Mein Ziel ist es in einem abstrakten Musikvideo die unterschiedlichen Passagen des Stücks „Immerse“ von Nils Frahm visuell variantenreich zu erzählen. Dabei sollen Bild und Ton eine ausgewogene Beziehung eingehen, indem sie sich gegenseitig ergänzen. Auf der Bildebene wollte ich mit den typischen Wellenbewegungen arbeiten, die wir aus der Audiovisualisierung kennen. Um jedoch dieser Form der Abstraktion einen realen Gegenpol und damit dem Zuschauer die Möglichkeit einen emotionalen Bezug zum Bild aufzubauen zu geben, erzählt der Film auch eine Geschichte bei der die Handlungen und Bewegungen der Figuren vom Klang bestimmt werden. Die Geschichte soll bis zu einem gewissen grad abstrakt dargestellt werden, jedoch klar erkennbare Motive beinhalten, die eine Art emotionales Verhalten zeigen. Nach den bisherigen Analysen habe ich mich dazu entschieden adaptive Techniken der Audiovisualisierung, wie zum Beispiel die Analyse der Waveform sowie Audiotracking der verschiedenen Frequenzbereiche mit eine phantasievollen Geschichte und einer Dramaturgie zu kombinieren.
Bild-Ton Relationen in der Wissenschaft
Schlieren-Flow Visualisierung
Die direkteste Methode Sound sichtbar zu machen ist die Schlieren Visualisierung. Die Lichtbrechungen die durch die Variation in der Luftdichte durch Schall entstehen, werden durch parabolische Spiegel reflektiert bevor sie auf das Aufnahmemedium treffen. Mit Hochgeschwindigkeitskameras kann so die Ausbreitung der Schallwellen dokumentiert werden. Die Schlieren Visualisierung wird vor allem in der Luftfahrt und Autoindustrie verwendet um Aerodynamik zu untersuchen.
Bild-Ton-Relationen auf einer physikalischen Basis zu visualisieren erscheint mit als der direkteste und in vielen Fällen auch sehr ausdrucksstarke Ansatz zu sein, der sowohl mit als auch ohne Hintergrundwissen eine erstaunliche Wirkung entfalten kann. Kritisch sehe ich hier jedoch das Fehlen des narrativen Anteils im Film –die Abstinenz des eigentlichen Storytelling–, das normalerweise eine filmischen Arbeit zugrunde liegen sollte. Die Geschichten und phantastischen Elemente in der Musik fallen in den meisten Beispielen dem reinen, zugegebenermaßen oft reizvollen optischen Effekt zum Opfer.

Der abstrakte Raum in der Kunst
Den abstrakten Raum als fester Bestandteil unserer Wahrnehmung nahmen sich viele bildende Künstler, Architekten und Designer des Neoplastizismus ab 1920 zum Vorbild. Der konstruktivistische russische Maler Wassily Kandinsky beschäftigte sich in seinem Streben nach einer puren monumentalen Kunstform schon frühzeitig mit dem Verhältnis zwischen Farben und Tönen und sah in der Abkehr von der materiellen Bildsprache, hin zur Abstraktion, die beste Möglichkeit innere Gefühlswelten und spirituelle Kräfte darzustellen.
Die Musikalische Grafik
Die Praxis, emotionales Erleben von Musik in abstrahierter Form in einem Bild abzubilden bezeichnet man als musikalische Grafik. Musikalische Grafiken haben im Gegensatz zu Hörpartituren oder grafischen Notationen nicht die Beschränkung eine analytische Funktion zu erfüllen. Sie besitzen ein ästhetisches Eigenleben und sind auch losgelöst von ihrem musikalischen Hintergrund eigenständige Werke. Obwohl leicht zu verwechseln haben sie also einen ganz anderen Hintergrund als die auf Notenschrift basierenden grafischen Systeme von John Cage, auf die ich an späterer Stelle noch eingehen werde. Grafische Notationen, Hörpartituren und musikalische Grafiken sind trotz oder gerade wegen ihren feinen Unterschieden ein gutes Beispiel dafür, wie nah Musikwissenschaften, bildende Kunst und Gestaltung in der Audiovisuologie beieinander liegen.

