In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Die repräsentative Demokratie Deutschlands steckt in einer Krise. Junge Menschen sind interessiert daran, sich an Entscheidungen, die das politisch-administrative System beeinflussen, zu beteiligen. Trotz ihrer Motivation verhindert das System und die darin gegebenen Möglichkeiten die Teilhabe Jugendlicher. Die Krise zeigt sich unter anderem in der aktiven Beteiligung junger Menschen in nicht formellen Beteiligungsformen, wie Demonstrationen und der gleichzeitig niedrigen Wahlbeteiligung (Unmute Now/ProjectTogether gGmbH/d|part 2021, S. 3). Es gibt Anlass zur Schlussfolgerung, dass die Regierungsform keine Legitimation durch die Jugend erhält.
Die Beteiligung von jungen Menschen in Politik birgt dennoch ein großes Potenzial. Sowohl der allgemeine, materielle Wohlstand, als auch nicht-materielle, zivilisatorische Standards sind in Deutschland und anderen westlichen Demokratien so hoch, wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialversorgung fühlen sich zumindest für die Generation Z selbstverständlich und unveränderbar an (Sommer/Welzer 2014, S. 25). Vor allem in den vergangenen 120 Jahren seit der industriellen Moderne hat sich die Lebenssituation von jungen Menschen in Deutschland grundlegend verändert: Statt Kinderarbeit gibt es Schulpflicht und die Lebenserwartung hat sich fast verdoppelt. Aus dieser neuen, privilegierten Position junger Menschen ergeben sich neue Verantwortlichkeiten und Fragen über zukünftiges gesellschaftliches Zusammenleben. Was wird der neue Fokus menschlichen Lebens?
Das Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, welches dahintersteckt, basiert auf der Vorstellung von unbegrenztem Wachstum und Konsum. Es ergibt sich ein Zustand struktureller Nicht-Nachhaltigkeit. Dies ist jedoch ein Phänomen mit Ende, da unser Planet nur begrenzte Ressourcen hat (Sommer/Welzer 2014, S. 3). Die daraus resultierende Klimakrise stellt gewonnene Standards infrage und erhöht die Unsicherheit über die Zukunft. Besonders junge Menschen sind sich der Herausforderungen und Risiken bewusst, die die Klimakrise mit sich bringt. Sie haben das Gefühl, dass ihre Zukunft auf dem Spiel steht und fühlen sich durch die Politik der Erwachsenen nicht ausreichend vertreten. Die Fridays-for-Future Bewegung ist ein Beispiel dafür, dass die Jugend die Notwendigkeit sieht, ihre Interessen selbst zu vertreten. Tausende Schüler*innen demonstrierten und streikten regelmäßig für mehr Klimaschutz. Die Initiative zeigt die hohe Engagementbereitschaft und die politische Mobilisierbarkeit junger Menschen (Kuger/Gille 2020, S. 1104).
Sollten nicht die Entscheidungsträger*innen des repräsentativ demokratischen politischen Systems Deutschlands die Nachhaltigkeit ihrer Politik nicht mitbedenken, ohne dass die Jugend auf der Straße dafür einstehen muss? Nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft muss eine lebenswerte Zeit sein. Da junge Menschen im Vergleich zu Unternehmen aus der Wirtschaft keine Lobby haben, werden sie im heutigen System der repräsentativen Demokratie oft nicht gehört. Das politische System muss sich so umstrukturieren, dass zukünftige Generationen ebenso profitieren, wie Gegenwärtige. Die Jugend braucht Plattformen, auf denen sie ihre Sichtweise an die Politik vermitteln können und damit ernst genommen werden. Gleichzeitig brauchen sie Handwerkzeug, um neue Ideen zu entwickeln, wie sie die Potenziale der zivilisatorischen Standards und Möglichkeiten ausschöpfen und neue gesellschaftliche Normen schaffen können.
Das Projekt erforscht mögliche Zukünfte von politischer Beteiligung in Zukunftsszenarien. Indem hypothetische Zukunftswelten erfahrbar gemacht werden, wird die Zukunft der Gegenwart ein Stück nähergebracht. Ein Workshop bietet den interaktiven Rahmen für Diskussionen und die Weiterentwicklung der Zukunftsvorstellungen durch Ideen von Jugendlichen selbst.
