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Augmented Dreams

In diesem Essay befasse ich mich mit der Entwicklung der AR Technologie anhand des Produkts „Google Glass“.

Der folgende Text beschreibt die Gegenwart und unternimmt von da ausgehend eine gedankliche Reise in das Ungewisse. In eine Zukunft, geprägt von meinen eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Visionen.

Einführung: Googles AR Brille

Das amerikanische Unternehmen Google LLC. brachte im Jahr 2013 das Produkt „Google Glass“ auf den Markt. Eine Brille die mittels AR (Augmented Reality) Bilder, Videos und vieles mehr sichtbar in die natürliche Umgebung des Tragenden einfließen ließ.

Der Begriff der „Brille“ ist eigentlich nicht ausreichend beschreibend, vielmehr ist sie ein am Kopf getragener Miniaturcomputer und zählt zu den Produkten der Klasse der Wearables (Wearable Computing). Charakteristisch für dieses Gerät ist das optische Display, das in der Peripherie des Sichtfeldes auf einem Brillenrahmen montiert ist.

Neben der Anzeige von Informationen auf dem Display können Informationen auch mit dem aufgenommenen Bild der internen Digitalkamera kombiniert werden. Dazu können Daten aus dem Internet bezogen und versendet werden.

Bedienung und Funktion

Einschalten lässt sich die Google Glass durch eine leichte Kopfbewegung nach oben. An dem rechten Bügel befindet sich ein Touchpad zur Steuerung der Befehle. Möglich ist aber auch eine Kommando-Eingabe via Sprachsteuerung. Mit den Zauberworten „Ok glass“ lässt sich freihändig durch das Handlungsfeld navigieren. Zusätzlich werden kontextabhängige Informationen von Google Now automatisch dargestellt. Eine weitere Eingabemöglichkeit ist die Lasertastatur. Google Glass projiziert dabei über einen Laser eine virtuelle Tastatur auf die Handfläche des Users. Über diese kann er Anrufe annehmen oder Nachrichten verfassen. Die integrierte Kamera erkennt hierbei die Position des tippenden Fingers sowie des eingegebenen Zeichens. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass diese Technik heute bereits 10 Jahre alt ist. Weitere Funktionen wie Fotos per Augenzwinkern schießen oder Musikhören waren neben einer GPS Funktion und Zugriff auf Nachrichten in z.B. Social Media auch möglich.

Geschichte

Der deutsche Informatiker Sebastian Thrun etablierte ab 2011 bei Google die Forschungsabteilung „X“, die sich auf technisch besonders ambitionierte Zukunftsprojekte fokussiert. In seiner Zeit bei dem Internet-Riesen entstand die erste Version von Google Glass, die 2013 auf den Markt kam. Sie wurde als das Next-Gen-Interface gehyped, scheiterte dann aber am Endverbrauchermarkt, sodass sie im Jahre 2015 eingestellt wurde. Die Produktreihe für professionelle Anwendungen wurde allerdings weiterhin aufrecht erhalten.

Warum die Brille vorerst scheiterte

Google Glass war eines der Produkte, die ihrer Zeit weit voraus waren. Wenn man bedenkt, dass der Release mittlerweile bereits ein Jahrzehnt zurück liegt. Vor zehn Jahren waren die Leute absolut nicht bereit, eine Kamera im öffentlichen Raum zu (er)tragen. Menschen wurden aus dem Kino geworfen, weil der Verdacht bestand, sie würden die Filme aufnehmen; bekamen Strafzettel in Verkehrskontrollen, da sie beschuldigt wurden, während der Fahrt einen Film geguckt zu haben und vieles mehr.

Begriffe wie „Glass holes“ prägten zügig nach Markteinführung das Bild der Daten Brille in der Öffentlichkeit. Abgesehen von der allgemeinen Ablehnung aufgrund der Frontkamera und der damit einhergehenden Bedenken und Fragen des Datenschutzes, hatte die Brille einige weitere Kinderkrankheiten. 

