Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam mehr erfahren

Digital Companionship

Dokumentation meiner Bachelorarbeit „Digital Companionship“. Entstanden im Sommersemester 2019 unter Betreuung von Prof. Boris Müller und Prof. Reto Wettach.

Abstract

Podcasts im Ohr, Livestreams im Hintergrund und die App die dir dabei hilft, einen Weg aus der Depression zu finden: Immer mehr digitale Produkte greifen—indirekt oder gewollt—zur Strategie der Entwicklung eines des digitalen Begleiters. Services wie Moodpath, Ada oder Headspace führen einen Trend an, der durch künstliche Intelligenz, Sprachinterfaces, und dem enormen Zuwachs an digitalem Konsum weiter angefeuert wird und an Akzeptanz gewinnt.


Für Designer und Designerinnen heißt das, dass Interfaces emotionaler und natürlicher gestaltet werden müssen. Das einfache Ausführen von Aufgaben wird überholt—Apps und andere digitale Services sollen das Verhalten ihrer Nutzer und Nutzerinnen nachhaltig und möglichst positiv beeinflussen, unterstützen und begleiten.


Ich möchte in meiner Arbeit untersuchen, welche technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen diese Art von Interaktion überhaupt möglich gemacht haben. Inwiefern existierende Apps gestalterisch zum Companion werden, die Ziele ihrer Nutzer und Nutzerinnen spiegeln und wie man den noch sehr offenen Begriff des digitalen Begleiters—des „digital Companions“ definieren und einordnen kann.


Es wird anschließend ein Zukunftsszenario entwickelt, die die aktuellen Entwicklungen weiterführt und kritisch betrachtet. Es soll ein Konzept eines situationsbewussten Companions anskizziert werden, der Menschen bei dem Reflektieren über kleine und große Momente in ihrem Leben unterstützt.

 

Abstract (english)

Podcasts in your ear, livestreams in the background, and the app that helps you out of a depression: More and more digital products develop their services either directly or indirectly in the form of a „digital companion“. Apps like Moodpath, Ada, or Headspace spearhead a trend that is further inspired by developments in artificial intelligence, voice interfaces, and the rise in digital consumption.

As a consequence, designers will have to design interfaces in a more natural and emotional manner. Basic transactional tasks are a thing of the past—apps and other digital services now aim to deeply influence the behaviors of their users by supporting and accompanying them.

In this thesis I want to examine which technological and societal developments made this kind of interaction possible. How existing Apps transform into a „companion“ and how the term can be defined and classified. Following this, I will develop a scenario to ask how a screen-based companion can work, look, and feel in the future.

Konzept

Basierend auf den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der letzten Jahre (mehr dazu im angehängten Thesis-PDF) möchte ich versuchen, eine Zukunftsvision eines nicht zwingend unrealistischen, fortgeschrittenen Companions zu entwerfen. Eine Instanz, die neben der abstrakten Sozialisierung auf Knopfdruck ermöglicht, proaktiv das Leben von Nutzer und Nutzerinnen zu begleiten. Dabei soll es im Vordergrund um das »Micro-Reflektieren« gehen. Ein Companion, der mit echtem Situationsbewusstsein die Gedanken und Perspektiven der Nutzer und Nutzerinnen erfragt und aufzeichnet. Ein Companion, der sich morgens nach den Zielen für den Tag erkundigt und abends zum Reflektieren anregt. Ein Companion der zwischendurch lacht oder nervt und Erlebnisse versucht zu kontextualisieren.


Der Companion soll dabei keine Probleme lösen, sondern viel eher dabei helfen diese zu artikulieren und darüber zu reflektieren. Gedanken zu ordnen und den Nutzern und Nutzerinnen ermöglichen, sich komfortabel über die Dinge im Leben zu unterhalten, für die normalerweise kein Platz oder keine Ansprechperson im Alltag verfügbar ist.

prompts.jpgprompts.jpg

Identität

Artboard.jpgArtboard.jpg

Das ist »Ago«. Ago (lat. treiben, führen, leiten) stellt den Kern der beschriebenen personifizierten Instanz dar. Ein abstraktes, reaktives Bild, das die Intelligenz visualisiert. Ago redet nicht, sondern gibt lediglich visuelle und niederkomplexe akustische Reaktionen auf das den gesprochenen Input. Mit einfachen Signalen soll kommuniziert werden, dass zugehört und verstanden wird.


„Prompts“ (dt. Eingabeaufforderungen) werden nur über das geschriebene Wort gegeben. Ago soll nicht menschenähnlich sein, sondern lediglich mithilfe des in Kapitel 1 (Thesis-PDF im Anhang) besprochenen Anthropomorphismus erlauben, dass sich Menschen ohne Reserviertheit mit dem Companion unterhalten zu können. Es geht dabei explizit um zwanglose Unterhaltungen, dem Zulassen von Pausen und dem „dahinreden“. Es steht dabei im Kontrast zu aktuellen Voice-Assistants, die transaktionsbasiert und auf den Punkt angesteuert werden müssen.

Aktion

Artboard Copy.jpgArtboard Copy.jpg

Ago steht zur Interaktion immer bereit. Über einfache Prompts wird zum Reflektieren eingeladen und es werden relevante Situationen des Tages aufgeführt. Ago agiert dabei fast wie ein Tagebuch, welches jedoch bereits Informationen über den Tagesverlauf und dessen Effekte wahrgenommen hat.


