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Neurodivergenz im Dialog

Making the in-between visible Betreuung: Susanne Stahl FH Potsdam, Sommersemester 2022

Auseinandersetzung mit Dynamiken und Störfaktoren in Dialogen, aus der Perspektive neurodivergenter Menschen.

Umsetzung als Scrollytelling-Website in Readymag.

Einstieg ins Thema

Zu Beginn des Kurses beschäftigten wir uns mit verschiedenen Formaten des Dialogs und darin existierenden Dynamiken und Störfaktoren. Schwerpunkt war auch die visuelle Dokumentation und gestalterischer Umsetzung dieser Dialoge und ihrer Zwischentöne.

Diese Zwischentöne können beispielsweise Emotionen, Umgebung, kulturelle und soziale Unterschiede, politische Ideologien oder Wort- und Inhaltsanalysen sein.

Mich interessierten dabei besonders neurokulturelle Unterschiede und die neurodivergente Verarbeitung von Dialogen und ihren Störfaktoren.

Was ist eigentlich Neurodivergenz?

In den Anfängen meines Projektes musste ich feststellen wie wenig Menschen über das Thema Neurodivergenz wissen. 

Deshalb gebe ich hier auch noch mal eine kompakte Begriffserklärung. Darüber hinaus lade ich ein, mein Projekt und die dort ausführlicheren Erläuterungen zu Neurodivergenz selbst zu erkunden.

Neurodivergenz
Sammelbezeichnung für alle Menschen außerhalb der neurologischen Norm

Neurodiversität
beschreibt die neurologische Vielfalt

neurodivergent
Identität/Selbstbeschreibung für Menschen außerhalb der neurologischen Norm

neuronormativ/ neurotypisch
Innerhalb der neurologischen Norm agierend

Neurotyp
Spezifische Gruppe, die festgelegte Facetten teilt.
Bsp: autistische Menschen, posttraumatisch belastete Menschen, 

Teilweise werden häufige Kombinationen/Korrelationen als eigene Neurotypen behandelt. Bsp.: ADHS-autistische Menschen haben Eigenschaften und Erfahrungen außerhalb dem, was nach den einzelnen Kriterien von ADHS und Autismus beschrieben wird.

Neurokulturell
neurologisch/neurodivers geformte Kultur
Neurotypen-spezifisch oder geformt von Normen (normativ/divergent)
Grundlage dieser Kulturen sind gemeinsame Denk-, Kommunikations- und Verhaltensweisen, geteilte Erfahrungen und der Austausch untereinander.
https://emergentdivergence.com/2022/02/06/neuroculture-and-the-dangers-of-homogeneity/

FYI
Neurodiversität/neurodivers wird oft auch als Synonym von Neurodivergent verwendet.

Zur Geschichte dieser Begriffe und ihrer Einführung durch Judy Singer und Kassiane Asasumasu sowie der verwendung der Begriffe: https://dart.ed.ac.uk/neurodiverse-or-neurodivergent/

Ideenfindung

Aus der Natur meiner eigenen Neurodivergenz und meiner Auseinandersetzung mit dieser, hatte ich von Anfang an eine divergente Perspektive auf das Thema Dialog. Und es war es mir wichtig, diese Perspektive im Kurs bearbeitet zu sehen.

Da ich mich bereits viel mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, war mein erster Ansatz, tief einzusteigen und sehr experimentell zu arbeiten. Eben divergent.

Nach den ersten Entwürfen merkte ich jedoch schnell, wie wenig Verständnis von Neurodivergenz und neurodivergentem Denken im Kurs und meinem Umfeld vorhanden ist. Meine Ideen waren viel zu weit gedacht und würden nicht verstanden oder missverstanden werden.

Eine Ausarbeitung dieser Ideen und gleichzeitige Aufklärung wäre weit über meine Kapazitäten und Kursanforderungen hinausgegangen.

