In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Ergebnis des Kurses 1.161 Grundlagen Physical Interaction Design bei Prof. Reto Wettach im Sommersemester 2011 an der FH Potsdam / Gemeinsames Projekt von Johannes Gierschner & Simon Martin
vestis (lat.), die Bekleidung prognostica (lat.), die Wetterzeichen
Die vestis prognostica ist eine Garderobe, die automatisch im Internet das lokale Wetter abfragt und passende Kleidungsstücke vorschlägt.
Problematik 1:
„Jede Entscheidung, die man trifft, ist ein Fehler.“ Edward Dahlberg
Um in der schnelllebigen Gesellschaft bestehen zu können, wird es immer wichtiger, Zeit bei alltäglichen Handlungen, wie zum Beispiel der Kleiderwahl, zu sparen. Mit der „vestis prognostica“ kann diese Entscheidung durch die automatische Auswahl der zum Wetter passenden Kleidung schnell abgenommen werden. Der Alltagsgegenstand „Garderobe“ wird hierbei zu einem intelligentem Gadget erweitert bzw. modifiziert.
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Problematik 2:
„It took me a long time not to judge myself through someone else's eyes.“ Sally Field
Der Mensch ist naiv. Der entgegengebrachte Respekt und die Beachtung Anderer werden ein immer wichtigerer Bestandteil unseres Lebens und Handelns. Hierbei entsteht oft ein Grundkonflikt zwischen der eigenen Meinung und der Anerkennung durch die eigene Umwelt. Digitale Medien und das Web 2.0 mit den oft irreführenden sozialen Netzwerken vernebeln zudem die Klare Sicht auf die eigene Identität. Diese Grundbehinderung des menschlichen Selbstbewusstseins war Anreiz und Gegenstand unserer Überlegungen die „vestis prognostica“ zu entwickeln. Der interessante Knackpunkt ist hierbei, dass wir mit der „vestis prognostica“ die Entscheidungsfindung des Menschen noch weiter in digitale Hände begeben, indem die Kleiderwahl nicht mehr nach Geschmack sondern nach Funktionalität und sozialem Wert ausgewählt wird.
(„helmut.“ war der erste Arbeitstitel für die „vestis prognostica“)
1 Arduino-Board / 1 USB-Verbindung / 1 Taster / 4m Kabel / 4 Servo-Motoren / 4 Türschlösser / 8 Scharniere / viel Holz
Durch Programmierung des Arduino-Boards werden dem Wetter zugeordnete Langscharniere anhand von aktuellen Daten aus dem Internet gelöst, wodurch sie herunterklappen und somit einen passenden Kleidungsvorschlag anzeigen. Bei Zustimmung kann das Kleidungsstück entgegengenommen oder bei Ablehnung das System durch hochklappen wieder zurückgesetzt werden. In unserer Konstruktion wird der automatische Datenabruf aus dem Internet durch einen Knopfdruck symbolisiert, welcher im Arduino-Code eine zufällige Funktion und somit ein Kleidungsstück- oder eine Kleidungskombination anzeigt. Durch 4 „Fallen“ aus alten Türschlössern werden die Langscharniere gesichert und bei anheben der Falle von einem Servo-Motor gelöst und heruntergeklappt.
Die Programmierung des Arduino-Boards wurde über die Processing-API vorgenommen. Das Sketch ist unter Material zu finden. Die Verkabelung wurde in Fritzing dokumentiert und ist auf den Abbildungen zu erkennen.
Wie in dem Video ersichtlich war der Umgang mit unserer „vestis prognostica“ relativ ähnlich. Die Knopf-Funktion wurde schnell verstanden und in jedem Fall mehrfach ausgeführt um die Funktionsweise zu testen. Auch der Zurücksetzmechanismus wurde selbständig erlernt und ausgeführt. Generell erzeugte unsere „vestis prognostica“ bei allen Nutzern positive Emotionen, was wir durch den Überraschungseffekt der Zufälligkeitsvariable und dem Fakt, dass es etwas zum „anfassen“ gab, begründen. Leider stand für einige Testpersonen der Spaß im Vordergrund, sodass das Verstehen der Funktionsweise und dem Sinn der „vestis prognostica“ durch das studieren der Kurzbeschreibung manchmal ausblieb. Nichtsdestotrotz wurde unsere Intention klar, dass dem Benutzer Kleidung vorgeschlagen wird, er diese nicht vorraussehen kann und er somit von jemand anderem bestimmt wird. Durch kurze Rücksprache mit verschiedenen Nutzern erkannten wir anschließend, dass manche dies als positiv in Hinblick auf die Entscheidungsfindung, andere jedoch als negativ, bezogen auf die Vorbestimmtheit, empfinden. Da dies unsere Eingangsthesen bestätigt, werten wir das Projekt „vestis prognostica“ als Erfolg.