Die Soft- und Hardware waren insgesamt noch nicht ausgereift genug, um das Nutzererlebnis problemlos zu gestalten. Zum Beispiel erschien die Bedienung über das Touchpad im Bügel etwas umständlich. Weiter erforderte die Technologie von Google Glass eine recht lange Batterielebensdauer und verbesserte Bilderkennungsfunktionen. Aufgrund der vielen Funktionen, gestaltete es sich als schwierig, sie einer hauptsächlichen Zielgruppe bzw. einem Zielmarkt zuzuordnen. Auch war der durchschnittliche Verkaufspreis mit 1.500 US-Dollar ziemlich happig. Ein weiterer bedeutender Punkt war das Produkt Design. Jeder, der Wert auf ein modisches Erscheinungsbild legte, konnte die Brille im Prinzip nicht tragen. Das futuristische Äußere, sowie der übertrieben große rechte Bügel für die Bedienung, als auch das Display am oben rechten Rand des Brillenglases machten die Brille und dessen Träger zu einer nerdigen Kuriosität im öffentlichen Raum.

Das Versprechen hinter der AR-Technologie

„The Tool that doesn’t replace people, it makes them work smarter, faster, better at what ever they doing in there job“  –Google

Schaut man sich die Werbung zu Google Glass an, findet man schnell die Ideale und Vorstellungen der Entwickler dieses Produkts. Die neue Technologie verspricht uns unsere Fähigkeiten, die Welt um uns herum wahrzunehmen, zu verstehen und mit ihr zu interagieren, zu verbessern. Dies wird möglich gemacht, indem digitale Informationen und Medien in die reale Umgebung eingebunden werden.

Dies erleichtert Arbeitsprozesse. In der Industrie kann AR die Produktivität, Sicherheit und Effizienz verbessern, indem sie in Echtzeit Informationen, Anweisungen und Anleitungen im Kontext der entsprechenden Arbeitsumgebung liefert. Architekten können z.B. Entwürfe ihrer Bauwerke vor Ort in die Umgebung projizieren oder Ärzte können in Operationen Echtzeit Vitalwerte des Patienten sehen, ohne sich zum Monitor umzudrehen.

Auch verbessert und intensiviert die Technik mediale Erlebnisse. So lassen sich Spiele ganz neu erleben oder Bildungsprozesse intensivieren. 

Mit Nutzung der Brille verändert sich insgesamt die Art und Weise, wie wir auf Informationen zugreifen und sie konsumieren. Das Überlagern des Realen mit dem Digitalen ermöglicht einen reibungslosen Übergang von dem einem in das andere, so dass die Brille als eine äußerst intuitive Schnittstelle zwischen beidem fungiert.

Im folgenden Abschnitt gehe ich auf diese Anwendungsgebiete ein und beschreibe, wie die AR Technologie in naher Zukunft genutzt werden kann.

Die Zukunft von AR

Die zukünftige Nutzung von AR Technologie liegt vermutlich in verschiedensten Einsatzgebieten. Ich gehe nun exemplarisch auf sechs größere Teilbereiche, in denen ich viel Potential für diese Technik sehe, näher ein. Um die einzelnen Themenkomplexe greifbarer zu machen, schließt sich jedem Abschnitt ein ergänzendes Video an.

Bildung

Hier bietet AR und damit auch die Google Glass großes Potential. Unterrichtsinhalte können dank ihrer erlebbar gemacht und interaktiv gestaltet werden. 3D Modelle, Videos und Simulationen könnten Schülern und Studierenden helfen, komplexe Sachverhalte leichter zu verstehen. Es können im Geschichtsunterricht z.B. virtuelle Ausflüge zu historischen Orten unternommen werden, ohne das die Schüler den Unterrichtsraum verlassen müssen. Dies würde evtl. auch die Bildungsungerechtigkeit von sozial schwächeren Milieus etwas ausgleichen, die sich so eine Klassenfahrt nicht leisten könnten. 

Im Fremdsprachenunterricht können die Sprachkenntnisse an virtuellen native speaker dieser Sprache getestet und verfeinert werden. Insgesamt kann die Lernerfahrung durch gamification aufgelockert werden. 

Sport-Applikationen (auch für das Training Zuhause oder an der frischen Luft geeignet) können durch virtuelle Ringe, durch die man springt oder witzige Charaktere a la Super Mario, die man über den Sportplatz jagt, buchstäblich Bewegung in den Unterricht bringen. 