Also schwenkte ich um auf einen auf Aufklärung konzentrierten Ansatz.

Ich wollte zunächst an einem Beispieltext verschiedene neurodiverse Dialogsituationen aufzeigen und diese gestalterisch experimentell hervorheben. Dafür aber den geeigneten Text zu finden oder schreiben, wäre jedoch zeitaufwändig gewesen. Und der experimentelle Ansatz stand immer noch in zeitlicher Konkurrenz mit dem edukativen Teil.

Um den Dialog beizubehalten und auch ohne der visuellen Experimente interessant umzusetzen, beschloss ich ihn als Ankerpunkt, als eine Art Inhaltsverzeichnis zu nehmen. Dies reduzierte meine Ansprüche an den Text und ich konnte einen geeigneten Dialog finden.

Der Dialog

Der verwendete Dialog ist aus der australischen Serie Please Like Me S1E2.

Die Serie wurde vom neurodivergenten Comedian Josh Thomas entwickelt und produziert. Darüber hinaus führte er auch die Regie und spielte die Hauptrolle. Josh Thomas ist queer, autistisch und hat ADHS.

Sowohl Please Like Me als auch seine Serie Everything's Gonna Be Okay sind explizit neurodivergent in ihren Narrativen, Thematiken, Charakteren und Schauspieler_innen. 

Diese beiden Serien sind zwar nicht perfekt, aber eine der besten Repräsentationen neurodivergenter Menschen in der aktuellen Serienlandschaft. Die meisten Medien, die Neurodivergenz thematisieren, tun dies immer noch aus einer neuronormativen, pathologisierenden Perspektive und reproduzieren gefährliche, schädigende Stereotypen.

Daher war es mir hier besonders wichtig, ein Dialogbeispiel zu verwenden, das von vorneherein aus einer neurodivergenten Perspektive ist und diese akkurat und authentisch darstellt.

Please Like Me ist auf Netflix.
TW// mental health, su*c*de, self-harm

Everything's Gonna Be Okay ist auf Hulu, in deutscher Vertonung auf RTL+
TW// death/cancer (s1e1), grief, sexual violence (s1e5-6)

Der Prozess

Zunächst begann ich in InDesign den Dialog umzusetzen und einen ersten Entwurf als Inhaltsverzeichnisses einer Publikation zu layouten. Dabei störte mich jedoch der sehr starre, traditionelle Ansatz. Es wäre sicher möglich gewesen, das Projekt als analoge Publikation umzusetzen, jedoch fühlte es sich nicht nach dem besten Medium an.

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Umsetzung als Scrollytelling

Ich stellte mir das Projekt von Anfang an immer wieder interaktiv und bewegt vor, war mir jedoch unsicher, ob meine Kenntnisse für eine Website ausreichen würden. Nach den ersten unzufriedenstellenden redaktionellen Entwürfen wagte ich den Schritt, mich in Readymag einzuarbeiten.

Ich wollte den Fluss des Gesprächs so organisch wie möglich in den Scrollvorgang übertragen.

Die Thematiken habe ich über ausklappende, auftauchende und durchs Bild ziehende Buttons eingezogen. Die Texte selbst lassen sich darüber auf separaten Seiten erreichen.

Um der Szene Kulisse zu geben und einige der Störfaktoren und Umweltelemente darzustellen, nutzte ich einfache geometrische Animationen.

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Accessibility

Mir war wichtig, die Website von Anfang an so weit wie möglich zugänglich zu machen. Ich musste jedoch feststellen, dass Readymag dafür schlecht geeignet ist, accessibility überhaupt nicht mitgedacht ist und ich bisher nicht die Coding-Skills besitze, um meine Ansprüche voll umzusetzen.

Beispielsweise hätte ich gerne ein mittlerweile recht übliches Accessibility Menü integriert, das die Website individuell anpassbar macht. Als Kompromisslösung habe ich stattdessen einen Button erstellt, um wenigstens Animationen an- und ausschalten zu können. 

