In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Dokumentation des Kurses »Redaktionelle Gestaltung 02 – Wieso? Weshalb? Warum?« bei Prof. Franziska Morlok (SoSe 21)
Bei der Themenwahl versuchte ich etwas zu finden, wo ich genug Bild- und Textmaterial finden konnte. Dies dauerte ein wenig und schlussendlich entschied ich mich dafür zwei Themen, mit denen ich mich schon länger beschäftige zu verbinden: Cognitive Biases (dt. kognitive Verzerrungen) und (im weitesten Sinne) klassische Kunstwerke.
Als Quellen dienten mir die weitläufigen Informationen auf Wikipedia (als Struktur bzw. Orientierung besonders die untere Grafik) und die Open-Access-Programme verschiedener Museen.
Bei beiden Themen spielt die Art und Weise, wie wir unsere Welt und Umgebung wahrnehmen und mit ihr interagieren eine elementare Rolle. Was dabei klar wird, ist, dass die Welt wirklich unsere ist: Multiversen mit Schnittmengen. Deshalb ist es im Sinne der Aufklärung im Kontext einer sozial-kommunikativen Zusammenlebensweise erstrebenswert diese Vorgänge zu verstehen. Dies ermöglicht die Reflexion und den Ausdruck der eigenen Wahrnehmung und resultierender Handlungen und Denkweisen, und schafft Empathie und Verständnis gegenüber den Anderen.
Die Kunst allgemein existiert in einer ewigen Wechselwirkung aus Wahrnehmung und Darstellung von vielen Seiten, in gewisser Weise ein multidimensionaler Ouroboros.
Genau dieses Feld galt es mir aufzuspannen.
Hier die interaktive Version mit den direkten Verlinkungen auf die entsprechenden Artikel.
Mein Prozess begann damit mich für eine Auswahl an Biases zu entscheiden und die Texte zusammenzutragen. Ein Vorteil war, dass ich die Struktur aus der Grafik (Kategorienmodell nach Buster Benson) gut übernehmen konnte, sodass ich mich entschied aus jeder Unterkategorie drei Biases auszusuchen. Die Texte entstammen meistens dem ersten Paragraphen des jeweiligen Wikipedia-Artikels. Diese habe ich teilweise gekürzt und zur Klarheit und Kohärenz editiert (nicht jede Seite im Buch muss mit „XY is a cognitive bias“ anfangen).
The spotlight effect is the phenomenon in which people tend to believe they are being noticed more than they really are. Being that one is constantly in the center of one's own world, an accurate evaluation of how much one is noticed by others is uncommon. The reason for the spotlight effect is the innate tendency to forget that although one is the center of one's own world, one is not the center of everyone else's. This tendency is especially prominent when one does something atypical.
Research has empirically shown that such drastic over-estimation of one's effect on others is widely common. Many professionals in social psychology encourage people to be conscious of the spotlight effect and to allow this phenomenon to moderate the extent to which one believes one is in a social spotlight.
Im zweiten Schritt begann ich nach passenden Bildern zu suchen. Diese entstammen den Open-Access-Programmen verschiedener Museen. Hauptsächlich: The National Gallery, Rijksmuseum, National Gallery of Art, The Met und einiger Anderer via Google Arts & Culture.
Die Auswahl basierte auf verschiedenen Kriterien. Manchmal ist es der Name aus dem sich Schlüsse ziehen lassen, der konkrete Bildinhalt oder einzelne Gestaltungsmittel. Manchmal ist es 1:1 übertragbar, manchmal basierend auf Assoziation und manchmal gegensätzlich oder ironisch. Es gilt gewissermaßen auch die Verbindung zu erkennen und andere Menschen können sicherlich noch neue Bedeutungen finden. Bei einigen Werken, wo eine Texterklärung vorlag und ich das Gefühl hatte, dass diese interessant ist oder den Auswahlgrund etwas klarer illustriert, habe ich diese selektiv ebenfalls hinzugefügt.
