In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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In der Bachelorarbeit „Design und Geschlecht - Möglichkeiten zum Abbau des Zwei-Geschlechter-Systems“ untersuche ich die These, dass Design das Zwei-Geschlechter-System festigen und im Umkehrschluss auch attackieren kann. Im Rahmen dessen beschäftige ich mich mit dem Begriff des Sexdesign und queeren, nicht benennbaren, sich stetig verändernden Körpern als subversiver Akt. Eine digitale Infografik zu den körperlichen Veränderungen durch eine Hormontherapie mit Testosteron geht als Beispiel voran und zeigt, inwieweit der Körper als ein ebensolcher Avatar verstanden werden kann.
„Design und Geschlecht - Möglichkeiten zum Abbau des Zwei-Geschlechter-Systems durch Design“ bietet, als gebundenes Buch, die wissenschaftliche Grundlage für das infografische Projekt „Testosteron - Ein neuer Avatar“.
Vorwort
Queer-feministische Forderungen bekommen seit einigen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit von der Dominanzgesellschaft. Dass, das Zwei-Geschlechter-System viele queere Personen physisch sowie psychisch schädigt, ist jedoch schon seit viel längerer Zeit bekannt. Besonders der intersektionale Feminismus macht darauf aufmerksam, dass das Zwei-Geschlechter-System besonders für Personen, die Mehrfachdiskriminierung erfahren, sprich beispielsweise von Rassismus und Transfeindlichkeit betroffen sind, lebensgefährlich ist (Vgl. Barker/Scheele, 2019.). Dass es somit das Machtgefüge des Zwei-Geschlechter-Systems abzubauen gilt, steht in dieser Arbeit außer Frage. Um das Machtgefüge des Zwei-Geschlechter-Systems abzubauen, muss verstanden werden, wie dieses entstanden ist und gefestigt wird. 1990 stellte Judith Butler in dem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ aufbauend auf Simone de Beauvoirs Erkenntnissen die Performativitätstheorie auf. Butler versucht mit der Performativitätstheorie die Natürlichkeit des Zwei-Geschlechter-Systems zu Widerlegen und untersucht das Potenzial in den sich daraus ergebenden Konsequenzen (Butler, 2020.). Auf diesen Erkenntnissen fußen viele der aktuellen Forderungen und Diskurse.
Aufgrund der Wut, mit der sich geschlechtsspezifisches Marketing im Kapitalismus im vergangenen Jahrhundert ausgeweitet hat, ist für viele eine Welt ohne geschlechtsspezifische Marker nicht mehr vorstellbar. Durch die Angst vor dem Verlust von Privilegien, durch den Bruch mit der Norm, wird das Zwei-Geschlechter-System weiterhin reproduziert (Vgl. Canlı, 2016.). Gegenderte Objekte sind jedoch eher Mikrobeispiele in der Hypothese dieser Arbeit, dass das Zwei-Geschlechter-System durch Design gefestigt wird. Viele Arbeiten, die sich bisher kritisch mit der Thematik des geschlechtsspezifischen Design beschäftigten, gehen nicht über das Zwei-Geschlechter-System hinaus.
Aufbauend auf der These, dass Design das Zwei-Geschlechter-System festigt, stellt sich die Frage, ob und wie Design genutzt werden kann, um das Zwei-Geschlechter-System und seine Machtgefüge anzugreifen.
Ergebnisse
Anhand der Auseinandersetzung mit Literatur aus dem queer-feministischen Diskurs um Design setzte sich diese Bachelorarbeit im Wesentlichen mit dem Thema „Geschlecht und Design“ auseinander. Aufbauend auf der These, dass Design das Zwei-Geschlechter-System festigt, wurde die Frage beantwortet, ob und wie Design genutzt werden kann, um die bestehenden Machtgefüge anzugreifen.
Anhand der Belege für die These, dass Design das Zwei-Geschlechter-System festigt, lässt sich schließen, dass Design im Umkehrschluss die bestehenden Strukturen nicht nur stärken, sondern auch abbauen kann.
Auch wenn Objekte für eine Endfunktion bestimmt sind, bilden sie Reaktionsketten mit einer ähnlichen, wenn nicht sogar größeren Wichtigkeit. Diese Reaktionsketten verbinden Personen, Werkzeuge, Maschinen, Gesetze, Wirtschaft und nicht zuletzt Geld miteinander. Akrich macht darauf aufmerksam, dass diese Reaktionsketten durch das Skript der Designer:innen entsteht. Designer:innen und Objekte schaffen somit direkte gesellschaftliche Strukturen (Vgl. Akrich, 1997.). Zudem hat das westliche Verständnis von Design eine koloniale, kapitalistische Geschichte, die noch heute die Designdisziplin prägt (Vgl. Canlı, 2016.) und in Symbiose mit dem Zwei-Geschlechter-System steht. Auch wenn die Definition von Design selbst wertfrei ist, so sind es Designer:innen nicht. Design innerhalb des Zwei-Geschlechter-Systems wird immer schädigend sein, durch das Verstehen dieser Machtstrukturen kann der Schaden jedoch minimiert werden.