Inwieweit kann spekulatives Design Impulse für die Beteiligung junger Menschen in Politik geben?
Germany's representative democracy is in crisis. Young people are interested in participating in decisions that affect the political-administrative system. Despite their motivation, the system and the opportunities it provides prevent this. The crisis is evident, among other things, in the active participation of young people in non-formal forms of participation, such as demonstrations, and the simultaneous low voter turnout (Unmute Now/ProjectTogether gGmbH/d|part 2021, S. 3). There is reason to conclude that the form of government does not receive legitimacy from youth.
Nevertheless, youth participation in politics holds great potential. Both general, material prosperity and non-material, civilizational standards are higher in Germany and other Western democracies than at any time in human history. Freedom, democracy, the rule of law, education, health care and social services feel self-evident and unchangeable, at least for Generation Z (Sommer/Welzer 2014, p. 25). Especially in the past 120 years since industrial modernity, the living situation of young people in Germany has changed fundamentally: Instead of child labor, schooling is compulsory and life expectancy has almost doubled. This new, privileged position of young people gives rise to new responsibilities and questions about future social coexistence. What will be the new focus of human life?
The economic and social model behind this is based on the idea of unlimited growth and consumption. The result is a state of structural unsustainability. However, this is a phenomenon with an end, as our planet has only limited resources (Sommer/Welzer 2014, p. 3). The resulting climate crisis calls into question standards that have been gained and increases uncertainty about the future. Young people in particular are aware of the challenges and risks posed by the climate crisis. They feel that their future is at stake and do not feel adequately represented by adult policies. The Fridays for Future movement is an example of youth seeing the need to represent their own interests. Thousands of students regularly demonstrated and went on strike for more climate protection. The initiative demonstrates the high level of commitment and political mobilization of young people (Kuger/Gille 2020, p. 1104).
Shouldn't the decision-makers of Germany's representative democratic political system consider the sustainability of their policies without the youth having to stand up for it in the streets? Not only the present, but also the future must be a time worth living. Since young people do not have a lobby compared to companies from the business world, they are often not heard in the current system of representative democracy. The political system needs to restructure itself so that future generations benefit as much as present ones. Young people need platforms on which they can communicate their views to politicians and thus be taken seriously. At the same time, they need tools to develop new ideas on how to utilize the potential of civilizational standards and opportunities and to create new social norms.
The project explores possible futures of political participation in future scenarios. By making hypothetical futures tangible, the future is brought a little closer to the present. A workshop provides the interactive framework for discussions and the further development of ideas about the future through ideas from young people themselves.
To what extent can speculative design provide impulses for young people's participation in politics?
Die Ursachen der systemischen Krise sind vielfältig und in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Als Hauptaspekte lassen sich folgende drei Erkenntnisse zusammenfassen (Siehe Bachelorarbeit für eine ausführliche Auseinandersetzung mit Ursachen für die Beteiligung von jungen Menschen in Politik und der aktuellen Situation in Deutschland). Zunächst fehlt es an einer Vision und zukunftsgerichteten Politik. Die Politik heute ist auf die Gegenwart ausgerichtet. Der Gesellschaft fehlt die Ausbildung von Kompetenzen, mit einer Außenperspektive Zukünfte zu betrachten und entsprechend langfristige, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Als zweiten Punkt lädt die Kultur nicht zu einer Beteiligung ein (Nanz/Fritsche 2012, S. 131). Zu diesem Punkt lassen sich auch die Defizite politischer Bildung in Deutschland zuordnen. Ohne die entsprechende Aufklärung über Beteiligungsmöglichkeiten und das Wissen über Konsequenzen politischer Entscheidungen sind junge Menschen nicht auf eine Beteiligungskultur vorbereitet. Des Weiteren spielt das Alter von Politiker*innen eine Rolle. Es lässt sich beobachten, dass die Empathie der älteren Generation gegenüber jungen Menschen nicht ausgeprägt ist und hierarchische Strukturen Jugendliche aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung von der Teilhabe ausschließen.
