Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam mehr erfahren

Synthesizer in der DDR

Ein Spiegelbilder der Geschichte des DDR Designs in 3 Synthesizern

Intro

Synthesizer sind als Geräte zur Klangerzeugung eine besondere Schnittstelle zwischen Mensch und Musik. Im Westen schufen sie zeitgleich zum Bestehen der DDR futuristische Klangwelten, in Westdeutschland spielten sie in der Entstehung neuer Musikströmungen wie dem Krautrock eine signifikante Rolle (1). War die Formgebung von akustischen Instrumenten bislang stark von ihre akustischen Eigenschaften abhängig, so war die Gestaltung der Bedienelemente eines Synthesizers neben den klanglichen Eigenschaften ausschlaggebend für dessen Benutzbarkeit und Anwendungsspektrum.

Doch wie sahen Synthesizer in der DDR aus? Wie wurden sie gestaltet, wie unterschieden sie sich zu der Konkurrenz aus dem Westen? Wie wurden sie verwendet und welche Resonanz erzielten damals und heute?

Zunächst möchte ich drei Synthesizer made in GDR vorstellen, welche aus drei Epochen nicht nur die Entwicklung von Synthesizern widerspiegelt, sondern eine Entwicklung abzeichnet, welche sich flächendeckend bei vielen DDR Produkten feststellen lässt.

Das Subharchord

pasted-image.jpgpasted-image.jpg

Ende der 1950er Jahre begannen im Labor für Akustisch-Musikalische Grenzprobleme des RFZ (Rundfunk- und Fernsehtechnisches Zentralamt der Deutschen Post der DDR) Ingenieure an neuen Mitteln zur Klang und Geräuscherzeugung zu forschen. Das Ziel war es zunächst, eine neue elektronische Orgel zu entwickeln, da der Klang amerikanischer Kompaktorgeln durch starre Frequenzverhältnisse auf den Zuhörer ermüdent wirken sollten (2). Doch durch die hohen Produktionskosten für eine elektronische Orgel nach amerikanischer Bauweise liess die Beteiligten ihr Vorhaben überdenken und sich auf die Anfänge elektronischer Klangerzeugung zurückbesinnen. Vorbild war nun das 1930 von Oscar Sala entwickelte Mixturtrautonium, ein frühes elektronisches Instrument, welches insbesondere durch die Verwendung für den Soundtrack des Films „Die Vögel“ von Alfred Hitchcock bekannt geworden war (3). Das Resultat war das 1960 vorgestellte Subharchord, als dessen Erfinder Ernst Schreiber genannt wird (4). Der größte sichtbare Unterschied zum Trautonium stellt die Verwendung einer herkömmlichen Klaviatur statt des Bandmanuals dar. Galt das Subharchord durch seine weiteren technischen Bestandteile eher als eine Art Orgelnachfolger als klassischer Synthesizer, war es das erste auf Mikroelektronik basierende subharmonische Instrument und verdeutlicht die Pionierstellung der DDR in diesem Bereich in den 50er und 60er Jahren, die auch westliche Vorreiter wie Karlheinz Stockhausen interessierte. Das Verfahren wurde zunächst vom Ministerium für Kultur kritisiert und als „musikalische Fiktion“ bezeichnet (5). Der Leiter des Labors konnte die Vertreter des Ministeriums jedoch überzeugen, und sogar begeistern (5).

Offiziell wurde das Subharchord aufgrund von „Platzproblemen“ im 1969 vom RFZ bezogenen neuen Funkhaus Berlin aus dem Inventar gestrichen und dessen Entwicklung eingestellt (5). Die tatsächlichen Gründe dürften aber das Aufkommen westlicher Kompaktsynthesizer und die Kritik der politischen Führung an „Experimenteller Musik“ gewesen sein (6)