Die vergangenen Pandemiejahre haben gezeigt, wie schwierig es ist Unterricht zu dezentralisieren. AR könnte helfen, Schüler und Studierende vernetzt arbeiten zu lassen. Sie können sich im Raum begegnen und gemeinsam an Projekten arbeiten, völlig unabhängig von ihrem physischen Standort.

Medizin

Ein weiteres Einsatzgebiet ist der Medizinsektor. Hier kann die Ausbildung der Studierenden, wie im vorherigen Abschnitt bereits angerissen, verbessert werden. So können interaktive Trainingssimulationen durchlaufen werden, in denen die Studierenden Erfahrung an virtuellen Patienten sammeln können, bevor sie in der Realität Menschen behandeln. Das Wissen aus diesen Simulationen kann sehr direkt auf reale Szenarien angewandt werden. 

In der Forschung können durch Visualisierungen von 3D Modellen neue Behandlungsmöglichkeiten erdacht und anschließend entwickelt werden. 

Die Kommunikation zwischen Fachkräften und Patienten könnte erleichtert werden, ebenso wie der Austausch unter verschiedenen behandelnden Ärzte und Ärztinnen. Diagnosestellungen können unterstützt und Behandlungen ausgeführt werden, vor Ort als auch über große Distanzen, Stichwort Telemedizin. 

Wie schon erwähnt, könnten Chirurgen Echtzeit Vitalparameter zur Verfügung gestellt, aber bspw. auch Visualisierungen der Anatomie des Patienten dargestellt werden und dadurch Operationen weniger invasiv, akkurater und somit sicherer machen. 

Ähnlich wie im Sportunterricht könnten Ergotherapie und Reha aufgepeppt werden. Patienten können individuelle spielerische Übungen an die Hand bekommen, die sie motivieren sich zu bewegen. 

Allgemein könnten die Patienten besser über ihre Diagnosen, Therapien und deren Hintergründe informiert werden. Dies schafft vermutlich auch mehr Verständnis und Vertrauen gegenüber den behandelnden Ärzten. Es unterstützt, den aus meiner Sicht oft noch immer nicht ernst genug genommenen Auftrag von Behandelnden dem Patienten gleichwürdig zu begegnen. 

Insgesamt hat der Einsatz von AR im Gesundheitswesen das Potenzial, die Erfahrungen der Patienten zu verbessern und den medizinischen Fachkräften zu helfen, eine genauere, effizientere und kostengünstigere Versorgung zu leisten.

Gaming

Auch hier bietet die Technologie viel Spielraum. So kann die digitale Spielwelt mit der realen Welt kombiniert werden, um ein völlig neues Erlebnis zu schaffen. Das heimische Wohnzimmer kann zur Spielplattform werden, in der man mittelalterliche Städte auf dem Couchtisch baut. Genau so kann die Bushaltestelle beim Warten zur Pokémon Arena umfunktioniert werden. Beides ist bereits heute möglich. 

Auch die Multiplayer Erfahrung kann verbessert werden, z.B. kann der Spielpartner in den Raum projiziert werden, egal wo er sich gerade in der physischen Welt befindet und damit vielleicht, so zumindest meine Hoffnung, die guten alten Zeiten der Lan Partys wiederbeleben. 

Auch die Inklusion bzw. Accessibility in Spielen kann verbessert werden. Mit Hilfe der Brille könnte ein Autorennspiel auch mit den Augen gesteuert werden und vieles mehr. 

Interessant ist auch die Möglichkeit AR Spiele mit anderen Geräten, die mit dem Internet verbunden sind, Stichwort Internet of Things, zu koppeln. Damit kann das Spielerlebnis weiter verstärkt werden, indem Lichtanlage, Thermostat oder Soundsystem mit dem Spiel und der Brille verbunden sind. Ist man so z.B. in einem Spiel im dunklen Keller, kann das Licht gedimmt und die Temperatur entsprechend angepasst werden, um die Immersion weiter zu verstärken. 

Insgesamt sieht die Zukunft von AR in der Gaming Industrie vielversprechend aus. Da sich die Technologie ständig weiterentwickelt und verbessert, wird sie die Grenzen des Möglichen in der Gaming Industrie ebenfalls weiter verschieben.

