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Paula findet Blau

Hier möchte ich mein Ergebnis des Abschlussprojekts aus dem Kurs „(a place for) SOME“ und dessen Entstehung erläutern, analysieren sowie reflektieren.
Mein Projekt trägt den Namen „Paula findet Blau“. Dieses Projekt ist eine Geschichte, in Form eines Buches, welche von dem kleinen Lama Paula handelt, das die Welt außerhalb seines Stalls noch nie kennengelernt hat. Eines Tages bekommt Paula eine Postkarte von ihrer Familie aus Peru und erblickt auf dieser etwas, was sie sehr beeindruckt. Auf der Karte ist eine riesige, wunderschöne, blaue Plane zu sehen, welche Paulas Faszination packt und garnicht mehr loslassen will. Also geht sie eines Tages hinaus und sucht nach diesem blauen Etwas, von dem sie garnicht so wirklich weiß was es ist. Sie lässt sie sich von anderen Tieren leiten, die sie auf ihrem Weg trifft, doch wissen sie wirklich wo sich Paulas blaues Wunder befindet?

Vor der Entstehung von "Paula findet Blau"

Bevor wir unseren Fokus auf das eigentliche Projekt dieses Semesters legten, halte ich es von Bedeutung festzuhalten, dass uns in diesem Kurs eine experimentelle Haltung, ohne versteiften Blick auf Rationalität, Gewöhnlichkeit oder eindeutige Gründe etwas zu versuchen, nahegebracht wurde. Ich fühlte mich beflügelt erst auszuprobieren und dann auszusortieren.

Unser erster Semestertag begann mit einer gemeinsamen Jodel-Session, bei der wir jeglichen anfänglichen Scham verloren. 

Sven gab uns im ersten Abschnitt des Semesters Input zu unterschiedlichsten Themen, Arbeitsweisen und Persönlichkeiten. Wir lernten Corita Kent kennen. Wir amüsierten uns über, in einer Übung gesammelte Wortfetzen von U-bahn, Dönerbude oder Fußgängerweg. Wir schrieben ziemlich ungewöhnliche Geschichten über Ausschnitte von ziemlich gewöhnlichen Bildern. Wir erstellten Collagen von anderen Welten aus dem Aldi-Prospekt des letzten Monats. Wir bekamen einen Crashkurs zur Anwendung „Artivive“. Wir ließen uns von unterschiedlichsten Werken inspirieren, abschrecken oder zum denken anregen. Wir philosophierten über die zukünftige Rolle von Ai im Design und bekamen, wenn auch nur zeitweilig, durch verfrühte Existenzängste Feuer unterm Hintern. 

Und als schließlich auch noch das Erstellen von Monotypie zum Thema wurde, wusste ich, dass ich damit unbedingt mehr machen wollte.

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Ideenfindung

Nachdem ich in all diese neuen Dinge hinein schnuppern durfte, hörten wir schon den Startschuss für das Abschlussprojekt dieses Semesters. Es stand unter der Überschrift: „Illustration von Text“. Hierbei hatten wir viel, viel Freiraum für die Wahl des Textes sowie für die visuelle Ausarbeitung. 

Da ich eine Freundin habe, die mich immer wieder aufs Neue mit ihren Texten beeindruckt und inspiriert, wand ich mich nach einigen Überlegungen an sie. Inmitten eines gemeinsamen Brainstormings wollte ich mein eigenes Experiment starten. 

Ich wollte mich auf eine Idee für den zu illustrierenden Text einlassen, auf welche ich anfänglich keinen Einfluss ausüben kann. Damit möchte ich üben, mit dem Material erfinderisch zu sein, welches seinen Ursprung aus einem anderen Gehirn hat - Das von meiner Freundin Gesa. 

Nach einer Weile wurde klar, dass ich in Gesas Geschichte, viele neue Aspekte, Bedeutungen und Standpunkte hinein interpretierte, gestalterische Potentiale erkannte und sie in einem ganz anderem Licht sah, als Gesa, die anfänglich beabsichtigte eine banale Geschichte über ein Lama zu schreiben.

Dies machte es für mich noch interessanter, denn das hieß, dass durch den Blickwinkel und der visuellen Gestaltung einer weiteren Person, aus einer Erzählung eine ganz Neue werden kann.

Der Erzählung des Lamas Paula, welches nach dem großen Blau sucht, galt es nun eine Gestalt zu geben.

Konzepterarbeitung

Ich begann also das gegebene Material zu analysieren und zu formen.

In meinen Augen wirkte die Geschichte des kleinen Lamas Paula auf dem ersten Blick simpel und kindlich. Jedoch hat sie potential aus verschiedensten Perspektiven, in unterschiedlichster Weise tiefergreifend zum Nachdenken und zur Reflexion anzuregen. Das tolle dabei ist meiner Meinung nach, dass diese Geschichte mit einfachen kommunikativen Mitteln, Probleme thematisiert, die von Vielen oft so sehr überdacht werden, sodass sie letzten Endes kaum noch greifbar sind.