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, ein Format zur Auseinandersetzung über Potenziale der politischen Beteiligung junger Menschen zu gestalten. Über Zukunftsvorstellungen sollen die Möglichkeiten politischer Beteiligung zunächst erforscht werden. Es geht nicht darum eine Lösung vorzuschlagen oder Ziele zu präsentieren, sondern ein Medium zu schaffen, um nachzudenken und zu spekulieren.
Das Projekt soll auch als Test gesehen werden können. Zum einen soll untersucht werden, inwiefern Visionen in Form Zukunftsvorstellungen, nach denen gestrebt wird, ein Treiber für Beteiligung junger Menschen in Politik heute sein kann. Zum anderen soll das Projekt einen Ansatz bieten die Kompetenz junger Menschen einschätzen, sich mit Zukünften auseinanderzusetzen und neue Perspektiven zu entwickeln.
Darüber hinaus sollen die alternativen, gesellschaftlichen Vorstellungen neue Perspektiven auf die Herausforderungen werfen, vor denen die Menschheit gegenwärtig steht.
In dem Projekt soll jungen Menschen eine Möglichkeit gegeben werden, ihre eigenen Zukunftsoptionen zu gestalten. Ich lasse den Raum potenzieller Zukunftsmöglichkeiten bewusst offen. Dies verstärkt die Möglichkeit einer Anverwandlung der Zukunft. Es sollen Ideen entwickelt werden, wie junge Menschen die Potenziale der zivilisatorischen Standards der Gegenwart ausschöpfen können und neue gesellschaftliche Normen für die Zukunft schaffen können.
Nicht zuletzt möchte ich einige Erkenntnisse meiner Arbeit mit den Jugendlichen teilen, die ich für die Recherche interviewte und sie zum Ende der Arbeit wieder mit einbeziehen.
Das Projekt ist gestalteter Workshop mit drei jungen Menschen und einer Moderation in dem Zukünfte interpretiert, diskutiert und weiterentwickelt werden.
Die Teilnehmenden sind ausgewählte Jugendliche, die bereits für diese Arbeit interviewt wurden. Der Workshop ist auf zwei Stunden ausgelegt und soll Offline stattfinden.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde führt die Moderation die Teilnehmenden in die Thematik ein und gibt einen Ausblick auf den Tag.
Die Runde nimmt an einem Tisch gemeinsam Platz und jeder junge Mensch bekommt eine Karte mit jeweils einem Zukunftsszenario. Dieses liegt in schriftlicher Form mit dezenten Visualisierungen und einem Moodboard vor. Im ersten Schritt machen sich die eingeladenen Jugendlichen mit ihrem Zukunftsszenario vertraut. Die Moderation steht für Verständnisfragen zur Verfügung.
Im Anschluss präsentieren die Teilnehmenden jeweils das ihnen vorliegenden Szenario aus der Perspektive eines jungen Menschen aus dieser Zukunftsvorstellung. Dabei ist erwünscht, dass sie die Erzählung mit eigenen Ideen anreichern und ergänzen.
Im nächsten Schritt bekommt jede*r Teilnehmende sowohl eine „Mission“ als auch ein „Tool“ von der Moderation. Die „Mission“ beschreibt das Anliegen eines jungen Menschen des Szenarios, auf eine Entscheidung auf der Ebene des politisch-administrativen Systems Einfluss zu nehmen. Das „Tool“ gibt Anregungen dazu, wie Bürger*innenbeteiligung in diesem Szenario aussehen könnte. Es gibt die Richtung der Lösung der „Mission“ vor und lässt gleichzeitig genug Interpretationsspielraum.
Szenario für Szenario besprechen die Jugendlichen nun gemeinsam, wie sie vorgehen und analysieren dafür die politischen Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen in den Zukünften. Sie halten die Herangehensweise, auf die sie sich einigen, in einem einminütigen Video fest. In diesem Video soll erneut die Perspektive eines Jugendlichen aus der Zukunftsvorstellung eingenommen und das Vorhaben und die Umsetzung kontextuell eingebettet werden.