Personen Transport

Dank der Möglichkeiten der AR Technologie kann die Art, wie wir mit Verkehrsmittel interagieren, verbessert werden. So können z.B. beim Autofahren Informationen wie Geschwindigkeit, Tankfüllung und Navigation direkt in das Sichtfeld des Fahrers eingeblendet werden, ohne dass er seinen Blick von der Straße abwenden muss. Das macht das Fahren sicherer und einfacher. 

Besonders die Navigation kann von der Technik profitieren. So können z.B. Orte von Interesse oder Abzweigungen der Straßen direkt visuell angezeigt werden. Der Fahrende kann damit ein klareres Bild seiner Umgebung erlangen und bessere Entscheidungen treffen. Das würde insgesamt die Sicherheit im Verkehr erhöhen. Verstärkt werden kann die Sicherheit zusätzlich durch Funktionen wie die Frühwarnung (analysiert durch AI und visualisiert durch die Brille) vor möglichen Gefahren oder aber auch durch das Angebot der Navigation durch unübersichtliches Gebiet oder Nebel. 

Sollte das Auto einmal liegen bleiben bzw. eine technische Störung haben, können Hilfestellungen und Reparaturanleitungen eingeblendet werden. Bei offener Motorhaube verstehen die meisten Fahrenden nur sehr wenig von dem, was sie dort sehen. Dies könnte sich durch eine Überlagerung mit den für die Reparatur wichtigen Informationen verbessern. 

Im öffentlichen Personenverkehr, sei es Bus, Zug oder Flugzeug könnten sich Informationen über die Umgebung, Geschwindigkeit, Route und ggf. Flughöhe einblenden lassen. 

Insgesamt kann AR den Verkehr sicherer und nutzerfreundlicher gestalten und die Möglichkeiten der Navigation und Wissensvermittlung auf dem Weg zum Ziel erweitern.

Tourismus

Damit einhergehend kann auch die Tourismus-Branche von den Möglichkeiten der Augmented Reality profitieren. Ein Beispiel dafür, wie AR bereits heute im Tourismus eingesetzt wird, sind Apps auf dem Smartphone, die Touristen Informationen und virtuelle Touren zu historischen Sehenswürdigkeiten und anderen touristischen Zielen bieten. 

In Zukunft könnte AR in ein breites Spektrum von tourismusbezogenen Dienstleistungen integriert werden. Zum Beispiel in Form von digitalen Reiseführern, die den Besuchern helfen können, sich an einem neuen, ihnen unbekannten Ort zurechtzufinden. Sie könnten Informationen über die Geschichte des Ortes erhalten oder Empfehlungen für Besichtigungen, Restaurants oder Museumsausstellungen an die Hand bekommen. In letzteren könnte der Museumsbesuch mit vielen weiteren Informationen über die Ausstellungstücke erweitert werden. Dies würde auch ermöglichen, jeglichen Nationalitäten (wenn implementiert) Informationen zu den Exponaten etc. zur Verfügung zu stellen. So könnte AR einen großen Beitrag zur Chancengleichheit der Kulturen bieten. Bei kritischer Betrachtung bzw. einseitiger Programmierung könnte sie Ungleichheit allerdings auch genau so gut verstärken. Die Frage der Zugänglichkeit dieser Technik stelle ich mir in den folgenden Abschnitten.

Insgesamt ist es recht wahrscheinlich, dass AR eine Rolle bei der Entwicklung neuer Formen des Tourismus spielen wird, wie z. B. Virtual Reality (VR) und Mixed Reality Tourismus (MR), die es den Menschen ermöglichen, Reiseziele und Attraktionen auf eine völlig neue und immersive Weise zu erleben, unabhängig von ihrem physischen Standort.

Werbung

Auch für Werbung bietet AR vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Sicherlich einer der unangenehmeren Aspekte, die bereits in vielen Science Fiction Filmen dargestellt wurden. Dennoch möchte ich an dieser Stelle darauf eingehen, da AR hier die Art, wie Marken mit ihren Kunden interagieren können, in Zukunft massiv erweitern und verändern kann. 

Kleidung kann aus dem Schaufenster unmittelbar an sich selbst betrachtet werden, quasi im Vorbeigehen. Möbel können in die Wohnung projiziert und damit mit dem restlichen Mobiliar, Wandfarben etc. abgestimmt werden. Ikea bietet bereits heute die Möglichkeit, ihre Möbel in die heimischen vier Wände zu projizieren, an.

