I Vorwort
Manchmal ändert sich das Leben und manchmal landet man plötzlich in Hannover. Wer zum ersten Mal durch die Innenstadt schlendert oder eine der silber-grünen Stadtbahnen benutzt, wird von der eigenen Ausstrahlung der Stadt überrascht. Diese hinterlässt nicht unbedingt bei jedem Eindruck und deshalb kämpft Hannover den Anschein nach mit einem Wertschätzungsproblem.
Oft wird die Ursache dafür in den Aufbaubemühungen der Nachkriegsjahrzehnte gesucht. Sicherlich geht die jetzige Stadtlandschaft im Wesentlichen aus dieser Zeit hervor und landesweit werden wir mit dieser baulichen Epoche einfach nicht so richtig warm. Bewegt man sich allerdings als verwöhnter und manchmal vielleicht zu arroganter Wahlberliner mit einer Sympathie für Stadträume durch Hannover, erzeugt etwas Undefinierbares den Anschein von ungenutzten Potenzialen. Unabhängig jener Architektur und obwohl das Stadtgebiet mit besonderen und gut ausgebauten Strukturen fasziniert. Dieses Gefühl zusammen mit dem nicht geplanten Ortswechsel sowie einem Interesse an Fotografie, bildeten den Anfang dieser Auseinandersetzung. Nun sind die Dinge oft komplex, brauchen manchmal Geduld, Zeit und viel Hintergrundwissen. Deshalb ging es in der dreimonatigen gestalterischen und thematischen Untersuchung nicht um die fundierte Analyse des Stadtgebietes oder Hannovers Ansehen, sondern um die abstrakte Abbildung einer subjektiven Wahrnehmung von visuellen und thematischen Informationen.
Besonderheit in der Betrachtung lag dabei auf der Perspektive eines Ortsfremden mit einem persönlichen Blickwinkel. Einem Blick, vielleicht so eigen wie das Stadtbild selbst. In der Hoffnung einen Beitrag zu leisten, zu einer kritischen und fördernden Reflexion im Umgang mit dem Lebensraum – Hannover.

