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COSMICOMIX

Im Kurs „Cosmicomix“ entwickelten wir eine Printpublikation in Form eines typografischen Comics basierend auf dem Kapitel „Die Herkunft der Vögel“ aus der fantastischen Erzählung „Cosmicomics“ von Italo Calvino.

In dieser Dokumentation stelle ich zuerst fünf Übungen und theoretische Überlegungen vor und beschreibe im zweiten Teil den Prozess und die Umsetzung meiner Version der „Herkunft der Vögel“.

Übung 1: Textanalyse des Kapitels und Bau eines ersten Dummys

In dem Roman wird eine erstaunliche Gestalt, der Hauptcharakter Qfwfq, Augenzeuge der entscheidensten Momente in der Geschichte des Universums - in dem Fall der ersten Sichtung eines Vogels auf unserer Erde.

In dem Kapitel „Die Herkunft der Vögel” schreibt Italo Calvino: „Nun, heute erzählt man solche Geschichten besser in Comics (…) als in einer Erzählung mit säuberlich aneinander gereihten Sätzen.“ 

Deshalb gibt er dem Leser visuelle Regieanweisungen, die Bilder - wie in einem Comic - beschreiben. 

Neben der eigentlichen Handlung, die in einem klassischen Text aus der „Ich-Perspektive“ des Protagonisten „Qfwfg“ beschrieben werden, gibt es Textpassagen aus der Sicht des allwissenden Erzählers zu allgemeinen faktischen Informationen über das Zeitalter, direkte Rede und die Regieanweisungen an den Leser. 

In meiner ersten Analyse des Textes markierte ich mir die verschiedenen Charaktere, ihre Beschreibungen und deren Dialoge, die Regieanweisungen und die eigentlichen Informationen zur Handlung. 

Außerdem fügte ich Schlagworte und Themen hinzu, die bestimmte (philosophische oder methaphorische) Passagen für mich widerspiegelten. 

Diese waren: 

- die Realität nicht wahrhaben wollen / Akzeptanz

- Ungeheuer vs. Nicht-Ungeheuer / Schwarz-Weiß-Denken / Gut vs. Böse

- Fantasiewelten / Parallelwelten

- Paranoia

- Alleinsein

- Anders sein wollen als man ist / Selbstakzeptanz

- Sehnsucht

- Gefangenschaft / Freiheit

- Liebe und Beziehung

- Erkenntnis

- Alles ist eins / Verbundenheit

- Erinnerungen, die trügen / Vergänglichkeit 

Überall dort, wo ich mir visuell ein Bild vorstellen konnte, was ich in meinen Illustrationen umsetzen wollte, markierte ich mir eine Zahl. 

Mir war es wichtig, die Themen in den Bildern widerzuspiegeln und nicht die Handlung chronologisch, sequentiell - wie in einem klassischen Comic- zu zeigen. Eher wie in einem illustrierten Kinderbuch, als in einem Comic-Strip oder einer Graphic Novel.

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Da ich meinen einzelnen Illustrationen viel Raum geben wollte, entschied ich mich vorerst für ein relativ großes Format mit 190mm x 260mm.

Letztendlich hat mein Dummie nicht mehr so viel mit meinem eigentlichen Endprodukt zu tun. In meiner ersten Überlegung wollte ich den Text wie in einem Roman im Flattersatz im Raster großflächig einfügen und die Illustrationen auf jeweils der anderen Seite zeigen.

In meiner zweiten Überlegung entschied ich mich jedoch für ein Format, das einem klassischen Roman (etwa DIN A5) näher kommt und somit handlicher ist, als zum Beispiel das klassische amerikanische Comicformat  mit 168 x 259 mm.

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Theorie 1: Bild- und Sprachformen des Comics

Ein Comic ist in erster Linie eine Bildgeschichte, die als Bilderfolge präsentiert wird und meist aus Bild und Text besteht. Ein Panel ist somit noch kein Comic, auch wenn es Sprechblasen und cartoonhafte Figuren aufweist. Erst durch die Fantasie des Lesers funktioniert ein Comic. Dieser stellt einen Zusammenhang zwischen den Einzelbildern her und ergänzt unbewusst was zwischen den gezeigten Panels passiert. 

