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Fenster nach Osten. Über den Umgang mit Erinnerungen.

Fenster nach Osten. Über den Umgang mit Erinnerungen.

In den 90er und Anfang der 2000er gab es eine große Welle der jüdischen Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland. Aus den Interviews mit vier Frauen, die in einem hohen Alter sich für ein neues Zuhause in Potsdam entschieden haben, kristallisierten sich vier ganz unterschiedliche Wege mit Erinnerungen umzugehen heraus.künstlerische Konzepte für die öffentliche Sichtbarkeit zu entwickeln.

Idee

Es ist für junge, mit der Selbstfindung oder Karriereoptimierung, befasste Menschen nichts ungewöhnliches sich gravierenden räumlichen und damit sozialen Veränderungen zu stellen. Aber wie gehen gesetzte ältere Menschen mit den Veränderungen um, die eine Auswanderung mit sich bringt? Aus welchen Gründen wurden diese Entscheidung getroffen und wie fügen die Einwanderer sich in das neue Land ein? Können Sie die ferne Vergangenheit loslassen? Die Familie, die Freunde, die Wohnung, die gewohnte Umgebung, und viele anderen Faktoren, die zurückgeblieben sind, fehlt das alles nicht? Wie halten diese Menschen ihre Erinnerungen lebendig?

Mein Ziel bestand darin, herauszufinden wie stark alte Erinnerungen für die Protagonisten noch eine Rolle im heutigen Leben spielen und welche Methoden entwickelt wurden, Erinnerungen an das Früher zu bewahren oder aber auch auszulöschen.

Problemstellung

//Die große Herausforderung bestand auch darin, Protagonisten zu gewinnen, die meiner Zielgruppe entsprachen und die bereit waren sich zu sehr persönlichen Dingen interviewen, fotografieren und filmen zu lassen. //Es galt herauszufinden, ob die Einwanderer sich überhaupt öffnen, erinnern oder erinnert werden wollen? //Wie kann eine entspannte Gesprächsatmosphäre gestaltet werden? Wie werden Fragen so gestellt, dass der Andere gerne erzählt? //Wie lassen sich die Ergebnisse präsentieren, wenn die Protagonisten sich widerspiegelt fühlen sollen? Darf ich sie so zeigen wie ich sie sehe? Sind die dafür bereit auch kritisch ausgestellt zu werden?

Umsetzung

Seit der Zuwanderung der jüdischen Kontingentflüchtlinge aus den ehemaligen Sowjetrepubliken haben sich die Mitgliederzahlen jüdischer Gemeinden in Deutschland mindestens verdoppelt, einige sogar verachtfacht. Die jüdische Gemeinde in Potsdam – war somit der Schlüssel zu meinem Projekt.

Nach Telefonaten mit dem dortigen Vorsitzenden wurde ich auf ein Treffen der Holocaust Überlebenden eingeladen. Ich durfte mein Projekt vorstellen und schon mal ein paar interessante Gespräche führen.

Nach einigen Besuchen der Gemeinden und vielen Litern getrunkenen Tee konnte ich vier Frauen für mein Projekt gewinnen.

Begegnungen

Nun konnte ich beginnen Interviews zu führen. Diese fanden auf Russisch frei und ohne festen Rahmen statt. Ein Fragebogen oder ähnliche „Fahrpläne“ hätten das Aufkommen einer entspannten Atmosphäre und einer natürlichen Konversation behindert.

Als Einstieg in die Interviews habe ich nochmals die Ziele meines Vorhabens erklärt, und dann den Redestab mehr und mehr aus der Hand gegeben. Die Frauen genossen das Interesse von mir als Vertreterin einer jüngeren Generation und erzählten gerne über ihre Kindheit in Ihrer alten Heimat und über den Weg bis nach Potsdam. Wenn mir bestimmte Aspekte besonders spannend erschienen, leitete ich das Gespräche durch Fragestellung in diese Richtung. So ganz natürlich entstand ein Bild zum Leben jeder Frau. Zu jedem Interview gibt es eine Tonspur.

Zum Schluss hatte ich gebeten ein paar Fotos von der Frau sowie von der Umgebung zu machen. Alle Interviewten waren dafür offen.

Die Fragestellungen zur Art des Umgangs mit den Erinnerungen konnte ich meistens schon kurz nach den Interviews, während der eigenen Verarbeitung und Rekapitulation beantworten, ohne direkt danach gefragt zu haben.

Ich habe mich mit den Frauen mehrmals getroffen. Ziel des nächsten Treffens lag darin festzustellen ob der durch meine Wahrnehmung gespiegelter Umgang mit Erinnerungen als zutreffend empfunden wird.

Ein Andermal wurden Videos aufgenommen, die einen Einblick in die Lebenswelt der Protagonistinnen geben und die Frage zur Erinnerung teilweise beantworten, aber auch neue Fragen öffnen sollten.

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Alla Nosova Geb. 1942 in Russland, Kursk kam 2005 nach Potsdam „Heute ist der wichtigste Feste – Tag des Sieges – der 9 Mai. Dank dieses Feiertags können wir auch andere Feste feiern. Und jetzt, jedes Jahr an diesem Tag, erinnere ich mich an meine Kindheit.“ Video 2:06 Min.

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Zhenia Khokhlich Geb. 1933 in der Ukraine, Chmelnyzkyj kam 1999 nach Potsdam „Nach Deutschland haben wir Bücher und Fotos mitgenommen. Was ich jetzt mache? Ich gucke mir die Fotos an und vernichte sie langsam. Da muss ich an meine Stiefmutter denken, sie ist eine sehr weise Frau gewesen. Aber auch eine schwierige. Wie sie da saß und Fotos zerriss. Konnte ich damals nicht verstehen.“ Video 1:38 Min.

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Khaia Erzova Geb. 1926 in Weißrussland, Gomel kam 2004 nach Potsdam „Das ist meine letzte Freundin die noch lebt. Mit der sind wir schon seit 50 Jahren sehr eng befreundet. Ja, wir telefonieren jeden Tag. Ich kriege große Telefonrechnungen jeden Monat, aber es lohnt sich.“ Video 1:40 Min.

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Sana Nudelmann (bis 1944 Sara) Geb. 1931 in Russland, Nischni Tagil kam 1999 nach Potsdam „Unsere Bücher, Fotos und Schallplatten nahm ich mit. Zum Beispiel, eine Platte wurde mir von meinem Enkel auf das iPad gespielt. Ich liebe diese Musik. Ich möchte so gerne tanzen.“ Video 3:36 Min.

Fazit

_Es war eine wunderbare Erfahrung die Welt dieser starken Frauen kennenzulernen. Die Frauen, für die Deutsche existenzbedrohende Feinde waren, und die sich trotzdem nach vielen Jahren entschieden haben in Deutschland zu leben und sich hier wohl fühlen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Wiebke Loeper foto: Nicola Lepp foto: SN

Zugehöriger Workspace

Multiperspektivisches Erinnern – Wege aus der Sprachlosigkeit

Entstehungszeitraum

WiSe 16 / 17 – SoSe 17