Die vorgeschlagenen Situationen reichen dabei von sehr offenen Themen wie der Reflexion des Tages, bis hin zu unscheinbaren Momenten wie dem Lesen eines Artikels im Internet. Ziel dabei ist es, nicht einfach über diese Erlebnisse hinwegzusehen, sondern zu stoppen und nachzudenken.


Ago agiert dabei fast wie ein Mitbewohner oder vertrauter Freund, der sich selbstlos für das Leben einer anderen Person interessiert. Das explizite Benennen von gefühlten Emotionen soll dabei helfen, diese nicht zu langfristigen Launen werden zu lassen.

Ausgabe

MOSHED-2019-5-26-22-25-16.jpgMOSHED-2019-5-26-22-25-16.jpg

Neben akustischen Signalen kommuniziert Ago mithilfe generativer Darstellungen. Diese sollen ferner an ein geöffnetes Auge erinnern, sind aber dennoch abstrakt genug, um keinen starken menschenähnlichen Charakter zuweisen zu können.


Die Form erlaubt hierbei einen hohen Grad an individuellen Anpassungen. Neben der Animation der Arme und des Mittelkreises kann Symmetrie, Geschwindigkeit, Bewegungsmuster und Farbe genutzt werden, um Ago in eine Vielzahl von Anwendungsbereichen einzuarbeiten. Es wird nicht mehr nur zugehört, sondern in Echtzeit subtil auf das Gesagte reagiert.

Integration

Artboard Copy 3.jpgArtboard Copy 3.jpg

Grundsätzlich ist das Konzept von Ago plattformunabhängig. Es kann sowohl nur über die visuelle Ebene kommuniziert werden, als auch nur über die akustische.


Bedingt durch ein hohes Situationsbewusstsein kann sich der Companion nur dann einbringen, wenn es für den Nutzer bzw. die Nutzerin angenehm ist. Ist man konzentriert oder beschäftigt wird auf eine Kontaktaufnahme verzichtet. Unnötige, unangebrachte Push-Notifications werden somit umgangen.


Beispielsweise wird nach dem Lesen eines Artikels wird dazu angeregt, die neuen und Informationen zu verarbeiten. Auch wenn es nur 10 Sekunden dauert; man sich seiner Eindrücke bewusst und artikuliert diese.

Analyse

Artboard Copy 4.jpgArtboard Copy 4.jpg

Ein situationsbewusster Companion kann dann in der Analyse und in der Verarbeitung der Daten mehr als nur das Offensichtliche darstellen. „Experiences“, Erfahrungen, Situationen werden in ihrer Gesamtheit wahrgenommen und können so in einer neuen Art reflektiert werden.


Durch das Wahrnehmen von mehr als nur den direkten Eingaben des Nutzers bzw. der Nutzerin kann weitaus mehr von einem „Begleiten“ gesprochen werden. Ein Companion sollte aufmerksam auf das machen, das man selbst nicht eindeutig beobachten kann.


Wenn eine Technologie mehr über uns weiß als wir über uns selbst wird es höchste Zeit dieses Verhältnis auszugleichen. Companions wie Ago können eine mögliche Richtung darstellen, mit der diese Entwicklung ermöglicht werden kann.

Fazit

Ob Technologie jemals die Begleitung eines Menschen ersetzen kann ist fraglich. Ich glaube jedoch, dass das Verhältnis von Mensch und Maschine nicht mehr lange nur noch „transaktionsbasiert“ existieren wird, sondern auf neue Ebenen wachsen wird. Durch einerseits technologische Entwicklungen, die den Menschen noch begreifbarer machen — andererseits durch den exponentiellen Anstieg von Akzeptanz für personifizierte und soziale Technologie ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir von tatsächlich empathischen Maschinen reden können.


Dennoch stellt sich immer wieder die Frage, ob Technologie—ein Hauptauslöser für viele negative Entwicklungen im Bereich des mentalen Wohlbefindens—wirklich eine Lösung darstellen kann. Ich denke, dass situationsbewusste Technologie viele dieser Probleme adressieren kann und nur dann Interaktion erfordert, wenn es auch wirklich gewünscht ist. „Digital Companionship“ wird sich weiter im Leben der »Digital Natives« manifestieren und neue Gestalten einnehmen können. Über das Design muss versucht werden, diese Entwicklung in eine Form zu bringen, die nicht weiter überlastet, sondern das Leben vereinfacht, unterstützt und begleitet.


Dies wird in einem fundamentalen Wandel der uns bekannten Designstrategien resultieren. Es wird noch eine Weile dauern, bevor wir effektiv Empathie gestalten und diese erweiterte Kommunikation mit Maschinen für beide Seiten fassbar machen können. Unser Smartphone, unser Laptop, unsere Smart-Watch begleitet uns mehr als jeder andere Gegenstand. Sie wissen oft mehr über uns, als wir über uns selbst. Doch noch interessieren sie sich in keinster Weise für uns, wer wir wirklich sind oder was wir erreichen wollen. Ein digitaler Companion—ein digitaler Begleiter—sollte jedoch genau dies tun.



Die komplette Thesis befindet sich als PDF im Anhang.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Interfacedesign

Art des Projekts

Bachelorarbeit

Betreuung

foto: Prof. Boris Müller

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2019

Keywords