In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Ein spielerischer Design Research rund um die Frage, inwiefern neu gestaltete Interaktionen in der Kleiderspende zu einem bewussteren Spenden- und Konsumverhalten führen können.
„I must commit myself to reforming the environment and not man; being absolutely confident, that if you give man the right environment, he will behave favorably.” – BUCKMINSTER FULLER
Die weltweite Textilbranche geizt nicht mit Superlativen. Vor allem aber nicht mit ökologischen und sozialen Negativ-Rekorden:
Laut einer Studie der International Energy Agency erzeugt die globale Textilindustrie mehr Emissionen als der gesamte Flugverkehr und alle Schifffahrt zusammen. Schätzungsweise 20% der globalen industriellen Wasserverschmutzung lassen sich auf Färbe- und Gerbeprozesse der Textilindustrie zurückführen. Und eine einzige Jeans verbraucht im Schnitt ganze 8000 Liter kostbares Wasser.
Die Belastungen für Umwelt und Klima sind gigantisch – und dabei sprechen wir noch nicht einmal von den ähnlich gigantischen sozialen Dimensionen und der systematischen Ausbeutung von Arbeiter*innen im globalen Süden. Jeder 6. berufstätige Mensch weltweit, so schätzt man, arbeitet heute in der – oder auch für die Textilindustrie.
Als eine der führenden westlichen Industrienationen hat Deutschland einen nicht geringen Anteil am globalen Fast Fashion Konsum und seinen weitreichenden Konsequenzen. Ca. 60 Kleidungsstücke kaufen Deutsche im Jahr. Und tragen diese im Schnitt nur noch halb so lang, wie noch vor 15 Jahren.
Mit dem Aufstieg von Fast Fashion stieg auch das Volumen von Kleiderspenden in Deutschland. Laut einer aktuellen Studie des Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse) stieg die Sammelmenge auf zuletzt 1,3 Mio t. Rund 15,3 kg pro Kopf landen so mittlerweile pro Jahr im Container. Doch nicht etwa zur Freude der Verwertungsunternehmen. Denn das Geschäft leidet unter dem rasant wachsenden Anteil an qualitativ minderwertigen Klamotten.
Während deutsche Konsument*innen es nach wie vor gewohnt sind, ihre nicht mehr gewünschte Kleidung jederzeit kostenlos, anonym, ohne Beschränkung und ohne Bedingungen im Altkleidercontainer zu entsorgen, unterliegen die Verwertungsunternehmen selbst strengen Auflagen und dem Diktat der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Der Verkauf guter Klamotten finanziert die aufwändige Sortierung und Kosten für Recycling und Entsorgung. Doch die Mischkalkulation geht immer weniger auf und belastet nicht nur die Verwerter, sondern auch soziale Organisationen, die sich aus ihren Altkleider Erlösen querfinanzieren.
Aus Sicht des Interaction Designs stellt sich angesichts dieser Entwicklungen die Frage, ob die Interaktion mit dem Altkleidercontainer noch zeitgemäß ist, oder ob hier eine der entscheidenden Stellschrauben liegt, um den Ressourcenkreislauf weiter zu schließen und die Stoffströme zu verlangsamen – so wie Greenpeace es in seinem 12-Punkte-Plan „Slowing and closing the loop” fordert.
Wenn man das aktuelle Spenden- und Verbraucher*innenverhalten betrachtet, so liegt die Vermutung nahe, dass das aktuell marktführende Entsorgungsmodell des Depotcontainers in seiner Bedienung und „User Experience” sogar zu nutzerfreundlich ist. Die völlige Entkoppelung von Sammlung und Sortierung erlaubt zwar eine besonders mühelose Entsorgung – verhindert aber Feedback zur tatsächlichen Nutzbarkeit oder Nichtnutzbarkeit der Spende. So könnte bei Nutzer*innen sogar der falsche Eindruck entstehen, eine möglichst großzügige Spende sei besonders hilfreich – selbst wenn sich diese im Sortierprozess später als größtenteils wertlos entpuppt und sogar im Recycling Schwierigkeiten bereitet.
Und auch Dilys Williams vom London College of Fashion warnt im britischen Guardian vor isolierten Rücknahmelösungen ohne zugrundeliegende Strategie zur Steigerung der Ressourceneffizienz, denn „[They could] encourage a guilt-free consumption attitude where customers think it’s a good idea to buy and wear (or not) in ever increasing amounts without thought for clothing’s inherent precious value in terms of people and resources”.
Während ein Großteil der Forschung und Bemühungen in Richtung eines nachhaltigeren Fashion Konsums sich darauf konzentriert, politische Weichen zu stellen, in die Produktionsprozesse einzugreifen und die Hersteller stärker zur Verantwortung zu ziehen, ist es meine Intention mit dieser Arbeit die Bedeutung und die Potenziale des Entsorgungsprozesses in den Vordergrund zu stellen. Denn, wie es Weber et al. (2017) formulieren: „The final decision to manage an unwanted garment will be made by the consumer; hence, textile waste remains a consumer affair. The consumer will decide whether the garment can still be worn, is good enough for donation, or if it is ready for waste disposal.”
