





















































Inwieweit sind solche Wissens- und Erinnerungsformen übertragbar und wie könnte eine Archivierung hilfreich sein? Sollten wir diese Plastikmaterialien sämtlich als Müll vernichten oder könnte die Archivierung aufschlussreich sein und Erkenntnisse bringen für die Zukunft? Hat auch die Interaktion des Sammelns und die Auseinandersetzung mit dem Material Einfluss auf Bewusstseinsbildung? Welche Stellung / Relevanz nimmt dabei der Prozess des Aufschreibens und Beschreibens für die Archivierung ein?
Mit dieser gestalterischen Form des Umgangs sollen keine technischen Lösungen vorgestellt werden. Ziel der Arbeit ist eher das Freilegen, Hervorholen, Aufzeigen und Präsentieren der Problematik um Plastik in ihrer Komplexität. Eine Art demonstratives Zeigen als Zwischenschritt des Verstehens.
Wir sind umgeben von Plastik, wir leben im Plastizän: Plastik als ambivalentes Phänomen ermöglicht fast alle Artikel des Wohlstands, Plastik befindet sich in all unseren Gewässern, in der Erde, in unserer Nahrung, in unseren Körpern (als Mikroplastik, als hormonwirksame Additive und als Herzklappe oder Brustimplantat). Weltweit werden 100 Millionen Barrel Erdöl pro Tag gefördert, davon werden ca. 60 % für die Energiegewinnung im gesamten Mobiliitätsbereich, bzw. 40 % für den Autoverkehr verbraucht und ca. 8% für die Herstellung von Plastik (ca. 4% Energiebedarf bei der Herstellung, ca. 4% als Ausgangsmaterial für die Raffination). Deutschland ist in Europa der größte Produzent von Plastik. 2009 ergab sich eine Produktion von 250 Millionen Tonnen jährlich, mittlerweile (2018) liegt die Produktion bei 350 Millionen. Plastik vergeht nicht, es ist nicht biologisch abbaubar, es dünstet lediglich seine Additive aus und zerfällt sehr langsam in Kleinstteile, diese akkumulieren in unserer Umgebung und es werden täglich mehr. Über die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus und Biosysteme wissen wir kaum etwas. Man schätzt, dass seit Beginn der Plastikproduktion bis 2017 6300 Millionen Tonnen Plastikmüll anfielen, wovon 9% recycled wurden, 12% wurden verbrannt und 79% lagern in der Umwelt oder in Deponien. Für den hochtoxischen Müll des verbrannten Plastiks gibt es bis jetzt keine Lösung, er wird u.A. in unterirdische Stollen, ehemalige Kaliwerke in Thüringen eingeleitet oder in ärmere Länder verschifft.
Die Arbeit besteht in Ihrem Rechercheteil aus Kapiteln zu 1. Plastik, 2. Archiven und 3. Verflechtungen von menschlichem Artefakt und Umgebung (Vermischung). In Plastik wird zunächst auf die historische Entwicklung von Kunststoffen eingegangen, sowie deren chemische Zusammensetzung, ihre Additive und ihre Unterarten, sowie ihre Transformation und Zersetzung. Archive stellten schon immer Speicherung von Wissen und/oder Wissensobjekten dar, in meiner Arbeit findet eine Verknüpfung des umfassenderen und erweiterten Archivbegriffs im Sinne von Objektarchiven / künstlerischen, wissenschaftlichen Sammlungen auch im ästhetischen Sinne statt, auf die im zweiten Teil (Archive und Sammlungen) eingegangen wird. Im Plastik konkretisiert sich eine Form der modernen Verflechtung von Mensch und Kultur/Technik (dritter Unterabschnitt Vermischung). Im Ergebnisteil der Arbeit findet sich die Dokumentation des 'Plastikarchivs': eine gestalterische Zusammenführung der drei theoretischen Abschnitte in den Kapitel 1. Feldforschung, 2. Spektroskopie / Analyse und 3. Archivkarton.
Das Projekt 'Plastikarchiv' hebt die Verrückung der Perspektive auf die Umwelt, im Vergleich zur Zeit vor der massenhaften Plastikablagerung, zugespitzt hervor. In der Darstellung von Plastikmüll, welchem ich in diesem Projekt den Platz und Raum widme, den in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden Kräuter und Pflanzen, oder auch Insekten eingenommen haben, weise ich auf die Rolle hin, den anthropogene Artefakte eingenommen haben. Dabei war mir wichtig, dass das Objekt 'Plastikarchiv' keine ästhetisierende Form der Auseinandersetzung sein soll, sondern vor Allem eine Arbeit, die Fragen aufwirft und durch eine überspitzte Darstellung provozierend wirken kann. Sie beschäftigt sich mit dem Archiv nicht nur als kollektivem Gedächtnis, sondern in dem Sinn, dass Archive Kristallisationspunkt verschiedenster gesellschaftlicher Diskurse und Techniken (mit Foucault) sind, und Archive das Gedächtnis nicht nur repräsentieren mit dem was in ihnen zu finden ist, sondern vor Allem auch mit dem, was dort nicht zu finden ist. Dieses Nicht-Repräsentierte wird in meinem fiktiven Archiv (dem 'Plastikarchiv') durch eine künstlerisch-gestalterische Auseinandersetzung sichtbar gemacht, und in einen spekulativen, institutionellen Erinnerungsraum gebracht. Ich denke, dass in der Metapher des Archivs zudem die gestalterische, soziale, technische und epistemologische Dimension dieser komplexen Problematik um menschliche Artefakte kulminiert bzw. sich konkretisiert.