Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

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CUBE

CUBE ist ein künstlich geschaffener Erfahrungsraum für die Vermittlung der Diskrepanz einer Erwartung von Natürlichkeit anhand eines Waldes und einer Leere.

Idee

Ich stehe in einem mir bekannten Wald, die Sonne ist gerade untergegangen und ein zunehmender Schatten legt sich über meine Umgebung. In meiner Nähe ist ein anderes Lebewesen - ich erkenne es an verschiedenen Geräuschen, einem Kratzen und einem Rufen. Während ich diesem Ereignis während der Zeit der Helligkeit keine übermäßige Aufmerksamkeit geschenkt hätte, brennt sich nun, in der Dunkelheit, dieses Geräusch in mich ein und erzeugt in mir ein Gefühl der Unruhe und des Unbehagens. Ein vertrauter Ort hat sich verwandelt. Oder hat sich nur mein Fokus verändert?

Mit dem Ziel der Untersuchung dieses Gefühls bin ich an diese Projektarbeit herangegangen und habe mithilfe der Spiel-Engine UNREAL ENGINE ein erlebbares Setting geschaffen, welches die Spielerin einer Form der Grenze und Grenzüberschreitung aussetzt, sowie einem Konzept von Natürlichkeit und Unnatürlichkeit, Trennung und Verknüpfung.

Michel de Certeau schreibt in „Kunst des Handelns“ auf Seite 233 von dem Paradox der Grenze als durch Kontakt geschaffenen Ort der Trennung, welcher zwischen dieser und einer Verbindung changiere und so einen Übergang ermögliche.

Dieser Moment des Übergangs, den ich in meiner Erfahrung als Beginn meiner Unruhe festmache, wird in CUBE in einem buchstäblichen Übergang zwischen Raum 1 und Raum 2 dargestellt, welcher für die Spielerin jedoch nicht sofort deutlich wird.

Das Missverhältnis zwischen dem Geräusch eines Tieres und meiner Unfähigkeit es zu- und einzuordnen komme ich in Raum 2 nach. Hier werden in einem fast leeren Raum (Tier)laute ohne visuellen Kontext abgespielt und damit dem Prozess der Einordnung entzogen. Die einzelnen Klänge kommen aus Amateuraufnahmen, aus der professionellen Aufnahme und Produktion für ein Computerspiel (Papa Sangre 1 und 2) und aus der Imitation der tierischen Laute durch einen Menschen, ebenfalls für die Verwendung in einem Computerspiel (Minecraft). Zusätzlich zu der Entkopplung eines visuellen Abgleichs mit der Quelle kommt also noch die Trennung von der Erwartung eines Ursprungs und dem tatsächlichen Ursprung.

Umsetzung

Für die praktische Umsetzung des Projektes installiere ich lediglich die kostenfreie UNREAL ENGINE von EPIC GAMES und erstelle mein Arbeitsprojekt. Basierend auf den von mir zuvor erstellten Entwürfen und Notizen könnte ich nun den Aufbau der zwei Level und die Implementierung der von mir geplanten Funktionen durchführen.

Das es nicht so einfach wird, habe ich sehr schnell festgestellt. Hinter dem fertiggestellten Projekt liegt eine langwierige Recherche der unzähligen Funktionen und Möglichkeiten in UNREAL ENGINE durch zahllose YouTube Videos, Fachartikel und der Dokumentation des Programms durch EPIC. So habe ich neben meinem ersten Arbeitsprojekt noch sieben weitere Male komplett von vorne begonnen. Teilweise, weil ich erst an einem späteren Punkt Funktionen kennengelernt habe, die bisherige Lösungen meinerseits hinfällig gemacht haben und teilweise, weil durch einen Fehler meinerseits oder einen Programmabsturz die Projektdatei unwiderruflich beschädigt wurde.

Ein weiterer Punkt, der mir erst im Verlauf der Projektarbeit wirklich bewusst wurde, ist die Anforderung, die eine Arbeit mit UNREAL ENGINE an die Rechenleistung und Speicherkapazität des Systems stellt. So war mein Computer nicht nur während einem Großteil der Bearbeitungszeit unter Vollast, die Installation von UNREAL ENGINE und mein Projektordner zusammen umfassen mehr als 350 GB.