The Online Coat Rack von Blair Ross
Der Online Coat Rack von Blair Ross hat prinzipiell die selbe Funktion wie unsere vestis prognostica! Mit dem Unterschied, dass hier ein analoges Barometer anzeigt wie das Wetter wird. Wie auch bei unserer Garderobe, muss man die Kleider an die richtigen Haken hängen, damit die Anzeige funktioniert. Ein Nachteil ist aber, dass das Barometer immer nur ein bestimmtes Kleidungsstück bzw. einen Wetterzustand anzeigen kann. Leider gibt es hier auch keine Interaktion mit dem Gerät (ablehnen der Vorschläge durch hochklappen der Haken bei der vestis prognostica).
[www.mrblairross.co.uk/Website/The_Coat_Rack.html](http://www.mrblairross.co.uk/Website/The_Coat_Rack.html „http://www.mrblairross.co.uk/Website/The_Coat_Rack.html“)
Hang On von Joanna Montgomery
Die Garderobe „Hang On“ von Joanna Montgomery ruft ebenfalls Wetterdaten im Internet ab und wurde auch mit Hilfe eines Arduino-Boards realisiert. Allerdings bekommt der Nutzer hier nur eine Information über den aktuellen Wetterzustand mit Hilfe von vier Symbolen. Es werden dem Nutzer keine Kleidungsstücke vorgeschlagen.
[http://dm.ncl.ac.uk/jo/2010/12/15/hang-on-an-arduino-mini-project/](http://dm.ncl.ac.uk/jo/2010/12/15/hang-on-an-arduino-mini-project/ „http://dm.ncl.ac.uk/jo/2010/12/15/hang-on-an-arduino-mini-project/“)
Die Idee, Funktionsweise und Anmutung unserer „vestis prognostica“ empfinden wir als sehr positiv und gelungen. Die Handwerkliche Umsetzung unter Design-Gesichtspunkten kostete viel Mühe, hat sich aber nun selbst bei genauerer Betrachtung in allen Bereichen gelohnt. Die technische Funktion blieb auch nach 4 Monaten Standby erhalten, was das genaue Arbeiten in der Planung und Realisierung rechtfertigt. Nach einem hilfreichen Feedback-Gespräch mit Prof. Reto Wettach rückten wir die physische Interaktion zwischen Mensch und Maschine (beim Annahme oder Ablehnung der Kleidung) mehr in den Fokus unseres Projektes und bewerten dies im Rückblick als sehr wichtig, denn erst dies gibt den Denkanstoß bezüglich der digitalen Vorbestimmtheit, da der Nutzer hierbei mit seinen Händen scheinbar noch die Kontrolle hat. Der Bestimmungsprozess durch die Maschine bzw. der digitalen Identität setzt allerdings schon viel früher ein, denn der generellen Überlegenheit des wissenden Computers wird von Grund auf vertraut. Wir sehen eine Herausforderung darin, unsere „vestis prognostica“ mit sozialen Netzwerken zu verbinden. Hierbei fließen dann positive und negative Rückmeldungen auf die Kleidung des Nutzers auf einem Foto in einem solchem Netzwerk ebenfalls in die Vorschläge mit ein. Der Nutzer verliert den Überblick über die Auswahlmechanismen, was ihn allerdings nicht stört, da er allzeit „richtig“ gekleidet zu sein scheint. Diese Implementation würde unseren Gedanken über die digitale Vorbestimmtheitsproblematik noch viel stärker kommunizieren. Ein weiterer Gedanke ist die Expansion der Garderobe um zum Beispiel einen ganzen Kleiderschrank aufnehmen zu können. Dies wäre für die Funktionsweise ideal. Zusammengefasst kann man sagen, dass die „vestis prognostica“ als Prototyp sinnvoll umgesetzt wurde und die Grundidee auf dem Markt eine gute Chance hätte, sie aber in dem jetzigen Stadion noch ausbaufähig ist, um ein starkes USP zu erlangen.