Anschließend werden die drei Videos nacheinander angeschaut. Die Moderation leitet in ein Gespräch über. Die Teilnehmenden werden angeregt, die politischen Teilhabemöglichkeiten und die Rolle der Jugend in den Szenarien zu reflektieren. Dafür stellen sie auch den Vergleich zur Gegenwart an. Sie tauschen sich darüber aus, was sie tatsächlich als wünschenswert für die Zukunft ansehen.
Zum Abschluss des Workshops fasst die Moderation das Geschehene kurz zusammen. Jede*r Jugendliche erhält eine Übersicht der Szenarien als Karte zum Mitnehmen. Zuletzt sammeln alle Teilnehmenden gemeinsam Ideen, wie dieses Projekt weiter gestaltet werden kann.
Der Prozess wird mit Videoaufnahmen dokumentiert.
Deutschland wird sich bis 2045 maßgeblich wandeln. In welche Richtung dieser Wandel geht, kann nicht vorhergesehen werden. Ich habe drei Zukunftsszenarien entworfen, die auf unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen basieren. Die Szenarien stellen den Ausgangspunkt des Workshops dar und öffnen den Blick auf mögliche politische Entwicklungen.
Für die Erstellung von Szenarien werden Daten aus der Gegenwart erfasst und extrapoliert und mit verschiedenen Entwicklungssträngen in z.B. Wirtschaft, Gesellschaft, Technik und Umwelt kombiniert.
Die Grundlage, der hier verfassten Szenarien, sind die von dem Verein „D2030 – Deutschland neu denken e.V.“ im Jahr 2018 herausgebrachten acht Szenarien für Deutschland im Jahr 2030. Sie wurden durch die Initiative D2030 in einem partizipativen und politisch unabhängigen Prozess von Zukunftsinteressierten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft entwickelt. Ich wählte diese Szenarien, da sie konkret und gleichzeitig vielseitig sind und einen Einblick in politische Veränderungen bieten. Eine weitere Inspiration waren die Basis-Szenarien der SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways), die in fünf Narrativen mögliche gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen darstellen. Darüber hinaus wurden diese Szenarien durch die Megatrends des Think Tanks „Zukunftsinstitut GmbH“ und des Beratungsunternehmens für strategische Zukunftsfragen „Z_punkt GmbH, The Foresight Company“ angereichert. Zukunftsforschungseinrichtungen beschreiben in Trends, was sie für Entwicklungen in der Zukunft erwarten. Ich nutzte diese Trends, damit die Szenarios einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit erhalten. Eine wichtige Inspiration stellten außerdem themenspezifische Artikel dar. Der Ursprung der Inspirationsquellen jedes Szenarios wird jeweils im Anschluss genannt.
Die Szenarien lassen sich auf dem „Futures Cone“ zwischen den Kegeln „Plausible“ und „Possible“ verorten und stellen ausschließlich wünschenswerte, „preferable“ Zukünfte dar. Um einen Diskurs anzuregen war es mir wichtig, dass die Zukunftsszenarien nicht zu wahrscheinlich sind, also sich nicht im Kegel der „probable“ Zukünfte befinden. Die Szenarien sind ausschließlich positiv formuliert, da sie als Visionen gesehen werden sollen, nach denen gestrebt werden kann. Dadurch haben sie transformatives Potenzial. Die Voraussetzung der Szenarien ist also die Lösung der Klimakrise und der Erhalt von Frieden und Wohlstand. Mögliche negative Implikationen, die mit dem Szenario einhergehen, werden bewusst in den Texten nicht erwähnt und sollen erst in der Diskussion zur Sprache kommen.