Um der bestehende geschlechtsspezifische Unterdrückung vollständig entgegenzuwirken, ist es wichtig zu verstehen, dass das Zwei-Geschlechter-System auf keiner natürlichen Kategorie aufbaut, sondern als Machtgefüge entstanden ist. Um die bestehenden Machtstrukturen vollständig abzubauen, muss das Zwei-Geschlechter-System abgebaut werden. Das bedeutet jedoch nicht, die Kategorie Geschlecht selbst aufzugeben, sondern viel mehr so vielen Geschlechtsexpressionen wie Personen Raum zu bieten, um die Kategorie Geschlecht unwichtig werden zu lassen. Die Erkenntnis, dass der Körper, wie ihn das westliche System versteht, nur Sexdesign durch die Kontrolle von Hormonen ist, ist grundlegend für die Zurückeroberung der eigenen Existenz (Preciado, 2013.) Queere, sich ständig weiterentwickelnde, unbenennbare Existenzen mit multiplen Selbst sind subversiv für das Zwei-Geschlechter-System, da dieses auf Lesbarkeit aufbaut. Da das Zwei-Geschlechter-System, besonders intersektional betrachtet, sehr gefährlich ist, schlagen Gary W. Wood (Wood, 2018 nach Barker / Scheele, 2019.) und Legacy Russell vor, neue Geschlechtserfahrungen- und ausdrücke in fiktionalen und digitalen Räumen für die AFK-Welt zu explorieren und erproben (Russell, 2020.). In Anbetracht des Status-Quo und der Erkenntnis, dass es immer Backlashes geben wird, lässt sich schließen, dass das Helfen innerhalb der Community und das Ausmalen einer Utopie zukunftsfähiger ist, als das Belehren der Unterdrücker:innen. Über das Leben von Utopien kann das Zwei-Geschlechter-System attackiert werden. Es muss attackiert werden, um die bestehenden Machtgefüge vollständig abzubauen. Design kann dabei eine wertvolle Waffe sein.
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Ein individualisierterer Avatar in der Infografik „Testosteron - Ein neuer Avatar“ zeigt die möglichen körperlichen Veränderungen durch eine Hormontherapie mit Testosteron. Als digitales Spiel lehnt sich die Infografik dabei an das Charaktermenü der Sims an. Die Bewegung des Zeitstrahl-Reglers zeigt die Veränderungen innerhalb der ersten 3 Jahre an.
Die Infografik befindet sich als Einleger in der Arbeit. Als Posterflyer kann auf der einen Seite die Infografik als Standbild betrachtet werden. Auf der anderen Seite finden sich die Gestaltungsentscheidungen. Zur Präsentation im Januar entsteht ein Prototyp.
Status Quo
Das Zwei-Geschlechter-System kann nur durch die Einteilung in Mann und Frau bestehen. Um diese Einteilung weiterhin zu gewährleisten wird der Zugang zu Hormonen stark kontrolliert. Der Körper wie ihn das westliche System kennt, ist nur Sexdesign durch die Pharmaindustrie. Sexdesign hat zum Ziel aus Körpern funktionale Objekte für das Zwei-Geschlechter-System zu schaffen. Ein Beispiel dafür sind die risikoreichen Operationen von Intersex Personen.
Der freie Zugang zu Hormonen würde die Einteilung in Mann und Frau erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen. Etwas, dass sich immer ändert oder immer ändern kann, kann nur schwer in Kategorien eingeteilt werden. Für viele Trans Personen ist der Zugang somit nicht nur überlebenswichtig, sondern er macht die Transition auch zu einem subversiven Akt. In Legacy Russells Worten benötigt es „Queere, sich ständig weiterentwickelnde, nicht einordbare Avatare“. Indem der Zugang zu queeren Genderexpressionen der Weg bereitet wird, kann die Trans Community unterstützt und gleichzeitig die Ursache der bestehenden Machtstrukturen angegriffen werden.
