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Anfang

Kurz geblendet, ein paar Mal geblinzelt. Mir entgegnet ein leicht genervtes Gesicht. Ich ziehe die Rolle noch einmal nach. Doch mit der Zeit gewöhnen sie sich daran, meine Freunde.

Über die Zeit habe ich einen großen Katalog an Porträts angesammelt. 30 unorganisierte Ordner mit Titeln wie „20240901Marseille01colBigA01“. Das war die Sammlung, mit der ich in den Kurs Arbeit mit Bildern einsteigen würde. Ich druckte eine kleinere Auswahl aus und stand in den ersten Kursstunden trotzdem mit 80 Bildern da.

Anfangs war es ein kuratierter Mix aus allem Möglichen. Vereinzelte Nahaufnahmen, Detailbilder, Landschaften und die Gesichter, die mir so vertraut waren. Da fast alle Bilder, außer drei, auf Film belichtet waren, gab es etwas mehr Schwarz-Weiß-Aufnahmen als Farbfotos.

Nach der ersten Feedback-Runde ging ich optimistisch heraus. Die Kommentare über das Leben, die Beziehungen, die ich einfange, und das Interesse, das meine Bilder an den Geschichten wecken, die sie erzählen, gaben mir Bestätigung. Zeitgeist war das Wort, das mich in diesem Prozess begleiten würde.

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Schriftliches

In der ersten Stunde erzählte ich selbstbewusst, dass ich meine eigenen Gedichte mit meinen Fotografien in Zusammenhang stellen wollte. Erst später merkte ich, dass diese Aussage übertrieben war, als ich bis zur nächsten Stunde meine Gedichte mitbringen sollte. Es waren nur vereinzelte Strophen und Wörter, die in mehreren Notizbüchern gekritzelt waren. Also machte ich mich schnell an die Arbeit, um diese Gedichte in den kommenden Wochen fertigzustellen.

Mein Ablauf war folgender. Ich habe meistens zwei Dinge bei mir: eine Kamera und ein Notizbuch. Mit dem einen nehme ich auf, was ich sehen kann, mit dem anderen halte ich fest, was nicht sichtbar ist. Ich weiß, wann welche Wörter oder Strophen entstanden sind. Ich weiß, wie ich mich dabei gefühlt habe. Ich kenne die Gefühle der anderen, über die ich schreibe. Ich kenne auch die Beziehungen, und als Schreibender weiß ich, wie sie ausgehen.

Oft sind meine Notizen verschlüsselt oder umschrieben. Das ist eine Gewohnheit, die mich schon lange begleitet. Diese Gedanken in Reime zu setzen, ist eine Möglichkeit, mein Leben und das der Menschen um mich herum einzufangen. Nicht alles möchte ich deutlich kommunizieren.

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Prozess

In den vielen Stunden im Kurs kam ich immer wieder mit neuen Bildern dazu. Ich nahm welche heraus und schob andere herum. Durch die Begleitung der Kursteilnehmer, Birte Rauch und Clara Bahlsen, ging ich jede Woche mit neuer Motivation nach Hause. Ausdrucken, umsortieren und aussortieren war der wöchentliche Prozess.

Der Punkt, an dem ich stecken blieb, war die Reihenfolge. Ich hatte große Schwierigkeiten, diese festzulegen, besonders in Bezug darauf, wie die einzelnen Gedichte in Relation zu dem Buch stehen sollten. Oft versuchte ich, sie sehr bewusst mit den Fotos zu platzieren. So entstand kurzzeitig eine Ordnung, die für mich emotional und schriftlich gut passte. Doch in der Gesamtwirkung war sie für Außenstehende in Teilen zu schwer zugänglich. Das Gleichgewicht stimmte nicht. Manchmal waren es zu viele Fotos aus einer bestimmten Zeit, von einer Person oder einem Ort.

