In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist politisches Ziel und Hoffnungsträger für die Lösung von Versorgungsproblemen innerhalb des deutschen Gesundheitssystems, die sich in den kommenden Jahren durch den demografischen Wandel noch zu verschärfen drohen. Politische Maßnahmen greifen dabei den bereits bestehenden soziotechnischen Wandel auf: Digitale Technologien, Anwendungen und Services sind inzwischen fester Bestandteil unseres Alltags und verändern, die Art und Weise, wie wir denken und handeln. Neue Formen der Kommunikation und des Austauschs ergeben sich. Den medizinischen Behandlungsalltag hat die Transformation - insbesondere in der ambulanten Versorgung- noch kaum erreicht. Laut Digital Health Index der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2018, welcher den Digitalisierungsgrad von 17 Ländern vergleicht, belegt Deutschland den vorletzten Platz (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2018). Viele Faktoren bremsen die digitale Transformationskraft des deutschen Gesundheitssystems. Oftmals werden bereits bestehende Konzepte, Prozesse und Abläufe lediglich elektronifiziert anstatt tatsächliche Potenziale digitaler Technologien im Bezug auf konkrete Bedarfe umzusetzen. Über nachhaltigen Erfolg oder Misserfolg einzelner Maßnahmen entscheiden letztendlich die Stakeholder, die mit ihren Entscheidungen Einfluss auf die Gestaltung der Gesundheitsversorgung nehmen können oder deren Interessen von Entscheidungen innerhalb des Systems „direkt oder indirekt betroffen sind“ (vgl. Acatech, Körber Stiftung & Universität Stuttgart, 2021, S.8) - so etwa ÄrztInnen und PatientInnen. Die Zukunft des Gesundheitswesens ist somit nicht allein technologisch determiniert. Es kommt darauf an, wie die zur Verfügung stehenden Technologien sinnvoll genutzt und angeeignet werden (vgl. Heidingsfelder, Kaiser, Kimpel & Schraudner, 2017, S.168ff.). Die digitale Transformation des Gesundheitssystems kann dabei als „Wicked Problem“ betrachtet werden (vgl. Rittel & Webber, 1973). Wicked Problems bezeichnen Probleme, die unklar, widersprüchlich oder sogar unlösbar erscheinen und für die es keine endgültige Formulierung und keine endgültige Lösung gibt, da viele Faktoren ineinandergreifen und einander bedingen, so wie etwa eine Vielzahl involvierter Akteure und soziale und politische Komplexität (vgl. Peters, 2017). Umso wichtiger ist hier der Einbezug relevanter Akteure in Gestaltungsprozesse.
Innerhalb der Arbeit sollen folgende Fragen beantwortet werden: 1. Welche Bedarfe für den Austausch bestehen zwischen ÄrztInnen und chronisch erkrankten PatientInnen? Welche Herausforderungen und Wünsche gibt es von beiden Seiten? 2. Welche Potenziale bietet die Digitalisierung des Gesundheitswesens um speziell auf diese Bedarfe im Sinne der sich wandelnden Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen einzugehen? 3. Wie können dabei ÄrztInnen in ihrer Arbeit entlastet und gleichzeitig PatientInnen die Möglichkeit zum selbstwirksamen Handeln im Bezug auf ihre eigene Gesundheit (im Sinne einer Digital Health Literacy) gegeben werden?
Vor allem in den Industriestaaten gehören chronische Erkrankungen zu den „häufigsten und gesundheitsökonomisch bedeutsamsten Gesundheitsproblemen“ (Robert Koch-Institut, Stand 2020). Während bei akuten Erkrankungen die Arzt-Patienten-Beziehung meist auf einen einzigen Moment des Austauschs beschränkt ist, sind chronische Erkrankungen von einem langen Verlauf und damit verbunden einer lang bestehenden Arzt-Patienten-Beziehung geprägt. Für den Erfolg der Therapie ist der erfolgreiche gemeinsame Austausch ausschlaggebend.