• Sichtbares / Unsichtbares

Nicht nur der Arbeitsaufwand bleibt weitestgehend verborgen, auch alle Prozesse hinter jedem einzelnen Element in CUBE sind ohne weiteres Wissen nicht differenzierbar.

In der Vorschau in UNREAL ENGINE werden zumindest einige der internen Prozesse visualisiert. Hinter jedem dieser Elemente steckt eine Reihe weiterer Optionen und Möglichkeiten.

Level_Cube_Perspective_Lit_Auf Baum.pngLevel_Cube_Perspective_Lit_Auf Baum.png
Level_Forest_Perspective_Lit_Auf Lichtung.pngLevel_Forest_Perspective_Lit_Auf Lichtung.png
Level_Forest_Perspective_Lit_Über Lichtung.pngLevel_Forest_Perspective_Lit_Über Lichtung.png
Level_Forest_Perspective_Lit_Vor Levelübergang.pngLevel_Forest_Perspective_Lit_Vor Levelübergang.png

Ansicht der beiden Level aus der internen Vorschau von UNREAL ENGINE.

Bild 1, 3, 4: Raum 1

Bild 2: Raum 2

Level_Cube_Glas Textur.pngLevel_Cube_Glas Textur.png
Level_Forest_Boden Textur.pngLevel_Forest_Boden Textur.png

Ansichten des internen Aufbaus zweier Materialien (Bestimmen das Aussehen von Objekten)

Bild 1: Material des Waldboden von Raum 1 - Verschiedene Texturen können kombiniert und automatisch basierend auf der Topografie des Untergrundes angewendet werden.

Bild 2: Material der Flächen des Würfels, die Raum 2 bestimmen - Ein einfach zu berechnendes transparentes Material

• Grenzen

Wie ich zu Beginn bereits angesprochen habe, ist das Bewusstsein von Grenze und auch Begrenzung einer der Fokuspunkte dieser Projektarbeit.

Konkret greife ich dies nicht nur im direkten Wechsel zwischen Raum 1 und 2, sondern auch für die Spielerin weitestgehend unsichtbar an verschiedenen Punkten in CUBE auf.

In Raum 1 ist die Spielfläche theoretisch unbegrenzt begehbar. Ich habe sie jedoch auf zwei Ebenen beschränkt. Einerseits visuell durch eine Art Tal welches die Sicht rundherum beschränkt und durch die Anordnung der Bäume, die einen klaren Weg und eine Richtung vorgeben. Andererseits durch eine für die Spielerin unsichtbare Barriere, welche den begehbaren Raum eingrenzt und so die Laufoptionen in eine der Rezeption günstige Richtung lenkt. Darüber hinaus ist am Eingang vor dem Weg ein Element platziert, welches bei Berührung mit dem Charakter der Spielerin eine Sequenz startet und den Wechsel von Tageslicht bis hin zu Dunkelheit durchführt. Für den eigentlichen Übergang zu Raum 2 ist auf der Hälfte des Weges ein weiterer Punkt platziert und mit einer leuchtenden Kugel markiert, um die Orientierung der Spielerin zu versichern. Bei Berührung mit dem Charakter der Spielerin wird das Level gewechselt.

In Raum 2 startet die Spielerin in der Mitte des Würfels, der den Raum bestimmt. Hier sind bewusst alle Grenzen und Begrenzungen nicht sichtbar gemacht. Um den Startpunkt der Spielerin herum ist ein würfelförmiger Bereich. Bei Berührung mit dem Charakter der Spielerin sorgt dieser für das Erscheinen der „Sterne“ bzw. leuchtenden Elemente, die um den begehbaren Raum herum unerreichbar platziert sind. Dessen Flächen sind bewusst transparent gestaltet, damit auch hier ein Gefühl der Grenzenlosigkeit suggeriert wird.

Level_Forest_Topview_Wireframe.pngLevel_Forest_Topview_Wireframe.png
Level_Forest_Perspective_PlayerCollision.pngLevel_Forest_Perspective_PlayerCollision.png
Level_Cube_Perspective_Lit_Von Außen.pngLevel_Cube_Perspective_Lit_Von Außen.png

Bild 1: Ansicht der Charakterkollisionen (rosa), die den Bewegungsraum der Spielerin in Raum 1 beschränken.