Unangenehmer wird es im Bereich der personalisierten Werbung. Produkte können jederzeit und überall in das Sichtfeld des Konsumenten eingeblendet werden. War er oder sie gerade Joggen, wirkt die Verführung eines kalten Erfrischungsgetränks sicherlich noch etwas größer. Läuft man dann gerade an einem Laden vorbei, der das entsprechende Getränk im Sortiment hat und einem dieses direkt vor die Nase projiziert, kann man kaum noch widerstehen. Verknüpft mit Big Data und AI wird es zu einem mächtigen Tool, um den Konsumwunsch zu steigern und das Kaufverhalten zu modifizieren. 

So können, wie eben skizziert, interaktive Schaufenster oder Eingänge von Geschäften gestaltet werden, die die vorbei schlendernden Passanten gekonnt in den Laden ziehen. Auch interaktive Reklame macht sicherlich viel Eindruck und wird so manchen Fahrer vom Verkehr ablenken. Werbeplakate könnten so gestaltet sein, dass bei Betrachtung direkt ein Spiel oder Quiz gestartet wird, in dem z.B. Kinder oder auch erwachsene Beifahrer das Produkt während der Fahrt näher kennen lernen können, man hat ja sonst nicht viel zu tun. Selbst wenn man schon lange an der Werbung vorbei gefahren ist, bleibt sie so in der Aufmerksamkeit der potentiellen Kunden. 

Die Werbung ist ein Möglichkeitsraum für AR, der genauso groß wie beängstigend auf mich wirkt. Gerade wenn sich die Technik mit AI verbindet, um personalisierte Werbung anzubieten, die durch die Überlagerung des Sichtbaren realen Rahmens extrem präsent gemacht wird.

Was sind die tieferen Bedürfnisse hinter dieser Technologie

Aber warum ist die Augmented Reality so faszinierend? Hier nun einige Utopien, Ideale und Sehnsüchte der Menschen, die diese Technologie attraktiv erscheinen lassen, unterteilt und veranschaulicht durch das Konzept des „Paradises“. Eine passende Metapher um sich den zugrunde liegenden Sachverhalten zu nähern. Ich habe diese Betrachtungsweise aus den Vorlesungen übernommen. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank für den produktiven Input, es war sehr bereichernd den Expertisen und Ausführungen der Professoren zu folgen.

Paradies des Wissens - Allwissenheit -

Die Möglichkeit überall und zu jeder Zeit Wissen an die Hand zu bekommen. „Do what you cant“ (Samsung) noch besser umsetzen.

Beispiel : Ich kann auf einmal einen Vergaser ausbauen, da mir alles Schritt für Schritt angezeigt wird. Und zwar genau dann und genau da wo ich die Informationen brauche. Buchstäblich das gesamte Wissen der Menschheit auf einen Blick.

Paradies des Übermenschlichen / Göttlichen / der Effektivität - Der ideale Mensch -

Arbeit:

Chirurgen, Architekten etc. können besser und schneller arbeiten. Dadurch bekomme ich womöglich schönere Häuser zum Wohnen und damit ich genug Zeit habe, das zu genießen, auch noch ein längeres Leben durch bessere medizinische Versorgung und durch Technik verbessertes Personal.

Freizeit:

Ich kann z.B. Expeditionen in den Jungle starten mit minimaler Vorerfahrung. Essbare Pflanzen, Gefahren etc. werden identifiziert und an mich kommuniziert / mir erklärt. Wissen on the run.

Navigator / Schützender Reisebegleiter

(gehört zu Allwissenheit) Wissen über z.B. Wege, Orte oder Objekte in einem mir unbekannten Gebiet.

Paradies der Sicherheit -Ewiges Leben-

Ich bin überall und immer in Sicherheit, komme damit der Unsterblichkeit näher.

Paradies des Lustprinzips -Spass -

Stetige immersive mediale Unterhaltung, Spiele, interaktive Filme etc. alles ist immer und überall verfügbar: Minimaler Aufwand, großes Vergnügen.

Paradies der Gemeinschaft

Always on - Verbundenheit mit unserem sozialen Umfeld. Stetiges Wissen darüber, was in unserer Umgebung so los ist. Keine Angst des Verpassens (Fear of missing out wird gemildert). Soziale Konnektivität, zwar virtuell aber in Echtzeit und aufwandsarm.

