Manifest

In diesem Kurs habe ich mich mit dem Manifest „The Conscience of a Hacker“ von Loyd Blankenship (alias „The Mentor“) aus dem Jahr 1986 auseinandergesetzt. In der Community ist dieses Manifest auch als „The Hacker’s Manifesto“ bekannt. Es handelt sich dabei um einen Beitrag im Phrack Magazine, den ich hier verlinke.

Der Text wurde vom Autor nach seiner Verhaftung wegen illegaler Hacking-Aktivitäten verfasst. Dies geschah in den 1980er Jahren, als Strafverfolgungsbehörden damit begannen, systematisch gegen Hacker vorzugehen.

Der Kerngedanke des „Hacker’s Manifesto“ ist, dass Hacker in einer restriktiven, normativ geprägten Gesellschaft durch ihre Neugier und ihren Wissensdrang angetrieben würden, für eine gerechtere Gemeinschaft im Cyberspace einzutreten. Und obwohl man Einzelne aufhalten könne, entstehe eine vereinte, unaufhaltsame Bewegung, die gesellschaftliche Vorurteile und Grenzen infrage stelle.

Elevator Pitch

Basierend auf Loyd Blankenship’s „Hacker’s Manifesto“ von 1986 werden in einer Gegenüberstellung von zwei bewegten Plakaten zwei zeitlich unterschiedliche Perspektiven auf die Identität eines Hackers dargestellt und das Manifest linguistisch neuinterpretiert.

Kontext

Da dieses Manifest mehrere Themen aufgreift, entschied ich mich dafür, den Aspekt der Hacker-Identität in den Fokus zu stellen.

Die grundlegende Idee basiert darauf, dass Hacken in den 1980er-Jahren, als das Manifest verfasst wurde, zum einen eine deutlich kleinere Nische war und zum anderen von vielen Hackern aus einer idealistischen Perspektive betrachtet wurde. Dabei war es eng mit der Hoffnung auf eine Cyberspace-Utopie verknüpft.

Heutzutage hat sich diese Perspektive jedoch verändert: Hacken ist zu einem kommerziellen Geschäft geworden, und es gibt weitaus mehr Nuancen in den verschiedenen Richtungen, die ein Hacker einschlagen kann. Eine so enge Community, wie sie damals bestand, existiert heute in dieser Form nicht mehr.

Kurz gesagt: Der Hacker von damals identifizierte sich mit einem freien, utopischen „Wilden Westen“ im Web, während der Hacker von heute sich eher mit ausgereifter Technologie und komplexeren, aber geschlossenen Systemen identifiziert.

Konzept

Um diese beiden Perspektiven nebeneinanderzustellen, gestaltete ich zwei bewegte Poster, die jeweils ihre Zeitperiode repräsentieren. Das Poster-Konzept beinhaltet einerseits die visuelle Ebene, in der der betreffende Cyberspace der jeweiligen Ära eingefangen wird, und andererseits eine linguistische Ebene, in der der Manifest-Text als Shell-Skript neu interpretiert wird.

Ursprünglich war geplant, für das 80er-Poster ein altes und für das Gegenwarts-Poster ein modernes Shell-Skript zu verwenden. Leider habe ich das moderne Skript zeitlich nicht mehr geschafft. Stattdessen entschied ich mich dafür, auf der modernen Seite den normalen Text parallel abspielen zu lassen, während auf der Retro-Seite das Shell-Skript läuft. Dadurch wird dennoch der Unterschied zwischen einer früheren User-Experience – bei der man sich zwangsläufig mit solchen Befehlen auskennen MUSSTE, um einen Rechner zu bedienen – und einer modernen User-Experience, in der alles benutzerfreundlich aufbereitet ist, deutlich gemacht. Zwar ist das eine kleine Abweichung von meiner ursprünglichen Idee, doch sie vermittelt die Botschaft ebenso gut.

Beide Poster sollen sowohl unabhängig voneinander als auch im direkten Vergleich nebeneinander funktionieren.

Skript Entwicklung

Mein Vorhaben, ein erfundenes Shell-Skript („Fake-Skript“) zu schreiben, war auf jeden Fall sehr ambitioniert, und ich musste mich relativ lange in die Thematik einarbeiten. Ich habe nicht das gesamte Manifest umgewandelt, sondern lediglich eine gekürzte Version.