Abstrakter Film und Visual Music
Erweitern wir das Konzept des abstrakten Raums in der Malerei um den Faktor Zeit gelangen wir in den Bereich des abstrakten Films, dessen Entwicklung nicht nur von künstlerischen Strömungen sondern auch von technischen Hürden und Durchbrüchen geprägt war. Die Geschichte des abstrakten Films beginnt mit dem Werk „Lichtspiel Opus 1“ von Walther Ruttmann, das man wohl als ersten Animationsfilm der Welt bezeichnen darf. Die Pioniere des abstrakten Films, vor allem in Deutschland, beschränkten sich in den golden Twenties vorwiegend auf die Manipulation des Filmstreifens, indem sie ohne Kamera direkt darauf malten. Musik wurde zu dieser Zeit noch sekundär betrachtet und nur dann in Vorführungen integriert, wenn die technischen Möglichkeiten der Synchronisation mit einem Plattenspieler vorhanden waren. Die Partitur für Ruttmanns Werk wurde beispielsweise erst im Nachhinein verfasst. „Symphonie Diagonale“ 1925 von Viking Eggeling war dagegen ein Stummfilm-Konzept, dass darauf abzielte Rhythmus allein durch die Bewegung von Bildern zu erzeugen.
Optical Sound:
Nachdem der Tonfilm ab 1928 zur Norm wurde eröffneten sich für die ersten Videokünstler neue Möglichkeiten. 1873 entdeckte der britische Elektroingenieur Willoughby Smith, dass Selenium seinen elektrischen Widerstand als Reaktion auf unterschiedliche Lichteinwirkung verändert. Dieser „optische“ Sound wurde mit einem Mikrophon aufgenommen und als oszillographische Spur am unteren Rand des Zelluloid-Films gespeichert. Dies war das erste mal in der Geschichte, dass Film und Ton auf dem gleichen Medium gespeichert werden konnten. Oskar Fischinger, der vor allem für seine zu populären Musikstücken und Schlagern synchronisierten abstrakten Animationsfilme bekannt ist, nutzte die Erkenntnis, dass die Lichttonspur auf dem Film aus abstrakten Mustern besteht um direkt Töne aus abstrakten Zeichnungen bzw. Ornamente auf der Lichttonspur des Films herzustellen. Die klangerzeugenden Ornamente auf der Tonspur seiner Filme sind die gleichen, die man auf der Filmspur tatsächlich sieht. Ton und Bild sind hier also zumindest theoretisch im Einklang. Da die Ornamente mehr Geräusche als Klänge im klassischen Musikverständnis sind nimmt er damit die Entwicklung synthetisch erzeugter elektronischer Musik mehr als 50 Jahre vorweg. Des weiteren beeinflusste er mit seiner Auffassung von Klang auch den modernen Komponisten John Cage, der 1936 nach einer Begegnung mit Fischinger sagte: „He said that every thing in the world has a spirit which is released by sound, and that set me on fire, so to speak.“

Visuelles Konzept für ein abstraktes Musikvideo
Wir wagen einen Blick in ein Mikroskop und beobachten kleine Mikroben die in einem Wassertropfen treiben. Einige Einzeller beginnen zu wachsen und bewegen sich schneller, bis sie aus unserem Sichtfeld verschwinden. Das Video erzählt die Geschichte der Evolution. Nahc und nach entstehen neue komplexere Lebensformen die mit ihren Bewegungen auf den Sound reagieren.
Mithilfe von After Effects und dem Plugin „Trapcode“ habe ich abstrakte Formen erzeugt, die sich durch Simulation physikalischer Eigenschaften wie Wind, Schwerkraft und durch Bewegungen des Partikelemitters kontrollieren lassen. Ziel war es eine natürliche Bewegung zu simulieren die Lebewesen Unterwasser gleichkommt.






"Immerse!" Video
PW: VisualMusic