Paradies der Reinheit - Alle divers vs. alle gleich -

Brille soll Unterschiede (sichtbar) beibehalten vs. Ermächtigen alles zu tun/zu sein, was man tun/sein will.

Technik Paradies -Strahlende Zukunft durch Technik (vs. Natur?)-

Mit Technik und Mut ist alles zu bewältigen und führt eine Zukunft herbei, die anders ist als die Gegenwart. Wir müssen uns nur hingeben, unsere Daten teilen und die Produkte kaufen. Dann ist alles gut.

Umzug ins Offene ...

Im folgenden Abschnitt begebe ich mich auf eine gedankliche Reise. Ich gehe der Frage nach, was Augmented Reality und damit einhergehend die Immersion mit dem Individuum und der Gesellschaft als Ganzes machen könnte. Ab hier wird es also spekulativ aber, wie ich hoffe, nicht weniger interessant.

Gesellschaftliche Dimension

Wie Marshall McLuhan in seinem Buch „The global village“ Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts ausformulierte, befinden wir uns in dem Zeitalter der globalen Konnektivität. Die These, die der amerikanische Psychologe Stanley Milgram 1967 aufstellte, das sogenannte „Kleine Welt Phänomen“, wurde durch Social Media, allen voran Facebook, im Jahre 2016 bereits neu definiert. Zum 12. Geburtstag untersuchte Facebook, wie nah die Menschheit miteinander in Beziehung steht und fand dabei heraus, dass die Kette durch die sozialen Netzwerke bereits deutlich kürzer geworden ist. Statt 6 sind es mittlerweile nur noch 3,57 Ecken. Das bedeutet, dass wir im Durchschnitt über drei Ecken jede Person auf diesem Planeten kennen. Das bedeutet, dass jeder Einzelne, der diesen Text liest, jemanden kennt, der jemanden kennt, der Putin kennt und wieder einen anderen, der Joe Biden kennt.

Aber ist das wirklich so? In der Realität fühlt sich weder Putin noch Biden wie eine mir oder meinem Freundeskreis nahstehende Person an. Wird mir nun durch moderne Technik, wie es die Google Glass und deren Nachfolger sind, suggeriert, dass ich mich in einem so verknüpften sozialen Netzwerk befinde, verliere ich möglicherweise den Bezug zur Realität. Was wirkliche Kontakte und soziale Interaktion bedeuten, ist durch die Technisierung schwammiger geworden und lässt sich nicht mehr so leicht definieren, wie noch vor dreißig Jahren. Wie könnte es dann in dreißig weiteren Jahren aussehen? Werden die Grenzen zwischen realen, wahrhaftigen Interaktionen und digitalen, teils rein künstlichen Interaktionen (mit Robotern oder reiner AI über Interface) so unscharf, dass man die Unterscheidung gar nicht mehr treffen kann oder möchte? Meiner Beobachtung nach, befinden wir uns bereits mitten im Umbruch. Ich habe durch die sozialen Medien auf meinem Smartphone das Gefühl, im Kontakt mit einem großen Freundeskreis zu stehen, zu wissen, was sie beschäftigt, wo sie sich gerade aufhalten etc. Doch schaue ich genauer hin, habe ich mit 90% der Menschen keinen bis sehr sporadischen Kontakt im Sinne von Interaktion. Dennoch bin ich mit meinem sozialen Bedürfnis teils damit befriedigt, zu wissen, wo Person XY gerade im Urlaub ist. Die Versuchung ist groß, den Content zu konsumieren anstatt mit Personen zu interagieren. Ich denke diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren zunehmend verstärken. Ich sehe bereits an meinem kleinen Bruder, der zehn Jahre jünger ist als ich, dass sich die Freundeskreise insgesamt stark verkleinert haben und sich das, was an Interaktionen stattfindet sich zu einem großen Teil im digitalen Raum abspielt. Daraus schlussfolgere ich, dass die Vereinsamung zunehmend voranschreiten wird, je einfacher es die Technik macht, Treffen mit Freunden in den digitalen Raum zu verlagern. Vielleicht sind wir auch nur in einem Übergang und die Freundeskreise wachsen wieder, wenn sich die Menschen ausschließlich in digitalen Räumen, im Metaverse, begegnen. Hoffentlich wird es dann nicht das von Herrn Zuckerberg sein, sondern aufgesplittet in abertausende Fraktale, Paralleluniversen, die miteinander verbunden sind. Aber das ist ein anderes Thema. 