Typisch für die Bildsprache des Comic sind die Verwendung von Sprechblasen und Onomatopoesie, die symbolhafte Darstellung von Bewegung und Lauten. Der Einsatz von Form, das heißt Kontur, Linienart, Schraffurformen und stark vereinfachte bis stilisierte Darstellungen, und Farbe dienen der Verdeutlichung von Inhalt und Emotionen und können von Comic zu Comic stark unterschiedlich sein.

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Stilistisch gibt es sehr unterschiedliche Comics, vom klassischen karikativen Charakter, wie wir ihn von Asterix und Obelix kennen, bis hin zur malerischen Anmutung wie in der Graphic Novel von Laurent Paturauds „Victor Hugo - im Exil“.

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Auch die Aufteilung der Panels kann sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Panels nehmen ganze Seiten ein, manche Seiten wiederum weisen viele kleinere Panels in unterschiedlichen Formen auf.

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Panels können außerdem klar umrandet sein oder in andere Panels übergehen und freie Formen annehmen.

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Übung 2: Erstellen eines Moodboards

Ein Moodboard hilft dem Gestalter einen ersten Überblick über Assoziationen, Stimmungen und Grundideen zu schaffen.Der Begriff Mood-Board setzt sich aus den englischen Wörtern „mood“ für „Stimmung“ und „board“ für „Tafel“ zusammen. Die Bezeichnung wird für eine Collage verwendet, die sich aus Fotos, Illustrationen oder Bildern zusammensetzt, welche zur visuellen Beschreibung dienen. 

Nach einer langen Recherche zur Inspiration habe ich mein Moodboard erstellt. Dies habe ich um es besser zu strukturieren in sechs Kategorien aufgeteilt: Umgang mit der Typo, Bildsprache, Welten (in dem Kapitel werden zwei verschiedene Welten beschrieben), Farbwelt, Linie und Form und Komposition und Layout. 

Das Moodboard diente zur Orientierung, manche Dinge habe ich im Arbeitsprozess jedoch ganz anders umgesetzt - so zum Beispiel die Farbwelt und die Welten.

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Theorie 2: Geschichte des Comics 1 - 19. und 20 Jahrhundert

Ein Comic ist ein sequentiell ablaufender Geschichte, die (meist) durch Bilder erzählt wird.

Vorgänger der sequenziellen Bilderfolgen erschienen beispielsweise schon im Mittelalter: In Frankreich hängt ein 70 Meter langer Wandteppich, der die Eroberung Englands durch die Normannen darstellt.

Die Geschichte des Comics beginnt mit Yellow Kid von Richards F. Outcault, dem Jungen mit den Segelohren. Eine Zeichnung von ihm erschien zum ersten Mal am 5. Mai 1895 in der New Yorker Zeitung Sunday World. 

Neben Yellow Kid prägten viele Strips den Comic, darunter Katzenjammer Kids von Rudolph Dirks, Krazy Kat von George Herriman und Little Nemo von Winsor McCay. Diese erschienen anfangs alle in Zeitungen und waren vor allem lustig. Daher der Name Funnies.

Ende der zwanziger Jahre druckten die Verlage die ersten Comichefte. Diese ersten Hefte richteten sich vor allem an Kinder und Jugendliche.

Am 7. Januar 1929 erschienen erstmals Tarzan und Buck Rogers. Beide Reihen erweiterten das Spektrum des Comics um zwei Genres: Science-Fiction und Abenteuer. Diese waren ernster und bildgewaltiger als die Funnies. 

Der belgische Schöpfer des Comics „Tim und Struppi“ Hergé umrandete die Figuren und Formen in seinem Comic mit einer schwarzen Linie. Diese „Ligne claire“ prägte die Comicwelt maßgeblich.