Die vorliegende Arbeit geht deshalb der Frage nach, inwiefern veränderte Interaktionen in der Altkleiderentsorgung einen Beitrag zu einem bewussteren Spenden- und Konsumverhalten leisten können.
Dazu nutze ich zunächst explorative Methoden aus dem Design Thinking Prozess, um die aktuellen grundlegenden Probleme und Bedürfnisse auf Spender*innen- und Verwertungsseite offenzulegen (Problem Space).
Die so gewonnenen Insights entwickele ich anschließend zu klar unterscheidbaren Konzepten und Prototypen weiter (Solution Space), die ich mit Hilfe von qualitativen Tests mit Nutzer*innen und auf Basis des Fogg Behavior Model evaluiere und anpasse.
Auf Basis der Prototypen- und Feedbackevaluation leite ich schließlich Gestaltungsregeln ab, auf denen weitere gestalterische Arbeiten im Bereich Altkleiderinteraktion aufbauen können.
Außerdem nutze ich qualitatives Nutzer*innen-Feedback, um auf Basis des Fogg Behavior Model systematisch die Frage zu beantworten, ob eine positive Veränderung des Spenden- und Konsumverhaltens zu erwarten ist oder nicht.
The global textile industry is not stingy with superlatives. That is especially true for negative ecological and social records:
According to a study run by the International Energy Agency, the global textile industry produces more emissions than all air travel and shipping combined. An estimated 20% of global industrial water pollution can be attributed to dyeing and tanning processes in the textile industry. And a single pair of jeans consumes an average of 8000 litres of precious water.
The environmental and climate impacts are gigantic - and we are not even talking about the similarly gigantic social dimensions and the systematic exploitation of workers in the global South. It is estimated that every 6th working person worldwide works in or for the textile industry.
As one of the leading western industrial nations, Germany has a lion’s share in global fast fashion consumption and its far-reaching consequences. Germans buy about 60 items of clothing a year. And wear them on average only half as long as 15 years ago.
With the rise of fast fashion, the volume of clothing donations in Germany skyrocketed as well. According to a recent study by the Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse), the volume collected rose to 1.3 million tonnes at last count. Around 15.3 kg per capita now ends up in containers / donation bins every year. But not to the delight of the recycling companies. Because the business is suffering from the rapidly growing proportion of low-quality clothing.
While consumers are still used to get rid of their unwanted clothing in the charity bin free of charge, anonymously, without restriction and without conditions, the recycling companies themselves are subject to strict regulations and the dictates of the EU waste hierarchy. The sale of good clothes finances the expensive sorting work as well as costs for recycling and disposal. However, the mixed calculation is becoming less and less effective and not only burdens the recyclers, but also social organisations, which used to finance themselves heavily from the proceeds of donated clothes.
From an Interaction Designer’s perspective the question arises whether the overall interaction with the charity bin is still up-to-date or whether this is one of the decisive levers for further closing the resource cycle and slowing down material flows - as Greenpeace demands in its 12-point plan „Slowing and closing the loop“.
If we look at current donation and consumer behaviour, it is reasonable to assume that the leading disposal model of the donation bin / depot container is even too user-friendly in its “User Experience” and overall operation. The complete decoupling of collection and sorting allows for particularly effortless disposal - but prevents feedback on the actual usability of the donation. This could even give users the false impression that a huge donation is particularly helpful - even if it turns out to be largely worthless in the sorting process and even causes (costly) difficulties in recycling.
Dilys Williams of the London College of Fashion warns in the British Guardian against isolated take-back solutions without an underlying strategy for increasing resource efficiency, because “[They could] encourage a guilt-free consumption attitude where customers think it's a good idea to buy and wear (or not) in ever increasing amounts without thought for clothing's inherent precious value in terms of people and resources”.
While much of the research and efforts towards more sustainable fashion consumption are focused on setting the political agenda, intervening in production processes and holding manufacturers more accountable, my intention with this work is to focus on the importance and potential of the disposal process. For, as Weber et al (2017) put it: “The final decision to manage an unwanted garment will be made by the consumer; hence, textile waste remains a consumer affair. The consumer will decide whether the garment can still be worn, is good enough for donation, or if it is ready for waste disposal.”
The present study therefore examines the question of the extent to which changed interactions in the disposal of used clothing can contribute to a more conscious donation and consumption behaviour.
To this end, I first use explorative methods from the Design Thinking process to reveal the current fundamental problems and needs on the donor and recycling side (Problem Space).
I then develop the insights gained in this way into clearly distinguishable concepts and prototypes (Solution Space), which I evaluate and adapt with both, the help of qualitative tests with users and the Fogg Behavior Model.
Based on the prototype and feedback evaluation, I finally derive design rules on which further design work in the area of old clothes interaction can build on.
I also use qualitative user feedback to systematically answer the question of whether or not a positive change in donation and consumption behaviour can be expected on the basis of the Fogg Behavior Model.