Darüber hinaus werden am Anfang Hilfestellungen zur Verwendung gegeben. Zusätzlich zum explorativen Scrollen gibt es eine Übersicht der Themen im Menü, sodass diese auch direkt aufgerufen werden können. Die Sprache der Texte ist einfach gehalten und Fachbegriffe werden erklärt. Zeilenlängen sind kurz gehalten, Schriftgrößen der Texte sind groß gehalten.

Scrollytelling als Format bietet besonders für interessenbasierte Neurotypen (u.a. ADHS, autistisch) Vorteile durch exploratives, interaktives lernen. Jedoch bringt es auch potenzielle Hürden, wenn es nicht gut umgesetzt ist.

Tools wie Readymag bieten zwar Zugang in der einfachen Benutzung beim Erstellen von Webseiten, aber bieten kaum Möglichkeiten, diese für Nutzer_innen zugänglich zu machen.

Daher werde ich bei zukünftigen Projekten eher auf Plattformen setzen, die Accessibility mitdenken und genaueren Zugriff ermöglichen. Darüber hinaus braucht es für tatsächlich Accessibility eine Zusammenarbeit mit Webentwickler_innen, die mich beim Ausbau der Website unterstützen.

Die Website

Aufgrund der Größe des Projekts bleibt das Projekt bisher unvollendet.

Zum Ende des Semesters sind die Hauptseite und die generelle Navigationsstruktur, sowie drei der Themenseiten weitestgehend fertig.

Die Umsetzung der restlichen Texte und die Korrektur von einzelnen Fehlern und Einarbeitung von Feedback aus dem Rundgang werden voraussichtlich bis zur Transformation Ausstellung umgesetzt.

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Screenshot 2022-07-29 at 17-20-13 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.pngScreenshot 2022-07-29 at 17-20-13 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.png
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Screenshot 2022-07-29 at 17-21-00 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.pngScreenshot 2022-07-29 at 17-21-00 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.png
Screenshot 2022-07-29 at 17-21-54 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.pngScreenshot 2022-07-29 at 17-21-54 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.png
Screenshot 2022-07-29 at 17-22-38 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.pngScreenshot 2022-07-29 at 17-22-38 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.png
Screenshot 2022-07-29 at 17-23-48 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.pngScreenshot 2022-07-29 at 17-23-48 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.png
Screenshot 2022-07-29 at 17-24-40 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.pngScreenshot 2022-07-29 at 17-24-40 ‘Neurodivergent im Dialog’ by Alex.png

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Fazit

Das Projekt hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe viel gelernt. Die Arbeit an der Website hat mich motiviert, mich weiter in Webdesign und Web-Accessibility einzuarbeiten.

Darüber hinaus war es sehr schön zu sehen, wie gut das Scrollytelling zu meinem Projekt passte. Es hat sich definitiv gelohnt, aus meiner Komfortzone zu treten und neue Medien auszuprobieren.

Es war spannend, Readymag als Plattform kennenzulernen. Es ist toll, mit so einfachen Mitteln einfache Webites zu bauen. Readymag als Tool bietet viele Möglichkeiten und ist gerade für Anfänger in der Gestaltung einer Website eine gute Möglichkeit eigene Websites zu erstellen. Ich hoffe, dass das Tool in Zukunft weiter ausgebaut wird und mehr Zugriff auf Details und einfachere Bearbeitung von mehreren Objekten bietet.

Es braucht dringend Accessibility Features, die es Gestalter_innen ermöglichen, Websites einfacher zugänglich zu machen. Solange das nicht der Fall ist, kann ich Readymag nur für Entwürfe empfehlen, da die dabei entstehenden Websites in ihrer Unzugänglichkeit diskriminieren.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Susanne Stahl

Zugehöriger Workspace

Making the in-between visible

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2022