Mit Superman von Jerry Siegel und Joe Shuster beginnt 1938 ein neues Zeitalter für den Comic. Der Held vom fiktiven Planeten Krypton hat Superkräfte: Er kann etwa fliegen, Autos hochheben und mit seinen Augen lasern.Sie alle sorgten dafür, dass sich das Comicheft endgültig als Unterhaltungsform in den USA etablieren konnte. Diese Superhelden spielten vor allem im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle in der Propaganda.

Will Eisner schaffte 1978 mit A contract with God die erste Graphic Novel. Diese Comicform ist viel seriöser und ist vor allem für Erwachsene. 

Internationale Aufmerksamkeit erhielt die Graphic Novel durch das Werk Mouse von Art Spiegelmann. Der Künstler verarbeitete darin die Geschichte seines Vaters, der Auschwitz überlebt hat. Seine Arbeit wurde 1992 mit dem Pulitzerpreis honoriert.

Das besondere am Comic ist, dass er auch ganz ohne Sprache funktionieren kann und somit international von allen Menschen verstanden werden kann. Dies war wohl vor allem in Amerika ein starker Grund für die Verbreitung des Comics.

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Theorie 3: Geschichte des Comics 2 - 21. Jahrhundert

Einer der beliebtesten Formen des Comics sind heutzutage Mangas.

Die Mangas erlebten in Deutschland in den 1990er Jahren einen Boom. In ihrem Heimatland Japan hatte sich das Genre bereits in den fünfziger Jahren etabliert. Diese zeichnen sich durch die überproportionierte Form und übertriebene Gestik und Mimik der Figuren aus. Außerdem werden sie von rechts nach links gelesen.

Viele Zeichner arbeiten inzwischen vor allem digital: Sie nutzen Grafiktablets, um die Panels ihrer Hefte zu zeichnen. Auch die Farben tragen sie digital am Rechner auf. Auch das Medium hat sich teilweise verändert: wir finden Comics auch im Internet.

Auch die Themen und Formen haben sich verändert. Es werden in Comics heutzutage auch triste Themen wie Depressionen gezeigt. Ein klassisches Beispiel ist hierfür Jimmy Corrigan mit seiner Graphic Novel „Der klügste Junge der Welt“. 

Auch Literatur wird in Comics umgesetzt. So zum Beispiel der Kriminalroman Volker Kutschers „Der nasse Fisch“ durch Arne Jysch.

Mich beeindruckten die modernen Formen des Comics: zum Beispiel ein rein typografischer Comic oder ein Comic, der ganz ohne Text funktioniert.

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Meine Version der "Herkunft der Vögel"

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Grundkonzept

Mein Ziel ist es den Leser mit auf eine märchenhafte Erzählung zu nehmen. Die Regieanweisungen empfand ich dabei als ablenkend. In meinen ersten Entwürfen waren diese noch vorhanden, jedoch kursiv geschrieben und grau eingefärbt ( in den Hintergrund gerückt). 

Bei mir stehen die Illustrationen im Vordergrund. Diese zeigen Abschnitte von dem, was in dem Text steht und untermalen so diesen. 

Meinen Augenmerk habe ich dabei auf die Darstellung der verschiedenen Welten und der Charaktere gelegt.

Die Charaktere Qfwfg, der alte U(h), der Urvogel und die schöne Königin Orgit-Onir haben jeweils eine charakteristische Farbe (wie auch Form) und sind so wiedererkennbar. Um die dritte Textebene, die direkte Rede, hervorzuheben und die sprechenden Charaktere typografisch zu „zeigen“ ist diese farblich und durch die Form und Größe in der charakteristischen Farbe eingefärbt.

Prozess

Nach der ersten Textanalyse und dem Erstellen des Moodboards ging mein Prozess vorerst schleppend voran. Dies meiner Unschlüssigkeit und langer Krankheit geschuldet.

Von meinem eigentliches Ziel metaphorische Bilder zu finden und meine gefunden Schlagworte umzusetzen, musste ich daher abweichen. 