I Daten
Kamera/Objektiv:
Sony Alpha 7 24,3 MP Bildauflösung: 6.000 x 4.000 Pixel
Sony SEL 2870 FE 3,5-5,6/28-70 OSS
Programme:
Adobe Lightroom (Bearbeitung)
Adobe Indesign (Layout)
Umfang:
ca. 550 festhgehalten Motive
ca. 50 in der finalen Auswahl
ca. 55.000 Zeichen Text
Teil 1: Doku (60 Seiten)
Teil 2: Künstlerbuch (in der Entwicklung)
Maße beider Teile: 28cm x 20,5 cm
Fonts:
Antenna Regular, Italic, Bold
Layout und Gestaltung, Fotografien, Texte:
© Sascha Bochert 2019
I Herangehensweise
Diese Untersuchung entstand als Bachelorarbeit am Fachbereich Design der Fachhochschule Potsdam. Sie bildet damit einen Abschluss zum Bachelor of Arts Studium mit dem Schwerpunkt Kommunikationsdesign. Für die Auseinandersetzung stand eine dreimonatige Bearbeitungszeit zur Verfügung. Die Idee zum Thema entstand auf Grund persönlicher Veränderungen und daraus gewachsener Verbindungen in die Stadt Hannover kurz vor Beginn der Bearbeitungszeit. Der Leitgedanke bildete sich aus der Möglichkeit, mit den im Studium erlernten Fähigkeiten, den noch neuen und unbekannten Lebensraum zu erkunden sowie gestalterisch abzubilden. Der Fokus lag dabei auf einer abstrakten fotografischen Beobachtung der gegenwärtigen Stadtlandschaft. Bezugnehmend sollten den praktischen Teil Recherchen über die Stadt selbst sowie ihren städtebaulichen Entwicklungen, aber auch über die Relevanz solcher gestalterischen Arbeiten, theoretisch begleiten.
Besonderes Interesse galt zunächst Gebäudekomplexen und Stadtraumprojekten der 60er bis 80er Jahre und deren Veränderung bis heute. Recherchen aus örtlichen Bibliotheksbeständen dienten der Erfassung und Lokalisierung solcher städtebaulicher Besonderheiten. Sie fungierten schließlich wie Ankerpunkte, mit deren Hilfe das Stadtgebiet systematisch erkundet werden konnte. Aber auch alle Unterwegsorte, die das persönliche fotografische Interesse weckten, wurden untersucht und festgehalten. So konnte ein möglichst breites Spektrum an fotografischen Abbildungen erreicht werden.
Als technisches Umsetzungsmittel diente eine digitale Vollformatkamera mit einem 28-70mm Objektiv. Die digitale Fotografie hatte in diesem Fall den Vorteil der besser handhabbaren Nachbearbeitung und sie bot die Möglichkeit, die Bilder noch vor Ort zu sichten. Systemkameras überzeugen zusätzlich durch ihre Kompaktheit, was das Erkunden der ausgedehnten Fläche Hannovers erleichterte.
Das erarbeitete Material wurde anschließend sortiert und analysiert, unter gestalterischen Gesichtspunkten die qualitativsten und ausdrucksstärksten Motive ausgewählt und spielerisch in Bezug gesetzt. Die Zusammenstellung erfolgte nach dem Kriterium, der praktischen Arbeit einen eher abstrakten als informativen Charakter zu geben. Auf diese Weise wird die Absicht unterstützt, Reflexion über Eigenheiten anzuregen und weniger Offensichtliches fassbar zu machen. Alle finalen Fotografien wurden im Programm Lightroom von Adobe nachbearbeitet, Kontraste und Farbwerte leicht angepasst.
Anfangs entstanden begleitend zur fotografischen Recherche architektonisch, typografische Illustrationen. Diese wurde aus interessanten baulichen Konstruktionen entwickelt, die während der Materialsammlung im besonderen Maß auf sich aufmerksam machten. Diese dem qualitativen Niveau der fotografischen Arbeit anzupassen, war innerhalb der vorgegebenen Zeit nicht möglich. Auf deren Weiterentwicklung musste deshalb verzichtet werden.
Parallel wurde ein Präsentationsformat für die Fotografien in der Form eines Künstlerbuches entworfen. Das finale Format von 20,5 x 28 cm überzeugt durch seine harmonischen Proportionen. Es bietet sowohl Bildern im Hochformat als auch im Querformat ein angemessenes Größenverhältnis für genügend Ausdrucksstärke. Zusätzlich bietet es die Möglichkeit, große Bilder auf Doppelseiten zu integrieren. Das lockert den Bildverlauf und intensiviert das Betrachtungserlebnis.
Die ursprüngliche Idee, das Buchcover aus Verpackungsmaterial lokaler Unternehmen zu entwickeln, scheiterte an möglichen Kooperationspartnern. Für die textliche Umsetzung wurde die Schriftart Antenna von Chyrus Highsmith gewählt. Sie ist auch die Hauschrift des aktuellen Erscheinungsbildes und Logos des Großraums Hannover. Die serifenlose Linear-Antiqua integriert sich mit ihrer Erscheinung in die Kategorie der modernen Schriften des letzten Jahrhunderts, was zusätzlich einen thematischen Bezug zu dem eher minimalistisch geprägten Stadtbild Hannovers herstellt. Das typografische Layout folgt in seiner Art den Gestaltungen vieler Publikationen zur Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte. Modern interpretiert schlägt es damit den Bogen zum Kontext.
Auf die anfangs geplante theoretische Bezugnahme zu konkreten baulichen Informationen und anderen künstlerischen Arbeiten wurde schließlich nicht nur aus Zeitmangel verzichtet. Nach Sichtung des fotografischen Materials und der Literaturrecherche, erschien der Fokus auf einer textlichen Abhandlung über die besondere hannöversche Geschichte außerdem passender. Diese sollte gegebenenfalls als informative Ebene, die abstrakten Motive auch im finalen Künstlerbuch begleiten können. Deshalb ergab sich schnell das Vorhaben, jene weniger wissenschaftlich, sondern spannend und einfach zugänglich zu gestalten. Deshalb wurde für den begleitenden theoretischen Aufsatz ein umgangssprachlicher Schreibstil gewählt. Entstanden ist eine kritische These über die Einflussnahme der Ereignisse der letzten 1000 Jahre auf die Mentalität der Bevölkerung, die damit heute ihr Stadtbild prägt. Diese Behauptung soll in Kooperation mit der abstrakten Zusammenstellung und Art der Fotografien, zum Nachdenken anregen.





I Stadt Bild Hannover










I Fazit
Das Erkunden des Stadtgebietes von Hannover in den Frühlingswochen hat mir viel Freude bereitet. Mein Interesse für Fotografie und Stadtraum sowie Architektur hat sich erneut bestätigt. Die Zusammenstellung der Motive, sowie das Layout, empfinde ich als gelungen.
Auch das Einlesen in die Thematik gestaltete sich vielfältig und spannend. Den umfangreichen Informationsgehalt, zusammen mit meiner subjektiven Empfindung wissenschaftlich fundiert und möglichst objektiv fassbar zu machen, erwies sich jedoch als große Herausforderung. Genauso die abstrakte Wirkung der Motive zu beschreiben und eine konkrete Fragestellung hinter dem Thema auszuformulieren.
Während der anfangs neutralen Betrachtung, entwickelte sich eine kritische These, dessen Beantwortung noch nicht zufriedenstellend erfolgt ist. Vielleicht ist diese zu persönlich, vielleicht zu Unrecht, vielleicht begründet. Ich werde es herausfinden. In meinem neuen Lebensraum – Hannover.