Als systemischer Rahmen zeigt diese Arbeit zunächst Tranformationshürden und Transformationstreiber für die digitale Transformation des Gesundheitswesen auf. Außerdem werden Potenziale und Herausforderungen des digitalen Wandels des Gesundheitswesens explizit im Bezug für den Austausch zwischen PatientInnen und ÄrztInnen abgebildet. Anschließend werden Möglichkeitsräume eröffnet, die die Potenziale der Digitalisierung für den Austausch zwischen ÄrztInnen und chronisch kranken PatientInnen in der Rheumatologie abbilden sollen. Möglichkeitsräume bezeichnen innerhalb dieser Arbeit gestaltete Vorschläge von Konzepten, Produkten, Services, Systemen und den mit ihnen verbundenen Prozessen und Handlungen, die ein Narrativ möglicher und wünschenswerter Entwicklungen einer Zukunft abbilden. Sie sind dabei keine final ausgestalteten Versionen ihrer selbst oder einzelner Produkte, sondern sollen als Diskussionsgrundlage für ihre weitere Ausarbeitung verstanden werden. Gleichzeitig sollen sie Impulse zur Ausgestaltung einer digitalen Gesundheitsversorgung geben, welche konkret an den Bedarfen der handelnden Akteure in der Gegenwart ausgerichtet ist und ihre Wünsche und Vorstellungen für zukünftige Entwicklungen abbildet.
ÄrztInnen und PatientInnen der Rheumatologie werden hierzu von Beginn, bereits am sogenannten „fuzzy front end„ des Designprozesses, zu dem Designfragen und -probleme erst noch gesetzt werden müssen (vgl. Sanders & Stappers, 2012, S.22, S.27) in den Gestaltungsprozess involviert. Anhand von Hospitationen, offenen Interviews und einer PatientInnen-Umfrage werden erste Handlungsfelder und dazugehörige Herausforderungen im Bezug auf den Austausch in der Rheumatologie identiziert. Anschließend werden diese innerhalb von visuellen Szenarien aufgegriffen, die mögliche auf digitalen Technologien basierende Prozesse abgebilden. Impuls-Interviews mit den prozessbegleitenden ÄrztInnen und PatientInnen legten konkrete Wünsche und Herausforderungen im Bezug auf einzelne Technologien offen. In einer Fokussierung entlang der Patient Journey auf die Zeit „Zwischen den Terminen“ wurde anschließend auf Grundlage einer Bewertung einzelner Konzepte anhand der Kriterien: - fördert Digital Health Literacy - entlastet ÄrztInnen - unterstützt den Austausch zwischen Ärztinnen und Patientinnen - fördert PatientInnenautonomie beispielhaft das Konzept eines digitalen Therapieassistenten in Form eines Chatbots näher ausgearbeitet. Hier werden erste Grundlagen der Gestaltung eines Chatbots durchlaufen und die Anwendung konkret an den, innerhalb der Recherche identifizierten Bedarfen ausgerichtet. Außerdem werden mögliche körperliche Einschränkung bezüglich der Nutzung digitaler Technologien von PatientInnen mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises adressiert. Anschließend werden zusätzlich Möglichkeitsräume der Anwendung des skizzierten Chatbots eröffnet, die einerseits zusätzliche Zugänge zum Assistenten eröffnen sollen und zum anderen Möglichkeiten der zusätzlichen Verarbeitung oder Einbindung von Daten aufzeigen.
The digital transformation of the healthcare system is a political goal and a beacon of hope for solving care problems within the German healthcare system, which threaten to become even more acute in the coming years due to demographic change. In this context, political measures are addressing the socio-technical changes that are already taking place: Digital technologies, applications and services have become an integral part of our everyday lives and are changing the way we think and act. New forms of communication and exchange are emerging. The transformation has hardly reached everyday medical treatment - especially in outpatient care. According to the Digital Health Index published by the Bertelsmann Foundation in 2018, which compares the level of digitization in 17 countries, Germany ranks second to last *(cf. Bertelsmann Stiftung, 2018)*. Many factors are slowing down the digital transformation power of the German healthcare system. Often, existing concepts, processes and workflows are merely electronified instead of implementing the actual potential of digital technologies in relation to specific needs. The sustainable success or failure of individual measures is ultimately decided by the stakeholders whose decisions can influence the design of health care or whose interests are directly or indirectly affected by decisions within the system * ( cf. Acatech, Körber Stiftung & Universität Stuttgart, 2021, p.8)* - such as physicians and patients. The future of healthcare is therefore not solely determined by technology. What matters is how the available technologies are used and appropriated in a meaningful way *(cf. Heidingsfelder, Kaiser, Kimpel & Schraudner, 2017, p.168ff.)*. The digital transformation of the healthcare system can be viewed as a „Wicked Problem“ in this context *(cf. Rittel & Webber, 1973)*. Wicked problems refer to problems that appear unclear, contradictory, or even unsolvable and for which there is no final formulation and no definitive solution, as many factors are intertwined and interdependent, such as a multitude of actors involved and social and political complexity *(cf. Peters, 2017)*. This makes the inclusion of relevant actors in design processes all the more important.