pres.001.jpegpres.001.jpeg

Vermona Synthesizer

pasted-image-2.jpgpasted-image-2.jpg

Der wohl bekannteste Synthesizer aus der DDR wurde von den vereinigten Harmonikawerke Klingenthal (kurz Vermona) seit Mitte der 70er Jahre entwickelt und nach einigem Verzug Anfang der 80er Jahre auf den Markt gebracht. Verantwortlich für die Entwicklung war Bernd Haller, dessen Vorschlag, einen analogen monophonen Synthesizer nach Vorbild des in den USA erfolgreichen Minimoogs zu bauen zunächst von dem auf den Bau von Akkordeons und Orgeln spezialisierten Kombinates abgelehnt wurde (7). Nachdem Haller jedoch began, ähnliche Synthesizer in Heimarbeit anzufertigen und die Nachfrage immer größer wurde, bekam er den Zuspruch das Instrument zu bauen (8). Die hervorzuhebenden Unterschiede zum Vorbild Minimoog und anderen „Mono-Synths“ sind die fünf über Schalter auswählbaren Presets für die VCA und Filter Hüllkurven (siehe Abb X). Dies ist eher ungewöhnlich, da Presets von analogen Synthesizern erst durch digitale Controller ermöglicht wurden und sich auf die gesamte Einstellung eines Synths bezogen, nicht eines einzelnen Parameters. Ein weiterer Unterschied zum Minimoog ist die Art die Oktave der Oszillatoren zu wechseln. Kamen beim Minimoog Drehschalter zum Einsatz, so erfolgt die Wahl beim Vermona Synthesizer über Knöpfe (siehe Abb X). Dies hat den Vorteil, dass die Oktave direkt über mehrere Stufen hinweg gewechselt werden kann, beim Minimoog konnte beispielsweise nicht von Stufe 4 auf Stufe 16 gewechselt werden, ohne kurzzeitig Stufe 8 zu aktivieren. Auch wenn der Synthesizer klar an den Minimoog angeleht war, brachte er dennoch einige kreative Eigenheiten in der Bedienung und im Klang mit sich, was den „Zonen-Moog“ auch heute zu einem begehrten Instrument macht. Zur damaligen Zeit kam der Synth aus technischer und damit verbundenen wirtschaftlichen Sicht allerdings zu spät auf den Markt. Durch den „Fünf-Jahres-Plan“ der SED Führung verzögerte sich die Entwicklung, sodass er erst 1983 veröffentlicht wurde (8). Zum Vergleich, der Minimoog kam 1970 auf den Markt und wurde 1981 bereits wieder eingestellt. Grund dafür war das Aufkommen digitaler Synthesizer wie dem DX-7 von Yamaha, welche durch ihren neuartigen Klang seinerzeit begehrter waren als die mittlerweile bekannten analogen Synthesizer. Dennoch wurden etwa 1.500 Vermona Synthesizer gebaut, von denen die meisten in die sovietischen Nachbarländer exportiert wurden (8). Interessanterweise ist die Nachfrage nach analogen Synthesizern, insbesondere aus den 70er und 80er Jahren, wieder stark angestiegen, sodass der Vermona Synthesizer heute für etwa 4-5 mal mehr verkauft wird, als der damalige „State-of-the-Art“ Synthesizer DX-7 (9). Gründe hierfür sind zum einen die größere Anzahl von existierenden DX-7 (schätzungsweise 200.000 wurden verkauft) und zum anderen die Allgegenwärtigkeit von Möglichkeiten zur digitalen Klangerzeugung. Für Musiker in der DDR sah es zum Zeitpunkt des Erscheinens genau andersherum aus. Kostete der Vermona Synth 4.350 Ostmark, so musste für einen DX-7, auch in der DDR das Wunschgerät vieler Musiker, etwa 20.000 Ostmark bezahlt werden (8).

