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OATLY Kommunikationsdesign

Eine Analyse von OATLYs Marketing Erfolg

Einleitung

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OATLY ist eine Hafermilch Marke, welche ihren Ursprung vor zwanzig Jahren in Schweden hat. Nach einem Relaunch um 2014 wächst das Unternehmen von einer kleinen Produktion zu einem weltweiten Konzern an und konkurriert mit den führenden Milchalternativen. Ich möchte in der folgenden Analyse der Frage auf den Grund gehen, warum OATLY so erfolgreich ist.

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OATLYs Identität und Verpackungsdesign wurde von der schwedischen Agentur Forsman & Bodenfors gestaltet. Es werden auf Hafer basierende Produkte verkauft, welche eine Konkurrenz zu gängigen Milchprodukten, wie Milch, Frischkäse, Sahne und Milchspeiseeis bilden. Aus rechtlichen Gründen dürfen sich pflanzenbasierte Produkte in der EU, nicht mit dem Begriff Milch kennzeichnen. Deswegen wird hier die Bezeichnung „oat-drink“ verwendet und dass es eine Milchalternative sein soll, wird nur durch den weißen Pfeil, der in das Glas zeigt so wie der Bezeichnung rechts davon: „no milk“ indiziert.

Der Markenname OATLY ist ein Kunstwort, welches aus OAT (englisch für Hafer) und LY zusammengesetzt ist. Das LY macht das Wort zu einem Adverb. Übersetzt würde Oatly so etwas wie „Haferlich“ oder „Hafer-ähnlich“ heißen.

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Um meine Analyse zu beginnen ging ich einen Supermarkt und habe die Tetrapaks von OATLY neben den anderen gesehen und mich gefragt was OATLY so besonders macht. Ich probierte alle Hafermilch-Sorten, die es zu kaufen gab und behaupte, schmecken tun sie alle ungefähr gleich, alle werden in einem Tetrapak verkauft und kosten ungefähr gleich viel.

Der Unterschied muss also in dem recht eigensinnigen Marketing liegen.

Struktur

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In meiner weiteren Analyse bin ich zu dem Schluss gekommen, dass OATLYs Konzept auf einem Kontrast zwischen Witz und Ernsthaftigkeit sowie Alt und Neu beruht.

Die verschiedenen Komponenten dieser beiden Skalen werde ich im Folgenden erörtern.

NEU (modern)

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Diese Reihe von Plakaten zeigen, wie das Motiv des Milchkartons scheinbar zufällig und relativ klein platziert wird und darum herum ist ein Text zu lesen. Die visuelle Gewichtung liegt auf dem Text, nicht auf dem Produktbild, und damit ist die Hierarchie genau umgekehrt wie vergleichbare Gewichtungen auf üblichen Werbeplakaten.

Noch dazu folgt der Text keiner Ausrichtung und befasst sich inhaltlich nicht einmal mit dem Produkt, was es zu verkaufen gilt.

OATLY ist bemüht, Normen zu brechen, um etwas Neues und Andersartiges zu gestalten.

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Bei der weiteren Analyse ist mir aufgefallen, dass die visuelle Gestaltung auf der Addition vieler verschiedener Elemente basiert, die abwechselnd schwarz und weiß sind. Es ist keine Marke, die der üblichen Strategie folgt, alles in ein Zeichen zu bringen. Die Wiedererkennung folgt aus dem Rhythmus aller Elemente.

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Die Komposition der Elemente auf den Milchkartons folgt keinem Raster und keiner Ausrichtung, aber sie erinnert an Kunst, wie zum Beispiel an diese Gemälde des letzten Jahrhunderts von dem italienischen Künstler Bruno Brunari. An dieser Stelle möchte ich auf die Milieus der Erlebnisgesellschaft von Schulze verweisen. 
Er skizziert fünf Gruppen in der sogenannten Erlebnisgesellschaft anhand von Bildung und Alter. Das Milieu der jungen und gebildeten trägt die Bezeichnung der Selbstverwirklicher. Das ist die Gruppe der Nonkonformisten, der Rebellen, der Kunstliebhaber und der, die alles Neue mögen. Ich selbst würde mich dieser Kategorie zuordnen und bin daher ein sehr gutes Beispiel für die Treffsicherheit, die das Marketing von OATLY für Menschen aus dieser Gruppe hat.