Bild 2: Ansicht von Raum 1 von oben als Wireframe (Gerüst aller 3D Objekte)

Bild 3: Außenansicht von Raum 2 - In der Mitte befindet sich der begehbare Raum, außen herum befinden sich ca. 500 leuchtende Kugeln.

• Klänge

SC_3.pngSC_3.png
Cube_Level Blueprint.pngCube_Level Blueprint.png
Level_Cube_Topview_Wireframe.pngLevel_Cube_Topview_Wireframe.png
SC_4.pngSC_4.png
SC_2.pngSC_2.png
SC_1.pngSC_1.png
SC_Mitte.pngSC_Mitte.png

Bild 1: Ansicht von Raum 2 von oben als Wireframe. Als Kreise sind die Radien der Klangquellen gekennzeichnet. Ausgehend von der Mitte der jeweiligen Klangquelle nimmt die Lautstärke der Töne bis zum Rand des Kreises stetig ab.

Bild 2: Ansicht der Aktivierung der Klangquellen auf der Programmierebene des Levels (Raum 2) Alle in Bild 1 gezeigten Klangquellen werden angesprochen und mit einem Zufallswert aktiviert, der die Zeit bis zur nächsten Aktivierung angibt.

Bild 3-5: Die Programmierebene der einzelnen Sound Cues (Klangquellen) - Alle abzuspielenden Töne sind verknüpft und werden zufällig ausgewählt und vor dem Abspielen leicht in ihrem Pitch verändert, um Varianz zu erzeugen.

In Bezug auf die Klanggestaltung von CUBE ist sowohl die Anwesenheit, als auch die Abwesenheit von Tönen relevant.

In Raum 1 habe ich bewusst auf alle Klänge verzichtet. Die Spielerin bewegt sich lautlos durch die Landschaft der sich still im Wind wiegenden Bäume und Gräser und alle sonst mit einem Wald assoziierten Geräusche sind ausgelassen.

Dem gegenüber steht Raum 2. Nach dem Betreten des Levels umgibt sie die Klangkulisse eines lebendigen Waldes und im Raum verteilt finden sich die Laute (echt und imitiert) verschiedenster Tiere.

Diese Differenz der Darstellung des Waldes als eine bekannte und mit persönlichen Erfahrungen vergleichbare Umgebung ohne auditive Merkmale und die Darstellung eines unbekannten Ortes mit bekannten auditiven Merkmalen erzeugt eine Asynchronität, die ich mit dem Moment des Übergangs im Vergleich zu De Certeau gleichsetzen würde.

Fazit

Der Zugang zu dem Kreativraum, den die Verwendung der UNREAL ENGINE bietet, ist beschränkt durch die Komplexität der sie umgebenden Programmatik. Das Interface um die vorhandene Kreativität zu verwirklichen ist auf ein Gegenüber mit substantiellen Vorkenntnissen ausgelegt. Diese Schwelle zu übertreten und tatsächlich ein Projekt in diesem Rahmen zu realisieren, hat sich als sehr viel komplexer herausgestellt, als ich zu Beginn der Konzeption naiv erwartet habe. In gewisser Hinsicht hat mir diese Naivität aber auch erst ermöglicht, dieses Projekt anzugehen, da ich ohne sie nach kurzer Zeit das Konzept geändert und der Arbeit in der UNREAL ENGINE der Rücken zugekehrt hätte. So habe ich im Verlauf der Projektarbeit die Grundlagen eines neuen Programms lernen können und nun am Ende des Prozesses ein Ergebnis, welches meine ursprünglichen Vorstellungen von einem realen Ausstellungsraum weit übersteigt.

Downloads

Alle Download Links verweisen auf den Speicherdienst der Uni Potsdam Box.up

Quellen

Ein Projekt von

Fachgruppe

Europäische Medienwissenschaften

Art des Projekts

Studienarbeit im Masterstudium

Betreuung

foto: Anne Quirynen

Zugehöriger Workspace

nicht/menschliche tiere

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2022