pres.001.jpegpres.001.jpeg
pres.002.jpegpres.002.jpeg

Vermona DRM

vermona_drm_view.jpgvermona_drm_view.jpg

Die von 1987 bis 1990 von Vermona hergestellte Digital Rhythm Machine stellt einen der letzten Synthesizer aus der DDR dar. Wie auch andere Synthesizer der Spätphase der DDR hinkte sie der technischen Entwicklung des Westens um einige Jahre hinterher. Ein interessantes Feature ist die Implementierung einer MIDI Schnittstelle, einem 1982 eingeführten internationalen Standart für die Kommunikation zwischen elektronischer Musikhardware. Berichten zufolge gibt es jedoch Probleme mit früheren Versionen der Firmware (10). Vergleichbar ist die programmierbare Drummachine mit ihren 12 analogen Drum Instrumenten am ehesten mit der 1980 von der Japanischen Firma Roland veröffentlichten TR-808. Das Interface erinnert optisch an samplebasierte Drummachines der damaligen Zeit, wie der Linn Drum oder der Oberheim DMX. Eine Besonderheit ist die Lauflicht-Programmierung über 32 Schritte, waren bei westlichen Pendants 16 Schritte üblich. Klanglich ähnelt sie jedoch eher früheren nicht-programmierbaren Drummachines wie z.B. der Roland CR-78 oder dessen Vorgängerfirma Acetone. Das internationale Interesse dürfte sich zum Zeitpunkt des Erscheinens der DRM daher in Grenzen gehalten haben, da der Markt seit dem Erscheinen der LinnDrum im Jahre 1982 spätestens Ende der 80er Jahre von Sample-basierten Drummachines dominiert war. Heute geniest die erste DRM aufgrund ihrer Geschichte, des analogen Klangs und der geringen Stückzahl hingegen wieder größeres Interesse, was sich in z.T. 4 stelligen Preisen äussert (Stand Ebay, 14.07.2020). Seit 2001 gibt es mit der DRM MK II und 2011 der DRM MK III eine bis heute erhältliche Neuauflage der Drummachine, welche jedoch mit einer anderen Klangcharakteristik und Interface bis heute bei Produzenten elektronischer Musik beliebt ist.

vermona_drm3.jpgvermona_drm3.jpg

Tiracon 6V

tiracon1.jpgtiracon1.jpg

1987 von den VEB Automatisierungsanlagen Cottbus hergestellt ist der Tiracon 6V ein 6 stimmiger, polyphoner Synthesizer mit starken Ähnlichkeiten zu den Modellen Poly 61 und Poly 800 des japanischen Herstellers Korg, welche 3 bzw. 5 Jahre zuvor auf den Markt gekommen waren. Wie die Vermona DRM aus selbigem Jahr, verfügt auch der Tiracon über eine MIDI Schnittstelle. Das Interface wurde, wie bei den meisten Synthesizern der 80er Jahre deutlich um physikalische Bedienelemente reduziert und über eine digitale Steuereinheit programmiert. Erlaubte dies westlichen Herstellern die Kosten für Synthesizer teilweise drastisch zu senken, (wie z.B. bei dem Vorbild des Tiracon, dem Poly 800 von Korg, welcher 1984 für 800 DM erhältlich war (10)), kostete der Tiracon 6V bei Markteinführung 1987 etwa 4.350 Mark (11). Ähnlich wie der Vermona Synthesizer und andere analoge Synthesizer im Westen hatte der Tiracon insbesondere mit der steigenden Präferenz der Musiker zu digitaler Klangerzeugung zu kämpfen, da diese meist günstiger und zuverlässiger waren und die Erzeugung neuer Klänge ermöglichten. Doch hatten die Hersteller im Westen insbesondere Anfang/Mitte der 80er Jahre eher Probleme die Patente für bestimmte DSP Verfahren zu vermeiden (wie im Falle von Yamahas u.A. beim DX7 erfolgreich verwendeten FM Synthese (13)) so mangelte es in der DDR grundsätzlich an Möglichkeiten mit dieser stets komplexer werdenden Technologien mitzuhalten, ohne Bauteile auf dem internationalen Markt beziehen zu können (11). Stellt der Tiracon den letzten in der DDR gebauten Synthesizer dar, ist er wie die beiden zuvor vorgestellten Synthesizer bis heute gefragt und beliebt. Auf dem Gebrauchtmarkt heute ähnlich wie die anderen beiden Synthesizer beliebt. Zum einen als jüngster DDR Synth technisch am umfangreichsten und nachgefragt jedoch durch seine starken Nähe zu den westlichen Vorlagen, welche in deutlich höherer Stückzahl produziert wurden (1000-1200 Stück beim Tiracon 6V (11), 100.000 Stück bei Korgs Poly 800 (12)) weniger interessant.

prospekt1.jpgprospekt1.jpg

Fazit

Die Geschichte der in der DDR hergestellten Synthesizer bietet ein interessantes Spiegelbild der Geschichte des Produktdesigns in der DDR.

