Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

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Redesigning Moodle

Systemrelevante Interfaces sind in unserem Alltag unabdingbar, wir sind auf sie angewiesen. Das Bürgerportal unserer Stadt oder die Plattform der Deutschen Bahn. Meistens können wir diesen Interfaces nicht einfach ausweichen. In meinem Projekt befasse ich mich mit der Lernplattform Moodle, die von etlichen Schulen und Universitäten auf der ganzen Welt genutzt wird.

Aufgrund der limitierten Zeit werde ich nur Teilaspekte der Plattform betrachten.

Über Moodle

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Moodle ist eine der international bekanntesten Lernplattformen, den sogenannten LMS. Es hat weltweit über 245 Millionen Nutzer*innen und ist frei erhältlich. Trotz der großen finanziellen Unterstützung, die Moodle erhält, hat es große Usability-Schwächen. Im Zuge der Corona-Pandemie wurden Lernplattformen systemrelevant. In Deutschland sind allein ungefähr 1,5 Millionen Studierende davon abhängig.

Moodle ähnelt dem Aufbau von Incom. Es gibt Kurse, in denen Informationen und Materialien zur Verfügung gestellt werden können. Jeder Kurs ist eine lange Inhaltsseite, auf der Module wie Texte, Foren, Aufgaben und Tests hinzugefügt werden können.

Jede Moodle-Installation kann individualisiert werden: Schrift und Farben können zum Beispiel ausgetauscht werden.

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Funktionsvielfalt und grenzenlose Individualisierbarkeit: Moodle als „Schweizer Taschenmesser der Nuller-Jahre“

Das erste offensichtliche Problem, das ich erkannte, ist die immense Funktionsvielfalt. Weil Moodle als ganzheitliches, allumfassendes und flexibles System funktionieren möchte, hat es keinen Fokus. Zu den Modulen, die sich hinzufügen lassen, gehören unter anderem ein Forum und ein Wiki, es gibt Datenbanken, Lernpakete und eine Vielzahl an Plugins. Das bedeutet, dass jede:r Kursanbieter:in die richtigen Entscheidungen bei der Gestaltung der Kursseiten treffen muss. Es gibt keinerlei Einschränkungen. Ein Grund dafür liegt darin, dass Moodle versucht, Lehrmethoden aus der Pädagogik wie adaptives Lernen eins-zu-eins umzusetzen und damit einer großen Zahl von Lernstilen zu entsprechen. Dieser Punkt müsste weiter exploriert werden; ich stimme mit der Art der Umsetzung aber nicht überein. 

Es existieren außerdem sehr umfängliche Bücher und Wikis, die erklären, wie Lehrende Moodle richtig einsetzen können. Es ist zu vermuten, dass Lehrende sowie Nutzer*innen der Plattform durch dementsprechend gut strukturierte Kurse profitieren. Ich gehe aber davon aus, dass der Funktionsumfang der Plattform derart schwierig zu erlernen ist, dass Lehrende kaum um das Lesen solcher Erklärungsbücher herum kommen, was einen immensen Zeitaufwand bedeutet. Wahrscheinlich haben nicht alle Lehrenden ein derartiges Zeitbudget oder die Motivation, sich in großem Umfang mit der Plattform auseinanderzusetzen (wie meine spätere Befragung bestätigt), somit wird sie ihrer Zielgruppe nicht gerecht.

Moodle schafft es also, vielen Erwartungen zumindest auf dem Papier gerecht zu werden. Es geht aber mit einer geringen Usability und großem Zeitaufwand für alle Beteiligten einher und es ist fraglich, wie effizient diese groß angelegten Ziele erreicht werden.

Menüführung 

Ein weiteres ist die Komplexität des Interfaces und der Menüführung. Es gibt viele hierarchische Ebenen, viele Klicks, die getätigt werden müssen, um zum Ziel zu kommen. Dazu mehr in den User Flows. Moodle selbst verbittet sich das Wort Intuitivität und begründet es in der Learnability. Die Plattform ist der Meinung, Nutzende müssten sich mehr mit der Plattform auseinandersetzen, um sie zu verstehen. Das widerspricht allerdings den Erkenntnissen von Usability-Expert*innen.

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Braucht man eine Plattform für alles?

In dem Medium-Essay „Goodbye (Mostly) to Moodle: Hello Open, And Goodbye to Closed“ (Januar 2019) beschreibt der Informatik-Professor Bill Buchanan, warum er sich von allumfassenden Plattformen wie Moodle für seine Lehre verabschiedet hat.

„For the majority of teachers, though, Moodle is great, as it allows for the delivery of the content to be customised without the complexity of having to code. For me, it is just too much work in engineering Moodle to do anything that I would see properly defining a portable and maintainable environment. I’ve also struggled with its sluggish and clunky message boards […]“. Seiner Meinung nach versuche Moodle zwar, viele Lücken zu schließen, das aber über veraltete Wege wie Mails und Foren. Als Entwickler bevorzuge er Github für die Versionskontrolle, nutze Slack für die Kommunikation und Youtube zum Bereitstellen von Video-Präsentationen.