Dieser Schritt war erwartbar schwer, aufwändig und zeitintensiv.
Für diesen Prozess habe ich mir in typora ein Markdown-Dokument angelegt, in dem ich alles gesammelt habe.
In meinen ersten zwei Semestern arbeitete ich mit Hochformaten, im letzten mit einem quadratischen Format und hier wollte ich mich dem Querformat stellen. Die Doppelseite könnte so fast eine Wand in einem Museum sein.
Ich wählte ein Seitenformat von 200 x 160 mm, dies passt gut auf ein A3 Druckformat. Als Bindung blieb ich bei der Fadenheftung, aber diesmal mit einem Softcover. Zudem wollte ich einige Druckverfahren kombinieren: Für den Inhalt der Einfachheit (und Kosten) halber ein normaler Laserdruck im Copy Shop, die vier Kapiteltrenner mit dem Risographen und das Cover im Indigo-Druck. Als Papier entschied ich mich mal wieder für Munken Lynx mit einer Grammatur von 150gm².
Außensteg: 15 mm
Bundsteg: 11 mm
Kopfsteg: 15 mm
Fußsteg: 18,75 mm
ZAB: 13,5 pt
Ich entschied mich für ein elfspaltiges Raster (mit 2 mm Zwischenschlag), da dies die Flexibilität eines zwölfspaltigen bietet, aber die Asymmetrie noch mehr in Richtung einer potentiellen Doppelseiten-Dynamik verhelfen kann.
Neben dem Text und den Kunstwerken ergänzte ich das Layout mit grafischen Elementen. Diese bestanden aus langgezogenen, einzelnen Pixelreihen des Bildes. Davon wurden immer drei auf einer Seite platziert.
Sie erfüllen weniger eine analytische Funktion, auch wenn diese durch die Erzeugung einer Art Farbpalette gewissermaßen gegeben ist. Viel mehr stellen sie ein interaktives, fast spielerisches Element dar, welches die Betrachtenden dazu motiviert die korrespondierenden Stellen in den Gemälden zu finden und diese dadurch näher zu betrachten und zu erkunden.
Den Pixel Stretch Effekt habe ich mit p5.js umgesetzt. Hier der Sketch.
Ich wählte die Guardi als Serifen-Schrift für den Fließtext aus, Auszeichnungen im kursiven Schnitt und der Bildtitel in fett. Diese Schrift liest sich sehr gut und hat als humanistische eine elegante, dynamische Form. Sie korrespondiert für mich mit den Pinselstrichen der Gemälde. Der einzige Nachteil ist leider, dass sie keine Mediävalziffern besitzt. Die Schriftgrößen betragen 9,5 pt für den Text, Bildtitel und Künstler*in, und 7 pt für die restlichen Bildinformationen.
Die Century Gothic wurde im Kontrast die Titelschrift (Bias-Name und Kapitel im fetten Schnitt, Unterkapitel, lebender Kolumnentitel und Pagina in Regular). Diese Schrift korrespondiert in ihrer Form wiederum gut mit den geometrischen grafischen Elementen. Die Schriftgrößen betragen 19 pt für den Bias-Titel, 8 pt für den lebenden Kolumnentitel, 30 pt für die Unterkapitel und 55 pt für die Kapitel.
Das Problem bei der Century Gothic war, dass sie keine Kerning-Tabellen beinhaltete, was besonders bei den Überschriften sehr unschön wirkt. Deshalb entschied ich mich die Schrift selber grob zu kernen und mit einem kleinen Python-Skript die Tabellen von einem auf den anderen Schnitt zu übertragen.
Ein erweitertes Augenmerk lag auf der Detailtypografie. Besonders durch die Bildinformationen eröffnete sich ein weites Feld typografischer Feinheiten. Seien es die richtigen Striche, Weißräume oder das Kerning der Zahlen. Doch auch im Rest der Publikation ließ sich einiges machen: Abstände von Doppelpunkten, Kerning der Klammern oder Spationierung von Versalien.