ALT (retro)

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Die Farbpalette, die verwendet wird, besteht aus überwiegend warmen Tönen, die Pastell bis Erdtönig sind und sich in ihrer Farbigkeit stark von der zur Zeit gängigen stark saturierten und glänzenden Werbeästhetik abhebt. Synthetisch betrachtet könnte man sagen, sie hätte einen holzig, dumpfen oder verhaltenen Geruch – ähnlich dem Geruch von Hafer.

Diese Farbwahl erinnern stark an die 70er Jahre Ästhetik – der Höhepunkt der Hippie-Bewegung. Ich denke, sie spricht damit heutzutage alle an, die mit dieser Bewegung sympathisieren, alle, die eine Naturverbundenheit anstreben sowie eine Konsumkritik befürworten.

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Eine weitere Anekdote an die frühere Zeit ist die Verwendung der Texturen der Aufdrucke sowie der Rhythmus von schwarzen und weißen, vollwertigen Flächen. Sie erinnern an das Kunsthandwerk des Linoldrucks, wie diese Beispiele von Hugo Johnston zeigen. Diese Art der Grafik hat eine weiche Haptik von Papier und ist nicht so kalt und glatt wie andere Computergrafiken da sie von der menschlichen Hand im Prozess zeugen.

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Diese Auswahl aus Beiträgen von OATLYs Instagram Kanal zeigt, dass die OATLY Produkte mit altmodischen, Melancholie erzeugenden Elementen in Szene gesetzt werden. Die 70er-Jahre Farbpalette zieht sich durch und die Fotos haben einen analogen Look.

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Doch warum wählt OATLY diesen Bruch ins Altmodische?

Ein Blick ins Kühlregal lässt verstehen, dass OATLY nicht nur mit anderen pflanzlichen Milchsorten konkurriert, sondern auch mit richtiger Kuhmilch, welche für die meisten Menschen ein höchst emotional aufgeladenes Lebensmittel ist, welches sie seit Kindheit trinken.

Milch ist der Inbegriff von Nahrung, welches Geborgenheit und mütterliche Zuwendung verströmt. In der Basis steckt ein demütiges Erinnern an die Kindheit als absolute Geborgenheit. OATLY möchte die Menschen genau auf dieser tiefen Ebene ansprechen und ihnen eine Alternative verkaufen, die ebenfalls einen emotionalen Wert mit sich bringt.

ERNST

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Die Kampagne “IT'S LIKE MILK BUT MADE FOR HUMANS” stellt das Trinken von Kuhmilch ethisch in Frage.

Ausserdem ist ein Verweis auf den CO₂-Verbrauch des jeweiligen Produkts zu sehen, welches Oatly mithilfe einer Initiative für alle Produkte verpflichtend machen möchte.

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“DITCH MILK” ist eine Kampagne, die einen Umstieg von Kuhmilch zu Pflanzenmilch fordert, um CO₂ einzusparen. Die Klimakrise ist spätestens seit “Fridays for Future” und Greta Thunberg in aller Munde. Laut den Wissenschaftlern stellt sie das ernsthafteste Problem der Menschen dieser Epoche dar. Tierische Produkte sind ein großer Faktor dieser Misere. Die Hafermilch ist von allen pflanzliche Milchalternativen die ökologischste.

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Die Schriftart TONI GROTESK, die eigens für OATLY gestaltet wurde, wirkt mit ihrer unregelmäßigen Strichstärke und x-Höhe handgemacht und auch durch die ausschließliche Verwendung von Großbuchstaben erinnert sie an Banner und Plakate von (Klima-) Demonstrationen.