Meine Befürchtung ist, dass eine Technologie wie AR und VR die Versuchung zu groß macht, soziale Interaktionen im realen Raum weitestgehend zu vermeiden. Dies birgt eine Reihe von Risiken für die psychische und auch physische Gesundheit. Daher hoffe ich, dass VR kein so großen Stellenwert für zukünftige Generationen einnehmen wird, wie ein riesiger Tech Konzern unserer Zeit hofft, der im Übrigen momentan unglaubliche Summen in AR/VR Tech und Forschung investiert.

Ob die digitale Welt jemals alle sichtbaren Dimensionen abdecken können wird, die die Realität zu Verfügung stellt, halte ich im Prinzip für möglich aber auch für extrem komplex und schwierig umzusetzen, vielleicht sogar utopisch. Auch bedarf es dazu Hardware, die niemals jede Person auf dieser Welt zu freien Verfügung haben wird. Damit wird das Kennenlernen von Personen aus einem Bergdorf in Nepal sicherlich nicht leichter und viele Lebensentwürfe und deren Erfahrungswerte abseits der Technik werden völlig ausgeklammert. Zumindest das kann ich mit Bestimmtheit kritisieren. 

Wir werden wohl niemals genug Ressourcen auf dem Planeten haben, um allen diese hoch komplexe Technologie zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird eine Spaltung der Gesellschaft verstärkt, die bereits heute fühlbar ist. Denn was wird einem in diesen digitalen Welten gezeigt? Wer kontrolliert den Content? Auch hier liegen große Gefahren. Ich rede sehr ungern von „denen“ aber irgendwelche Instanzen werden die Gatekeeper der Informationen sein. Diese Personen werden sehr viel Macht haben und ich hoffe, dass sie diese für das Gute einsetzen bzw. im Sinne des Allgemeinwohls entscheiden, auch wenn der Blick in Gegenwart und Vergangenheit zeigt, dass Personen in solchen Machtpositionen nicht immer zum Allgemeinwohl handeln.

Persönliche Dimension

Was bedeutet es für den einzelnen wenn er oder sie stetiger Immersion ausgesetzt ist? Die Frage, was Realität und was Simulation ist, kam spätestens durch die Matrix Reihe in das kollektive Bewusstsein. Ob eine Unterscheidung zwischen beidem ab einem gewissen Punkt überhaupt noch möglich ist, wage ich zu bezweifeln. 

In Zeiten von Neuralink und Co. ist ein Anschluss bzw. eine Leitung von externer Technik an das menschliche Gehirn mehr als denkbar. Ich vermute, dass in den nächsten Jahrzehnten der finale Durchbruch in diesem Forschungsbereich stattfinden wird und dieser dann Stück für Stück performanter gemacht wird.

Bleiben wir bei dem Objekt der Google Glass bzw. AR Brille, dann ist die vollständige Simulation der Umgebung nicht einmal erwünscht, dies wäre VR. Dennoch hat die Augmented Reality seine Tücken. Wird meine Wahrnehmung stetig mit künstlichen Inhalten überlagert, verliere ich früher oder später den Bezug zur „reinen“ Realität. Wird die Grafik so gut, dass sie von der analogen Umgebung nicht mehr unterscheidbar wird, verliert sie augenscheinlich ihre Künstlichkeit. Früher oder später nehme ich damit möglicherweise alles für wahr, was mir im Alltag begegnet, selbst wenn es nicht wahr ist. Zum Beispiel künstliche Personen in Form von Assistenten. Ist Siri permanent oder immer, wenn ich es mir wünsche in meiner Umgebung, in Form eines physischen Charakters, werde ich sie mit der Zeit möglicherweise als Person anerkennen. Man könnte argumentieren, dass die Definition einer Person zwar juristisch geklärt, dennoch recht unscharf gezeichnet ist und somit Raum für die Behauptung lässt, Siri könnte unter bestimmten Voraussetzungen eine Person sein/werden. Diese Frage drängt sich, langfristig betrachtet, bei Themen der AI förmlich auf. 