The following questions are to be answered within this thesis: 1. What needs for exchange exist between physicians and chronically ill patients? What challenges and wishes do both sides have? 2. What potential does the digitalization of the healthcare system offer to specifically address these needs in terms of the changing relationship between physicians and patients? 3. How can physicians be relieved in their work and at the same time patients be given the opportunity to act self-effectively with regard to their own health (in the sense of digital health literacy)?
Especially in industrialized countries, chronic diseases are among the most common and health-economically significant health problems *(cf. Robert Koch Institute, 2020)*. While in acute diseases the doctor-patient relationship is usually limited to a single moment of exchange, chronic diseases are characterized by a long course and thus a long-standing doctor-patient relationship. Successful joint exchange is crucial for the success of the therapy.
As a systemic framework, this work first identifies transformation hurdles and transformation drivers for the digital transformation of healthcare. In addition, potentials and challenges of the digital transformation of healthcare are explicitly mapped in relation to the exchange between patients and physicians.
Subsequently, „Möglichkeitsräume“ will be opened up to map the potentials of digitization for the exchange between physicians and chronically ill patients in rheumatology. Within this work, „Möglichkeitsräume“ refer to designed proposals of concepts, products, services, systems, and the processes and actions associated with them, which depict a narrative of possible and desirable developments of a future. They are not finalized versions of themselves or of individual products, but should be understood as a basis for discussion for their further elaboration. At the same time, they are intended to provide impetus for the design of a digital health care system that is specifically targeted at the needs of the actors involved in the present and reflects their wishes and ideas for future developments.
Doctors and patients in rheumatology are involved in the design process from the beginning, already at the so-called „fuzzy front end“ of the design process, to which design questions and problems have yet to be set *(cf. Sanders & Stappers, 2012, p.22, p.27)*. Based on job shadowing, open interviews and a patient survey, initial action areas and associated challenges related to exchange in rheumatology are identified. Subsequently, these will be addressed within visual scenarios that depict possible processes based on digital technologies. Impulse interviews with the physicians and patients accompanying the process revealed concrete wishes and challenges with regard to individual technologies. In a focus along the Patient Journey on the time „Between Appointments“, concepts were then developed and the following criteria were evaluated:
- promotes digital health literacy
- relieves the workload of physicians
- supports the exchange between doctors and patients
- promotes patient autonomy
As an example, the concept of a digital therapy assistant in the form of a chatbot was then elaborated in more detail. Here, the first basics of the design of a chatbot are run through and the application is concretely aligned with the needs identified within the research. Furthermore, possible physical limitations regarding the use of digital technologies of patients with rheumatic diseases are addressed. Subsequently, additional „Möglichkeitsräume“ of the application of the outlined chatbot will be opened, which on the one hand should open additional accesses to the assistant and on the other hand show possibilities of additional processing or integration of data.
Acatech; Körber Stiftung; Universität Stuttgart (Hrsg.) (2021). TechnikRadar 2021. Stakeholderperspektiven. München, Hamburg, Stuttgart.
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2018). Stand der Digital-Health-Entwicklung in 17 untersuchten Ländern. URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/stand-der-digital-health-entwicklung [29.09.2022]
Heidingsfelder, M., Kaiser, S., Kimpel, K., & Schraudner, M. (Hrsg.) (2017). Shaping Future. Neue Methoden für Partizipation in Forschung und Innovation. Fraunhofer Verlag.
Peters, B.G. (2017) What is so wicked about wicked problems? A conceptual analysis and a research program, Policy and Society, 36:3, S. 385-396, DOI: 10.1080/14494035.2017.1361633.
Rittel, H. W. J.; Webber, M. M. (1973). Dilemmas in the general theory of planning. Policy Sciences,4, S. 155–169.
Robert Koch-Institut (Stand 2020). Chronische Erkrankungen. Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/GesundAZ/C/Chron_Erkrankungen/Chron_Erkrankungen_node.html [01.09.2022]
Sanders, L.; Stappers, J.P. (2012). Convivial Toolbox. Generative Research for the Front End of Design. BIS Publishers, Amsterdam (4th printing 2018).