In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Typographie-Kalender 2019 In politisch angespannten Zeiten wurde für jeden Monat des Jahres 2019 ein relevanter Gedenk- oder Aktionstag ausgewählt, daraufhin ein zum Thema passendes Zitat bedeutender historischer Persönlichkeiten recherchiert und dieses dann in einer passenden Schrift gesetzt. So ergeben sich 12 Zitate mit 12 Kalendarien in 12 Schriften, die mit 12 erläuternden Texten zu einem Entdeck- & Abreiß-Kalender komponiert wurden (exklusive 3 Titelblätter).
Ziel des Typographie-Grundlagen-Kurses war es einen Typographiekalender zu gestalten. Dabei sollten für die zwölf Monate eines Jahres zwölf möglichst klassische bzw. etablierte Schriften verwendet werden und ein übergeordnetes Konzept die Monate gestalterisch einen. Zusätzlich sollten die kürzere Texte die Schriften erläutern.
Zunächst stellten sich mir grundsätzliche Fragen zur Nutzung eines Kalenders:
Wenn im digitalen Zeitalter die klassische Terminkoordinierungsfunktion eines Kalenders mehr und mehr von interaktiven, vernetzten Online-Kalendern besser und besser erfüllt werden, wofür dann noch einen Wandkalender?
Wenn die dekorative Funktion eines Kalenders im Vordergrund steht, sind nicht illustrierte Kalender das bessere Medium als ein reiner Typographie-Kalender?
Auch wenn mich meine Kommilitoninnen im Laufe des Semesters eines besseren belehrten, so dachte ich bei Schrift eher an Worte und Kommunikation, an Aussagen und Austausch.
So beschloss ich die soziale Funktion eines Kalenders in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu hatte ich zunächst zwei Ideen, die ich anfangs noch versuchte in einem Kalender zu vereinen.
1. Das Soziale im Kleinen Der Wandkalender dient in vielen Familien und einigen Wohngemeinschaften oder Büros noch heute als Mittel zur Terminkoordinierung. Wer kennt nicht die vollgekritzelten Wandtabellen mit geringem ästhetischen Anspruch? Deren Aufwertung erschien eine spannende Herausforderung zu sein.
2. Das Soziale im Großen Meist eher über das Radio als durch den Wandkalender erfahren wir von fast täglich stattfindenden, internationalen Gedenktagen, die oft an ein historisches Ereignis anknüpfen, dass uns auch heute noch im Gedenken mahnen oder im Aktionstag ermuntern soll. Da meist auch bedeutende und rethorisch versierte Persönlichkeiten in Verbindung zu den Gedenktagen stehen, erschien die Verknüpfung mit deren Zitaten und die Auswahl einer passenden Schrift als rundes Konzept für die Kurs-Aufgabe Typographie-Kalender.
Während des Prozess erschienen die beiden Aspekte des sozialen nicht weiter in einem Kalender vereinbar und der Fokus wurde dann ganz auf das Soziale im Großen gelegt. Das Konzept bestand schlussendlich aus einem vier-stufigen gestalterischen Prozess. Der Auswahl von geeigneten Gedenktagen, passenden Zitaten und Schriften und der Gestaltung des Ganzen zu einem Kalender nach dem Motto: Worte verhindern den Weltuntergang 2019.
Während zu Beginn noch das Soziale im Großen und das Soziale im Kleinen zusammen in einem Kalender gedacht wurden, stellte sich im Laufe der ersten Wochen heraus, dass beides zusammen zu viel für einen Kalender ist. Aufgrund der angespannten politischen Lage in der westlichen Welt, fiel die Wahl dann auf das Sozialem im Großen.
1. Auswahl der Gedenktage Zunächst galt es für jeden Monat einen internationalen Gedenktag mit Relevanz für das Jahr 2019 auszuwählen. Dabei sollten nicht nur die mahnenden Gedenktage, die uns mit erhobenem Zeigefinger von der Wand entgegenschauen, gewählt werden. Sondern es sollten auch einige erheiternde Gedenktage dazwischen sein, die einem ein Schmunzeln auf die Lippen bringen und Lust auf das Jahr 2019 machen, oder an die Errungenschaften der Menschheit erinnern, auf die wir mit Stolz blicken und um deren Erhalt wir uns bemühen sollten.