Das Feedback aus einer Stunde, in der Clara meinte, dass durch das wiederkehrende Erscheinen einzelner Personen die betrachtende Person im Laufe der Seiten beginnt, eine Beziehung oder ein Kennenlernen mit ihnen zu entwickeln, half mir weiter. Dadurch wusste ich, dass ich die Reihenfolge nach anderen Kriterien bestimmen musste.

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Reihenfolge

Für die finale Reihenfolge achtete ich auf mehrere Faktoren. Ich sortierte die Bilder nicht chronologisch, verteilte die Personen gleichmäßig und sorgte für eine ausgewogene Abwechslung zwischen Schwarz-Weiß und Farbe. Ebenso achtete ich darauf, verschiedene Stimmungen und Jahreszeiten zu mischen. Eine Balance zwischen nächtlichem Geblitze und Sonneneinstrahlungen. 
Auch Wiederholungen versuchte ich bewusst einzusetzen, manchmal spiegelt sich die Haltung im folgenden Bild wieder. Sehr wichtig war vor allem bei mir die Distanz zu der Person. Ich musste darauf Achten zwischen Nah-, Teil- und Fernaufnahmen hin und her zu wechseln, da sonst die Distanz zu repetitiv wurde.

Die Gedichte setzte ich nur in Bezug zu dem einzelnen Foto, neben dem sie gedruckt wurden. Die folgenden Bilder sollten der Stimmung des Gedichts bewusst widersprechen, da das, was man liest, auch die Wahrnehmung der Fotos beeinflussen kann.

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Gestaltung

Bei dem Format war ich relativ schnell entschieden. Ich wollte etwas Kompaktes, das die Fotografien möglichst groß abbildete, ohne die Qualitäten zu beeinträchtigen. So entschied ich mich für 18x26 cm. Auch wie groß die Fotos auf dem Papier sein sollten, war schnell entschieden: nämlich vollflächig. Ich hatte überwiegend hochformatige Fotos, und bei der Experimentation war auch schnell klar, dass die Fotos einzeln auf einer Doppelseite platziert werden sollten, neben einer weißen Seite. Sobald zwei Fotografien nebeneinander gezeigt wurden, machte man sich als betrachtende Person Gedanken über die Verbindungen zwischen den Bildern, darüber, wie diese Personen in Zusammenhang zueinander stehen könnten. Die querformatigen Fotos würden sich dann über beide Seiten erstrecken, um das ganze Format auszunutzen. Damit dies funktionierte, musste ich mehrere Fotos anschneiden, sodass keine Gesichter in der Mitte gefangen waren. Nur bei manchen Fotos wurde dadurch die Wirkung etwas beeinträchtigt.

Das Papier ist glänzend, da dies die reiche Farbigkeit der Filmfotografien einfängt und eine Verbindung zum Ursprung meiner Filme herstellt. Sprich, den Fotografien, die nach dem Gang zu Rossmann ausgedruckt vor mir lagen. Die Stärke beträgt 135g, sodass sich die 160 Seiten noch gut blättern lassen. Da ich direkt nach dem Kursende in mein Auslandssemester fuhr, ist der finale Ausdruck des Buches noch nicht zustande gekommen. Der Buchblock wird dann bei H. Heenemann gedruckt, sobald ich zurück bin.

Ich entschied mich für einen offenen Buchrücken, bei dem die vielen Seiten mit den verschiedenen Farben beim Aufschlagen des Covers sichtbar werden. Ich konnte einen schwarzen Faden verwenden, da in den Doppelseiten die Bilder so gesetzt waren, dass dieser nicht groß auffallen würde.