Die digitale Transformation hat auch die Politik grundlegend verändert und die repräsentative Demokratie wurde abgesetzt. Das politische System Deutschlands 2045 ist als Technokratie organisiert. Spezialisierte Expertengremien regeln die öffentlichen Angelegenheiten. Hoch entwickelte Technologien analysieren alle Bereiche des öffentlichen Lebens und entwickeln langfristige Lösungen, die sie als Handlungsempfehlungen an die Expert*innen weitergeben. Diese treffen dann Entscheidungen, wie mit ihnen fortgefahren wird. Sie sind verpflichtet Rechenschaft darüber abzulegen. Bestimmte Angelegenheiten werden wissenschaftlich begründet als “alternativlos” kategorisiert, da sie in erster Linie beispielsweise die Umwelt betreffen. Diese Handlungsanweisungen werden ohne Einbeziehung der Zivilgesellschaft ausgeführt. Politische Entscheidungen werden dennoch nicht generell automatisiert getroffen. Angelegenheiten, die von der Position der Gesellschaft abhängig sind und dementsprechend mehrere Handlungsempfehlungen hervorbringen, werden zur Entscheidung an die Zivilgesellschaft weitergegeben. Bürger*innen müssen nicht direkt darüber abstimmen. Ihrem Lebensstil entsprechend sind sie in Kategorien unterteilt. Diese Kategorien können nach eigener Einschätzung gewechselt oder die Positionen, innerhalb der Kategorie, individuell anpasst werden. Bei einer Abstimmung über mehrere Handlungsempfehlungen zu einer Angelegenheit wird auf diese Kategorien zurückgegriffen und die Stimmen gegeneinander abgewogen. Dieser Prozess macht die Politik hocheffizient. Bürger*innen haben bei jeder Wahl auch die Möglichkeit eigenständig abzustimmen. Darüber hinaus können sie der Regierung über speziell entwickelte Anwendungen ihre Angelegenheiten reibungslos mitteilen.
Gesellschaftliche Zielgruppen werden im Jahr 2045 durch Lebensstile mit spezifischen Werten, Einstellungen und Konsummustern definiert. Das Alter ist entgrenzt und somit ist zum Beispiel “Jugendlichkeit” ein generationenübergreifendes Lifestyle-Prinzip. Geschlechterrollen haben ebenfalls keine soziale Relevanz. Lebensläufe sind dynamisch und komplex. Multigrafien haben Biografien abgelöst. Selbstverwirklichung und die vielfältige Gestaltung der Identität gelten als das höchste Ziel der Gesellschaft. Durch das Streben nach individueller Selbstbestimmung und Selbstreflexion leben die meisten Menschen als Singles. Es gibt keine traditionellen Familienstrukturen.
Work-Life-Blending
Die Arbeit ist Teil der Selbstverwirklichung und selbstorganisiert. Projekte bestimmen den Arbeitsmarkt. Der Wohlstand über alle Bevölkerungsschichten hinweg ist hoch. Eine Absicherung läuft zusätzlich zu effizienten Sozialsystemen privat.
Automatisierte Nachhaltigkeit
Technologische Innovationen ermöglichen den intelligent-nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Effizienz und die Priorisierung von Nachhaltigkeit zur Rettung des Planeten durch die technokratische Regierung konnten den Klimawandel aufhalten. Verbrauch und Konsum stehen nicht im Widerspruch zur Nachhaltigkeit
Real-Digitalität
Bahnbrechende technische Durchbrüche haben die digitale Transformation in allen Lebensbereichen umgesetzt. Digitales und Analoges geht immer selbstverständlich und ganzheitlich ineinander über. Menschliche Bedürfnisse stehen dabei konsequent im Zentrum. Mensch und Maschine bilden durch Robotik, künstliche Intelligenz u.v.m. eine Allianz. Schnittstellen zwischen ihnen sind reibungslos. Entsprechend des IoT-Paradigmas kommunizieren und interagieren alle physischen Objekte mit ihrer Umwelt. Riesige Datenmengen werden in Echtzeit analysiert und interpretiert und ermöglichen mächtige Automatisierungslösungen, selbst für hochkomplexe Aufgaben, ohne menschliche Intervention. Durch ausgereifte Datensicherheitssysteme akzeptiert die Bevölkerung den Einsatz von Technologien.
Globale Vernetzung
Die Welt 2045 ist verbunden. Chancengleichheit auf globaler Ebene wird angestrebt und von Deutschland unterstützt.