Dennoch ist der Prozess der Immersion in seiner Gesamtheit schwer zu greifen und kritisch zu betrachten. Die Frage was Realität ist, lässt sich nicht vollends beantworten und vermutlich gibt es gar nicht die eine Antwort darauf. Dennoch halte ich es für gefährlich, wenn jemand anderes, sei es eine Person, ein Konzern, eine Regierung oder eine AI anfängt, meine Realität nach seinen oder ihren Vorstellungen, Werten und Normen umzuformen.

Die Google Glass der Zukunft, mein Fazit, versteckt in einer Produktbeschreibung

Trotz meiner Bedenken halte ich die AR Technologie für sehr bereichernd. Die Ausarbeitung dreidimensionaler Benutzeroberflächen finde ich extrem spannend. Unter Einbeziehung meiner Bedenken, muss das Produkt klaren Vorgaben gerecht werden, Reglementierungen, die meinem persönlichen moralischen Kompass unterliegen. Wäre das Unternehmen aufgeschlossen für die Vorschläge und Ideen, die sich daraus ergeben, wäre ich gerne bereit an einer neuen Google Glass zu arbeiten. 

Diese Brille sollte so gebaut sein, dass sie sich möglichst viele Menschen und Institutionen wie Schulen, Universitäten etc. leisten können, um Ungleichheiten vorzubeugen. 

Sie sollte Datenströme sichtbar machen können. Wo kommen die Informationen her, die ich sehe? Wo gehen die Informationen hin, die ich übermittle? Daten-Transparenz ist extrem wichtig. Dies für die Nutzer und Nutzerinnen erfahrbar zu machen, ist Aufgabe der Gestalter und damit auch meine persönliche Aufgabe. Damit einhergehend muss der Datenschutz gewährleistet sein. Eine AR Brille liefert sehr viele Informationen der Nutzer. Diese sollten ausschließlich lokal gespeichert werden und nicht an die Cloud übertragen werden. Außer der Nutzende wünscht dies explizit. 

Ich persönlich finde, meine Produkte sollten nicht zum Spielen genutzt werden. Der öffentliche Raum sollte ein Ort der Begegnung bleiben bzw. wieder stärker werden. Ich sehe die Gefahr, dass durch die Brille eine selbstverschuldete Isolation weiter befördert wird. Gemeinsames Spielen kann die Menschen allerdings auch näher zusammen bringen. Über diesen Punkt bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Vorerst möchte ich aber keine Gamification an der neuen Google Glass.

Auch sollte die Brille wenn irgend möglich keine Frontkamera besitzen. Apple arbeitet an der LiDAR Sensoren Technologie, die es unter Umständen ermöglichen könnte, eine dreidimensionale Abbildung des Raumes zu erhalten, in den die Brille die virtuellen Inhalte an die richtige Position Mappen könnte ohne weiterführende Informationen wie Face Recognition etc. zu analysieren. 

Auch sollte es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglicht werden, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen. Die Brille könnte dies durch verschiedenste Mechanismen unterstützen. Z.B. das Schreiben von Text ohne Arme und Beine nur durch die Bewegung der Augen.

Auch sollte sie robust gebaut sein und einen starken Fokus auf die Unterstützung von Arbeitsprozessen legen. Gerade in der Arbeitswelt könnte so eine Brille die Arbeit vieler Menschen sicherer und einfacher machen. Dies halte ich für äußerst unterstützenswert. 

Alles in allem birgt die Technologie viel Potential für Gefahren aber mindestens genau so viele für Innovation und Bereicherung des Alltags der Menschen. Unter den richtigen Bedingungen und mit klaren Vorgaben im Hinblick auf das Allgemeinwohl und die psychische Gesundheit des Einzelnen kann die Immersion unter diesen Vorgaben eine zukunftsweisende und unterstützende Technologie sein, die ich gerne mitgestalten möchte.

Quellenverzeichnis

Ein Projekt von

Fachgruppe

Theorie

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Dr. phil. Rainer Funke foto: Prof. Volker von Kardorff

Zugehöriger Workspace

Zukunftsbilder im Design – Umzug ins Offene

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2022 / 2023

Keywords