Kopfschmerzen bekam ich von der Textsetzung der Gedichte. Es ist auch nicht unbedingt meine Stärke, und es ist ein Bereich, in dem ich noch einiges lernen möchte. Ich versuchte vieles und kam wöchentlich mit neuen Versuchen in den Kurs, doch ich suchte lange, bis ich es heraus hatte. Anfangs war es klassisch experimentell, aber es war zu magazinhaft, zu plakativ. Teils überlagerte ich den Text mit dem Bild. Doch im Endeffekt gewann das Handschriftliche aus dem Feedback. So sind die Texte entstanden, und dieses Projekt ist etwas Persönliches. So konnte ich das am besten kommunizieren. In meinem Prototypen ist jede schriftliche Seite handschriftlich ins Buch geschrieben. Ob Geduld für die endgültigen Exemplare vorhanden ist, ist unwahrscheinlich. Diese werden eingescannt und mitgedruckt.

Endspurt

Die letzten paar Wochen waren die intensivsten. Sobald ich endlich die Reihenfolge hatte, machte ich mich an den Titel und die Covergestaltung. Da kamen erneut einige Fragen auf, vor allem in Bezug auf die Aufgabe, das Projekt in drei Sätzen zu beschreiben. Da musste ich nochmal in mich gehen, um herauszufinden, was ich eigentlich erreichen möchte.

For me, it's about love. The people I love, who have accepted me the way I am, with whom I have shared wonderful experiences, but also moments of intimacy, hurt, and loss. It’s about connection, relationships, laughter, fun, sadness, intimacy, hurt, and fear. Some parts only appear in writing. But it’s also about a group of people, people similar to me. We were all born around the year 2000, at the beginning of this Millennia. There’s a common sentiment among us all. It’s something between hope and worry. But what keeps us going is the belief that everything will be alright tomorrow.

That’s how I came to my title and subtitle.

Gedruckt habe ich das Cover mit Siebdruck. Ich bedruckte eine 3 mm dicke grüne Pappe. Die Farbe der Pappe entsprach gut dem Foto, das ich in Weiß drucken wollte. Es war ein Foto aus Istanbul, auf dem ein Kondom in einer riesigen Gruppe von Quallen umherschwamm. Ich mochte das Fragliche, leicht Provokative und Abstruse des Bildes.

Anfangs hatte ich viel mit Bildern von Personen herumexperimentiert, doch kam nie zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Schlussendlich bemerkte ich, dass dies ein Buch voller Personen ist, und es geht um jede Person. Eine einzelne Person auf dem Cover hervorzuheben, würde das Gesamtwerk entkräften.

Of course selber gebunden

Prototyp

Am Vierteljahrhundert angekommen, reflektiere ich über das Lachen, die Schönheit und die Liebe meiner Generation, geprägt von Ehrfurcht vor der Hoffnung, dass morgen alles wieder gut wird. Autobiographische Fotografien und Porträts fügen sich mit ein paar Strophen zusammen, um meine Einblicke und Emotionen lebendig werden zu lassen. Das ist mein Millennia – ein Blick in mein Leben, erzählt durch die Charaktere und Verbindungen, die mich prägen.

Finale

Videovorschau:

Thank you.

Thank you.

Thank you to all those who don’t appear on paper but had a great influence on the process. Thank you to everyone in my course who commented, gave their advice, and motivated me to push through this project. Thanks to Clara and Birte for sharing your knowledge, pushing me to do more, and helping me see things differently. Thank you to Clara Halouska for letting me cover her entire apartment with printouts and for holding a constant conversation throughout the course of our projects.

Thank you to everyone who appears in this book. It made me realize how grateful I am. I hold great love for all of you. You’ve enriched my life in ways that are hard to describe but that I hope to communicate through this book. A big thank you to everyone who listened to me read my poems again and again. You laughed, questioned them, but ultimately encouraged me to keep going.
This project helped me find a new way to combine two mediums that I already love, in a beautiful way. I’ll always be taking photos, I’ll always be writing. I’ll always have lovely people around me. I want to make many more.

THIS ONE GOES OUT TO THE ONES I LOVE

Wer gerne eine Kopie haben möchte, am besten auf Instagram anschreiben (@ben_niklas).

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