„There is no one size fits all, but providing one tool that supports every way of learning is often not the best way to support students these days.“

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Mathias Elmose erklärt in seinem Medium-Essay „Is Slack the new LMS?“ (April 2015), dass traditionelle LMS vor allem von Lehrenden gestaltet würden. 

„But if you look at a LMS like Moodle or Blackboard they actually support the activities of the teachers (and administration) rather than the activities of the students. Basically, these LMS has a teacher-centred model to teaching. They are designed to help the teachers transmit information and knowledge to the students. And for all credit, they do that well.“

Das würde dazu führen, dass Schüler*innen/Studierende auf Ausweichplattformen wechseln, in denen sie geschützt miteinander kommunizieren können.

Reviews und Meinungen

Online habe ich unterschiedliche Meinungen und Reviews zu Moodle durchforstet. Einige Punkte, die ich mir notiert habe:

  • Moodle beinhaltet viel Legacy-Code und ist an Stellen veraltet
  • Moodle ist kostenlos, flexibel und anpassbar
  • es ist schwierig, für neue Nutzer*innen durchzublicken
  • es kostet viel Zeit, Moodle an seine Bedürfnisse anzupassen

Außerdem habe ich mehrere Bekannte interviewt, die Moodle nutzen. Wie schätzen sie Moodle als Lernplattform ein, wo sehen sie Probleme und Potenzial? Meine Punkte dazu:

  • Kurse bzw Inhaltsseiten seien oft lang und unübersichtlich
  • Funktionen von Moodle sind vielfältig, aber viele Funktionen werden gar nicht genutzt, wie Kalender
  • einige finden den Funktionsumfang passend und freuen sich insbesondere über „Quizze“
  • Warum nutzt Moodle nicht externe Anbieter?
  • einige weichen auf andere Plattformen wie Discord oder Microsoft Teams aus
  • die Menüführung war anfangs verwirrend

Zusammenfassung

  • Moodle versucht durch viele Funktionen möglichst viele Arten des Lernen und Use Cases des Lehrprozesses abzubilden

  • Schüler*innen/Student*innen nutzen deshalb andere Plattformen zum Austausch

  • das Aufsetzen von Moodle ist komplex, der Lernprozess ist lang

  • der Funktionsumfang ist zwar gewaltig, kann aber in vielen Fällen sinnvoll sein (Quizze sind zum Beispiel beliebt)

  • Messenger-Plattformen wie Discord und Slack sind beliebt für direkten Austausch zwischen Studierenden

  • Moodle könnte mehr Funktionen auf Externe auslagern

User Flows

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Registrierung

Der Registrierungsprozess im ursprünglichen Moodle-System besteht aus insgesamt neun Schritten. Zunächst wird der Nutzende in DSGVO-Fashion mit einer Textwand an Informationen begrüßt, die er schnellstmöglich überscrollt, um auf dem nächsten Screen das gelesene noch einmal zu bestätigen. Verwunderlich ist, dass Pflichtfelder mit einem roten Ausrufezeichen gekennzeichnet sind, selbst, wenn man gar keine (falsche) Eingabe bisher getätigt hat. Bevor sich der Nutzende am Ende einloggen kann, muss er noch eine Mail bestätigen.

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Einen Kurs anlegen und Nutzer*innen hinzufügen

Um einen Kurs anzulegen, muss zuerst ein Kursbereich ausgewählt werden, zum Beispiel Lehrerzimmer. Direkt danach muss festgelegt werden, ob der Kurs auf einer Vorlage basieren soll oder ein gänzlich leerer angelegt wird. Es gibt aber nur eine Vorlage, die nur sehr rudimentär ist. Daraufhin wird ein Name festgelegt und der Nutzende muss eine Progressbar auf einer einzelnen Seite abwarten. 

Teilnehmer*innen lassen sich auf einer Unterseite hinzufügen. In dem Formular dafür befindet sich wieder ein sehr langer, vierzeiliger Text, womit sich Moodle scheinbar datenschutzrechtlich gegen alle Eventualitäten absichert. Um Teilnehmer*innen hinzuzufügen, werden ihre Mailadressen eingetragen; die, die noch kein Moodle haben, bekommen eine Mail mit Einladungslink. Es gibt keinen Weg, aus einer Kontaktliste oder Suche Teilnehmer*innen herauszusuchen; man muss jedes mal ihre vollständige, korrekte Mailadresse wissen.

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Anpassung an Standards

Moodle ist voller Relikte wie Foren. Ich möchte mein Redesign auf existierenden, erfolgreichen Standards von erfolgreichen Social-Media-Plattformen und Messenging-Diensten aufbauen. Dazu gehört es auch, sich von Funktionen zu verabschieden, für die es längst bessere, etablierte, externe Angebote gibt, wie den Kalender.

Visuelle Gestaltung vereinfachen

Mein Redesign soll schlanker sein. Icons sollen zueinander passen, die Ästhetik soll schlichter werden. Was lässt sich weglassen?

