke, Entwürfe und finale Produktion des Begleitheftes.

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MOCK UPS

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Kurz vor der Werkschau, am Ende des Semesters, präsentierten wir noch einmal alle unsere nun hängenden Installationen und Konzepte. Am Werkschauwochenende konnte Rujas Ausstellung dann von allen Besucher:innen bestaunt werden, das Ausstellungsheft lag begleitend bei.

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FAZIT

BIG waren in diesem Kurs nicht nur die Geschichten der Hochstapler:innen oder unsere raumgreifenden Installationen. BIG waren zum einen auch der Aufwand und die Zeit, die in den Kurs geflossen sind. BIG war aber vor allen Dingen auch unser Learning.

Als wir in das Sommersemester gestartet sind, haben wir uns von „Think BIG“ ein Seminar erhofft, das uns auf etwas andere Weise den Umgang mit Textsatz nahebringt. Letztendlich haben daneben auch Unmengen über Ausstellungsgestaltung, Größenwirkung und Projektmanagement gelernt. 

Durch den stramm getakteten Zeitplan mit relativ früher Ausstellungswoche und anschließender Gestaltung des Ausstellungsheftes mussten wir die vielen Aufgaben gekonnt koordinieren und planen. Die sich regelmäßig abwechselnden Feedback-Sessions mit Susanne und Constanze waren hierbei sehr hilfreich, um den eigenen Arbeitsstand besser einschätzen zu können und natürlich auch neue Fähigkeiten mitzunehmen.

Wir hätten nicht gedacht, dass es doch so kompliziert sein kann, alle Ideen, die wir anfänglich hatten, als eine reale, funktionierende Installation zu realisieren. Wir mussten viel abwägen, ob es sich lohnt, Pläne weiterzudenken oder einfachere Alternativen zu suchen. Das haben wir bei der Idee, rote „Chains“ aus Lackfolie einzusetzen, vor allem gelernt. Letztendlich hat es uns viele Kosten und Zeit erspart, die Lackfolie als drei rote Bahnen einzusetzen. 

Wie wichtig auch die Materialien sind, mit denen man ausstellt, haben wir beim Aufbau gesehen. Es war total toll zu sehen, wie Transparenzfolien zusammen mit Lackfolien und Papier spielen. Zum Thema Papierdichten und -dicke haben wir aber aus erster Hand auch so einiges gelernt. 

Auch die Übersetzung ins Zweidimensionale war schwieriger als Gedacht. Wir mussten schauen: Was konkret macht das Design unserer Ruja Ignatova Ausstellung aus? Wie können wir dreidimensionale Gestaltungsmittel in ein Heft umwandeln?

Final können wir aber sagen, wir sind unglaublich stolz auf die entstandenen Ergebnisse und tragen viel theoretisch aber vor allem auch praktisch Gelerntes mit unsere nächsten Projekte.

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im ersten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Susanne Stahl foto: Constanze Hein

Zugehöriger Workspace

Think BIG — Narrationen im Raum

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2023