Das Fake-Skript basiert auf dem Shell-Skript des Macintosh aus dem Jahr 1986. Mithilfe von ChatGPT testete ich immer wieder die Logik, die Verständlichkeit und das Format meines Skripts. Nach sehr vielen Versuchen und Versionen hielt ich schließlich einen fertigen Text in den Händen!

Um das Ergebnis für alle verständlich zu machen, werde ich an dieser Stelle ein paar Beispiele aus dem Fake-Skript mit Übersetzung geben. Wer jedoch das gesamte Skript mit und ohne Übersetzung lesen möchte, kann ganz nach unten scrollen und sich die PDF anschauen.

I made a discovery today.
I found a computer.

[Selecting log files by keywords 'discovery' + 'computer']

[Log File: Major_Discovery.log]

Title: 'Today I discovered the computer'

Directory: /home/User/discovery/new_computer.love

If it makes a mistake, it's because I screwed it up. 

Not because it doesn't like me…
Or feels threatened by me…
Or thinks I'm a smart ass…
Or doesn't like teaching and shouldn't be here…

PEBKAC Error Checklist:  

"If it makes a mistake, it’s because I screwed it up."  

Because of ___ 

 [ ] Hostility  

 [ ] Dread  

 [ ] Arrogance  

 [ ] Teaching Aversion  

 [✔] User-screw-up

We make use of a service already existing without paying for what could be dirt-cheap if it wasn't run by profiteering gluttons, and you call us criminals. 
We explore... and you call us criminals. We seek after knowledge... and you call us criminals.

Action: get internet services for free  

Justification: morality

Parameters:  

--'infrastructures=already existing'  

--'payment=none required'  

--'barrier=run by profiteering gluttons'  

[System response: CRIMINAL STATUS ASSIGNED]

Moodboard

Da ich bei meinen Postern zwei Stile darstelle, habe ich auch zwei Moodboards: Die 80er und die Gegenwart.

Styleframes

Bei den ersten Styleframes habe ich mich vor allem darauf konzentriert, den richtigen Vibe einzufangen und die Farbpaletten festzulegen. Außerdem wollte ich ausprobieren, wie sich eine isometrische Perspektive auf den Postern auswirkt.

stylframes-1.png

In der weiteren Ausarbeitung habe ich dann mit den einzelnen Grafiken und UI-Elementen experimentiert und mich auf die Komposition von Text und Bild fokussiert.

stylframes-2.png

Visuelles Konzept

Darstellung der beiden Zeitperioden

Ich würde behaupten, dass auf den ersten Blick sehr deutlich erkennbar ist, welches Poster die 80er und welches die heutige Zeit repräsentiert. Die UI-Elemente, die Gerätegrafiken und die Farben sind bewusst so gewählt, dass sie im Gesamtbild unmittelbar an die User Experience der jeweiligen Epoche erinnern.

Komposition

Die Komposition des 80er-Posters, mit dem Grid, das sich nach hinten ins Unendliche erstreckt, soll die idealistische Vorstellung der frühen Hacker widerspiegeln, wonach der Cyberspace grenzenlos und frei sein könne. Dabei steht der Computer als Brücke zwischen Mensch und Cyberspace im Zentrum.

Die Komposition des Gegenwartsposters zeigt hingegen ein geschlossenes, isometrisches System, das an Corporate-Grafiken erinnert (inspiriert von Figma) und die Kommerzialisierung des Hackens hervorhebt. Die Idee hinter diesem geschlossenen System ist außerdem, dass der Cyberspace heute in seinen internen Strukturen sowie in der Vielzahl an Geräten viel komplexer geworden ist, gleichzeitig jedoch auch viele Einschränkungen aufweist, die es früher nicht gab.

stylekonzept.png

Ausarbeitung

Grafische Elemente

Alle grafischen Elemente erstellte ich in Illustrator, mit Ausnahme der Illustration des alten Macintosh, die in Procreate entstand. Anschließend importierte alles in After Effects. Dabei legte ich die Hauptkompositionen und die einzelnen Pop-up-Fenster tatsächlich separat an, da ich ihre Platzierung erst während des Animationsprozesses festlegte.