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In der Gesamtkomposition der visuellen Elemente auf dem Milchkarton geht die Gewichtung in jeweils verschiedene Richtungen auf den verschiedenen Seiten. Auf der Vorderseite geht das Gewicht nach unten links, was Leichtigkeit vermittelt während die visuelle Gewichtung auf den beiden Seitenansichten unten rechts liegt. Unten rechts vermittelt Schwere. Das Produkt soll leicht wirken im Regal und schwer, wenn man es in der Hand hält um ein Gefühl davon zu haben, viel zu bekommen.

WITZ UND LEICHTIGKEIT

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Das spielerische steckt schon im Detail: bei näherer Betrachtung sieht man, wie die Toni Grotesk gesetzt wurde. Die einzelnen Zeilen folgen wieder keinerlei Ausrichtung, genauso wenig wie die Buchstaben.

In Pink sind die Drehungen der einzelnen Buchstaben markiert, in Gelb die zu knappen Spationierungen, in Türkies eine Kennzeichnung der variierenden Strichstärken und in Blau die x-Höhe sowie die Abweichungen davon.

An manchen Stellen, wie zum Beispiel unten links möchte das S wegfallen, die Schrift scheint nicht zusammenzuhalten während gleich danach das C viel zu dicht an das U gesetzt wurde und die Schrift zusammenklebt. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für den insgesamt sehr spielerischen und freien Umgangs mit Typografie. Die vielen Spannungen und Bewegungen in den Buchstaben zeugen von keinerlei Strenge und diese Unordentlichkeit ist ein Symbol für die freie Bewegung, die freie Entfaltung und Kreativität.

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Ein weiteres verspieltes und unkonventionelles Gestaltungselement ist hier zu sehen. OATLY bedruckt auch die Unterseiten ihrer Verpackungen mit ironische Texten.

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Der größte Faktor des Witzes steckt definitiv in OATLYs Inhalten auf den Werbeprodukten. An dieser Stelle könnte ich zahllose Kampagnen, Beiträge und Verpackungen auflisten und wir würden kein Ende finden. An jeder Stelle versucht OATLY einen Witz einzubauen und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Die Milchkartons kommen in vielen verschiedenen Varianten – obwohl man immer dasselbe Produkt kauft, bekommt man immer etwas anderes zu lesen. Was hier wichtiger zu sein scheint, als die konservative Markenbildung ist die menschliche Berührung durch einen witzigen Erzähl-Wert. Es hat einen Charakter von einem illustrierten Textformat wie einem Märchenbuch und spricht daher Kinder oder kindlich gebliebene Erwachsene an, also das emotionale, nicht das rationale Wesen eines Menschen.

Fazit

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OATLYs Kampagnen sind erfolgreich, weil die Menschlichkeit im Vordergrund steht. 

Eine emotionale Beziehung vom Kunden zu dem Produkt wird erzeugt.

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In den letzten Jahren wurde OATLY stark kritisiert. Mitte Juli 2020 verkaufte OATLY einen Anteil von 10% an die Investmentgesellschaft Blackstone, eine Gesellschaft, welche mit Donald Trump in Verbindung steht und viele Anteile von Firmen hat, die maßgeblich für dir Abholzung des Regenwaldes verantwortlich sind.

Diese Art von Deal steht im Konflikt mit der Ethik, die das Produkt in ihrem Marketing verkauft. Das Gefühl von dem unkommerziellen, anarchischen und weltverbesserndem Produkt ist letztendlich eine Marketing-Kampagne und ebenfalls auf Profit ausgerichtet.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Hafermilch ein gutes Produkt ist, um den Verbrauch der umweltschädlichen Kuhmilch zu vermindern und OATLYs starke Marketing-Kampagnen führen definitiv zu einer größeren Popularität dieses Produkts.

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Ein Projekt von

Fachgruppe

Theorie

Art des Projekts

Studienarbeit im ersten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Dr. phil. Rainer Funke

Zugehöriger Workspace

Design elementar: Eros in allen Dingen

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2021 / 2022

zusätzliches Material