Demonstrierte das Subharchord das Innovationspotential in den Anfangsjahren der DDR und der Vermona Synthesizer die Probleme der Planwirtschaft gute Produkte passend zur Nachfrage auf den Markt zu bringen so steht der Tiracon 6V symptomatisch für die letzten Jahre der DDR in denen Produkte von westlichen Vorbildern kopiert und ausschliesslich für den Devisenhandel vermarktet wurden. Auch aus der Sicht des Interfacedesigns bieten die Synthesizer der DDR einen spannenden Einblick in alternative Konzepte, insbesondere im Falle des Subharchords und Vermona Synthesizers. Interessant ist auch die musiktechnische Perspektive auf die vorgestellten Synthesizer: Waren sie zur Zeit ihrer Produktion weniger nachgefragt als die fortschrittlicheren digitalen Synthesizer aus dem Westen, so übertreffen sie heute durch eine neue Wertschätzung von analogen Synthesizern den Wert der Geräte teilweise um ein vielfaches, gegen die sie damals am Markt chancenlos unterlegen waren. Die geringen Auflagen und (N)ostalgie dürften den Preisen zuträglich sein, jedoch nicht den hauptsächlichen Grund darstellen, da sich eine ähnliche Preisentwicklung auch bei analogen Synthesizern aus dem Westen abzeichnet. Technische Innovation bei elektronischen Geräten ist manchmal nur kurzfristig überlegen und spielt bei der Bedeutung von nachhaltigem Wert eine untergeordnete Rolle. Die Synthesizer der DDR haben es, stets bei Veröffentlichung aufgrund der technisch weiterentwickelten Konkurrenz wenig wertgeschätzt, die heutige Wertschätzung verdient.

Quellen

(1) [Knietief in den Siebzigern – Farfisa Syntorchestra | SOUND & RECORDING](https://www.soundandrecording.de/equipment/knietief-in-den-siebzigern-farfisa-syntorchestra/)

(2) „Elektromechanische und vollelektronische Musikinstrumente“ - Teil 1,

Georg Engel, Militärverlag der DDR, Berlin, 1975.

(3) [https://www.deutschlandfunkkultur.de/klanggeschichte-eines-hitchcock-klassikers.950.de.html?dram:article_id=228676](https://www.deutschlandfunkkultur.de/klanggeschichte-eines-hitchcock-klassikers.950.de.html?dram:article_id=228676)

(4) [https://www.keyboards.de/stories/die-geschichte-des-klangerzeugers-subharchord/](https://www.keyboards.de/stories/die-geschichte-des-klangerzeugers-subharchord/)

(5) Gerhardt Steinke „Rückblick auf das Subharchord und die Arbeit des Studios für künstliche Klang und Geräuscherzeugung“

(6) subharchord.com -> Zeitzeugen, diverse

(7) https://www.keyboards.de/equipment/vermona-synthesizer-1983/

(8) https://www.amazona.de/special-the-story-behind-vermona-hdb-electronic/ -> Interview mit Thomas Haller, Sohn von Bernd Haller

(9) reverb.com Vergleich von Gebrauchtpreisen im Dezember 2019

(10) [http://www.drummachines.de/beatboxer/beatboxer/DRM.htm](http://www.drummachines.de/beatboxer/beatboxer/DRM.htm)

(10) [https://www.amazona.de/blue-box-korg-poly-800-ex-800-synthesizer/](https://www.amazona.de/blue-box-korg-poly-800-ex-800-synthesizer/)

(11) [https://www.robotrontechnik.de/index.htm?/html/computer/musik.htm](https://www.robotrontechnik.de/index.htm?/html/computer/musik.htm)

(12) [http://synthmuseum.com/korg/korpoly80001.html](http://synthmuseum.com/korg/korpoly80001.html)

(13) [https://ccrma.stanford.edu/~jos/sasp/Frequency_Modulation_FM_Synthesis.html](https://ccrma.stanford.edu/~jos/sasp/Frequency_Modulation_FM_Synthesis.html)

Ein Projekt von

Fachgruppe

Theorie

Art des Projekts

Studienarbeit im Masterstudium

Betreuung

foto: Christian Pflug foto: Prof.Dr. Marion Godau foto: Sandra Gratz

Zugehöriger Workspace

Leere Seiten: Design in der DDR

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2020