Und um dieses Potential visuell zu kommunizieren, hatte ich die Idee simple Charaktere mit einem bewusst gewählten Farbschema, bestehend aus nur Schwarz, Weiß und Blau zu kombinieren. Der Kontrast aus Naivität und Realität, sollte hierbei durch den ernsten und markanten Ausdruck analog gedruckter Monotypie-Texturen unterstrichen werden.

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Um die Kontraststärke der Geschichte in der Gestaltung fortzuführen und die einfachen Charaktere trotz der Schwere der Monotypie im Vordergrund stehen zu lassen, beschränkte ich die Verwendung der gedruckten Texturen auf die Darstellung der Hintergründe und Umgebung. So entstanden die ersten atmosphärischen Skizzen.

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Für das Charakterdesign beschloss ich digital mit dem iPad zu zeichnen, anstatt analog zu arbeiten, sodass alle Figuren noch etwas mehr vom Hintergrund abgehoben werden. Um ein Untergehen durch zu viele Details zu verhindern und einen Wiedererkennungswert zu schaffen war mir klar, dass die Charaktere auf das Wichtigste reduziert werden mussten. Was mir allerdings nicht klar war, ist die Mühe die ich investieren musste um das umzusetzen.

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Ich schaute mir viele Bilder von Lamas an. Wirklich viele.

Dann fing ich an zu begreifen, dass Charakterdesign nicht bedeutet ein existierendes Bild, abgewandelt zu reproduzieren, sondern ein Lama neu zu erfinden.

Jetzt hieß es:  Ausprobieren. Aussortieren.

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Vom jetzigen Standpunk aus, kann ich nicht sagen, dass ich mit diesen Designs zufrieden bin. Damals war ich es. Umso mehr hat es geschmerzt, Svens Kritik zu lauschen, als ich merkte, dass ihn meine Vorstellung nicht ganz so packen wie mich.

Doch ohne diese Kritik und viele weiter Versuche, könnte ich jetzt nicht sagen, was an meinem alten Design verbesserungsfähig war:

- durch die enorme Fülle an möglichen Darstellungs-Stilen, fiel es mir schwer mich festzulegen --> man könnte meinen 4 verschiedene Menschen hätten ein Lama und eine Ameise gezeichnet

- durch die Illustrations-Software „Procreate“ hat man eine überwältigende Auswahl an Brushes --> hier musste ich mich auch festlegen

- Lama wirkt zu alt und nicht unschuldig genug --> kleinerer Körper, größere Augen, größerer Kopf - es muss übertrieben werden, da es sich nicht um realistische Darstellung handelt

- noch einfacher & charakteristischer --> alles was nicht nötig ist kann weg

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Nun konnte man zwar erkennen, dass es sich um ein kleines Lama handelt, nur war da immer noch der fehlende, einheitliche Stil.

Ich entschied mich also für die Verwendung von einem Buntstift-ähnlichen Brush, da dieser weniger flach und deutlich verspielter wirkt, was besser zur Geschichte passt und wichtig ist um dynamische, lebendige Charaktere zu entwerfen. Da mir der erste Entwurf von der obigen Abbildung am besten gefiel, riss ich mich zusammen und versuchte nur die aller nötigsten Charakteristika in den Fokus zu setzen. 

Als der finale Entwurf von Paula stand, folgten die restlichen Charaktere der Geschichte. Es war wirklich nicht leicht alle an der gleichen Linienführung, Ausdruck und Einfachheit zu orientieren. Jedoch kann ich nach ein paar Nervenzusammenbrüchen sagen, dass ich mit dem endgültigen Entwürfen zufrieden bin.

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Gelernt habe ich nun: Je einfacher der Stil einer Figur, desto schneller machen kleinste Feinheiten beim Zeichnen einen großen Unterschied im Ausdruck des Charakters. 

Im Endeffekt ist es wirklich interessant zu sehen wie viel leichter mir detailreiche Illustrationen fallen, da sich mit viel Gedöns auch viel kaschieren lässt. Geholfen hat es mir letztlich, mich ausgehend von einer realistischen Darstellung Stück für Stück zu reduzieren.

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Schließlich entschied ich mir dafür, das Buch mit dem Riso zu drucken. Durch die hohe Farbintensität kann der Riso die Zweifarbigkeit des Buches bestmöglich darstellen und das Hauptziel von Paula auch für den Leser ins Auge stechen lassen - das Blau. 

Außerdem sieht kein Druckbogen mit dem Riso identisch aus, was jedes Buch einzigartig macht und die Lebendigkeit der Charaktere stärkt.

Dann einigte ich mich auf ein Format, mit welchem jeweils zwei Druckbögen mit Rückseite auf einem A3 Format Platz haben, um Papier zu sparen.