Stattdessen konzentrierte ich mich auf die Darstellung der unterschiedlichen Welten und auf die Charaktere, bzw. auf die märchenhafte Stimmung. 


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Umgang mit Bild

Da der Hauptcharakter Qfwfq als Zeitzeuge, der in der Geschichte bis in unsere Zeit existiert, kein Mensch sein kann, ist er bei mir ein blauer Energieball.

Alle Charaktere aus seiner Welt (er und U(h)) sind blau/grün eingefärbt.

U(h), der älteste von ihnen ist ein Baum, der sich durch Form, Farbe und Größe von den restlichen Bäumen in der Landschaft unterscheidet. 

Die Parallelwelt, in der die Vögel und ihre Königin Orgit-Onir leben, ist orange-rot-gelb. Der Urvogel wirkt dadurch feurig und erinnert mich an einen Drachen. 

Für die Umsetzung der Charakteren wählte ich die Aquarelltechnik, um die verträumte Optik der Figuren zu unterstützen. Dafür legte ich für beide Welten jeweils eine farbige Aquarellfläche an, die ich analog colorierte. 

Im zweiten Schritt scannte ich diese ein und legte sie als Flächen in Photoshop unter meine ebenfalls analog gezeichneten Outlines. So entsteht eine Mischung aus Linien für die Welten und (Negativ-)Linien und Flächen für die Charaktere. Die detaillierten Linien der Welten wandelte ich eingescannt mit Illustrator in Vektoren um.

Durch die Mischung von Fläche und Linie erinnern die Charaktere an Scherenschnitte. 

Exemplarisch seht ihr hier die unterschiedlichen Stadien des Urvogels.

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Wie schon erwähnt ähneln sich die beiden Welten, unterscheiden sich jedoch von den Farben. Die Elemente (wie die Bäume) haben Ähnlichkeiten und unterscheiden sich doch. 

Qfwfqs' Welt ist in einer Flasche, die Parallelwelt dieser phantastischen Geschichte ist ein Goldfischglas. 

Der Mond (für mich metaphorisch für die Sehnsucht) ist außerdem ein wiederkehrendes Motiv der Parallelwelt, nach der sich Qfwfq so sehnt.

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Ich illustriere zuerst die Szenen, auf die ich Lust hatte. Dadurch entstand eine zufällige Reihenfolge und die Bilder wirken unterschiedlich stark.

Sie sind außerdem nicht sequentiell und stehen eher für sich. Dies ist natürlich weit weg vom Comic.

Das nächste mal würde ich definitiv früher anfangen und mir einen Plan machen welche Bilder und Szenen besonders stark sein sollen.

Umgang mit Text

Bei dem Fließtext entschied ich mich für eine klassische Romanschrift, die Garamond Premiere Pro in der Schriftgröße 10 Punkt. Die Initialen stehen in der Kontiki-Used. Initialen erinnern mich an Märchenbücher und die Schrift an Stempel und analoges Arbeiten. 

Die direkte Rede als dritte Textebene ist wie schon erwähnt ebenfalls in der Kontiki-Used und mit den Aquarellflächen in Farbe der sprechenden Figuren unterlegt.

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das fertige Printobjekt 

Ich habe das Buch bei „Solid earth“ auf umweltfreundlichem Recyclingpapier (150 g) drucken lassen.

Im zweiten Schritt habe ich es mit der Drei-Stich-Fadenheftung gebunden. Durch die Bindung erscheint es ein wenig mehr wie ein Comic. Das nächste Mal würde ich es in einem schmalen Hardcover binden, da dies besser zu der „Märchenbuchgestaltung“ passt. 

Auf der ersten Seite sieht man außerdem das Aquarell, dass der blauen Welt als Grundlage und auf der letzten Seite das Aquarell, dass der Parallelwelt diente.

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cosmi_kleiner.pdf PDF cosmi_kleiner.pdf

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Lisa Bucher foto: kh

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2019 / 2020