Inspirationsquellen:
D2030 Szenario 2A “Spielräume für die Zivilgesellschaft” (Initiative D2030 2017)
Megatrends des Z_punkt GmbH (Z_punkt GmbH 2020)
Megatrends des Zukunftsinstitut GmbH (Zukunftsinstitut GmbH 2021)
Artikel “Liquid Youth: Jugend neu beobachten” veröffentlicht vom Zukunftsinstitut GmbH(Zukunftsinstitut GmbH)
Die Ausprägung und Entwicklung des Bewusstseins von Menschen bestimmt die deutsche Gesellschaft des Jahres 2045. Es wird davon ausgegangen, dass Gesellschaften, ebenso wie Individuen, differenzierter und komplexer werden. Die dahinterliegende Theorie nennt sich „Spiral Dynamics“ und wurde schon 1996 von Don Beck und Christopher Cowan publiziert. Es gibt grundlegende Entwicklungsstufen des Bewusstseins, wobei sich das Bewusstsein der Individuen der Gesellschaft über mehrere Stufen hinweg streckt. Der Großteil der Menschen 2045 hat ihren Schwerpunkt auf der siebten Stufe. Auf dieser Entwicklungsstufe wird die gesellschaftliche Prägung der eigenen Sichtweisen hinterfragt und andere Meinungen und Lebensweisen mit Offenheit angenommen. Es gibt ein Bewusstsein für die Komplexität und Einzigartigkeit eines jeden Moments. Kompetenzen entwickeln sich kontinuierlich und dynamisch. Selbstverwirklichung findet jenseits von sozial vorgegebenen Rollen statt. Auch, wenn die Gesellschaft auf die Entwicklung zu höheren Bewusstseinsstufen ausgerichtet ist, bedeutet das nicht, dass mehr Bewusstsein, mehr wert ist. Jeder Mensch trägt dadurch im Rahmen der eigenen Möglichkeiten das Bestmögliche zur Gesellschaft bei und wird selbst bestmöglich gefördert. Menschen können ihre persönlichen Potenziale und Neigungen entfalten und Fähigkeiten wie Kreativität und Empathie stehen im Fokus. Die Individuen verorten sich in Gemeinschaften und bilden eine kollaborative Wir-Kultur. Die Verschiedenheit wird im Miteinander gestaltet und die Bedeutung von Solidarität ist hoch. Probleme werden als strukturelles gemeinsames Anliegen gesehen, nicht als isolierte Aufgabe einzelner Akteure wie Individuen, Staat oder Wirtschaft. Besonders in der Jugendgeneration lassen sich Entwicklungssprünge beobachten. Einzelne Individuen befinden sich auf der Entwicklungsstufe 8 und beschäftigen sich mit der Verbesserung menschlicher Fähigkeiten, dem holistischen Sein und Einheitsdenken.
Eine Bewusstseinshierarchie bestimmt 2045 das politische System. Die Gewaltenteilung Deutschlands ist erhalten. Durch die Ausrichtung der äußeren Strukturen auf Bewusstseinsentwicklung wurde die innere Entwicklung der Individuen der Gesellschaft positiv beeinflusst und die Gesamtentwicklung beschleunigt. Mit strengen Verfahren ausgewählte Individuen, deren Bewusstsein die Stufe 8 erreicht hat, regieren das Land. Da Bewusstseinsentwicklung nicht linear verläuft, stehen sie unter konstanter Beobachtung und geben ihr Amt weiter, wenn sie die Kriterien nicht mehr erfüllen. Es gibt hierbei kein Konkurrenzdenken. Die Politik hat einen enormen Einfluss. Strenge Gesetze regulieren das Land zugunsten von gesellschaftlicher Entwicklung, Zusammenhalt und Nachhaltigkeit. Alle Entscheidungen werden auf ihre Zukunftsfähigkeit getestet. Wohlstand wurde umverteilt und ein gerechtes Sozialsystem inklusive Altersversorgung wurde eingeführt. Die Generationen werden aktiv wieder zusammengeführt.