Umsetzung

Jetzt war ich also bereit, mir die Ausarbeitung der Seiten vorzunehmen.

Ich teilte die Geschichte in 19 Abschnitte und versuchte mir schon jetzt vorzustellen, wie das Konzept der jeweiligen Seite aussehen könnte.

Schließlich fertigte ich zu jedem Abschnitt eine Seitenskizze an, welche mir später als Hilfe für die fertige Zeichnung dienen sollte.

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Außerdem wurde aus dem alten Namen „Paula sucht Blau“ dann „Paula findet Blau“, um zu unterstreichen, dass der Fokus der Geschichte nicht auf Paulas Ziel, sondern ihrem Weg liegt. Ich will nicht erzählen ob sie das Blau findet, sondern wie.

Dann war es Zeit, die Seiten auszuarbeiten. Ich machte zuerst eine weitere klare Skizze, dann kam das finale Outlining, dann die Texturen und zu guter Letzt setzte ich mit InDesign die Schrift.

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Alle Bereiche die nach dem Druck Blau sein sollen, speicherte ich separat, um sie dann, als extra Druckbogen mit blauer Tinte auf den schwarzen Druckbogen zu drucken.

Produktion

Als alle Seiten fertig waren und ich auch die zeitintensive Erstellung der Druckbögen hinter mir hatte, konnte der spaßige Teil kommen. Und dieser begann sobald ich den Druckraum betrat und den Riso anschaltete.

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Das Ding mit dem Riso ist, dass er nicht immer den Druckbogen an die Stelle druckt, an die er soll. Somit gibt es leichte Verschiebungen auch bei den Blauen Bereichen, welche aber eigentlich den Charme des Riso ausmachen. Auch variiert die Farbe in seiner Intensität. Mit Ungenauigkeiten muss man also leben. Es ist ein Abendteuer.

Als Blau auf Schwarz und Rückseite auf Vorderseite gedruckt wurde, ließ ich alles für eine Weile trocknen, beschnitt die Druckbögen an den Anschnittsmarken und nahm sie zum Binden mit nach Hause.

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Ergebnis

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Reflexion

Jetzt stehe ich am Ende meines Projekts und schaue auf all die Dinge die ich richtig gemacht, falsch gemacht und gelernt habe, sodass ich sagen kann, dassich wirklich stolz bin, nun ein fertiges Buch in den Händen halten zu können.

Klar muss ich zugeben, dass ich mein Vorhaben ziemlich unterschätzt habe. Hätte ich das jedoch nicht, würde mein Ergebnis jetzt wahrscheinlich ganz anders aussehen. Das hätte es auch, ohne den tollen Text von meiner Freundin Gesa.

Ich konnte unheimlich viel Wissen durch Svens Kurs, die Projekte der Anderen und vor allem durch mich selbst und meinen Prozess mitnehmen. Diese Erkenntnisse sind unbezahlbar. 

Ich bin mir sicher von nun an in zukünftigen Projekten mit mehr Mut, mehr Offenheit für Experimente und mehr Freigeist, an mein Vorhaben heranzutreten.

Mit diesem Projekt bin ich über mich hinausgewachsen.

Über Paula sucht Blau

Mir war es wichtig, dass die Geschichte dem Leser die Freiheit lässt, auf unterschiedlichste Weise interpretiert zu werden, denn darin liegt die Stärke der Erzählung. Sie kann von einem Lama handeln oder aber auch von einem selbst. 

Nichtsdestotrotz, möchte ich zum Ende, meine eigene Interpretation vorstellen, welche eine von vielen ist.

Die Geschichte zieht in meinen Augen, eine metaphorische Parallele zu überfordernden und stressigen Momenten im Leben. Oft machen der Strom und die Pflichten des Alltags blind und erschweren es die grundlegend wichtigen Dinge zu sehen, die einem trotz ihrer selbstverständlichen Existenz am glücklichsten machen. In dieser Geschichte ist es für Paula der Himmel. Oft weiß man zwar, dass etwas fehlt, jedoch ist es nicht einfach dieses Etwas vor lauter Ablenkungen, Alternativen und Reizen zu identifizieren und festzuhalten. Vor allem, weil jeder über seine eigenen Prioritäten entscheidet. Daher soll die Geschichte motivieren im Informationsjungel unserer heutigen Zeit mit einem bewussten Auge durch die Welt zu laufen und von Zeit zu Zeit Abstand von den Dingen zu nehmen, welchen unseren Blick mit der Zeit verschwimmen lassen, um ein authentisches Bild von sich selbst und der Welt zu schaffen - und uns somit auch von einer klaren Vision, von dem was uns wirklich glücklich macht leiten zu lassen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im ersten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Sven Völker

Zugehöriger Workspace

(A Place for) Some: das Grundlagenseminar

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2022 / 2023