Menüstruktur, in der sich Nutzende zurechtfinden

Die Menüstruktur ist unübersichtlich, Icons unpassend. Wie lässt sich eine viel einfacheres Menü gestalten?

effizienteres Interface, kürzere Wege, weniger Text und Hürden

Der Registrierungs-Userflow zeigt ein grundlegendes Moodle-Problem: Wände voller Text. Das muss, selbst im Anbetracht der DSGVO, nicht so sein. Der Funktionsumfang der Plattform sollte generell reduziert werden; vieles kann auch über externe Plattformen geregelt werden.

Kommunikation & Austausch in den Vordergrund

Ich denke, dass die Einfachheit der Kommunikation zwischen Nutzenden ein essentieller Faktor der Beliebtheit von Onlineplattformen ist. Mein Moodle-Redesign versteht sich nicht als Lehr-Institution, sondern als Unterstützung dafür. Es soll Menschen dabei helfen, Absprachen zu treffen, Inhalte zu sammeln und miteinander in Kontakt zu bleiben. Ich werde deshalb einen Fokus auf Real-Time-Kommunikation legen. Meine Redesign wird keine unendlichen Inhaltsseiten haben, sondern Chats und Beiträge, die auf externe Medien verlinken können. Plattformen und Messenger-Dienste wie Discord oder WhatsApp erfreuen sich nicht ohne Grund im Lern-Bereich großer Beliebtheit, obwohl sie kaum Funktionalität bieten.

Designsystem

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Im Zuge des Redesigns ist ein umfangreiches Design System entstanden. Das war meine erste intensive Auseinandersetzung mit Figma-Komponenten und Auto-Layout. Die Bibliothek umfasst zum Beispiel Buttons unterschiedlicher Art, Textboxen, Textfelder, Radiobuttons und auch sehr komplexe Komponenten wie Beitrags-Karten.

Link zu Figma

Redesign

Mein Redesign ist nur ein Kursprojekt. Ich konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit Verbesserungsideen umsetzen, es handelt sich aber nicht um ein ganzheitliches Redesign. Deshalb fehlen noch wichtige Funktionen, ohne die eine solche Lernplattform nicht funktionieren könnte, wie zum Beispiel Bewertungen.

Registrieren

Unten zu sehen ist meine Neuinterpretierung des Registrierungs-Flows. In die Screens sind viele Gedanken geflossen: Anstatt bei der Registrierung direkt mit einer riesigen Datenschutzbestimmungswand konfrontiert zu werden, erklärt das Interface zunächst den Ziel des Prozesses: „Werde Teil dieser Lerncommunity“. Die Datenschutzbestimmungen befinden sich hinter der ersten Checkbox; wer möchte, kann über einen Link mehr dazu erfahren, in übersichtlicher Form. Das Formular bietet außerdem sofortiges Feedback. Im zweiten Schritt legt der Nutzende ein Profil an, kann bereits erste Daten hinterlegen und sich dann in einer Tour durch die Plattform führen lassen (wenn er die Tour nicht gleich überspringt).

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Die eigentliche Plattform

Ich möchte viele der Grundfunktionen von Moodle beibehalten: Das Dashboard, die Kursübersicht, die Chatfunktion. Statt langer Kurs-Informationsseiten bestehen Kurse nun aus Beiträgen, einem Chat, Dateien und zu erledigenden Aufgaben.

Kurse haben nach wie vor Banner, zum Beispiel in Form von Fotos. Alternativ können Lehrende auch einfach ein oder mehrere passende Emojis einstellen, was die Arbeit erleichtern kann. Eine grundlegende Idee sind außerdem Aufgaben, die Lehrende an Schüler*innen stellen können. 

Im neu gestalteten Dashboard findet sich ein Feed, der alle neusten Beiträge aus den Kursen und Gruppen zusammenfasst, ähnlich wie auf anderen Sozialen Netzen. Von dort aus erhalten Nutzende außerdem einen Überblick über anstehende Termine, Aufgaben und aktive Chats.

Über Chips werden Nutzende zudem über Aktivitäten informiert, zum Beispiel über eine neue Chat-Nachricht.

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Fazit

Der Weg zum perfekten LMS ist noch lang. Moodle und andere Mitbewerber haben viele Schwächen und versuchen nicht durch besonders gute Usability oder eine perfekte Retention Rate herauszustechen, sondern durch die Anzahl an Funktionen. Bei Moodle scheint es so, als würde man sich damit zufrieden geben, dass die Plattform ja gut funktionieren könnte, wenn sie nur jemand richtig konfigurieren würde. Ich denke, die Zukunft liegt in Plattformen wie Slack oder welchen, die einen viel größeren Wert auf Echtzeit-Kommunikation legen.

Der Kurs war mein erster Hauptstudiums-Kurs und ich habe mich zum ersten Mal so richtig mit Figma, Komponentenerstellung, Designsystemen und Formulargestaltung befasst. Ich hatte zwar durch den großen Arbeitsaufwand sehr zu kämpfen, aber dennoch bin sehr dankbar. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich mich noch tiefergehend mit dem Thema LMS befassen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Interfacedesign

Art des Projekts

Keine Angabe

Betreuung

foto: Sebastian Kaim

Zugehöriger Workspace

System:Relevanz — Mit besseren Interfaces mehr erreichen

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2021 / 2022