Meistens liegt meine persönliche Präferenz bei einem korrigierten Flattersatz. So auch in diesem Fall, allerdings erfüllte dieser noch eine erweiterte Funktion. Durch eine breitere Flatterzone (natürlich immer in Abhängigkeit von der jeweiligen Breite der Textspalte) bildet der Text nicht stur eine weiteres Rechteck, sondern hilft dabei die Seite aufzulockern und Dynamik hineinzubringen.
Anfänglich dachte ich, dass der englische Satz auf Grund der kürzeren Wörter einfacher würde, doch dies stellte sich als Trugschluss heraus. Es gibt oft nicht so viele Punkte ein Wort zu trennen und wenn man gleichzeitig versucht keine Zeilenumbrüche mit nur zwei Buchstaben zu haben oder keine kurzen Wörter am Zeilenende wird es doch recht schnell tricky. Besonders bei schmaleren Textspalten. Dadurch entstanden Situationen, bei denen ich Kompromisse eingehen musste (z.B. ein kurzes Wort am Zeilenende, aber dafür ein Name nicht umgebrochen). Teilweise habe ich mich dafür entschieden in bestimmten Kontexten kurze Wörter am Zeilenende stehen zu lassen (z.B. wenn der Text nicht so weit flattert oder es sich um die kürzere Zeile handelt, da es dort visuell nicht ganz so problematisch ist).
Die tatsächliche Anordnung aller vorherig behandelten Elemente fand sehr frei statt, was durch das feine Raster erlaubt wird. Insgesamt versuchte ich eine Art Suchbild zu erzeugen um zur Interaktion mit der Seite zu motivieren. So sind nicht nur die Bias- und eventuellen Bild-Texte indistinkt platziert, sondern auch die Bildinformationen über die Doppelseite verteilt. So entsteht in der Statik der einzelnen Elemente eine Organik in der Gesamtheit, die zumindest konzeptuell eine gewissen künstlerischen Pinselstrich nachkommen soll.
Einige Layouts sind zusätzlich auf konkrete Aspekte des Inhalts oder Sichtachsen in den Bildern angepasst (siehe unten: Fading Affect Bias).
Da ich schon vorher mit der Bildung des Mittelwertes von Bildreihen gespielt hatte, probierte ich dies mal mit meinem Layout aus. Das Ergebnis finde ich sowohl visuell ansprechend, als auch mit einem analytischen Wert versehen. Die einzelnen Doppelseiten (ohne Kapiteltrenner) hatte ich von vorne bis hinten in einem Blau-Rot-Verlauf eingefärbt und dann mit imagemagick den Durchschnitt aller Seiten berechnet.
Für die Kapitel suchte ich ebenfalls passende Bilder heraus, die allerdings hauptsächlich auf dem Zusammenhang mit dem jeweiligen Titel des Kapitels funktionieren mussten. Weitere Bildinformationen finden sich auf der Folgeseite, der linken Seite des Unterkapiteltrenners.
Die Kapiteltrenner wurden mit dem Risographen gedruckt, dementsprechend galten die Farben unten lediglich als Preview.
Die Unterkapiteltrenner verbinden mehrere Elemente. Einmal werden die grafischen Elemente aufgegriffen, diesmal immer die rechte Pixelreihe des Kapiteltrenner-Bildes. Die Version gleich nach dem Kapiteltrenner in Farbe (da der Riso-Druck ein einzelnes Blatt, mit Vorder- und- Rückseite bedruckt ist) und der Rest in Graustufen.
Das zweite Element bildet eine typografische Spielerei: Die farblich invertierte Spiegelung des Titels auf der linken Seite. Das soll wieder auf die verzerrte Wahrnehmung hindeuten und beim Aufschlagen einen Effekt der abblätternden Schrift erzeugen. Zusätzlich bilden sich interessante Formen auf der Doppelseite, die aber eher nebensächlich sind. Wenn das Licht von rechts kommt, sieht man beim Umblättern des Kapiteltrenners die Unterkapitelüberschrift wieder richtig herum durchscheinen.