2. Auswahl der Zitate Teilweise haben die Zitate einen direkten Zusammnhang zu der Entstehungsgeschichte der Gedenktage. Sie geben also Worte von Personen wieder, die sich für die Etablierung eines Gedenktages eingesetzt haben oder eine entscheidende Rolle bei dem Ereignis einnahmen, an das gedacht wird. (Holocaustgedenktag, Weltfrauentag, Christopher-Street-Day, Tag der Menschenrechte)
Andere Zitate sind Assoziationen zur Intention der Einführung des jeweiligen Gedenktages, geben also bspw. pointiert die Begründung der UN zur Einführung eines Gedenktages wieder. Dabei wurde auch auf eine stark Relevanz der zitierten Person für das Thema des Gedenktages geachtet. (Welttag des Tanzes, Tag des Kusses, Tag der Gewaltlosigkeit, Tag der Toleranz)
Teilweise wird der Kalender durch freiere, persönliche Assoziation und Interpretation eher zur Kuratoren-Arbeit. Dabei war die Leitfrage, was ist die aktuelle Relevanz eines Gedenktages für das Jahr 2019. (Tag des Radios, Weltbienentag, Gedenktag an den Sklavenhandel, Tag der Demokratie)
3. Auswahl der Schrift Ausgehend vom Thema und Zitat wurden passende Schriften ausgewählt. Dabei gibt es teilweise direkt historische bzw. zeitgeistige Analogien, teilweise weitschweifigere Herleitungen entlang einiger Hintergrung-Aspekte oder schlicht thematische bzw. emotionale Assoziationen des Ausdruckes einer Schrift. Genauere Erläuterungen finden sich in den Fließtextabschnitten auf dem finalen Produkt. Die Erläuterungstexte sind in dem gut lesbaren und doch modern-klassischen Serifenschnitt der Lucida gesetzt.
4. Gestaltung der Blätter Von den Vorüberlegungen zum Thema Familienkalender inspiriert, war die erste Idee das Kalendarium nicht klassisch tabellarisch, gut lesbar sondern als Hintergund-Pattern zu setzen. Auf einem dichten, repetetiven, kleingedruckten Buchstaben-Teppich in sachlich funktionaler Schrift (Akzidenz Grotesk) sollten die Zitate die Schiften, um die es eigentlich gehen sollten, invers durch Unterbrechung des Pattern vorstellen. Im Kontrast zur Tradition des Druckhandwerks werden also Schriften durch Nicht-Drucken vorgestellt. Das repetetiven Pattern wird wiederum an dem Datum des Gedenktages durch die Verwendung der Schrift des Monats unterbrochen und kommuniziert so subtil, wann das Zitat seine vollen Wirkung entfaltet.
Nach der Gestaltung des Pattern und der Wahl der Schriften, wurde die typographische Gestaltung der Zitate vom Inhalt dieser und der traditionellen Verwendung der Schrift (die teilweise befolgt, teilweise bewusst missachtet wurde) inspiriert.
Das Konzept zur Materialität beruht zum einen auf der Vergänglichkeit eines Kalenders und zum anderen auf der Überhöhung der Zitate durch einen edelen Hintergrund.
Nach Überlegungen zur Positionierung des Zitate-Blatts in Din-A3 auf einem 50x70cm Karton, kam die Idee, die laut Aufgabenstellung vorgesehenen Erläuterungstexte und ggf. doch auch eine gut lesbares traditionelles Kalendarium auf dem Karton zu einer Gesamtkomposition zusammenzuführen.
Alle Blätter sind auf hellgrauem Zeitungsdruckpapier in 49g mit einem Din A3-Tintenstrahldrucker gedruckt. Die Blätter wurden händisch zurecht geschnitten und perforiert und anschließende zu 3 Abreisskalendern gebunden. Diese sind dann wiederum mit schwarzem Gewebeklebeband auf dem Untergrund befestigt. Der Untergrund besteht aus einem goldenen Alukarton, der auf einer schwarz lackierten 6mm MDF-Platte mit doppelseitigem Klebeband befestigt wurde. Die billige, minderwertige Materialität und die Funktionalität der Abreisskalender sollen die Vergänglichkeit eines Kalenders unterstreichen, der goldenen Hintergrund jedoch zugleich die Wichtigkeit vergänglicher Themen unterstreichen. Konzeptionell passt so auch die äußerst heikele Handhabung des empfindlichen Alukartons zum Wert, der den vergänglichen Worten verliehen werden soll. Ohne Wertschätzung wird er sehr schnell hässlich.
Während der intensiven Beschäftigung mit verschiedensten Schriften habe ich sehr viel dazugelernt. Die Zeit war, wie so oft, eine Bürde der eigene Ansprüche. Wie ein Album in der Musik stärkere und schwächere Songs enthält, so enthält auch der Kalender gelungenere und weniger gelungene Monate. Die Verarbeitung des Alukartons war extrem schwierig, eigentlich ist er als großformatige glatte Oberfläche nicht verwendbar. Bei der finalen Produktion haben mir Buchbinde-Fähigkeiten gefehlt, die aufgrund der unterdimensionierten Kapazität an unserer Hochschule ja bekanntlich schwer zu erlangen sind.
Die kleine Gruppe im Kurs hat eine sehr inspirierende, produktive und kollegiale Arbeitsamtmosphäre ermöglicht. Es war toll zu sehen, welch unetrschiedliche Kalender entstanden sind. Durch den Satzwerkstatt-Workshop und den Besuch bei der Edel-Druckerei Rüss wurden intensive praktische Erfahrungen ermöglicht und die Wertschätzung für traditionelles Handwerk und moderne Produktionstechnologie gestärkt. Leider konnte ich aufgrund von Terminkoordinierungsschwierigkeiten nicht an der Riso-Einführung teilnehmen. Katrin Holst hat als Betreuerin eine wunderbare Balance zwischen Freiräumen, Fokussierung, Anregungen und Detail-Hilfen gefunden. Es war insgesamt ein toller, spaßiger und sehr lehrreicher Kurs, den ich gerne besucht habe! Vielen Dank!