Eine Hormontherapie erfordert teils monatelange Diagnosenstellungen und Ärzte:innenbesuche, von möglichen transfeindlichen und stigmatisierenden Therapeut:innen und Ärzt:innen. Ein Großteil der Informationslage ist in der Medizin extrem biased, wenn überhaupt zugänglich oder sogar vorhanden. Dadurch fällt vielen Trans Personen die Entscheidung für eine Hormontherapie zusätzlich schwer. Die Vertagung dieser Entscheidung kann jedoch schwere psychische Folgen haben. Nur wenige Flyer konnten als als Positivbeispiel dienen.
Konzept
Aufbauend auf dieser Ausgangssituation, soll eine Infografik entstehen, die, die Informationen zu einer Transition aufarbeitet und neu framt. Dieses neue Framing entsteht anhand von Stimmen von Trans Personen mit vorrangig Mehrfachdiskriminierung aus den Sozialen Medien. Um der bisherigen Stigmatisierung der Thematik entgegenzuwirken, möchte ich ihr eine gewisse Leichtigkeit vermitteln. Oft werden Trans Personen alleinig als Trans betrachtet. Transsein kann zwar, durch das Zwei-Geschlechter-System, das gesamte Leben von Personen beeinflussen, ist jedoch nur ein kleiner Teil der Persönlichkeit von Trans Personen. In dieser emotional sowie politisch aufgeladenen Thematik, braucht es kein Medium, welches erneut versucht die Informationen runterzubrechen, sondern die Möglichkeit von Transjoy aufzeigt, um der bisherigen Stigmatisierung entgegenwirken.
Dafür möchte ich Legacy Russells Bild des Avatars nutzen. Der Avatar zeigt die Veränderlichkeit des Körpers spielerisch auf. Der Avatar ist gleichzeitig eine Anspielung darauf, dass der Körper bereits aus Sexdesign besteht. Er kann individualisiert werden und zeigt daraufhin mögliche körperliche Veränderungen durch eine Hormontherapie und stellt Informationen zu diesen bereit. Die Infografik bewegt sich somit im digitalen Raum. Bereits Legacy Russell sah großes Potenzial darin, das eigene Selbst in digitalen Räumen für die Afk-Welt zu erproben.
Avatar
Avatare sind „Kunstfiguren als Verkörperung des Benutzers im Cyberspace“ (Avatar: in: Cambridge Dictionary, o. D., [online] https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch avatar (abgerufen am 08.12.2022)). Die Verbindung zu Geschlecht ist durch die häufige Vergeschlechtlichung der Kunstfiguren nicht zu leugnen. In Videospielen mit indivudalisierbaren Avataren wie „Mario Kart“, „Animal Crossing“ oder „Die Sims“ konnten viele Personen bereits im jungen Alter Genderexpressionen im fiktiven und digitalen Raum ohne gesellschaftliche Sanktionen austesten. Dieser Berührungspunkt mit verschiedenen Genderexpressionen ist für viele Trans Personen bedeutend. Um die Metapher des Avatars zu verstärken, habe ich das Avatarmenü dabei an die Videospielreihe „Die Sims“ angelehnt. „Die Sims“ ist eine Lebenssimulation. Die eigenen Entscheidungen nehmen dabei auf den Spielablauf Einfluss. „Die Sims“ ist ein Metapher dafür, dass es nach der Charaktererstellung weiter geht, maus jedoch jederzeit zurückkehren kann.
Die Sims
Ich bin dem Interfacedesign und der Formsprache der „Sims“ treu geblieben. Um der Thematik einer Hormontherapie gerecht zu werden, habe ich die Inhalte sowie den Umgang mit Farbe abgeändert. Um die realen körperlichen Veränderungen durch eine Hormontherapie für die Nutzer:innen darzustellen, habe ich mich für eine realistische Darstellung des Avatars entschieden, die schlussendlich der, der Sims zusätzlich ähnelt.
Das neue Design soll Sicherheit, Queerness und Zugänglichkeit ausdrücken. Um diesen Attributen gerecht zu werden, habe ich versucht mit den Prinzipien des Neat Design, die besonders im Interfacedesign vorherrschen zu brechen. Anstatt ein minimalistisches, überstrahlendes, kühles Design, schlage ich ein dunkles, warmes Design mit Einflüssen aus der Popkultur vor.
Mehr zu den Gestaltungsentscheidungen, wie zum Beispiel zur Farbpalette und zum Schriftbild, können im Posterflyer nachgelesen werden.
Die Infografik als Standbild.
Hier geht es zum Einleger.
Hier geht es zum Bachelorportfolio. Alternativ kannst Du aber auch den Weblink kopieren und ganz einfach in Deine Suchmaschine einfügen: https://indd.adobe.com/view/725daf55-a66b-4760-b8f0-b1b2a7bebff0