Das Cover greift hauptsächlich die Typografie des Buches wieder auf, unterstützt wird dies durch die Kunstwerke, die sich im Inhalt an entsprechender Stelle finden lassen. Ich entschied mich schon sehr früh dafür, die Kapitelnamen in der Form auf dem Cover haben zu wollen, da sie Aspekte des Themas in einer Art Gedicht sehr gut vermitteln bzw. auch etwas neugierig machen.
Gleichzeitig sollte zumindest ansatzweise der Umgang mit Weißraum im Layout referenziert werden.
Der wohl aufwendigste Schritt in der Produktion war der Riso-Druck. Es dauerte eine ganze Weile und viel Makulatur um zufriedenstellende Ergebnisse zu produzieren. Beim letzten Kaipteltrenner traten dann noch extra mysteriöse Datei-Phänomene auf (siehe letztes Bild; lustigerweise eine gewisse Legitimierung für die Streifenelemente im Buch). Aber durch die große Hilfe von Trifon und Felix klappte schlussendlich alles.
Was mir anfänglich nicht so klar war, war das Sojaöl-basierte Farbe nicht wirklich trocknet und immer noch verschmieren wird. Das passt ästhetisch natürlich nicht wirklich in meine Publikation, weshalb ich sehr lange überlegte, ob ich diese Seiten doch noch normal drucken lasse. Am Ende entschied ich mich dafür zum Schutz Transparentpapier einzubinden und wenn man etwas vorsichtiger ist, passiert da auch nichts. Im Ergebnis finde ich diese Riso-Seiten allerdings absolut überzeugend und bin sehr zufrieden mit der Wahl.
Für die Fadenheftung schoss ich das Buch selber aus, besonders da ich die Struktur so konstruiert hatte, dass die Kapiteltrenner eine einzelne Lage ergeben, um das Riso-Drucken signifikant zu vereinfachen. Drucken ließ ich die Inhaltsseiten bei solid earth in Berlin.
Das Buchbinden unternahm ich ebenfalls wieder selbst. Inzwischen habe ich da eine gewisse Routine und Spaß sowieso.
Das Cover ließ ich im Indigodruckverfahren bei Heeneman drucken. Ich hatte bisher noch nie mit Indigo gearbeitet und bin von dem Resultat durchaus angetan.
Hier gibt es die vollständige PDF.
Bei solid earth ließ ich eine Testseite drucken (u.a. um ggf. die Registrierung anzupassen), diese vierteilte ich später und legte die Teile zufällig ineinander um zu sehen, wie sich eine Lage mit vier Blättern verhalten würde. Diese Dekonstruktion und folgende Rekontextualisierung fand ich sehr spannend und oftmals schlichtweg witzig, sodass ich eine kleine Serie umsetzte.
Auch wenn ich von dem Kurs formal-inhaltlich nicht ganz so viel Neues mitnehmen konnte, hat es sich trotzdem sehr gelohnt. Es ergeben sich ja durchaus andere Ansichten bezüglich bestimmter gestalterischer Umsetzungen, das hilft auch zu einer eigenen zu finden. Außerdem lernt man im tatsächlichen Prozess am meisten. Dafür bot sich hier eine gute Gelegenheit. Ich habe gemerkt, dass ich inzwischen eine gewisse Routine inne habe, sodass ich im Kopf das Layout entwerfen und es relativ schnell auf die Seite bringen kann, um dann noch die Detailanpassungen zu machen. Zusätzlich setzte ich mich mit Hilfe der Standardwerke Lesetypografie und Detailtypografie auch etwas mehr mit den Themen auseinander.
Mit meiner Publikation bin ich wirklich sehr zufrieden. Jeder Schritt war spannend, lehrreich und mit Freude versehen, wie immer.
Der konstante Austausch im Kurs war ebenfalls wertvoll, hilf- und lehrreich. Besonders das kollektive Lektorat am Ende hat mir sehr viel Spaß bereitet.