Wirtschaftlich hat sich Deutschland zu einer Postwachstumsökonomie entwickelt. Das bedingungslose Grundeinkommen wurde eingeführt und dadurch der Lebensunterhalt gesichert. Die Abwesenheit von Angst um die eigene existentielle Sicherheit ermöglicht mehr Solidarität und Interesse an der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Staat garantiert zusätzlich die soziale Absicherung und sorgt durch Verteilgerechtigkeit für die Gleichstellung von Gesellschaftsgruppen. Auch der globale Wohlstand erfährt eine dezentrale Verteilung. Arbeit ist vom Einkommen entkoppelt. Der Sinn von Arbeit ist nun das Lösen von Zukunftsaufgaben. Die Tätigkeiten sind komplex und erfordern Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Die Konzentration liegt auf sozialen Innovationen und regionalen Wirtschaftskreisläufen.
Durch die Ausrichtung der Gesellschaft auf die Bewusstseinsentwicklung wird sie unabdingbar gerecht und nachhaltig. Die Strategie der Suffizienz bewirkt, dass weniger konsumiert und produziert wird. Zur Verfügung stehende Mittel werden geteilt, statt besessen. Der Mensch reintegriert sich in das Ökosystem Erde. Der Klimawandel wurde aufgehalten und damit die Lebensgrundlage des Planeten Erde erhalten.
Die Entwicklung der Gesellschaft und der technische Fortschritt laufen Hand in Hand. Der Staat reguliert die Erfindungen zugunsten der gesamtgesellschaftlichen Orientierung.
Die Grenzen von Staaten verschwimmen. Nationalität ist kein identitätsstiftendes Element. Transnationale Organisationen, wie die EU, haben sich gemeinsam für den Fokus auf die Bewusstseinsentwicklung entschieden. Die Staaten bleiben individuell, während gleichzeitig Chancen angeglichen werden.
Dieses Szenario ist durch folgende Quellen angereichert:
Literaturverweise:
D2030 Szenario 3 “Bewusste Abkopplung” (Initiative D2030 2017)
Megatrends des Z_punkt GmbH (Z_punkt GmbH 2020)
Megatrends des Zukunftsinstitut GmbH (Zukunftsinstitut GmbH 2021)
SSP-Szenarien “SSP1” (Riahi et al. 2017)
Artikel “Der unvermeidliche Weg in eine grüne Zukunft” von S. Schultz veröffentlicht im Spiegel (Schultz 2021)
Artikel “Was nach der Leistungsgesellschaft kommt” von S. Schultz veröffentlicht im Spiegel (Schultz 2019)
Artikel “Die Wachstumsgesellschaft und die nachhaltige Gesellschaft: Zwei Szenarien” von S. Hradil veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung (Hradil 2012)
Die repräsentative Demokratie Deutschlands wurde 2045 ganzheitlich umstrukturiert und erneuert. Das bis dato vorherrschende mediokratische politische System wurde beendet. Der Staat reguliert nun konsequent den Einfluss der Interessen der Massenmedien auf politische Entscheidungen, Kommunikation und Diskussionen. Die Selektions- und Präsentationslogik der Medien darf sich nicht in politischen Prozessen widerspiegeln. Die Rolle der Politiker*innen hat sich dadurch drastisch geändert. Sie sind nicht mehr das Gesicht der Parteien und verfügen über keine Macht als Einzelperson. Die Regierung ist divers und repräsentiert tatsächlich den Querschnitt der Gesellschaft. Abgeschaffte Hierarchien haben jungen Menschen den Eintritt in die Politik ermöglicht. Die Politik wird jetzt von der öffentlichen Meinung kontrolliert und ist maßgeblich konstruktiv. Moderne Informations- und Kommunikationstechniken, in Kombination mit speziell ausgebildeten Prozessbegleiter*innen, ermöglichen die Beteiligung der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen. Bürger*innen wählen frei, wo, wie und in welcher Rolle sie sich engagieren. Für politische Entscheidungen werden möglichst viele verschiedene Akteur*innen und Personen mit unterschiedlichen Ausgangspositionen integriert. Die Politik ermöglicht so eine Identifikation der breiten Masse der Bevölkerung mit ihren Entscheidungen. Das Vertrauen in die Politik ist sehr hoch. Informelle Netzwerke und Lobbyismus sind bedeutungslos. Der Zeitrhythmus der Legislaturperioden wurde auf 10 Jahre verlängert. Die lange Wahlperiode ermöglicht zielorientierte Handlungsperspektiven, wodurch sich der Fokus von kurzfristigen auf langfristige Folgen politischer Entscheidungen verschiebt. Dadurch wurde u.a. der Wohlstand umverteilt und mehr soziale Gerechtigkeit erreicht.