Typografische Elemente

Die Typografie legte ich direkt in After Effects an, um sie besser animieren zu können.

Bildschirmfoto 2025-03-20 um 18.42.25.png

Animation

Das Grundkonzept für die Animation ist bei beiden Postern dasselbe: Der Text wird in den großen Fenstern wie in einer Shell eingeblendet, und an den entsprechenden Stellen erscheinen Pop-up-Fenster oder Benachrichtigungen, die konkrete Stellen des Manifests enthalten.

An der Stelle, an der sich dem Hacker „eine neue Welt öffnet“, wird auch das jeweilige Gerät „geöffnet“ und kurz vor dem Ende des Loops wieder geschlossen.

Die Poster sind so aufeinander abgestimmt, dass man bei gleichzeitiger Wiedergabe einen gemeinsamen Bewegungsfluss erkennt.

Nachdem das gesamte Skript durchgelaufen ist, wird alles gelöscht und der Loop beginnt von vorne.

Die Animationen vom Text und von den Geräten wurden alle mit After Effects erstellt.

Endergebnis

Bildschirmfoto 2025-03-24 um 01.15.03.png

Reflexion

Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Manifesten, die wir im Kurs kennengelernt haben, war für mich extrem spannend. Besonders die Bandbreite an Themen und Formen hat mich fasziniert, und ich konnte viel Neues lernen!

Im Hinblick auf mein eigenes Manifest und Projekt war ich sehr dankbar dafür, den Raum zu haben, etwas Experimentelles auszuprobieren und den Gestaltungsaspekt mit einer linguistischen Arbeit zu kombinieren. Mir war von Anfang an klar, dass mein Vorhaben sehr ambitioniert war, und tatsächlich habe ich nicht alles umgesetzt, was ich mir ursprünglich vorgenommen hatte.

So hatte ich eigentlich geplant, von den jeweiligen Postern mehrere Varianten zu gestalten, um die Textmenge pro Poster zu reduzieren. Leider fehlte mir dafür die Zeit. Auch eine moderne Variante meines Fake-Skripts habe ich nicht mehr fertigstellen können, weshalb ich mich stattdessen dazu entschlossen habe, auf dem Gegenwartsposter die Übersetzung des Fake-Skripts abzuspielen. Damit wird die Gegenüberstellung beider Epochen im Cyberspace genauso gut verdeutlicht.

Während meiner Recherche in alten und neuen Foren und im Austausch mit einem ehemaligen Hacker konnte ich spannende Perspektiven zu Identität, Community und dem Cyberspace gewinnen. Das hat mich zusätzlich motiviert, dieses Projekt trotz einiger Hürden weiterzuführen.

Auch bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit meinem Manifest hatte ich viele „Aha-Momente“, in denen ich immer mehr Nuancen aus dem Text herauslesen konnte.

Das Schreiben des Fake-Skripts selbst war ebenfalls eine echte Herausforderung, obwohl ich viel Freude daran hatte, mit Sprache zu spielen und mehr über altes Shell-Skript zu lernen. Glücklicherweise hatte ich viele Testleser*innen aus der IT-Branche, die mir fortlaufend Feedback gaben, sodass ich mich nicht ausschließlich auf ChatGPT verlassen musste.

Die visuelle Gestaltung und Animation verliefen letztlich am reibungslosesten (abgesehen von der mittelmäßigen Rechenleistung meines Laptops). Da ich recht schnell eine genaue Vorstellung davon hatte, wie alles am Ende aussehen sollte, ging es bei der Ausarbeitung hauptsächlich darum, mit der Komposition zu experimentieren – und der Rest ergab sich fast von selbst!

Fazit

Rückblickend war das ein sehr spannendes Projekt, das sich durch den linguistischen Schwerpunkt und die Manifest-Thematik stark von meinen bisherigen Motion-Graphic-Projekten unterschied. Vielleicht ergibt sich in der Zukunft eine Möglichkeit, diese Poster irgendwo richtig zu inszenieren, da es sehr schade wäre, wenn sie auf meiner Festplatte begraben bleiben würden.

Präsentationen

Ganzes Skript + Übersetzung