Wissenschaft und Bildung stellen die zentralen Aspekte der Gesellschaft dar. Sie sind der Schlüssel zur Teilhabe an der komplexen Welt. Überblick, Urteilsfähigkeit und kritisches Denken werden überall vorausgesetzt. Orte der Wissensproduktion und Ausbildungsstätten sind hoch entwickelt, modern und für jede*n kostenfrei zugänglich. Ausgiebige politische Bildung befähigt die gesamte Bevölkerung zu einer differenzierten Meinungsbildung, Argumentations- und Diskussionskompetenz. Die Werte und Normen der Gesellschaft betonen neben Wissen, die Freiheit der oder des Einzelnen und Individualität. Bürger*innen bringen ihre eigene Meinung selbstverständlich aktiv durch Beteiligung am politischen Geschehen zum Ausdruck gebracht. Sie räumen die nötige Zeit und Kapazität im Alltag dafür freiwillig ein. Die Gesellschaft ist vielfältig. Es ist die neue Normalität sich überall mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen und kompromissbereit Diskussionen zu führen. Die Menschen wohnen in kulturell gemischten Gemeinschaften mit mehreren Generationen zusammen.
Leistungsmotivation und individuelle Konkurrenz treiben die Wirtschaft weiter an. Die ökonomische Effizienz ist enorm gestiegen. Gleichzeitig ist der demografische Wandel intensiv vorangeschritten und es gibt deutlich mehr alte als junge Menschen. Fast alle Menschen im mittleren Lebensalter sind erwerbstätig. Der Arbeitsmarkt ist differenziert und flexibel. Der Staat reguliert den Markt für mehr Vielfalt gegen die Macht großer Konzerne und garantiert die soziale Absicherung.
Effizientes und ressourcenschonendes Verhalten führt zu Nachhaltigkeit. Es gibt regionale Wirtschaftskreisläufe. In vielfältigen Gemeinschaften werden Ressourcen geteilt.
Die digitale Transformation war erfolgreich. Der Digital Divide ist überwunden. Digitale Services und Geräte sind die neue Normalität. Technologien unterstützen den Menschen in allen Lebensbereichen selbstverständlich.
Die Europäische Union zeichnet sich durch ausgeprägte Solidarität unter ihren Mitglieder*innen und gleichzeitig Souveränität der Bürger*innen aus. Europa setzt sich aktiv für den Frieden in der Welt ein.
Inspirationsquellen:
D2030 Szenario 2C “Renaissance der Politik” (Initiative D2030 2017)
Megatrends des Z_punkt GmbH (Z_punkt GmbH 2020)
Megatrends des Zukunftsinstitut GmbH (Zukunftsinstitut GmbH 2021)
Artikel “Information Politics: Die Zukunft der Politik” veröffentlicht vom Zukunftsinstitut GmbH (Zukunftsinstitut GmbH)
Artikel “Mediokratie - Auf dem Weg in eine andere Demokratie?” von T. Meyer veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung (Thomas 2002)
Artikel “So sollte die Partei der Zukunft aussehen” von H. Burmester veröffentlicht im Tagesspiegel (Burmester 2021)
Artikel “Die Wachstumsgesellschaft und die nachhaltige Gesellschaft: Zwei Szenarien” von S. Hradil veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung (Hradil 2012)
Die Zukunftsszenarien lassen sich anhand von sechs Werteachsen beschreiben und voneinander unterscheiden. Die dabei sich gegenüberliegenden Pole sind:
Der Zukunftsworkshop 2045 findet Ende August 2021 statt. Die Ergebnisse werden im Anschluss hier veröffentlicht.
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